Das Notarztprotokoll ist keine ärztliche Verordnungim Sinne des § 115a Abs 1 S 1 Nr 1 Alt 1 SGB V.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Vergütung für die Behandlung eines Versicherten der Beklagten in einem von der Klägerin getragenen Krankenhaus.
Am 23. Februar 2017 wurde der bei der Beklagten versicherte E. mit dem Rettungstransportwagen in das Krankenhaus der Klägerin gebracht. Der Versicherte hatte im Beisein eines Kollegen hyperventiliert und nicht auf Ansprache reagiert. Daraufhin wurde der Notarzt alarmiert sowie der Rettungswagen. Der Notarzt gab in seinem Einsatzprotokoll als Erstdiagnose eine „Hyperventilation bei psychischer Erregung“ an. Nach Ankunft im Krankenhaus der Klägerin um 20.15 Uhr wurde der Versicherte ärztlich untersucht und anschließend beobachtet, es wurden Blut abgenommen sowie ein EKG gefertigt. Nachdem er um 23:00 Uhr nochmals ärztlich untersucht worden war, wurde er gegen Mitternacht entlassen. Im Entlassungsbericht wurde als Diagnose der Verdacht auf eine Panikattacke genannt.
Die Klägerin rechnete gegenüber der Beklagten für die Behandlung des Versicherten eine vorstationäre Pauschale in Höhe von 147,25 € ab. Die Beklagte verweigerte die Zahlung unter Hinweis auf eine fehlende Verordnung für eine vorstationäre Behandlung und verwies die Klägerin darauf, die Behandlung als Notfall über die kassenärztliche Vereinigung abzurechnen.
Am 2. März 2018 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie vertritt die Auffassung, dass die Pauschale für eine vorstationäre Behandlung abrechenbar sei, da das Notarzteinsatzprotokoll die Verordnung von Krankenhausbehandlung ersetze. Dies decke sich mit dem niedersächsischen Landesvertrag, dort § 3 Abs. 2 und 4. Nach dieser landesvertraglichen Regelungen werde „Krankenhausbehandlung (stationär oder teilstationär/vor- und nachstationär) durchgeführt, wenn sie – von Notfällen abgesehen – von einem Kassen –/Vertragsarzt verordnet ist und nach Art oder Schwere der Krankheit die medizinische Versorgung gemeinsam mit der pflegerischen Betreuung nur mit Mitteln eines Krankenhauses möglich ist, …“ § 3 Abs. 4 des Landesvertrages spreche davon, dass bei „Einweisung durch einen Notarzt des Rettungsdienstes in jedem Fall ein Notfall vorliegt“, welche die stationäre, also auch die vorstationäre Behandlung im Krankenhaus begründe. Dieser Ansatz decke sich insofern auch mit der gesetzlichen Regelung des § 115a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V, der auch von einer „Verordnung von Krankenhausbehandlung“ spreche, welche vorliegend ersetzt werde durch die Einweisung des Notarztes in Form des Notarzteinsatzprotokolls. Dies sehe anscheinend auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) so, denn auf deren Webseite heiße es: „Der Aufnahme zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus geht in der Regel eine Einweisung durch einen niedergelassenen Arzt oder eine Notfalleinweisung voraus“. Die Auffassung der Beklagten, dass es sich bei dem Notarzteinsatzprotokoll lediglich um einen Zustandsbericht handele, müsse ins Leere gehen, da ein wie hier beschriebener Notfall der vorstationären Pauschale ansonsten überhaupt nicht zugänglich wäre und eine vorstationäre Behandlung in solchen Fällen gar nicht möglich sei. Das durch den Notarzt ausgefüllte Notarzteinsatzprotokoll ersetze gerade die Einweisung, denn es könne, werde der Rettungsdienst gerufen, selbstverständlich kein Vertragsarzt vorher aufgesucht werden, um eine Verordnung von Krankenhausbehandlung auszustellen. Der medizinische Sachverständige bestätige die medizinische Behandlungsnotwendigkeit im Krankenhause und begründe dies nachvollziehbar und substantiiert. Die Ansicht der Beklagten, die Leistung hätte als ambulante Notfallleistung erbracht und mit der KVN abgerechnet werden können, sei durch das Sachverständigengutachten widerlegt worden, denn es habe sich um eine vorstationäre Leistung gehandelt. Ausgehend vom Sachverständigengutachten, welches eine stationäre Leistung annehme, wäre auch eine DRG mit Abschlag abzurechnen, denn nach dem Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer wäre bei der hier vorliegenden Verdachts- und Arbeitsdiagnose auch eine vollstationäre Behandlung durchaus denkbar. Für den Fall der Klageabweisung werde angeregt, die Berufung zuzulassen, da der Rechtssache über den hier vorliegenden Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung zukomme