S 18 KA 420/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 18 KA 420/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

Die Heranziehung und Kostenbeteiligung von Privatärzten zum bzw. am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist vom Gestaltungsspielraum des hessischen Landesgesetzgebers und der Ermächtigungsgrundlage des § 23 Nr. 2 HessHeilberG gedeckt.

Die von der Beklagten in ihrer Bereitschaftsdienstordnung aufgenommene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe für die Kostenbeteiligung am ÄBD verstößt jedoch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, da bei der Berechnung der Beitragshöhe ohne sachliche Gründe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient. 
 

1. Die Bescheide der Beklagten vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 4.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung zur Kostenbeteiligung am Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in den Quartalen III/19 bis IV/19 und I/20 bis IV/20 aufgrund ausschließlich privatärztlicher Tätigkeit.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin in eigener Praxis in A-Stadt niedergelassen und ausschließlich privatärztlich tätig.

Mit Schreiben vom 20.03.2019 (gemeinsam mit der Landesärztekammer Hessen) und vom 15.05.2019 versandte die Beklagte ein an alle Privatärzte gerichtetes Rundschreiben über die Einbeziehung der Privatärzte in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (kurz: ÄBD). In den Schreiben teilte die Beklagte mit, dass eine Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD ab dem 01.07.2019 geplant sei. Sie informierte über das Procedere zur Teilnahme und machte Ausführungen zu den bestehenden Teilnahmevoraussetzungen und die beizubringenden Nachweise und informierte über Befreiungsgründe. Weiter stellte sie die finanziellen Rahmenbedingungen dar und verwies auf zukünftig jährlich ergehende Beitragsbescheide. Das Schreiben schloss mit der Bitte, sich bei Bedarf rechtzeitig zu einem Seminar anzumelden und die erforderlichen Unterlagen einzureichen, damit ein reibungsloser Beginn der Mitwirkung im ÄBD gewährleistet werden könne.

Am 18.09.2019 erließ die Beklagte einen Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Betrages für die Quartale III/19 und IV/19. Nach § 23 Heilberufsgesetz seien in eigener Praxis niedergelassene Privatärzte verpflichtet, am ÄBD der Beklagten teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD zu beteiligen. Dabei würden Privatärzte gemäß § 8 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung (BDO) einen pauschalen ÄBD-Beitrag zahlen, dessen Höhe sich pro Quartal auf die Hälfte des von den Vertragsärzten zu leistenden Höchstbetrages belaufe. Der Höchstbetrag für die Vertragsärzte sei vom Vorstand der Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 BDO auf 1.500,00 € je Quartal festgelegt worden. Der Betrag für die Quartale III/19 und IV/19 belaufe sich für den Kläger auf jeweils 750,00 €. Für die Quartale vor der Umsetzung der Regelung zum 01.07.2019 würden hingegen keine Beiträge erhoben, sodass sich der Beitrag für das Beitragsjahr 2019 auf insgesamt 1.500,00 € belaufe.

Der anwaltlich vertretene Kläger legte mit Schriftsatz vom 26.09.2019 Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 18.09.2019 ein. Die Widerspruchsbegründung erfolgte am 29.10.2019. Hierin führte der Kläger aus, er unterliege in keiner Weise der Disziplinar- und Finanzgewalt der Beklagten, da er ausschließlich als Privatarzt zugelassen und tätig sei. Die Vorschriften des SGB V würden auf ihn keine Anwendung finden. Daneben sei er auch kein Mitglied der Beklagten, zwischen ihm und der Beklagten bestünden keinerlei Rechtsbeziehungen, weshalb er auch nicht die geforderten Zahlungen schulden würde. Die Zahlungsverpflichtung könne nicht auf § 23 Nr. 3 Heilberufsgesetz gestützt werden. Der Gesetzgeber könne eine Zuordnung der Notdiensttätigkeit eines Kammerangehörigen zu einer anderen Körperschaft als der Kammer, der er selbst angehört, nicht rechtswirksam anordnen. Es fehle an einer Anordnungsbefugnis des Landes, im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz für die Berufsausübung der Heilberufe, Berufsangehörige den Regelungen einer bundesrechtlich bestimmten Körperschaft zu unterwerfen. Mangels einer rechtmäßigen Ausübung der Gesetzgebungskompetenz könne sich die Behörde daher nicht auf eine wirksame gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen, aufgrund derer Berufsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Heilberufsgesetz zum Notdienst verpflichtet seien, wenn sich diese Verpflichtung nicht unmittelbar aus § 75 SGB V ergebe. Damit fehle es insgesamt an einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, aufgrund derer ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz gerechtfertigt sein könnte. Hinzu komme, dass die auf § 23 Heilberufsgesetz gestützte Anordnung als Ausfluss der Selbstverwaltungstätigkeit der Ärzteschaft nur gegenüber Ärzten Wirkung entfalten könne, die an der Gestaltung der Regelung mittelbar oder unmittelbar hätten mitwirken können, was auf ihn nicht zutreffen würde. Er unterfalle als Privatarzt nicht der Regelungsgewalt der Beklagten, so dass auch die Notdienstordnung auf ihn keine Anwendung finden könne.

Der Kläger erhielt am 24.06.2020 eine Zahlungserinnerung hinsichtlich der offenen ÄBD-Beiträge in Höhe von 1.500,00 €. 

Am 09.03.2020 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Betrages für die Quartale I/20 bis IV/20. Sie setzte einen Beitrag von insgesamt 3.000,00 € für das Beitragsjahr 2020 fest.
Gegen den Bescheid vom 09.03.2020 legte der Kläger mit Schriftsatz vom 18.03.2020 ebenfalls Widerspruch ein. Die anschließende Widerspruchsbegründung erfolgte nahezu inhaltsgleich zur Widerspruchsbegründung vom 29.10.2019.

Anschließend stellte er mit Schriftsatz vom 09.04.2020 (eingegangen am Sozialgericht Darmstadt am 10.07.2020) einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der zuvor erhobenen Widersprüche. Zur Begründung trug er unter anderem vor, die angefochtenen Bescheide seien offensichtlich rechtswidrig. Es fehle an einer Anordnungsbefugnis des Landes. Mangels einer rechtmäßigen Ausübung der Gesetzgebungskompetenz durch den Landesgesetzgeber könne sich die Beklagte nicht auf eine wirksame gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen. 

