S 11 KA 465/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 465/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 16/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

Die Heranziehung und Kostenbeteiligung von Privatärzten zum bzw. am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist vom Gestaltungsspielraum des hessischen Landesgesetzgebers und der Ermächtigungsgrundlage des § 23 Nr. 2 HessHeilberG gedeckt.

Die von der Beklagten in ihrer Bereitschaftsdienstordnung aufgenommene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe für die Kostenbeteiligung am ÄBD verstößt jedoch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, da bei der Berechnung der Beitragshöhe ohne sachliche Gründe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient. 
 

1. Die Bescheide der Beklagten vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 12.05.2021 und des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 2.431,22 € festgesetzt.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung zur Kostenbeteiligung am Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in den Quartalen III/19 und IV/19 sowie I/20 bis IV/20 aufgrund ausschließlich privatärztlicher Tätigkeit.

Die Klägerin ist als Privatärztin mit Praxis in A-Stadt niedergelassen.

Mit Schreiben vom 20.03.2019 (gemeinsam mit der Landesärztekammer Hessen) und vom 15.05.2019 versandte die Beklagte ein an alle Privatärzte gerichtetes Rundschreiben über die Einbeziehung der Privatärzte in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (kurz: ÄBD). In den Schreiben teilte die Beklagte mit, dass eine Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD ab dem 01.07.2019 geplant sei. Sie informierte über das Procedere zur Teilnahme und machte Ausführungen zu den bestehenden Teilnahmevoraussetzungen und die beizubringenden Nachweise und informierte über Befreiungsgründe. Weiter stellte sie die finanziellen Rahmenbedingungen dar und verwies auf zukünftig jährlich ergehende Beitragsbescheide. Das Schreiben schloss mit der Bitte, sich bei Bedarf rechtzeitig zu einem Seminar anzumelden und die erforderlichen Unterlagen einzureichen, damit ein reibungsloser Beginn der Mitwirkung im ÄBD gewährleistet werden könne.

Am 18.09.2019 erließ die Beklagte einen Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages für die Quartale III/2019 und IV/2019 (Bl. 8 f. d. Verwaltungsakte). Nach § 23 Heilberufsgesetz seien in eigener Praxis niedergelassene Privatärzte verpflichtet, am ÄBD der Beklagten teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD zu beteiligen. Dabei würden Privatärzte gemäß § 8 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung (BDO) einen pauschalen ÄBD-Betrag zahlen, dessen Höhe sich pro Quartal auf die Hälfte des von den Vertragsärzten zu leistenden Höchstbetrages belaufe. Der Höchstbetrag für die Vertragsärzte sei vom Vorstand der Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 BDO auf 1.500,00 € je Quartal festgelegt worden. Der Betrag für die Quartale III/2019 und IV/2019 belaufe sich für die Klägerin auf jeweils 750,00 €. Für die Quartale vor der Umsetzung der Regelung zum 01.07.2019 würden hingegen keine Beiträge erhoben, sodass sich der Beitrag für das Beitragsjahr 2019 auf insgesamt 1.500,00 € belaufe.

Die Klägerin legte mit Schreiben ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten vom 27.09.2019 Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 18.09.2019 ein und beantragte daneben, die Vollziehung des Bescheides auszusetzen. Sie trug vor, es träfe nicht zu, dass sich aus dem Heilberufsgesetz die Verpflichtung zur Teilnahme an dem von der Beklagten organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst ergäbe. Im Heilberufsgesetz sei geregelt, dass Privatärzte berufsrechtlich zum Notfalldienst verpflichtet seien. Es fände sich allerdings kein Wort davon, dass dies durch Einbeziehung in den ÄBD der Beklagten erfolge. Das gesamte Satzungsrecht, soweit es für Privatärzte in Anspruch genommen werde, sei unwirksam. Dies beträfe insbesondere § 8 Abs. 3 BDO. Selbstverständlich könne durch Satzungsrecht nicht die aufschiebende Wirkung des Widerspruches aufgehoben werden.

Am 09.03.2020 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages für die Quartale I/2020 bis IV/2020 (Bl. 16 f. d. Verwaltungsakte). Sie setzte einen Betrag von insgesamt 3.000,00 € für das Beitragsjahr 2020 fest.

Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch eigenes Schreiben vom 12.03.2020 (Bl. 18 d. Verwaltungsakte) und durch Schreiben ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten vom 23.03.2020 Widerspruch und beantragte daneben, die Vollziehung des Bescheides auszusetzen (Bl. 19 f. d. Verwaltungsakte). Zur Begründung führte sie aus, der Widerspruch sei erforderlich, da sich die Beklagte nicht an die im November 2019 getroffene Absprache halten würde und offenbar nicht bereit sei, sich auf ein Musterverfahren zu verständigen. Seinerzeit sei vereinbart worden, dass das Verfahren S 12 KA 305/19 am Sozialgericht Marburg als Musterverfahren geführt werde. Alle erhobenen Rechtsbehelfe würden sich nicht gegen die gesetzliche Regelung im Heilberufsgesetz, sondern gegen die Umsetzung durch Satzungsrecht, d. h. die Unterwerfung der Privatärzte unter die Regelungsgewalt der Beklagten richten. Berufsrechtlich seien alle niedergelassenen Ärzte zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet. Die Argumentation sei der Beklagten bekannt. Es werde auf den Rechtsstreit zum Aktenzeichen S 12 KA 305/19 verwiesen. Eine Erwiderung der Beklagten läge bislang nicht vor.