und zwar im Hinblick auf die klärungsbedürftige wie klärungsfähige Frage, ob für die vorstationäre Behandlung bei Einweisung durch einen Notarzt des Rettungsdienstes ausnahmsweise auf die Verordnung von Krankenhausbehandlung gemäß vertragsärztlichem Muster verzichtet werden könne. Hiervon sei eine Vielzahl von Fällen betroffen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 147,25 € nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 17. März 2017 an sie zu zahlen und die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die Abrechnung der Pauschale nach § 115a Abs. 1 SGB V eine vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung voraussetze. Vorliegend sei der Patient als Notfall mit dem Rettungstransportwagen ins Krankenhaus gebracht worden. Eine vertragsärztliche Verordnung zur Krankenhausbehandlung habe unstreitig nicht vorgelegen. Das Notarztprotokoll stelle keine Verordnung oder Einweisung zur stationären Behandlung dar, vielmehr handele es sich um einen Zustandsbericht. Das Protokoll könne nicht mit einer vertragsärztlichen Verordnung zur Krankenhausbehandlung gleichgesetzt werden und verfolge auch einen anderen Zweck, nämlich den Einsatz zu protokollieren. Aus dem Notarzteinsatzprotokoll ergebe sich an keiner Stelle, dass der Notarzt die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung gesehen und dokumentiert habe. Bei Eintreffen des Notarztes hätten keine kritischen Werte vorgelegen. Auch aus dem Bericht der internistischen Abteilung ergebe sich eindeutig, dass der Patient beim Eintreffen im Krankenhaus absolut beschwerdefrei und ohne auffällige Befunde gewesen sei. Es habe daher auch kein Klärungsbedarf im Sinne von § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V vorgelegen. Das Bundessozialgericht (BSG) bestätige in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2018 F. die Notwendigkeit einer vertragsärztlichen Verordnung für eine vorstationäre Behandlung. Das Gutachten des Sachverständigen sei nicht dazu geeignet, einen Anspruch der Klägerin auf eine Vergütung nach § 115a SGB V zu begründen. Es gehe nicht um die Notwendigkeit einer Behandlung im Krankenhaus, sondern ob diese als vorstationäre Krankenhausbehandlung abzurechnen sei. Die Klägerin könne sich auch nicht auf den niedersächsischen Landesvertrag berufen, da dieser an diesem Punkt nicht mit dem Gesetz im Einklang stehe.
Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten erstellen lassen. In seinem Gutachten vom 7. November 2020 führt der Sachverständige G. aus, dass als diagnostische Maßnahmen im Haus der Klägerin ein ärztlicher Erstkontakt mit Untersuchung, anschließend die Erhebung der Vitalwerte erfolgt sei, eine Laborbestimmung, ein EKG sowie eine ausführliche ärztliche Untersuchung, nach der der Patient dann entlassen worden sei. Trotz der raschen Beschwerdefreiheit des Patienten habe eine relevante Erkrankung ausgeschlossen werden müssen. Es sei korrekterweise der Ausschluss eines akuten koronaren Syndroms und einer zerebralen Ischämie durch eine klinische Untersuchung erfolgt. Die Übergabe des Patienten vom Notarzt an die Klinik sei um 20:15 Uhr erfolgt, allein aus dieser Tatsache ergebe sich die Notwendigkeit einer Behandlung im Krankenhaus. Die niedergelassenen Ärzte seien in aller Regel um diese Uhrzeit nicht mehr verfügbar. Auch das Verweisen an eine sog. ärztliche Bereitschaftspraxis wäre aus der ex ante-Sicht nicht vertretbar gewesen, da dort weder eine Labordiagnostik noch eine EKG Untersuchung in dem dafür vorgeschriebenen Zeitraum hätte erfolgen können. Zusätzlich sei es gängige Praxis, dass Rettungswagen grundsätzlich die nächstgelegene Klinik anfahren würden. Aus ex ante-Sicht wäre eine ambulante Betreuung nicht zu verantworten gewesen. Aus diesem Grunde seien die besonderen Mittel eines Krankenhauses, insbesondere hier die technische Ausstattung, jederzeit verfügbares ärztliches Personal und die pflegerische Überwachung notwendig gewesen, um eine Gefährdung des Patienten rasch ausschließen zu können. Wegen der Ausführung des Sachverständigen im Einzelnen wird auf Blatt 70 bis 76 der Gerichtsakte verwiesen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Sachvortrags der Beteiligten sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Prozess- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vergütung der Behandlung des Versicherten als vorstationäre Behandlung im Sinne von § 115a Abs. 3 SGB V nicht zu.