Das Sozialgericht Darmstadt erklärte sich für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Marburg. Dort gelangte das Verfahren in die 12. Kammer (Az. S 12 KA 292/20 ER). Der dortige Vorsitzende verfasste am 24.07.2020 einen umfassenden rechtlichen Hinweis, in dem er unter anderem auf das von ihm entschiedene Verfahren S 12 KA 304/19 verwies, welches derzeit am LSG Hessen (Az. L 4 KA 18/20) anhängig sei. Dort habe er entschieden, dass ein niedergelassener Arzt, der ausschließlich privatärztlich tätig sei, zur Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten herangezogen werden könne. Ebenfalls sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Im Hinblick auf den Eilantrag werde mitgeteilt, dass ein solcher vorliegend nur dann Erfolg haben könnte, wenn die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Von einer solchen offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Rückforderungsbescheide könne nicht ausgegangen werden. 
Aufgrund des Hinweises nahm der Kläger den Eilantrag zurück.

Die Beklagte entschied mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2020 über die Widersprüche des Klägers und wies diese als unbegründet zurück. Die Beitragsbescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 seien rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Kostenbeteiligung am ÄBD sei § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz i. V. m. § 26 Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO) i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO. Der Kläger sei ihr seitens der Landesärztekammer Hessen (kurz: LÄKH) als in eigener Praxis niedergelassener Privatarzt und Kammerangehöriger für die Einbeziehung in den ÄBD gemeldet worden. Somit sei er Privatarzt im Sinne des § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz. Als Privatarzt bestünde die Pflicht am ÄBD der Beklagten teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD zu beteiligen. Eine Befreiungsmöglichkeit sei nach dem Heilberufsgesetz und der Berufsordnung nur hinsichtlich der Pflicht zur Teilnahme vorgesehen. Während bei den vertragsärztlichen Leistungserbringern der ÄBD-Beitrag als Honorarabzug ermittelt werde, werde bei Privatärzten die Beitragsfestsetzung abweichend vorgenommen. Grundsätzlich werde bei Privatärzten zur Deckung des Gesamtaufwandes des ÄBD zusätzlich zum Betriebskostenabzug als pauschaler ÄBD-Beitrag die Hälfte des in § 8 Abs. 2 BDO genannten Höchstbeitrages je Quartal erhoben. Auf Antrag könne bei der Beitragserhebung für das jeweilige Beitragsjahr der prozentuale Abzug, der für Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten und ermächtigte Krankenhausärzte zur Anwendung komme, zugrunde gelegt werden. Als Bezugsgröße für die prozentuale Beitragsberechnung werde dafür das Jahresbruttoeinkommen aus ärztlicher Tätigkeit aus dem Kalenderjahr herangezogen, das zum Zeitpunkt des aktuellen Beitragsjahres zwei Jahre zurückliege (Vor-Vorjahr). Vom Antragsteller sei dem Antrag als Nachweis grundsätzlich der entsprechende Einkommenssteuerbescheid beizufügen. Alternativ könne auch eine, durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellte, Bescheinigung über das im Rahmen der privatärztlichen Tätigkeit generierte Honorar nach GOÄ und / oder der UV-GOÄ eingereicht werden. Die Beklagte selber verfüge über keine Möglichkeit bei Privatärzten Kenntnis über die Höhe des jährlichen Bruttoeinkommens aus ärztlicher Tätigkeit zu erlangen, weswegen die Kostenbeteiligungspflicht bei Privatärzten – anders als bei Beitragspflichtigen nach § 8 Abs. 2 BDO – nicht generell als prozentualer Abzug vom Honorar ausgestaltet sei. Sie berücksichtige mit der Möglichkeit der prozentualen Beitragsbemessung die unterschiedlichen Lebens- und Praxisplanungen und damit die individuellen Einkommensverhältnisse der Privatärzte. Die Berechnungsweise entspräche dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitsgrundsatz, da die Berechnung sich auf schriftlichen Antrag nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen richten würde. Zudem werde die finanzielle Last des einzelnen Arztes auf einen Höchstbetrag begrenzt. Aus den nach § 8 Abs. 1 bis 3 BDO erhobenen Beiträgen finanziere die Beklagte den gesamten Aufwand des ÄBD, was zum Beispiel die Miete der Räumlichkeiten, die Gestellung des nichtärztlichen Personals, Sachmittel, Unterstützungsleistungen und die Stundenpauschalen für die dienstverrichtenden Ärzte umfasse.
Sie verweise daneben auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 08.06.2020, Az. S 12 KA 304/19. Dort hätte das Gericht die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Regelungen betreffend die Kostenbeteiligungspflicht von Privatärzten am ÄBD festgestellt. Soweit der Kläger rüge, dass sie nicht für die Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD zuständig sei, weise sie darauf hin, dass sie durch die Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD den landesgesetzlichen Auftrag aus § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz erfülle. Ihr Handeln stehe im Einklang mit der Auffassung des Ministeriums für Soziales und Integration und sei mit der LÄKH abgestimmt. Zunächst hätte sie ihre BDO unter Abstimmung mit der LÄKH mit Beschluss der Vertreterversammlung vom 02.12.2017 geändert. Mit dieser Änderung sei die satzungsrechtliche Einbeziehung der Privatärzte in das System des ÄBD erfolgt. Die Änderung sei für die Vertragsärzte sowie für die Privatärzte als neue Normadressen gemeinsam im Hessischen Ärzteblatt veröffentlicht worden. Eine weitere Änderung der BDO sei mit Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 27.10.2018 erfolgt. Im Anschluss hätte die LÄKH als die hierfür zuständige Satzungsgeberin ihre BO durch einen Beschluss ihrer Delegiertenversammlung vom 24.11.2018 geändert. Die Veröffentlichung der Änderungen der BO sei im Hessischen Ärzteblatt 2/2019 erfolgt. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration hätte die Änderung der BO der LÄKH nach § 17 Abs. 2 Heilberufsgesetz genehmigt. Deshalb sei weder von einer Unzuständigkeit der Beklagte noch von einer Verfassungswidrigkeit des Heilberufsgesetzes auszugehen. 