Die Klägerin erhielt am 24.06.2020 eine Zahlungserinnerung hinsichtlich der offenen ÄBD-Beiträge für das Jahr 2019 in Höhe von 1.500,00 € (Bl. 28 d. Verwaltungsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2020 entschied die Beklagte über die erhobenen Widersprüche der Klägerin und wies diese ebenso wie die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurück (Bl. 29 ff. d. Verwaltungsakte). Zur Begründung trug sie vor, Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Kostenbeteiligung am ÄBD sei § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz i. V. m. § 26 Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO) i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO. Die Klägerin sei ihr seitens der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) als in eigener Praxis niedergelassene Privatärztin und Kammerangehörige für die Einbeziehung in den ÄBD gemeldet worden. Somit sei sie Privatärztin im Sinne des § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz. Als Privatärztin bestünde die Pflicht am ÄBD der Beklagten teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD zu beteiligen. Eine Befreiungsmöglichkeit sei nach dem Heilberufsgesetz und der Berufsordnung nur hinsichtlich der Pflicht zur Teilnahme vorgesehen. Während bei den vertragsärztlichen Leistungserbringern der ÄBD-Beitrag als Honorarabzug ermittelt werde, werde bei Privatärzten die Beitragsfestsetzung abweichend vorgenommen. Grundsätzlich werde bei Privatärzten zur Deckung des Gesamtaufwandes des ÄBD zusätzlich zum Betriebskostenabzug als pauschaler ÄBD-Beitrag die Hälfte des in § 8 Abs. 2 BDO genannten Höchstbeitrages je Quartal erhoben. Auf Antrag könne bei der Beitragserhebung für das jeweilige Beitragsjahr der prozentuale Abzug, der für Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten und ermächtigte Krankenhausärzte zur Anwendung komme, zugrunde gelegt werden. Als Bezugsgröße für die prozentuale Beitragsberechnung werde dafür das Jahresbruttoeinkommen aus ärztlicher Tätigkeit aus dem Kalenderjahr herangezogen, das zum Zeitpunkt des aktuellen Beitragsjahres zwei Jahre zurückliege (Vor-Vorjahr). Vom Antragsteller sei dem Antrag als Nachweis grundsätzlich der entsprechende Einkommenssteuerbescheid beizufügen. Alternativ könne auch eine, durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellte, Bescheinigung über das im Rahmen der privatärztlichen Tätigkeit generierte Honorar nach GOÄ und / oder der UV-GOÄ eingereicht werden. Die Beklagte selbst verfüge über keine Möglichkeit bei Privatärzten Kenntnis über die Höhe des jährlichen Bruttoeinkommens aus ärztlicher Tätigkeit zu erlangen, weswegen die Kostenbeteiligungspflicht bei Privatärzten – anders als bei Beitragspflichtigen nach § 8 Abs. 2 BDO – nicht generell als prozentualer Abzug vom Honorar ausgestaltet sei. Sie berücksichtige mit der Möglichkeit der prozentualen Beitragsbemessung die unterschiedlichen Lebens- und Praxisplanungen und damit die individuellen Einkommensverhältnisse der Privatärzte. Die Berechnungsweise entspräche dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitsgrundsatz, da die Berechnung sich auf schriftlichen Antrag nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen richten würde. Zudem werde die finanzielle Last des einzelnen Arztes auf einen Höchstbetrag begrenzt. Aus den nach § 8 Abs. 1 bis 3 BDO erhobenen Beiträgen finanziere die Beklagte den gesamten Aufwand des ÄBD, was zum Beispiel die Miete der Räumlichkeiten, die Gestellung des nichtärztlichen Personals, Sachmittel, Unterstützungsleistungen und die Stundenpauschalen für die dienstverrichtenden Ärzte umfasse.
Sie verweise daneben auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 08.06.2020, Az. S 12 KA 304/19. Dort hätte das Gericht die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Regelungen betreffend die Kostenbeteiligungspflicht von Privatärzten am ÄBD festgestellt.
Soweit die Klägerin rüge, dass sie nicht für die Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD zuständig sei, weise sie darauf hin, dass sie durch die Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD den landesgesetzlichen Auftrag aus § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz erfülle. Ihr Handeln stehe im Einklang mit der Auffassung des Ministeriums für Soziales und Integration und sei mit der LÄKH abgestimmt. Zunächst hätte sie ihre BDO unter Abstimmung mit der LÄKH mit Beschluss der Vertreterversammlung vom 02.12.2017 geändert. Mit dieser Änderung sei die satzungsrechtliche Einbeziehung der Privatärzte in das System des ÄBD erfolgt. Die Änderung sei für die Vertragsärzte sowie für die Privatärzte als neue Normadressen gemeinsam im Hessischen Ärzteblatt veröffentlicht worden. Eine weitere Änderung der BDO sei mit Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 27.10.2018 erfolgt. Im Anschluss hätte die LÄKH als die hierfür zuständige Satzungsgeberin ihre BO durch einen Beschluss ihrer Delegiertenversammlung vom 24.11.2018 geändert. Die Veröffentlichung der Änderungen der BO sei im Hessischen Ärzteblatt 2/2019 erfolgt. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration hätte die Änderung der BO der LÄKH nach § 17 Abs. 2 Heilberufsgesetz genehmigt. Deshalb sei weder von einer Unzuständigkeit der Beklagte noch von einer Verfassungswidrigkeit des Heilberufsgesetzes auszugehen. 
Der von der Klägerin beantragten Akteneinsicht in die relevanten Verwaltungsvorgänge, die letztendlich zur Einbeziehung der Vertragsärzte geführt hätten, könne nicht nachgekommen werden, da diese Akten nicht vom Recht auf Akteneinsicht aus § 25 SGB X umfasst seien. Auch der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung werde abgelehnt. Die Beiträge der Privatärzte würden eine Beitragspflicht im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG darstellen, weshalb weder Widerspruch noch Klage aufschiebende Wirkung hätten. Die Vollziehung könne hier nicht ausgesetzt werden, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsakte bestehen würden und das öffentliche Interesse aufgrund der Bedeutung der Beiträge für die Finanzierung des ÄBD überwiegen würde.