Nach § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V kann das Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten (vorstationäre Behandlung).
Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 17. September 2013 (B 1 KR 67/12 R) überzeugend ausführt, setzt die von § 115a Abs. 1 SGB V geforderte „Verordnung von Krankenhausbehandlung" eine begründete Verordnung eines Vertragsarztes oder eines sonstigen an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnehmenden voraus. Wörtlich heißt es in der zitierten Entscheidung des BSG:
„Die vertragsärztliche Versorgung umfasst ausdrücklich ua auch die Verordnung von Krankenhausbehandlung (§ 73 Abs 2 S 1 Nr 7 Fall 6 SGB V). Die Begrenzung auf im dargelegten Sinne vertragsärztliche Verordnungen von Krankenhausbehandlung sichert die vertragsärztliche Pflicht, Krankenhausbehandlung nur zu verordnen, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht (§ 73 Abs 4 S 1 SGB V). Im gleichen Sinne wirkt die damit ebenfalls abgesicherte vertragsärztliche Pflicht, die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung bei der Verordnung zu begründen (§ 73 Abs 4 S 2 SGB V). Es bedarf vorliegend keiner Vertiefung, dass das dargelegte Verordnungserfordernis nach seinem Sinn und Zweck auf den hier betroffenen Anwendungsbereich vorstationärer Behandlung zu beschränken ist. …
bb) Ein medizinisch geeigneter Fall von Krankenhausbehandlung ohne Unterkunft und Verpflegung, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder - hier ohne Belang - die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten (vorstationäre Behandlung), setzt zunächst voraus, dass Krankenhausbehandlung ohne Unterkunft und Verpflegung aus allein medizinischen Gründen für eines der gesetzlichen Behandlungsziele (vgl zur Krankenbehandlung § 27 Abs 1 S 1 SGB V) überhaupt ausreichend ist. Bedarf es aus allein medizinischen Gründen etwa der stationären Überwachung rund um die Uhr, ist vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich (vgl zur Maßgeblichkeit allein medizinischer Gründe BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 15; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 16 f und LS 2).
Zusätzlich muss die Krankenhausbehandlung ohne Unterkunft und Verpflegung medizinisch gerade dazu geeignet sein, speziell die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten. Setzt die Abklärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung vollstationäre Krankenhausbehandlung voraus, ist vorstationäre Behandlung zu diesem Zweck nicht geeignet. Die Erforderlichkeit vorstationärer Behandlung ist zwar auch bereits im Tatbestandsmerkmal des medizinisch geeigneten Falles angelegt, bedarf aber aus Gründen der Rechtsklarheit eigenständiger Würdigung.“
Im weiteren Verlauf führt das BSG aus:
„Der Gesetzgeber legte durch Einführung des § 115a SGB V einen verbindlichen Rahmen dafür fest, vor- und nachstationär zu behandeln, um vollstationäre Krankenhausbehandlung zu vermeiden oder zu verkürzen. Die Verlagerung von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen in die vor- und nachstationäre Phase sollte die Bettennutzung reduzieren und damit den Bettenbedarf vermindern (vgl Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung <Gesundheits-Strukturgesetz> der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, BT-Drucks 12/3608, S 71 und S 102, zu Art 1 Nr 63 <§ 115a>). Damit sollten Einsparungen erzielt, dagegen nicht etwa neue Kosten verursacht werden, indem das Tätigkeitsfeld der Krankenhäuser auf Gebiete der vertragsärztlichen Versorgung ausgedehnt werden sollte. Dort, wo der Gesetzgeber solche Ausweitungen der Behandlungen durch Krankenhäuser zuließ, wie es in dem ganz anderen Gebiet ambulanten Operierens im Krankenhaus erfolgte, traf er zugleich Regelungen, die eine Doppelvergütung und einen Kostenschub verhinderten (vgl zB § 115b Abs 4 und 5 SGB V).