Der anwaltlich vertretene Kläger hat hiergegen am 15.09.2020 (Eingangsdatum bei Gericht) Klage erhoben. Zur Begründung hat er auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren und auf das Vorbringen im Eilverfahren zum Aktenzeichen S 12 KA 292/20 ER verwiesen. Darüber hinaus teilt er mit, die angefochtenen Beitragsheranziehungsbescheide der Beklagten seien rechtswidrig, da sie nicht über eine wirksame, die von der Beklagten ausgesprochenen Rechtsfolge tragende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage verfügen würde. Die Beklagte stütze sich auf § 23 Ziff. 2 Hessisches Heilberufsgesetz (HBG) i.V.m. § 8 Abs. 3 BDO. Diese Begründung sei nicht haltbar, da der Normadressat des HBG in erster Linie die Landesärztekammer sei, keinesfalls aber die Beklagte. Die Formulierung in § 23 Ziff. 2 HBG reiche nicht aus, um ihm gegenüber eine wirksame, hinreichend konkrete Ermächtigungsgrundlage zu begründen. Dazu bedürfe es einer genauen gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelung, die zumindest den Rahmen der Kostenlast, genauere Umlegungsvoraussetzungen und das Veranlagungsverfahren normiere. An diesen Voraussetzungen fehle es vorliegend erkennbar. Eine hessische landesrechtliche Regelung, die eine Beitragspflicht dezidiert regele, gäbe es nicht. Die hessische Berufsordnung enthalte keine Regelungen über eine Beitragspflicht von Ärztinnen und Ärzten, die an dem Bereitschaftsdienst nicht teilnehmen wollen oder können; ein bloßer Hinweis in § 26 Abs. 2 Satz 1 BO auf die Regelung in der Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten reiche jedenfalls nicht aus, um sämtlichen Ärztinnen und Ärzte, die vom Regelungsgehalt des HBG erfasst würden – wozu natürlich auch er gehöre – der Regelung einer Beitragspflicht einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts, bei der diese Ärztinnen und Ärzte nicht Mitglied seien, zu unterstellen und originäre Eingriffsbefugnisse zu übertragen. Die Regelungskompetenz der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts könne sich nur auf die Angelegenheiten ihrer Mitglieder erstrecken, nicht hingegen gegenüber Nichtmitgliedern. § 75 SGB V regele die genaue Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung. Nach § 75 Abs. 1b Sätze 3 und 4 SGB V seien die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte zwar zur Leistungserbringung berechtigt, nicht aber verpflichtet. An keiner Stelle des Gesetzes würde sich eine Ermächtigungsgrundlage für die Beklagte ergeben, um gegenüber Nichtmitgliedern irgendwelche Sanktionen zu verhängen. Aus § 81 Abs. 5 SGB V gehe eindeutig und unmissverständlich hervor, dass sich die Regelungshoheit der Beklagten ausschließlich auf ihre Mitglieder beschränke, mithin auf Vertragsärzte. Dies träfe auf Privatärzte unter keinen Umständen zu, so dass die Privatärzte der Regelungshoheit der Beklagten unter keinen Umständen unterworfen sein könnten. Eine gegenteilige Annahme widerspreche sämtlichen Rechtsgrundsätzen in Bezug auf die Rechtssetzungsbefugnis und Regelungsgewalt von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Gegenüber körperschaftsfremden Personen dürfe eine Körperschaft grundsätzlich nicht tätig werden. Daraus folge, dass aufgrund der BDO gegenüber dem Kläger keinerlei belastende Verwaltungsakte durch die Beklagte erlassen werden dürften, da es sich bei der BDO um Satzungsrecht der Beklagten handele, das nur für den originären Rechtskreis der Beklagten gegenüber ihren Mitgliedern Rechtswirkungen zeitigen könne. Eine Regelungs- und Eingriffskompetenz der Beklagten könne aber auch nicht durch einen einfachen Verweis in einem Landesgesetz, welches allgemein die Rechtsverhältnisse der Ärztinnen und Ärzte regelt, oder durch einen Verweis in einer untergesetzlichen Rechtsnorm, hier der BO der Landesärztekammer, begründet werden. Dazu fehle dem Hessischen Landesgesetzgeber und auch dem Satzungsgeber der Berufsordnung die materielle Rechtssetzungsbefugnis. Dessen ungeachtet sei eine ausdrückliche Übertragung hoheitlicher Eingriffsbefugnisse auf die Beklagte für den Fall der Beitragspflicht im Rahmen der Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 BDO weder durch das Heilberufsgesetz (§§ 23 Ziff. 1, 24 HBG) noch durch die Berufsordnung Hessen (§ 26 BO) wirksam erfolgt. Aber selbst wenn man eine Regelungsbefugnis der Beklagten bejahen wolle, so müssten die Bescheide aufgehoben werden, da in den Bescheiden die Normenkette, aus der sich eine angebliche Eingriffsbefugnis ergeben würde, nicht explizit aufgeführt seien. 