Die Klägerin hat durch ihren ehemaligen Prozessbevollmächtigen am 24.09.2020 Klage am Sozialgericht Marburg erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Das Eilverfahren (Az. S 11 KA 485/20 ER) wurde durch Rücknahme beendet.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei schon unzulässig (Bl. 1 ff. d. Gerichtsakte). Die sich aus dem Heilberufsgesetz ergebende Verpflichtung zur Teilnahme am ÄBD der KVH sei berufsrechtlich nicht wirksam umgesetzt worden. Die Verpflichtung hätte berufsrechtlich, etwa durch eine Bereitschaftsdienstordnung der Ärztekammer oder einer gemeinsamen Bereitschaftsdienstordnung von KV und Ärztekammer, umgesetzt werden müssen. Es werde auf die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.09.2009 (Az. 3 B 67/09) und vom 09.06.1982 (Az. 3 C 21/84) verwiesen. Es sei nicht einmal vorstellbar, dass Ministerium und Ärztekammer es gewissermaßen dem Gutdünken oder der Willkür der Beklagten überlassen würden, wie diese die Privatärzte berufsrechtlich in Anspruch nehme. Der Landesgesetzgeber könne Privatärzte nur berufsrechtlich verpflichten, nach allgemeinen berufsrechtlichen Standards sich an dem ÄBD der Beklagten zu beteiligten. Aufgrund der berufsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage könne die Verpflichtung auch nur berufsrechtlich umgesetzt werden. Die Auffassung, dass der Landesgesetzgeber die Beklagte habe ermächtigen wollen, auf der Grundlage der von ihr geschaffenen Satzung Verwaltungsakte gegen die Privatärzte, die vom Zulassungsstatut her mit der Beklagten nichts zu tun hätten, zu erlassen, sei geradezu grotesk. Aus den beizuziehenden Verwaltungsvorgängen werde sich das Ausmaß der Rechtswidrigkeit ergeben. Es handele sich um eine berufspolitische Entscheidung gegen den Status der Privatärzte. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (– BVerfG – „Erftverbandsentscheidung“) zur Zwangs- oder Pflichtmitgliedschaft würde immer noch gelten; die berufspolitische Entscheidung sei unzulässig.
Grundlage für den berufsrechtlichen Status des Arztes sei die Bundesärzteordnung (BÄO), die ein Bundesgesetz darstelle. Zwar sei grundsätzlich der Landesgesetzgeber für die Berufsausübung zuständig, allerdings hätte hier der Bundesgesetzgeber von seinem konkurrierenden Gesetzgebungsrecht im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG „Gebrauch gemacht“. Es bestünde eine Sperrwirkung zu Lasten einer landesgesetzlichen Kompetenz, sodass der Landesgesetzgeber Privatärzte jedenfalls im Bereich des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes nicht der Regelungsgewalt der Beklagten unterwerfe. Der Bundesgesetzgeber hätte in § 75 SGB V eine abschließende Regelung getroffen, welche ausschließlich Vertragsärzte beträfe. Es bestünde keine Kompetenz des Landesgesetzgebers, für den ÄBD eine sog. Teilpflichtmitgliedschaft für Privatärzte zu begründen. Auch die Verweisung zur Prüfung von Berufsausübungsregelungen auf die Sozialgerichte sei unzulässig.
Selbst wenn man aber vorliegend von einem Gebrauchmachen mit Sperrwirkung ausgehe, so greife in jedem Fall das vom BVerfG entwickelte Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Der Landesgesetzgeber könne auf keinen Fall für einen Teilkomplex des vom Bundesgesetzgeber geregelten Kassenärztlichen Versorgungssystems eine Pflichtmitgliedschaft begründen und schon gar nicht die Sozialgerichtsbarkeit für zuständig erklären. Wenn man § 23 Heilberufsgesetz so auslege wie die Beklagte, sei die Norm verfassungswidrig. Die Norm sei vielmehr verfassungsgemäß so auszulegen, dass die Beteiligung der Privatärzte an dem Bereitschaftsdienst der Beklagten entweder durch eigene Satzung der Ärztekammer oder jedenfalls im Zusammenwirken mit der Beklagten in einer gemeinsamen Satzung hätte geregelt werden müsse. Vorliegend gehe es nicht um Regelungen der Krankenversicherung, sondern um Berufsausübungsregeln.
Die Beitragsverpflichtung sei schon dem Grunde nach unwirksam. Für die angefochtenen Bescheide fehle eine Rechtsgrundlage. Die Zuständigkeit der Beklagten sei alleine im SGB V geregelt. Die Ärztekammer sei nicht berechtigt gewesen, die berufsrechtliche Regelung des Bereitschaftsdienstes allein der Beklagten zu übertragen.
Der neue Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat darüber hinaus vorgetragen, dass die Regelungen zur Berechnung der Beitragshöhe gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen würden (Bl. 85 ff. d. Gerichtsakte).

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die ÄBD-Beitragsbescheide der Beklagten vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 12.05.2021 und des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, entgegen der Auffassung der Klägerin liege mit § 23 Nr. 2 HessHeilberG i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO eine wirksame Rechtsgrundlage für die Beitragsbescheide vor (Bl. 33 ff./72 ff./90 ff. d. Gerichtsakte). Die Norm sei nicht verfassungswidrig, da der Landesgesetzgeber hinsichtlich der Regelungen zur Berufsausübung einen weiten Gestaltungsspielraum besitze. Eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor, da es bereits an einer wesentlichen Gleichheit der Gruppen der Vertragsärzte und Privatärzte fehlen würde. Die Beitragsbescheide für Vertragsärzte beruhten auf § 75 SGB V i. V. m. § 8 Abs. 2 BDO, während die Beitragsbescheide gegenüber den Privatärzten auf § 23 Nr. 2 HessHeilberG i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO beruhen würden. Das bedeute im Umkehrschluss, dass die Beklagte privatärztliche Honorare von Vertragsärzten schon mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht berücksichtigen könne, da § 75 SGB V dies nicht hergebe. Auf Einnahmen von Vertragsärzten außerhalb ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit könne die Beklagte schlichtweg nicht zugreifen. Davon abgesehen würde die Unterscheidung zu keiner Benachteiligung der Privatärzte führen. Während bei diesen bei beantragter prozentualer Beitragsbemessung nach § 8 Abs. 3 Satz 4 BDO lediglich der jeweilige Jahresgewinn berücksichtigt werde, diene bei Vertragsärzten der jeweilige, höhere GKV-Umsatz als Bezugsgröße. Es sei zu berücksichtigen, dass den Vertragsärzten eine unbegrenzte privatärztliche Betätigung als Nebentätigkeit verwehrt sei, da sie bei übermäßiger privatärztlicher Betätigung de facto ihrem Versorgungsauftrag nicht hinreichend nachkommen könnten. Anders sei dies bei Privatärzten, die keinem Versorgungsauftrag unterliegen würden und damit frei wählen könnten, in welchem Umfang sie privatärztlich tätig seien. Entsprechend würden reine Privatärzte wesentlich höhere Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit erwirtschaften, die in der Höhe mit denen eines nur nebenbei privatärztlich tätigen Vertragsarztes nicht zu vergleichen seien. Vor diesem Hintergrund würden Privatärzte gegenüber Vertragsärzten bei der Beitragsbemessung nicht benachteiligt. Die Option der prozentualen Beitragsbemessung ermögliche überdies die Berücksichtigung der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sodass auch Härtefälle nicht vernachlässigt würden. Vertragsärzte hätten zudem die Verantwortung für eine viel größere Anzahl an Versicherten. Es erscheine nicht sachgerecht, die Beitragspflicht völlig einheitlich auszugestalten. Der Gestaltungsspielraum der Beklagten sei nicht überschritten worden.