Nach dem Regelungssystem ist die vor- und nachstationäre Behandlung eines Versicherten (§ 115a SGB V) nicht nur in einem weiteren Sinne Teil der Krankenhausbehandlung, weil das Krankenhaus als Institution leistet (so § 39 Abs 1 S 1 SGB V, der auch ambulante Operationen nach § 115b SGB V einbezieht). Vor- und nachstationäre Behandlung ist Krankenhausbehandlung vielmehr auch in einem engeren Sinne, der den Vorrang vertragsärztlicher Versorgung begründet. Besonders deutlich wird der Vorrang bereits dadurch, dass vorstationäre Behandlung eine begründete vertragsärztliche Verordnung voraussetzt (vgl oben, II. 1. b aa). Krankenhausbehandlung, und sei sie auch vorstationär, darf nach den Vorgaben des Gesetzes nur dann vertragsärztlich verordnet werden, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht (vgl § 73 Abs 4 S 1 SGB V).
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (heute: Gemeinsamer Bundesausschuss) beschloss hierzu in für alle Systembeteiligten verbindlichen Richtlinien, wann Krankenhausbehandlung zu verordnen ist (vgl Richtlinien über die Verordnung von Krankenhausbehandlung <Krankenhausbehandlungs-Richtlinien>, hier anzuwenden idF vom 24.3.2003 BAnz Nr 188 vom 9.10.2003, S 22577, gemäß § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V idF durch Art 1 Nr 39 Buchst a Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 <GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000> vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Danach hat der Vertragsarzt vor Verordnung stationärer Krankenhausbehandlung abzuwägen, ob er selbst die ambulante Behandlung fortsetzen kann oder ob eine Überweisung zur Weiterbehandlung an a) einen weiteren Vertragsarzt mit entsprechender Zusatzqualifikation oder eine Schwerpunktpraxis, b) einen ermächtigten Krankenhausarzt oder eine Institutsambulanz (§§ 116 bis 118 SGB V), c) ein Krankenhaus zur ambulanten Behandlung (§ 39 iVm § 115b SGB V), d) eine Notfallpraxis im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung, ausreicht und stationäre Krankenhausbehandlung vermieden werden kann (§ 4 Abs 1 Krankenhausbehandlungs-Richtlinien). Die Verordnung ist nur zulässig, wenn sich der behandelnde Vertragsarzt von dem Zustand des Patienten überzeugt und die Notwendigkeit einer stationären Behandlung festgestellt hat (§ 7 Abs 1 S 2 Krankenhausbehandlungs-Richtlinien). Die ambulante Behandlung hat Vorrang vor der stationären Behandlung (§ 1 Abs 2 S 3 Krankenhausbehandlungs-Richtlinien). Hieran hat der Vertragsarzt sein Verordnungsverhalten verbindlich auszurichten….“ (BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 21/12 R –, juris, Rn. 19 - 22)
Die zitierte Entscheidung des BSG lässt erkennen, dass es sich bei der vorstationären Behandlung um ein Instrument handelt, das einen ganz bestimmter Zweck verfolgt und eine bewusste Entscheidung des behandelnden Arztes voraussetzt. Dieser muss die Überzeugung gewonnen haben, dass eine ambulante Behandlung durch ihn selbst nicht ausreichend ist und eine stationäre Behandlung notwendig sein könnte. Zur weiteren Aufklärung dieses für notwendig erachteten Behandlungsbedarfs verweist er seinen Patienten daher an das Krankenhaus. Schon aufgrund dieses besonderen Charakters der vorstationären Behandlung, den das BSG in genannten Entscheidung herausarbeitet, ist sie einem Einsatz in Notfällen nur in Ausnahmefällen zugänglich, nämlich dann, wenn – zuvor - der ambulant behandelnde Arzt durch das Ausstellen eine Verordnung eine bewusste Entscheidung trifft.