Der Kläger beantragt,

die Heranziehungsbescheide der Beklagten vom 18.09.2019 und vom 09.03.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, der Widerspruchsbescheid vom 31.08.2020 sei betreffend der Heranziehung des Klägers zur Beteiligung an der Finanzierung des ÄBD rechtmäßig. Es werde auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen und diese ausdrücklich auch zum Gegenstand des Beklagtenvorbringens im hiesigen Verfahren gemacht. Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zur Zahlung eines Finanzierungsbeitrags sei §§ 23 Abs. 2 Nr. 2, 24 Heilberufsgesetz i.V.m. § 26 Abs. 2 HBO-Ä i.V.m. § 8 Abs. 3 BDO. § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz erweitere den Teilnehmerkreis des von der Beklagten organisierten ÄBD. Der Landesgesetzgeber hätte die Privatärzte bewusst in eine bereits bestehende Versorgungsstruktur eingegliedert. Entgegen dem Vorbringen des Klägers sei der Norm nicht zu entnehmen, dass die Landesärztekammer Hessen der Normadressat sei. Aus der gesetzlichen Pflichtbeteiligung folge zugleich das Bestehen eines Subordinationsverhältnisses, dass die Beklagte zum Handeln durch Verwaltungsakt in dem eng umgrenzten Bereich der Teilnahme- und Kostenbeteiligungspflicht am vertragsrechtlichen Notdienst berechtige. Soweit der Kläger rüge, dass die Pflicht zur Kostenbeteiligung nicht konkreter im Hessischen Heilberufsgesetz selbst geregelt sei, sei darauf hinzuweisen, dass die Kammern nach § 10 Hessisches Heilberufsgesetz die Erhebungsverfahren für ihre Beiträge, Gebühren und Auslagen auch in separaten Satzungsregelungen beschließen würden. Auch hier würden keine näheren Vorgaben zu den Verfahren durch den Landesgesetzgeber bestimmt. Der Kläger verkenne zudem, dass die Beklagte gemäß § 77 Abs. 3 SGB V eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, deren Haushalt vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration entsprechend § 78 Abs. 1 SGB V überwacht werde und die auch im Übrigen der Rechtsaufsicht des Landes unterliegen würde. Es seien auch keine Gründe dargelegt worden, warum die Regelungen der BDO nicht spätestens über den Verweis in § 26 Abs. 2 HBO-Ä Geltung für den Kläger beanspruchen sollten. Der vom Kläger aufgeführte Verweis in § 24 Hessisches Heilberufsgesetz sei wiederum nicht eindeutig. Sie gehe hier von einem Versehen des Gesetzgebers aus, da die Nummerierung in § 24 Satz 2 Hessisches Heilberufsgesetz nicht an die Änderung des § 23 Hessisches Heilberufsgesetz angepasst worden sei. Dieses Versehen könne auch dergestalt gedeutet werden, dass die nähere Ausgestaltung der Pflichten des § 23 Nr. 2 Hessisches Heilberufsgesetz unmittelbar der Beklagten hätte übertragen werden sollen. Der gesetzgeberische Wille sei nur unvollständig zum Ausdruck gekommen. Jedoch würde bei einer Auslegung im Sinne des Klägers die Absicht des Landesgesetzgebers, die bislang bestehenden Parallelstrukturen eines privat- und eines vertragsärztlichen Notdienstes mit der Gesetzesänderung zu beseitigen, gerade keine Verwirklichung in der Realität finden. 
Es bestünde auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Beitragspflichtigen seien verschieden, sodass eine vollständige Gleichbehandlung nicht möglich sei. Der Großteil der Versicherten in Deutschland sei gesetzlich krankenversichert, weshalb Vertragsärzte rein tatsächlich die Verantwortung für eine viel größere Anzahl von Versicherten hätten und den Löwenanteil des Finanzbedarfs des ÄBD tragen würden. Privatärzte wiederum würden weniger Einschränkungen und finanziellen Belastungen unterliegen. Sie seien eine sehr heterogene Gruppe. 83 % der privatärztlich niedergelassenen Ärzte in Hessen würden der Altersklasse 50-59 oder älter angehören, weshalb eine abweichende Beitragserhebung gerechtfertigt sei. Der Umstand, dass privatärztliche Honorare der Vertragsärzte unberücksichtigt bleiben würden, sei vom Gestaltungsspielraum der Beklagten gedeckt. Zum einem müsse berücksichtigt werden, dass sie in einem viel stärken Ausmaß mit Honorarabzügen belastet würden und der Großteil ihres Praxiseinkommens bereits zur Beitragserhebung herangezogen würde. So würden sie bereits einen Höchstbeitrag bis zu 1.500,00 € pro Quartal zahlen. Zudem sei auch der zusätzliche Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen, der zusätzliche Kosten verursachen würde und damit den ÄBD für alle Beitragsverpflichteten zusätzlich verteuern würde. Angesichts eines Anteils von nur 8,73 % PKV-Versicherte, die sich auf die gesamte hessische Ärzteschaft verteilen würde, erscheine es abwegig, dass sich bei Berücksichtigung relevante Mehreinnahmen generieren lassen würden. Des Weiteren sei die Heranziehung privatärztlicher Honorare von Vertragsärzten zur Bemessung von Kostenbeiträgen für den ÄBD der Beklagten rechtlich nicht möglich. Abschließend werde noch darauf hingewiesen, dass der Kläger keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG rügen könne. Er sei nicht beschwert, da er sich gegen die prozentuale Beitragsbemessung und für die Festsetzung eines Pauschalbeitrages entschieden hätte.

Mit Verfügung vom 15.11.2021 hat das Gericht die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache weist keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 15.11.2021 angehört. 

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet. Insoweit wird auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur BSG, Beschluss vom 05.05.2021, Az. B 6 SF 1/20 R) verwiesen, der sich die Kammer anschließt. Danach ist für Streitigkeiten über die Teilnahme am ÄBD der Beklagten einschließlich der Verpflichtung zur Kostenbeteiligung der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, d. h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, nicht eröffnet ist. Ist das – wie hier – nicht der Fall, entscheidet das angegangene Gericht des zulässigen Rechtsweges nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

Die Klage auf Aufhebung der Beitragsbescheide der Beklagten ist zulässig (I.) und begründet (II.)

I. Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. 

II. Die Klage ist weiterhin auch begründet.

Die angegriffenen Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie sind deshalb aufzuheben.

Gegenstand der Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 ist die Verpflichtung des Klägers zur Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten einschließlich der Festsetzung der konkreten Höhe der Kostenbeteiligung für die Quartale III/19 bis IV/19 und I/20 bis IV/20.

Während die Kammer die Heranziehung und Verpflichtung des Klägers als Privatarzt zur Kostenbeteiligung am ÄBD durch die Beklagte für grundsätzlich rechtmäßig erachtet (1.), verstößt die Satzungsregelung zur Berechnung der Beitragshöhe zur Überzeugung der Kammer gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (2.).

1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zur Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten ist § 23 Nr. 2 des hessischen Gesetzes über die Berufsvertretungen, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Februar 2003, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 3. Mai 2018 (GVBl. S. 82) (im Folgenden HessHeilberG) i. V. m. § 8 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten.

Nach § 23 Nr. 2 HessHeilberG haben Berufsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HessHeilberG, also Ärzte, die in eigener Praxis tätig sind und zu denen auch der Kläger gehört, am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zu beteiligen. Danach ist für die Einrichtung und Durchführung des ÄBD im Einzelnen für alle nach § 23 des Heilberufsgesetzes verpflichteten Berufsangehörigen die Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten in der von der Vertreterversammlung am 25.05.2013 beschlossenen Fassung, in Kraft getreten am 01.10.2013, zuletzt geändert am 27.10.2018 und 30.03.2019 (im Folgenden BDO), maßgebend.

Die Vorschrift des § 23 Nr. 2 HessHeilberG wurde durch Art. 1 Nr. 15 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes vom 19.12.2016 (GVBl. Nr. 23 vom 27.12.2016, S. 329) neu eingefügt und trat zum 28.12.2016 in Kraft (Art. 2 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes). Nach der Entwurfsbegründung soll mit der Änderung die Möglichkeit eröffnet werden, dass auch ausschließlich privatärztlich niedergelassene Ärzte verpflichtend am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilnehmen und sich an den dabei entstehenden Kosten zu beteiligen haben (vgl. LTag-Drs. 19/3742, S. 5). 

Mit der Vorschrift hat der hessische Landesgesetzgeber eine ausdrückliche Verpflichtung aller niedergelassenen Ärzte, auch soweit sie ausschließlich privatärztlich tätig sind, zur Teilnahme am ÄBD der Beklagten und zur Kostenbeteiligung geschaffen und insoweit die Satzungsbefugnis der Landesärztekammer eingeschränkt. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb dies vom Gestaltungsspielraum des hessischen Landesgesetzgebers nicht gedeckt sein sollte. 

Entgegen der Auffassung des Klägers fällt die Ausgestaltung des ÄBD als Teil des ärztlichen Berufsrechts gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (vgl. Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 17 Rn. 83).