Mit Schreiben vom 18.12.2020 hat die Klägerin bei der Beklagten eine individuelle Beitragsreduzierung für die Jahre 2019 und 2020 beantragt (Bl. 76 d. Gerichtsakte). Mit Bescheiden der Beklagten vom 12.05.2021 ist der Beitrag für das Jahr 2020 auf 430,19 Euro pro Quartal festgesetzt worden (Bl. 80 f. d. Gerichtsakte), für das Jahr 2019 auf 355,23 Euro pro Quartal (Bl. 78 f. d. Gerichtsakte).

Mit Verfügung vom 15.11.2021 hat das Gericht die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – und zur Streitwertfestsetzung angehört. Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 17.12.2021 (Bl. 72 ff. d. Gerichtsakte) und vom 28.12.2021 (Bl. 85 ff. d. Gerichtsakte) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache weist keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 15.11.2021 angehört. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt.

Die Klage auf Aufhebung der Beitragsbescheide der Beklagten ist zulässig (I.) und begründet (II.)

I. Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Sie richtet sich gegen die Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 12.05.2021, die gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind, und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet. Insoweit wird auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur BSG, Beschluss vom 05.05.2021, Az. B 6 SF 1/20 R) verwiesen, der sich die Kammer anschließt. Danach ist für Streitigkeiten über die Teilnahme am ÄBD der Beklagten einschließlich der Verpflichtung zur Kostenbeteiligung der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, d. h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, nicht eröffnet ist. Ist das – wie hier – nicht der Fall, entscheidet das angegangene Gericht des zulässigen Rechtsweges nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

II. Die Klage ist weiterhin auch begründet.

Die angegriffenen Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 12.05.2021 und des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie sind deshalb aufzuheben.

Gegenstand der angegriffenen Bescheide ist die Verpflichtung der Klägerin zur Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten einschließlich der Festsetzung der konkreten Höhe der Kostenbeteiligung für die Quartale III/19 und IV/19 sowie I/20 bis IV/20.

Während die Kammer die Heranziehung und Verpflichtung der Klägerin als Privatärztin zur Kostenbeteiligung am ÄBD durch die Beklagte für grundsätzlich rechtmäßig erachtet (1.), verstößt die Satzungsregelung zur Berechnung der Beitragshöhe zur Überzeugung der Kammer gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (2.).

1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zur Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten ist § 23 Nr. 2 des hessischen Gesetzes über die Berufsvertretungen, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Februar 2003, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 3. Mai 2018 (GVBl. S. 82) (im Folgenden HessHeilberG) i. V. m. § 8 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten.

Nach § 23 Nr. 2 HessHeilberG haben Berufsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HessHeilberG, also Ärzte, die in eigener Praxis tätig sind und zu denen auch der Kläger gehört, am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zu beteiligen. Danach ist für die Einrichtung und Durchführung des ÄBD im Einzelnen für alle nach § 23 des Heilberufsgesetzes verpflichteten Berufsangehörigen die Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten in der von der Vertreterversammlung am 25.05.2013 beschlossenen Fassung, in Kraft getreten am 01.10.2013, zuletzt geändert am 27.10.2018 und 30.03.2019 (im Folgenden BDO), maßgebend.

Die Vorschrift des § 23 Nr. 2 HessHeilberG wurde durch Art. 1 Nr. 15 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes vom 19.12.2016 (GVBl. Nr. 23 vom 27.12.2016, S. 329) neu eingefügt und trat zum 28.12.2016 in Kraft (Art. 2 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes). Nach der Entwurfsbegründung soll mit der Änderung die Möglichkeit eröffnet werden, dass auch ausschließlich privatärztlich niedergelassene Ärzte verpflichtend am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilnehmen und sich an den dabei entstehenden Kosten zu beteiligen haben (vgl. LTag-Drs. 19/3742, S. 5). 

Mit der Vorschrift hat der hessische Landesgesetzgeber eine ausdrückliche Verpflichtung aller niedergelassenen Ärzte, auch soweit sie ausschließlich privatärztlich tätig sind, zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und zur Kostenbeteiligung geschaffen und insoweit die Satzungsbefugnis der Landesärztekammer eingeschränkt. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb dies vom Gestaltungsspielraum des hessischen Landesgesetzgebers nicht gedeckt sein sollte. 

Entgegen der Auffassung der Klägerin fällt die Ausgestaltung des ÄBD als Teil des ärztlichen Berufsrechts gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (vgl. Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 17 Rn. 83).

Die in § 23 Nr. 2 HessHeilberG geregelte Konzentration des ÄBD bei der Beklagten unter Einbeziehung der Privatärzte verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des vorgebrachten Verstoßes gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die Ausgestaltung des ÄBD stellt eine Berufsausübungsregelung dar. Innerhalb der Berufsausübungsregelungen nimmt das BSG die Zuordnungen danach vor, ob die Intensität des Eingriffs derjenigen einer Berufswahlregelung nahekommt. Entscheidend ist, ob der Kernbereich des Berufsfeldes betroffen ist oder ob nur ein - nicht statusrelevanter - minder schwerer Eingriff gegeben ist (zu diesen Maßstäben vgl. BSG, Urteil vom 31.01.2001, Az. B 6 KA 24/00 R, Juris Rn. 24 und BVerfG, Beschluss vom 16.07.2004, Az. 1 BvR 1127/01, Juris Rn. 21 ff.). Die hier streitgegenständliche ordnungsrechtliche Umsetzung einer für alle Ärzte geltenden berufsrechtlichen Pflicht unterfällt dem Organisationsrecht und betrifft als solche weder den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit noch stellt sie einen schweren Eingriff in den Beruf des Arztes dar. Vielmehr ist die Regelung von dem Gemeinwohlziel eines effektiven Bereitschaftsdienstes getragen und als solche von dem weiten Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers umfasst. Der ÄBD bleibt weiterhin Aufgabe aller niedergelassenen Ärzte, so dass auch der befreite Arzt zur Finanzierung herangezogen werden kann. Die Umlage ist dazu bestimmt, die Kosten des Vorteils zu decken, den der einzelne Arzt aus der Durchführung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.11.2013, Az. 7 K 4877/11, Juris Rn. 59 ff.).