Die in § 23 Nr. 2 HessHeilberG geregelte Konzentration des ÄBD bei der Beklagten unter Einbeziehung der Privatärzte verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des vorgebrachten Verstoßes gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die Ausgestaltung des ÄBD stellt eine Berufsausübungsregelung dar. Innerhalb der Berufsausübungsregelungen nimmt das BSG die Zuordnungen danach vor, ob die Intensität des Eingriffs derjenigen einer Berufswahlregelung nahekommt. Entscheidend ist, ob der Kernbereich des Berufsfeldes betroffen ist oder ob nur ein - nicht statusrelevanter - minder schwerer Eingriff gegeben ist (zu diesen Maßstäben vgl. z. B. BSG, Urteil vom 31.01.2001, Az. B 6 KA 24/00 R, Juris Rn. 24 und BVerfG, Beschluss vom 16.07.2004, Az. 1 BvR 1127/01, Juris Rn. 21 ff.). Die hier streitgegenständliche ordnungsrechtliche Umsetzung einer für alle Ärzte geltenden berufsrechtlichen Pflicht unterfällt dem Organisationsrecht und betrifft als solche weder den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit noch stellt sie einen schweren Eingriff in den Beruf des Arztes dar. Vielmehr ist die Regelung von dem Gemeinwohlziel eines effektiven Bereitschaftsdienstes getragen und als solche von dem weiten Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers umfasst. Der ÄBD bleibt weiterhin Aufgabe aller niedergelassenen Ärzte, so dass auch der befreite Arzt zur Finanzierung herangezogen werden kann. Die Umlage ist dazu bestimmt, die Kosten des Vorteils zu decken, den der einzelne Arzt aus der Durchführung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.11.2013, Az. 7 K 4877/11, Juris Rn. 59 ff.).

Im Hinblick auf das dargestellte Gemeinwohlziel stellt sich die Regelung auch als verhältnismäßig dar. Grundsätzlich gilt bei der Überprüfung von Gesetzen auf ihre Verhältnismäßigkeit, dass die Gerichte nur dann eingreifen können, wenn die normative Regelung bezogen auf das ihr zugrunde liegende Gemeinwohlziel schlechthin ungeeignet, eindeutig nicht erforderlich oder - auch bei Anerkennung eines Beurteilungsspielraums - unzumutbar ist, also insbesondere dann, wenn die der Rechtsnorm zugrunde liegenden Einschätzungen so offensichtlich fehlerhaft sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für normative Maßnahmen abgeben können (s. BSG, Urteil vom 09.04.2008, Az. B 6 KA 40/07 R unter Verweis auf BSG, Urteil vom 08.03.2000, Az. B 6 KA 12/99 R und m. w. N.). Das ist hier indessen nicht der Fall. Insofern hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass aufgrund der bereits bei ihr bestehenden Strukturen eine Konzentration des ÄBD bei ihr erfolgen sollte.

Die Heranziehung von Privatärzten durch die genannte Vorschrift und die weitergehenden Konkretisierungen durch Berufsordnung und Bereitschaftsdienstordnung ist mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar und deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die Privatärzte von der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung außerhalb der regulären Praxiszeiten auszunehmen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn alle niedergelassenen Ärzte am allgemeinen Notfalldienst teilzunehmen haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2013, Az. 3 B 35/13, Juris Rn. 3; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21.11.2016, Az. 7 K 3288/16, Juris Rn. 24 jeweils m. w. N.).

Der einzelne niedergelassene Arzt ist grundsätzlich verpflichtet, für die Betreuung seiner Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert (vgl. § 26 Abs. 3 BO). Der niedergelassene Arzt muss daher ggf. auch in den sprechstundenfreien Zeiten seine Patienten versorgen. Die ärztliche Versorgung ist nicht auf gewisse Zeiträume (z. B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sondern muss auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein („rund um die Uhr“). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt wird, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insb. für die Wochenenden) einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren. Hierbei handelt es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Ärzte, weshalb § 23 Nr. 2 HessHeilberG und § 26 Abs. 1 Satz 1 BO alle niedergelassenen Ärzte verpflichten, am ÄBD der Beklagten teilzunehmen. Der ÄBD entlastet den einzelnen Arzt von der Versorgung seiner eigenen Patienten in den Zeiten, in denen er eingerichtet ist (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.11.2013, Az. 7 K 4877/11, Juris Rn. 51 ff.). Der ÄBD ist grundsätzlich Aufgabe aller Ärzte.

§ 24 Abs. 1 Satz 2 HessHeilberG sieht eine Befreiung eines Arztes vom ÄBD nur aus wichtigem Grund bzw. § 26 Abs. 1 Satz 2 BO nur aus schwerwiegenden Gründen vor. Dies schützt den einzelnen Arzt, wenn schwerwiegende Gründe einer Teilnahme am ÄBD entgegenstehen, er aber dennoch seine Praxis versorgen kann. Die Befreiung von der Teilnahme am ÄBD führt aber nur dazu, dass der befreite Arzt nicht selbst am ÄBD teilnehmen muss. Der ÄBD bleibt weiterhin Aufgabe aller niedergelassenen Ärzte, so dass auch der befreite Arzt zur Finanzierung herangezogen werden kann. Die Umlage ist dazu bestimmt, die Kosten des Vorteils zu decken, den der einzelne Arzt aus der Durchführung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.11.2013, Az. 7 K 4877/11, Juris Rn. 59 ff.). Gerade aufgrund des Umstandes, dass durch die Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD der Beklagten die Trennung des privatärztlichen und des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes aufgegeben wurde und es nun nur noch den einen (allgemeinen) Bereitschaftsdienst für alle Ärzte gibt, entlastet die erhobene Umlage auch die Privatärzte von der Verpflichtung der umfassenden zeitlichen Versorgung der Patienten.

Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes aus Art. 20 Abs. 3 GG bestehen ebenfalls nicht. Die Norm selbst regelt klar die Verpflichtung aller niedergelassenen Ärzte, auch soweit sie ausschließlich privatärztlich tätig sind, zur Teilnahme und Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten. Nicht zu beanstanden ist es, dass die Finanzierung bzw. Ausgestaltung der Kostenbeteiligung am ÄBD nicht direkt in § 23 Nr. 2 HessHeilberG geregelt ist, sondern sich erst über den Verweis in § 24 HessHeilberG auf § 26 Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. März 2019, zuletzt geändert am 01.12.2020 (HÄBL 1/2021, S. 31 < BO >) und von dort in § 7, 8 BDO ergibt. Eine unmittelbare Ausgestaltung in § 23 Nr. 2 HessHeilberG ist hier nicht erforderlich, da es sich – wie bereits zuvor dargelegt – nur um einen organisationsrechtlichen Bereich handelt. Die Verpflichtung des Gesetzgebers, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und die Schrankenbestimmung nicht anderen Stellen zu überlassen, gilt nur bei – hier nicht einschlägigen – statusrelevanten Berufsausübungsregelungen (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.1998, Az.B 6 KA 23/97 R; Schnapp/Nolden in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl. 2017, § 4 Rn. 18-20).