Im Hinblick auf das dargestellte Gemeinwohlziel stellt sich die Regelung auch als verhältnismäßig dar. Grundsätzlich gilt bei der Überprüfung von Gesetzen auf ihre Verhältnismäßigkeit, dass die Gerichte nur dann eingreifen können, wenn die normative Regelung bezogen auf das ihr zugrunde liegende Gemeinwohlziel schlechthin ungeeignet, eindeutig nicht erforderlich oder - auch bei Anerkennung eines Beurteilungsspielraums - unzumutbar ist, also insbesondere dann, wenn die der Rechtsnorm zugrunde liegenden Einschätzungen so offensichtlich fehlerhaft sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für normative Maßnahmen abgeben können (s. BSG, Urteil vom 09.04.2008, Az. B 6 KA 40/07 R unter Verweis auf BSG, Urteil vom 08.03.2000, Az. B 6 KA 12/99 R und m. w. N.). Das ist hier indessen nicht der Fall. Insofern hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass aufgrund der bereits bei ihr bestehenden Strukturen eine Konzentration des ÄBD bei ihr erfolgen sollte.

Die Heranziehung von Privatärzten durch die genannte Vorschrift und die weitergehenden Konkretisierungen durch Berufsordnung und Bereitschaftsdienstordnung ist mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar und deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die Privatärzte von der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung außerhalb der regulären Praxiszeiten auszunehmen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn alle niedergelassenen Ärzte am allgemeinen Notfalldienst teilzunehmen haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2013, Az. 3 B 35/13, Juris Rn. 3; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21.11.2016, Az. 7 K 3288/16, Juris Rn. 24 jeweils m. w. N.).

Der einzelne niedergelassene Arzt ist grundsätzlich verpflichtet, für die Betreuung seiner Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert (vgl. § 26 Abs. 3 BO). Der niedergelassene Arzt muss daher ggf. auch in den sprechstundenfreien Zeiten seine Patienten versorgen. Die ärztliche Versorgung ist nicht auf gewisse Zeiträume (z. B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sondern muss auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein („rund um die Uhr“). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt wird, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insb. für die Wochenenden) einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren. Hierbei handelt es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Ärzte, weshalb § 23 Nr. 2 HessHeilberG und § 26 Abs. 1 Satz 1 BO alle niedergelassenen Ärzte verpflichten, am ÄBD der Beklagten teilzunehmen. Der ärztliche Bereitschaftsdienst entlastet den einzelnen Arzt von der Versorgung seiner eigenen Patienten in den Zeiten, in denen er eingerichtet ist (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.11.2013, Az. 7 K 4877/11, Juris Rn. 51 ff.). Der ÄBD ist grundsätzlich Aufgabe aller Ärzte.

§ 24 Abs. 1 Satz 2 HessHeilberG sieht eine Befreiung eines Arztes vom ÄBD nur aus wichtigem Grund bzw. § 26 Abs. 1 Satz 2 BO nur aus schwerwiegenden Gründen vor. Dies schützt den einzelnen Arzt, wenn schwerwiegende Gründe einer Teilnahme am ÄBD entgegenstehen, er aber dennoch seine Praxis versorgen kann. Die Befreiung von der Teilnahme am ÄBD führt aber nur dazu, dass der befreite Arzt nicht selbst am ÄBD teilnehmen muss. Der ÄBD bleibt weiterhin Aufgabe aller niedergelassenen Ärzte, so dass auch der befreite Arzt zur Finanzierung herangezogen werden kann. Die Umlage ist dazu bestimmt, die Kosten des Vorteils zu decken, den der einzelne Arzt aus der Durchführung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.11.2013, Az. 7 K 4877/11, Juris Rn. 59 ff.). Gerade aufgrund des Umstandes, dass durch die Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD der Beklagten die Trennung des privatärztlichen und des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes aufgegeben wurde und es nun nur noch den einen (allgemeinen) Bereitschaftsdienst für alle Ärzte gibt, entlastet die erhobene Umlage auch die Privatärzte von der Verpflichtung der umfassenden zeitlichen Versorgung der Patienten.

Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes aus Art. 20 Abs. 3 GG bestehen ebenfalls nicht. Die Norm selbst regelt klar die Verpflichtung aller niedergelassenen Ärzte, auch soweit sie ausschließlich privatärztlich tätig sind, zur Teilnahme und Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten. Nicht zu beanstanden ist es, dass die Finanzierung bzw. Ausgestaltung der Kostenbeteiligung am ÄBD nicht direkt in § 23 Nr. 2 HessHeilberG geregelt ist, sondern sich erst über den Verweis in § 24 HessHeilberG auf § 26 Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. März 2019, zuletzt geändert am 01.12.2020 (HÄBL 1/2021, S. 31 < BO >) und von dort in § 7, 8 BDO ergibt. Eine unmittelbare Ausgestaltung in § 23 Nr. 2 HessHeilberG ist hier nicht erforderlich, da es sich – wie bereits zuvor dargelegt – nur um einen organisationsrechtlichen Bereich handelt. Die Verpflichtung des Gesetzgebers, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und die Schrankenbestimmung nicht anderen Stellen zu überlassen, gilt nur bei – hier nicht einschlägigen – statusrelevanten Berufsausübungsregelungen (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.1998, Az.B 6 KA 23/97 R; Schnapp/Nolden in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl. 2017, § 4 Rn. 18-20).

Der Gesetzgeber konnte die weitere Ausgestaltung auch der Landesärztekammer bzw. im Ergebnis der Beklagten überlassen. Die Landesärztekammer hat ihren verbliebenen Satzungsspielraum im Rahmen von § 24 HessHeilberG ausgestaltet. Danach regelt das Nähere zu § 23 die Berufsordnung. Sie hat insbesondere zu § 23 Nr. 2 HessHeilberG vorzusehen, dass die Teilnahmeverpflichtung nur für einen bestimmten regionalen Bereich gilt und von ihr aus wichtigem Grund, insbesondere wegen körperlicher Behinderung oder außergewöhnlicher familiärer Belastung sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung, auf Antrag ganz, teilweise oder vorübergehend befreit werden kann. Der Umstand, dass § 24 HessHeilberG offensichtlich nicht an die Änderung durch Art. 1 Nr. 15 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes angepasst worden ist, sondern unverändert geblieben ist, ist vorliegend unbeachtlich, da hier weder Fragen der Teilnahmeverpflichtung noch der Befreiung vom ÄBD Gegenstand des Verfahrens sind. Mit § 23 Nr. 2 HessHeilberG ist jedenfalls die Beitragspflicht und damit auch die Beitragsgestaltung auf die Beklagte übertragen worden.

Es bedarf keiner Regelung der Landesärztekammer zur Umsetzung dieser Beitragsverpflichtung, sondern dieser Gegenstand ist aufgrund des § 23 Nr. 2 HessHeilberG weitgehend ihrer Satzungsgewalt entzogen. Letztlich kann dies dahinstehen, da § 26 Abs. 2 Satz 1 BO ausdrücklich auf die BDO verweist. Ein solcher Verweis verstößt jedenfalls nicht gegen §§ 23 Nr. 2, 24 HessHeilberG.

Demzufolge kann die Beklagte die Klägerin grundsätzlich zur Kostenbeteiligung am ÄBD heranziehen.

2. Die angegriffenen Bescheide sind dennoch rechtswidrig, da die in § 8 BDO getroffene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Nach § 8 Abs. 1 BDO erfolgt die Finanzierung des ÄBD auf der Grundlage der im ÄBD abgerechneten Leistungen nach § 7 Abs. 3, mit Ausnahme der Wegepauschalen im ÄBD. Im ÄBD und im gebietsärztlichen Bereitschaftsdienst, sofern dieser in ÄBD-Zentralen durchgeführt wird, erhebt die Beklagte einen allgemeinen einheitlichen Abzug (Betriebskostenabzug) von 35 % des Anteils des ordnungsgemäß abgerechneten, anerkannten und beregelten Honorars, der in der Diensteinheit die Summe der Stundenpauschalen gemäß § 7 Abs. 1 Buchstabe a. BDO übersteigt.

Gemäß § 8 Abs. 2 BDO wird, wenn die Erträge nach Abs. 1 nicht zur Deckung des Gesamtaufwandes nach Abs. 4 ausreichen, zusätzlich ein jeweils einheitlicher ÄBD-Beitrag unter allen abrechnenden Ärzten und Psychotherapeuten sowie ermächtigten Krankenhausärzten nach folgender Regel erhoben: „Prozentualer, jeweils einheitlicher Abzug je Quartal vom Honorar jedes abrechnenden Arztes und Psychotherapeuten sowie jedes ermächtigten Krankenhausarztes mit einem festgelegten Höchstbeitrag. Die Höhe des Abzugssatzes und des Höchstbetrages wird durch den Vorstand der KVH festgelegt.“

Nach § 8 Abs. 3 BDO wird bei Privatärzten grundsätzlich abweichend von Abs. 2 zur Deckung des Gesamtaufwandes nach Abs. 4 zusätzlich zu den Erträgen nach Abs. 1 als pauschaler ÄBD-Beitrag die Hälfte des in Abs. 2 genannten Höchstbeitrages je Quartal erhoben. Das Beitragsjahr beginnt jeweils zum 1. Januar eines Kalenderjahres. Näheres regelt der Vorstand.

Auf Antrag kann für das jeweilige Beitragsjahr abweichend von Satz 1 bei der Beitragserhebung der prozentuale Abzug nach Abs. 2 zugrunde gelegt werden. Als Bezugsgröße für die prozentuale Beitragsberechnung wird das Jahresbruttoeinkommen aus ärztlicher Tätigkeit aus dem Kalenderjahr herangezogen, das zum Zeitpunkt des aktuellen Beitragsjahres zwei Jahre zurückliegt (Vor-Vorjahr). Vom Antragsteller ist dem Antrag als Nachweis der entsprechende Einkommensteuerbescheid beizufügen. In besonderen Fällen kann der Vorstand auf Antrag entscheiden, dass eine abweichende Bezugsgröße für den Einzelfall berücksichtigt wird. Der Widerspruch und die Klage gegen die Beitragsbescheide haben keine aufschiebende Wirkung. Der Beitrag wird nach Möglichkeit mit den Ansprüchen des Privatarztes gegen die Beklagte verrechnet.

Weiter regelt § 8 Abs. 4 BDO, dass die Beklagte aus den Erträgen nach den Absätzen 1 bis 3 sowie des pauschalierten Aufwendungsersatzes nach § 4 Abs. 5 BDO den gesamten Aufwand des ÄBD finanziert, einschließlich der Zahlungen an ÄBD-Ärzte gemäß § 7 BDO.

Die in § 8 Abs. 3 BDO getroffene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe des Klägers verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Zu den für das öffentliche Abgabenrecht geltenden Maßstäben gehören das Kostendeckungsprinzip, das Äquivalenzprinzip sowie der Gleichheitsgrundsatz. Diese Grundsätze beanspruchen für alle Formen der Abgabenerhebung gleichermaßen Geltung. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Im Rahmen einer vorteilsbezogenen Bemessung der Abgaben bedeutet dies, dass die Beiträge auch im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht zu bemessen sind (BSG, Urteil vom 30.10.2013, Az. B 6 KA 1/13 R, Juris Rn. 22 f.).

Nach dieser Maßgabe liegt vorliegend ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, da taugliche Vergleichsgruppen existieren, die ungleich behandelt werden (a), und für deren Ungleichbehandlung es an einer Rechtfertigung fehlt (b).