Der Gesetzgeber konnte die weitere Ausgestaltung auch der Landesärztekammer bzw. im Ergebnis der Beklagten überlassen. Die Landesärztekammer hat ihren verbliebenen Satzungsspielraum im Rahmen von § 24 HessHeilberG ausgestaltet. Danach regelt das Nähere zu § 23 die Berufsordnung. Sie hat insbesondere zu § 23 Nr. 2 HessHeilberG vorzusehen, dass die Teilnahmeverpflichtung nur für einen bestimmten regionalen Bereich gilt und von ihr aus wichtigem Grund, insbesondere wegen körperlicher Behinderung oder außergewöhnlicher familiärer Belastung sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung, auf Antrag ganz, teilweise oder vorübergehend befreit werden kann. Der Umstand, dass § 24 HessHeilberG offensichtlich nicht an die Änderung durch Art. 1 Nr. 15 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes angepasst worden ist, sondern unverändert geblieben ist, ist vorliegend unbeachtlich, da hier weder Fragen der Teilnahmeverpflichtung noch der Befreiung vom ÄBD Gegenstand des Verfahrens sind. Mit § 23 Nr. 2 HessHeilberG ist jedenfalls die Beitragspflicht und damit auch die Beitragsgestaltung auf die Beklagte übertragen worden.

Es bedarf keiner Regelung der Landesärztekammer zur Umsetzung dieser Beitragsverpflichtung, sondern dieser Gegenstand ist aufgrund des § 23 Nr. 2 HessHeilberG weitgehend ihrer Satzungsgewalt entzogen. Letztlich kann dies dahinstehen, da § 26 Abs. 2 Satz 1 BO ausdrücklich auf die BDO verweist. Ein solcher Verweis verstößt jedenfalls nicht gegen §§ 23 Nr. 2, 24 HessHeilberG.

Demzufolge kann die Beklagte den Kläger grundsätzlich zur Kostenbeteiligung am ÄBD heranziehen.

2. Die angegriffenen Bescheide sind dennoch rechtswidrig, da die in § 8 BDO getroffene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Nach § 8 Abs. 1 BDO erfolgt die Finanzierung des ÄBD auf der Grundlage der im ÄBD abgerechneten Leistungen nach § 7 Abs. 3, mit Ausnahme der Wegepauschalen im ÄBD. Im ÄBD und im gebietsärztlichen Bereitschaftsdienst, sofern dieser in ÄBD-Zentralen durchgeführt wird, erhebt die Beklagte einen allgemeinen einheitlichen Abzug (Betriebskostenabzug) von 35 % des Anteils des ordnungsgemäß abgerechneten, anerkannten und beregelten Honorars, der in der Diensteinheit die Summe der Stundenpauschalen gemäß § 7 Abs. 1 Buchstabe a. BDO übersteigt.

Gemäß § 8 Abs. 2 BDO wird, wenn die Erträge nach Abs. 1 nicht zur Deckung des Gesamtaufwandes nach Abs. 4 ausreichen, zusätzlich ein jeweils einheitlicher ÄBD-Beitrag unter allen abrechnenden Ärzten und Psychotherapeuten sowie ermächtigten Krankenhausärzten nach folgender Regel erhoben: „Prozentualer, jeweils einheitlicher Abzug je Quartal vom Honorar jedes abrechnenden Arztes und Psychotherapeuten sowie jedes ermächtigten Krankenhausarztes mit einem festgelegten Höchstbeitrag. Die Höhe des Abzugssatzes und des Höchstbetrages wird durch den Vorstand der KVH festgelegt.“

Nach § 8 Abs. 3 BDO wird bei Privatärzten grundsätzlich abweichend von Abs. 2 zur Deckung des Gesamtaufwandes nach Abs. 4 zusätzlich zu den Erträgen nach Abs. 1 als pauschaler ÄBD-Beitrag die Hälfte des in Abs. 2 genannten Höchstbeitrages je Quartal erhoben. Das Beitragsjahr beginnt jeweils zum 1. Januar eines Kalenderjahres. Näheres regelt der Vorstand.

Auf Antrag kann für das jeweilige Beitragsjahr abweichend von Satz 1 bei der Beitragserhebung der prozentuale Abzug nach Abs. 2 zugrunde gelegt werden. Als Bezugsgröße für die prozentuale Beitragsberechnung wird das Jahresbruttoeinkommen aus ärztlicher Tätigkeit aus dem Kalenderjahr herangezogen, das zum Zeitpunkt des aktuellen Beitragsjahres zwei Jahre zurückliegt (Vor-Vorjahr). Vom Antragsteller ist dem Antrag als Nachweis der entsprechende Einkommensteuerbescheid beizufügen. In besonderen Fällen kann der Vorstand auf Antrag entscheiden, dass eine abweichende Bezugsgröße für den Einzelfall berücksichtigt wird. Der Widerspruch und die Klage gegen die Beitragsbescheide haben keine aufschiebende Wirkung. Der Beitrag wird nach Möglichkeit mit den Ansprüchen des Privatarztes gegen die Beklagte verrechnet.

Weiter regelt § 8 Abs. 4 BDO, dass die Beklagte aus den Erträgen nach den Absätzen 1 bis 3 sowie des pauschalierten Aufwendungsersatzes nach § 4 Abs. 5 BDO den gesamten Aufwand des ÄBD finanziert, einschließlich der Zahlungen an ÄBD-Ärzte gemäß § 7 BDO.

Die in § 8 Abs. 3 BDO getroffene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe des Klägers verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Zu den für das öffentliche Abgabenrecht geltenden Maßstäben gehören das Kostendeckungsprinzip, das Äquivalenzprinzip sowie der Gleichheitsgrundsatz. Diese Grundsätze beanspruchen für alle Formen der Abgabenerhebung gleichermaßen Geltung. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Im Rahmen einer vorteilsbezogenen Bemessung der Abgaben bedeutet dies, dass die Beiträge auch im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht zu bemessen sind (BSG, Urteil vom 30.10.2013, Az. B 6 KA 1/13 R, Juris Rn. 22 f.).

Nach dieser Maßgabe liegt vorliegend ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, da taugliche Vergleichsgruppen existieren, die ungleich behandelt werden (a), und für deren Ungleichbehandlung es an einer Rechtfertigung fehlt (b).