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei Vertrags- und Privatärzten um vergleichbare Gruppen, die im Hinblick auf die streitgegenständliche Regelung als wesentlich gleich zu erachten sind und deshalb auch gleichbehandelt werden müssen. Es kommt nicht darauf an, ob die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst aufgrund von unterschiedlichen Rechtsgrundlagen erfolgt, sondern für die Bildung der Vergleichsgruppen ist entscheidend, dass sowohl die Vertrags- als auch die Privatärzte verpflichtet sind, für die Betreuung ihrer Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert. Folgerichtig werden beide Gruppen nun auch in den selben Bereitschaftsdienst einbezogen, um die umfassende ärztliche Versorgung sämtlicher Patienten (egal ob gesetzlich oder privat versichert) rund um die Uhr vorzunehmen. Zwar mag die Einbeziehung der Vertragsärzte bislang primär aufgrund ihres Status als Vertragsarzt erfolgt sein und deren Versorgungsauftrag entsprechen. Durch die Anpassung von § 23 Nr. 2 HessHeilberufG und die nunmehr geregelte Einbeziehung sämtlicher Ärzte in den Bereitschaftsdienst der Beklagten handelt es sich aber gerade nicht mehr nur um einen rein vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst. Vielmehr besteht ein gemeinsamer Notdienst, dessen Organisation auf die Beklagte übertragen wurde. Der Umstand, dass die Einbeziehung der Vertragsärzte weiterhin über § 75 SGB V hergeleitet wird, kann im Hinblick auf die gemeinsame Ausübung des Notdienstes keine wesentliche Ungleichheit zu der Einbeziehung von Privatärzten begründen. Gemeinsamer Oberbegriff der Vergleichsgruppen ist die Eigenschaft als niedergelassener Arzt. 

Die Ungleichbehandlung der Vergleichsgruppen ergibt sich vorliegend daraus, dass bei der Berechnung der Beitragshöhe ohne sachliche Gründe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient.

b) Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt, da im Hinblick auf die streitgegenständliche Regelung zwischen den Vergleichsgruppen keine Unterschiede von besonderer Art oder besonderem Gewicht vorliegen.

Für die Kammer ist vielmehr kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb bei der Berechnung der Beitragshöhe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient. Die privatärztliche Tätigkeit der Vertragsärzte unterliegt grundsätzlich den gleichen Regeln wie die Tätigkeit der ausschließlich privatärztlich tätigen Ärzte. Rechtlich führen sie neben der vertragsärztlichen Praxis eine privatärztliche Praxis (SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 08.06.2020, Az. S 12 KA 304/19, Juris Rn. 49, vgl. weiter BSG, Urteil vom 28.05.2008Az. B 6 KA 9/07 R, Juris Rn. 35 u. 46; BSG, Urteil vom 14.05.1997, Az. 6 RKa 25/96, Juris Rn. 33; BT-Drs. 15/1525, S. 112).

Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BDO erfolgt bei den Vertragsärzten eine vorteilsbezogene Bemessung des Beitrages zum ÄBD. Eine Berücksichtigung der Einnahmen aus einer daneben geführten privatärztlichen Praxis erfolgt nicht. Bei den Privatärzten ist eine vorteilsbezogene Bemessung des Beitrages zum ÄBD auf Antrag nach § 8 Abs. 3 Satz 4 BDO ebenfalls möglich. Es erfolgt dann ein prozentualer Abzug vom Jahresbruttoeinkommen.

Sachliche Gründe dafür, diese gleichartigen Einnahmen im einen Fall der Privatärzte als einzige Bezugsgröße festzulegen, im anderen Fall der Vertragsärzte hingegen überhaupt nicht zu berücksichtigen, sind für die Kammer nicht ersichtlich. Der Aspekt der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens kann einen derart tiefgreifenden Gleichheitsverstoß jedenfalls nicht rechtfertigen. Entsprechende Bedenken hatte auch bereits die 12. Kammer des Sozialgerichts Marburg in einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 ausdrücklich geäußert (SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 08.06.2020, Az. S 12 KA 304/19, Juris Rn. 52).

Gleiches gilt, soweit die Beklagte ausführt, dass die Einnahmen aus einer neben der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeübten privatärztlichen Tätigkeit geringer sein müssten als die Einnahmen von ausschließlich privatärztlich tätigen Ärzten. Dies mag zwar vielfach zutreffen, zwingend ist dieser Schluss indes nicht. So gibt es eine Reihe von Privatärzten, die nur eine kleine Praxis führen und dabei wenig Einnahmen erzielen. Gerade im Vergleich mit diesen Privatärzten scheint eine Ausklammerung von sämtlichen privatärztlich erzielten Einnahmen von Vertragsärzten gleichheitswidrig. Hieran ändert auch die Möglichkeit der prozentualen Beitragsbemessung nichts, die diese die Ungleichbehandlung nicht vollkommen beseitigen kann. Für die Kammer überzeugt der Einwand der Beklagten auch deshalb nicht, weil die Argumentation, dass Privatärzte wesentlich höhere Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit erwirtschaften, die in der Höhe mit denen eines nur nebenbei privatärztlich tätigen Vertragsarztes nicht zu vergleichen seien, nicht mit dem Einwand harmoniert, auf die Einnahmen von Vertragsärzten außerhalb ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit könne grundsätzlich nicht zugegriffen werden. Der Kammer ist ein solcher Erfahrungssatz, dass Vertragsärzte nicht zumindest im Einzelfall auch hohe Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit erzielen können, nicht bekannt.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass die Vertragsärzte bereits in einem viel stärken Ausmaß mit Honorarabzügen belastet sein könnten und sie schon einen Höchstbetrag von bis zu 1.500,00 € zahlen müssten, weshalb eine weitere Berücksichtigung der privatärztlichen Tätigkeit unangemessen sein könnte. Denn wenn sich ein Vertragsarzt dazu entscheidet, neben seiner vertragsärztlichen Tätigkeit auch noch privatärztlich tätig zu werden, so führt er im Ergebnis zwei Praxen. Im Rahmen seiner privatärztlichen Tätigkeit ist er als vollwertiger Privatarzt zu betrachten mit der Folge, dass er in dieser Tätigkeit zur Aufrechterhaltung und Finanzierung des ÄBD herangezogen wird. Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, dass sie keine Möglichkeit hätte, das privatärztliche Honorar von Vertragsärzten zu berücksichtigen. Vielmehr gelingt ihr dies über § 8 Abs. 3 BDO. Danach gilt auch für die privatärztliche Tätigkeit eines Vertragsarztes, dass über § 8 Abs. 3 BDO ein pauschalierter Betrag bzw. bei Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden ein prozentualer Abzug festgesetzt werden kann. Dass § 8 BDO in seiner Gesamtheit für die Konstellation von Ärzten, die sowohl vertragsärztlich als auch privatärztlich tätig werden, keine passgenaue Regelung enthält, ändert nichts an der rechtlichen Möglichkeit, jede privatärztliche Tätigkeit zu berücksichtigen. Weiterhin verfängt auch das Argument nicht, dass nicht mit wesentlichen Mehreinnahmen zu rechnen sei. Hierbei handelt es sich nur um eine Vermutung, die sich – da die Beklagte selbst vorträgt, keinen Einblick in die privatärztliche Tätigkeit von Vertragsärzten zu haben – nicht weiter belegen lässt. Dem Umstand, dass der Anteil von Privatpatienten bei unter 10 % liegt, kommt keine besondere Bedeutung zu, da der Gesetzgeber mit der grundsätzlichen Einbeziehung aller Ärzte in den ÄBD der Beklagten zu erkennen gegeben hat, dass er jeden Privatarzt heranziehen will. Auf die Höhe der Mehreinnahmen im Einzelfall kam es dem Gesetzgeber dabei nicht an, sonst hätte er bei den Privatärzten eine Einkommensuntergrenze eingeführt, um sicherzustellen, dass der Verwaltungsaufwand nicht die zu erwartenden Mehreinnahmen übersteigt. Eine solche Regelung weist aber weder § 23 Nr. 2 HessHeilberufG noch die BDO der Beklagten auf. Es wäre der Beklagten in der Zukunft möglich, eine Einkommensuntergrenze unter Beachtung des Gleichheitssatzes – also zum Beispiel für alle Einkommen aus privatärztlicher Tätigkeit – festzuschreiben, wenn der Verwaltungsaufwand ihr andernfalls zu groß erscheint. Hinsichtlich der aktuellen Regelung zeigt gerade § 3 Abs. 7 BDO (Befreiung von der Teilnahmepflicht am ÄBD), dass der Umfang der (privatärztlichen) Tätigkeit weder hinsichtlich der Teilnahmeverpflichtung noch hinsichtlich der Finanzierungspflicht von entscheidender Bedeutung ist. Vielmehr gilt, dass jeder Arzt im Rahmen seiner vertragsärztlichen und / oder privatärztlichen Tätigkeit zur Teilnahme und Finanzierung des ÄBD verpflichtet ist.

Die zuvor festgestellte gleichheitswidrige Berechnung des pauschalen ÄBD-Betrages für Privatärzte führt zur Nichtigkeit der maßgeblichen Norm des § 8 Abs. 3 BDO.

Darüber hinaus bestehen Bedenken der Kammer, dass von den Privatärzten nur die Hälfte des in Abs. 2 genannten Höchstbeitrages je Quartal erhoben wird. Sachliche Gründe, warum der pauschale ÄBD-Beitrag bei Privatärzten niedriger angesetzt wird als bei den Vertragsärzten (derzeit 750,00 € statt 1.500,00 €), sind für die Kammer nicht ersichtlich. Die pauschale Herabsetzung des ÄBD-Beitrags für Privatärzte unabhängig vom Versorgungsauftrag (oder im Falle der Privatärzte einer vergleichbaren Größe) oder vom Einkommen, dürfte sich nicht mit dem Grundsatz einer vorteilsgerechten Bemessung in Einklang bringen lassen.

Infolgedessen besteht für die in den Bescheiden vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 12.05.2021 und des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 gegenüber der Klägerin festgesetzten ÄBD-Beträgen keine Rechtsgrundlage. Die Bescheide sind rechtswidrig und ersatzlos aufzuheben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten muss ihr im vorliegenden Fall auch keine Gelegenheit gegeben werden, den Gleichheitsverstoß im laufenden Verfahren zu beseitigen. Gegenstand ist hier alleine die Überprüfung der Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 12.05.2021 und des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 im Rahmen einer isolierten Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG. Es handelt sich also gerade nicht um die Konstellation einer notwendigen Neubescheidung, da der Kläger von der Beklagten keine Leistung begehrt, sondern sich alleine gegen die ihm von der Beklagten auferlegten Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages zum ÄBD wendet. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem vom BSG entschiedenen Fall zum Aktenzeichen B 6 KA 47/14 R (Urteil vom 17.02.2016), den die Beklagte anführt. In der dortigen Entscheidung begehrte der Kläger als Psychologischer Psychotherapeut die Vergütung nach der GOP Nr. 01102, was sich als problematisch darstellte, da die GOP im für Psychologische Psychotherapeuten maßgeblichen Abschnitt nicht aufgeführt war. Daran änderte sich alleine durch die Feststellung der Gleichheitswidrigkeit der Nichtaufnahme der GOP in den maßgeblichen Leistungsabschnitt nichts, was die Beklagte hinsichtlich der erst- und zweitinstanzlichen Verurteilung zur Auszahlung der streitigen GOP vor Probleme stellte. Hierauf entschied das BSG, dass dem Normgeber Gelegenheit gegeben werden müsse, eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen, bevor die Verwaltung erneut durch Verwaltungsakt entscheidet (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 37). Diese Konstellation ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da sich hier der Gleichheitsverstoß nur auf die Satzung der Beklagten bezieht, die es selbst in der Hand hat, eine neue verfassungsgemäße Regelung zu erlassen und hierauf aufbauend den Kläger (zukünftig) zur Kostenbeteiligung heranzuziehen.

Aus diesem Grund bedurfte es auch keiner Beiordnung der Landesärztekammer. Mit der Entscheidung wird nicht in deren Rechte eingegriffen.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Streitwertentscheidung ergeht als Beschluss.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 € anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz – GKG –). Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Auszugehen ist von einer Umlage in Höhe von ursprünglich 750,00 € im Quartal, die durch die Änderungsbescheide der Beklagten vom 12.05.2021 für das Jahr 2020 auf 430,19 Euro pro Quartal und für das Jahr 2019 auf 355,23 Euro pro Quartal reduziert wurde. Dieser Betrag ist für die hier streitigen sechs Quartale (III/19, IV/19, I/20 bis IV/20) entsprechend § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG hochzurechnen und ergibt den Betrag von 2.431,22 €.
 

Rechtskraft
Aus
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