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei Vertrags- und Privatärzten um vergleichbare Gruppen, die im Hinblick auf die streitgegenständliche Regelung als wesentlich gleich zu erachten sind und deshalb auch gleichbehandelt werden müssen. Es kommt nicht darauf an, ob die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst aufgrund von unterschiedlichen Rechtsgrundlagen erfolgt, sondern für die Bildung der Vergleichsgruppen ist entscheidend, dass sowohl die Vertrags- als auch die Privatärzte verpflichtet sind, für die Betreuung ihrer Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert. Folgerichtig werden beide Gruppen nun auch in den selben Bereitschaftsdienst einbezogen, um die umfassende ärztliche Versorgung sämtlicher Patienten (egal ob gesetzlich oder privat versichert) rund um die Uhr vorzunehmen. Zwar mag die Einbeziehung der Vertragsärzte bislang primär aufgrund ihres Status als Vertragsarzt erfolgt sein und deren Versorgungsauftrag entsprechen. Durch die Anpassung von § 23 Nr. 2 HessHeilberufG und die nunmehr geregelte Einbeziehung sämtlicher Ärzte in den Bereitschaftsdienst der Beklagten handelt es sich aber gerade nicht mehr nur um einen rein vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst. Vielmehr besteht ein gemeinsamer Notdienst, dessen Organisation auf die Beklagte übertragen wurde. Der Umstand, dass die Einbeziehung der Vertragsärzte weiterhin über § 75 SGB V hergeleitet wird, kann im Hinblick auf die gemeinsame Ausübung des Notdienstes keine wesentliche Ungleichheit zu der Einbeziehung von Privatärzten begründen. Gemeinsamer Oberbegriff der Vergleichsgruppen ist die Eigenschaft als niedergelassener Arzt. 

Die Ungleichbehandlung der Vergleichsgruppen ergibt sich vorliegend daraus, dass bei der Berechnung der Beitragshöhe ohne sachliche Gründe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient.

b) Die festgestellte Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt, da im Hinblick auf die streitgegenständliche Regelung zwischen den Vergleichsgruppen keine Unterschiede von besonderer Art oder besonderem Gewicht vorliegen.

Für die Kammer ist vielmehr kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb bei der Berechnung der Beitragshöhe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient. Die privatärztliche Tätigkeit der Vertragsärzte unterliegt grundsätzlich den gleichen Regeln wie die Tätigkeit der ausschließlich privatärztlich tätigen Ärzte. Rechtlich führen sie neben der vertragsärztlichen Praxis eine privatärztliche Praxis (SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 08.06.2020, Az. S 12 KA 304/19, Juris Rn. 49, vgl. weiter BSG, Urteil vom 28.05.2008, Az. B 6 KA 9/07 R, Juris Rn. 35 u. 46; BSG, Urteil vom 14.05.1997, Az. 6 RKa 25/96, Juris Rn.33; BT-Drs. 15/1525, S. 112).

Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BDO erfolgt bei den Vertragsärzten eine vorteilsbezogene Bemessung des Beitrages zum ÄBD. Eine Berücksichtigung der Einnahmen aus einer daneben geführten privatärztlichen Praxis erfolgt nicht. Bei den Privatärzten ist eine vorteilsbezogene Bemessung des Beitrages zum ÄBD auf Antrag nach § 8 Abs. 3 Satz 4 BDO ebenfalls möglich. Es erfolgt dann ein prozentualer Abzug vom Jahresbruttoeinkommen.

Sachliche Gründe dafür, diese gleichartigen Einnahmen im einen Fall der Privatärzte als einzige Bezugsgröße festzulegen, im anderen Fall der Vertragsärzte hingegen überhaupt nicht zu berücksichtigen, sind für die Kammer nicht ersichtlich. Der Aspekt der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens kann einen derart tiefgreifenden Gleichheitsverstoß jedenfalls nicht rechtfertigen. Entsprechende Bedenken hatte auch bereits die 12. Kammer des Sozialgerichts Marburg in einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 ausdrücklich geäußert (SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 08.06.2020, Az. S 12 KA 304/19, Juris Rn. 52).

Gleiches gilt, soweit die Beklagte ausführt, dass die Einnahmen aus einer neben der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeübten privatärztlichen Tätigkeit geringer sein müssten als die Einnahmen von ausschließlich privatärztlich tätigen Ärzten. Dies mag zwar vielfach zutreffen, zwingend ist dieser Schluss indes nicht. So gibt es eine Reihe von Privatärzten, die nur eine kleine Praxis führen und dabei wenig Einnahmen erzielen. Gerade im Vergleich mit diesen Privatärzten scheint eine Ausklammerung von sämtlichen privatärztlich erzielten Einnahmen von Vertragsärzten gleichheitswidrig. Hieran ändert auch die Möglichkeit der prozentualen Beitragsbemessung nichts, die diese die Ungleichbehandlung nicht vollkommen beseitigen kann. Für die Kammer überzeugt der Einwand der Beklagten auch deshalb nicht, weil die Argumentation, dass Privatärzte wesentlich höhere Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit erwirtschaften, die in der Höhe mit denen eines nur nebenbei privatärztlich tätigen Vertragsarztes nicht zu vergleichen seien, nicht mit dem Einwand harmoniert, auf die Einnahmen von Vertragsärzten außerhalb ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit könne grundsätzlich nicht zugegriffen werden. Der Kammer ist ein solcher Erfahrungssatz, dass Vertragsärzte nicht zumindest im Einzelfall auch hohe Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit erzielen können, nicht bekannt.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass die Vertragsärzte bereits in einem viel stärken Ausmaß mit Honorarabzügen belastet sein könnten und sie schon einen Höchstbetrag von bis zu 1.500,00 € zahlen müssten, weshalb eine weitere Berücksichtigung der privatärztlichen Tätigkeit unangemessen sein könnte. Denn wenn sich ein Vertragsarzt dazu entscheidet, neben seiner vertragsärztlichen Tätigkeit auch noch privatärztlich tätig zu werden, so führt er im Ergebnis zwei Praxen. Im Rahmen seiner privatärztlichen Tätigkeit ist er als vollwertiger Privatarzt zu betrachten mit der Folge, dass er in dieser Tätigkeit zur Aufrechterhaltung und Finanzierung des ÄBD herangezogen wird. Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, dass sie keine Möglichkeit hätte, dass privatärztliche Honorar von Vertragsärzten zu berücksichtigen. Vielmehr gelingt ihr dies über § 8 Abs. 3 BDO. Danach gilt auch für die privatärztliche Tätigkeit eines Vertragsarztes, dass über § 8 Abs. 3 BDO ein pauschalierter Betrag bzw. bei Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden ein prozentualer Abzug festgesetzt werden kann. Dass § 8 BDO in seiner Gesamtheit für die Konstellation von Ärzten, die sowohl vertragsärztlich als auch privatärztlich tätig werden, keine passgenaue Regelung enthält, ändert nichts an der rechtlichen Möglichkeit, jede privatärztliche Tätigkeit zu berücksichtigen. Weiterhin verfängt auch das Argument nicht, dass nicht mit wesentlichen Mehreinnahmen zu rechnen sei. Hierbei handelt es sich nur um eine Vermutung, die sich – da die Beklagte selbst vorträgt, keinen Einblick in die privatärztliche Tätigkeit von Vertragsärzten zu haben – nicht weiter belegen lässt. Dem Umstand, dass der Anteil von Privatpatienten bei unter 10 % liegt, kommt keine besondere Bedeutung zu, da der Gesetzgeber mit der grundsätzlichen Einbeziehung aller Ärzte in den ÄBD der Beklagten zu erkennen gegeben hat, dass er jeden Privatarzt heranziehen will. Auf die Höhe der Mehreinnahmen im Einzelfall kam es dem Gesetzgeber dabei nicht an, sonst hätte er bei den Privatärzten eine Einkommensuntergrenze eingeführt, um sicherzustellen, dass der Verwaltungsaufwand nicht die zu erwartenden Mehreinnahmen übersteigt. Eine solche Regelung weist aber weder § 23 Nr. 2 HessHeilberufG noch die BDO der Beklagten auf. Es wäre der Beklagten in der Zukunft möglich, eine Einkommensuntergrenze unter Beachtung des Gleichheitssatzes – also zum Beispiel für alle Einkommen aus privatärztlicher Tätigkeit – festzuschreiben, wenn der Verwaltungsaufwand ihr andernfalls zu groß erscheint. Hinsichtlich der aktuellen Regelung zeigt gerade § 3 Abs. 7 BDO (Befreiung von der Teilnahmepflicht am ÄBD), dass der Umfang der (privatärztlichen) Tätigkeit weder hinsichtlich der Teilnahmeverpflichtung noch hinsichtlich der Finanzierungspflicht von entscheidender Bedeutung ist. Vielmehr gilt, dass jeder Arzt im Rahmen seiner vertragsärztlichen und / oder privatärztlichen Tätigkeit zur Teilnahme und Finanzierung des ÄBD verpflichtet ist.

Die zuvor festgestellte gleichheitswidrige Berechnung des pauschalen ÄBD-Betrages für Privatärzte führt jedenfalls zur Nichtigkeit der maßgeblichen Norm des § 8 Abs. 3 BDO.

Darüber hinaus bestehen Bedenken der Kammer, dass von den Privatärzten nur die Hälfte des in Abs. 2 genannten Höchstbeitrages je Quartal erhoben wird. Sachliche Gründe, warum der pauschale ÄBD-Beitrag bei Privatärzten niedriger angesetzt wird als bei den Vertragsärzten (derzeit 750,00 € statt 1.500,00 €), sind für die Kammer nicht ersichtlich. Die pauschale Herabsetzung des ÄBD-Beitrags für Privatärzte unabhängig vom Versorgungsauftrag (oder im Falle der Privatärzte einer vergleichbaren Größe) oder vom Einkommen, dürfte sich nicht mit dem Grundsatz einer vorteilsgerechten Bemessung in Einklang bringen lassen.

Der Kläger ist durch den Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegend auch beschwert. Entscheidend ist, dass der Kläger gegenüber der Vergleichsgruppe (hier: privatärztlich tätige Vertragsärzte) – wie dargestellt – ungleich behandelt wird und diese Ungleichbehandlung nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Umstand, dass der Kläger selbst keinen Antrag auf prozentuale Beitragsbemessung gestellt hat, spielt vorliegend für die Frage des Gleichheitsverstoßes keine Rolle, da ein entsprechender Antrag des Klägers nichts daran ändern würde, dass er zur Beitragszahlung herangezogen wird, während die Vergleichsgruppe gerade keiner Beitragspflicht unterliegt.

Infolgedessen besteht für die in den Bescheiden vom 18.09.2019 und 09.03.2020 gegenüber dem Kläger festgesetzten ÄBD-Beträgen keine Rechtsgrundlage. Die Bescheide sind rechtswidrig und ersatzlos aufzuheben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten muss ihr im vorliegenden Fall auch keine Gelegenheit gegeben werden, den Gleichheitsverstoß im laufenden Verfahren zu beseitigen. Gegenstand ist hier alleine die Überprüfung der Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 im Rahmen einer isolierten Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG. Es handelt sich also gerade nicht um die Konstellation einer notwendigen Neubescheidung, da der Kläger von der Beklagten keine Leistung begehrt, sondern sich alleine gegen die ihm von der Beklagten auferlegten Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages zum ÄBD wendet. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem vom BSG entschiedenen Fall zum Aktenzeichen B 6 KA 47/14 R (Urteil vom 17.02.2016), den die Beklagte anführt. In der dortigen Entscheidung begehrte der Kläger als Psychologischer Psychotherapeut die Vergütung nach der GOP Nr. 01102, was sich als problematisch darstellte, da die GOP im für Psychologische Psychotherapeuten maßgeblichen Abschnitt nicht aufgeführt war. Daran änderte sich alleine durch die Feststellung der Gleichheitswidrigkeit der Nichtaufnahme der GOP in den maßgeblichen Leistungsabschnitt nichts, was die Beklagte hinsichtlich der erst- und zweitinstanzlichen Verurteilung zur Auszahlung der streitigen GOP vor Probleme stellte. Hierauf entschied das BSG, dass dem Normgeber Gelegenheit gegeben werden müsse, eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen, bevor die Verwaltung erneut durch Verwaltungsakt entscheidet (vgl. BSG, a.a.O. Rn. 37). Diese Konstellation ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da sich hier der Gleichheitsverstoß nur auf die Satzung der Beklagten bezieht, die es selbst in der Hand hat, eine neue verfassungsgemäße Regelung zu erlassen und hierauf aufbauend den Kläger (zukünftig) zur Kostenbeteiligung heranzuziehen.

Aus diesem Grund bedurfte es auch keiner Beiordnung der Landesärztekammer. Mit der Entscheidung wird nicht in deren Rechte eingegriffen.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

IIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Streitwertentscheidung ergeht als Beschluss.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 € anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). 

Auszugehen ist von einer Umlage in Höhe von 750 € im Quartal. Dieser Betrag ist für die hier streitigen sechs Quartale (III/19, IV/19, I/20 bis IV/20) entsprechend § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG hochzurechnen und ergibt den Betrag von 4.500,00 €.
 

Rechtskraft
Aus
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