Den Entscheidungsgründen des Urteils vom 19. Juni 2018 (B1 KR 26/17) ist nicht zu entnehmen, dass das BSG für die vorstationäre Behandlung bei Notfällen eine Ausnahme vom Einweisungserfordernis machen wollte. Streitig war dort die Vergütung für eine mehrwöchige teilstationäre Behandlung in einem niedersächsischen Krankenhaus. In seiner Entscheidung führt das BSG aus, dass Versicherte auch ohne vertragsärztliche Verordnung bzw. eine Krankenhauseinweisung Anspruch auf die erforderliche Krankenhausbehandlung haben und folglich der Anspruch zugelassener Krankenhäuser auf Vergütung erforderlicher, wirtschaftlicher Krankenbehandlung Versicherter auch dann besteht, wenn keine Krankenhauseinweisung erfolgt ist. Allerdings heißt es in dieser Entscheidung eindeutig, dass davon eine Ausnahme zu machen ist, wenn das SGB V ausnahmsweise eine vertragsärztliche Verordnung für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung ausdrücklich regelt wie bei § 115a Abs. 1 SGB V, der für vorstationäre Behandlung eine „Verordnung von Krankenhausbehandlung" im Sinne einer begründeten vertragsärztlichen Verordnung voraussetzt (BSG, Urteil vom 19. Juni 2018 – B 1 KR 26/17 R –, juris, Rn. 21).
In der von den Klägern zitierten Passagen unter Rn. 28 der Entscheidungsgründe äußert sich das BSG ausschließlich zur „regulären“ stationären Behandlung, nicht aber zur vorstationären Behandlung, für die es zuvor die Verordnungsnotwendigkeit noch einmal ausdrücklich hervorgehoben hat.
Das Notfallprotokoll des Notarztes kann einer begründeten Verordnung nach § 115a Abs. 1 SGB V nicht gleichgesetzt werden, denn es erfüllt nicht die dafür notwendigen Kriterien (s.a. LSG Hessen vom 31. Januar 2019 - L8 KR 202/18 -; SG Rostock, Urteil vom 24. Juni 2020 – S 17 KR 431/17 –, juris). Dem Notarztprotokoll liegen ganz andere Überlegungen zugrunde als einer ärztlichen Verordnung für eine vorstationäre Behandlung, wie sie das BSG in der zitierten Entscheidung definiert hat. Der Notarzt äußert sich in seinem Protokoll überhaupt nicht zu der Art der notwendigen Behandlung, sondern beschreibt lediglich den Zustand des Versicherten beim Eintreffen und dokumentiert die von ihm veranlassten Maßnahmen. Nach Auffassung des BSG muss die Verordnung einer vorstationären Behandlung auf der Überlegung beruhen, dass eine Krankenhausbehandlung ohne Unterkunft und Verpflegung medizinisch geeignet ist, speziell die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten. Der Notarzt bzw. der Fahrer des Rettungstransportwagens muss den Patienten demgegenüber nach den für ihn geltenden Regelungen in das nächstgelegene Krankenhaus transportieren, ohne Rücksicht auf die in § 115a SGB V beschriebenen besonderen Voraussetzungen. Bei einem medizinischen Sachverhalt, bei dem das Ausmaß der Behandlungsbedürftigkeit und die Frage, ob eine Behandlung ambulant oder stationäre zu erfolgen hat, völlig offen ist, wie bei einem Notfall, ist ein geeigneter Fall für eine vorstationäre Behandlung iSd § 115a SGB V nicht identifizierbar.
Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf den Landesvertrag nach § 112 SGB V für Niedersachsen stützen. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2018 unmissverständlich klarmacht, kann einen Landesvertrag bundesgesetzliche Regelungen nicht außer Kraft setzen. Sollte also der Landesvertrag so auszulegen sein, wie es die Klägerin vorträgt, würde er der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 115a SGB V widersprechen und wäre insofern unwirksam. Allerdings bestehen berechtigte Zweifel, ob der Landesvertrag für die vorstationäre Behandlung eine Ausnahme von der Einweisungsnotwendigkeit regeln wollte.
Die Klägerin begründet ihre Auffassung, dass in Notfällen auf eine Einweisung auch bei einer vorstationären Behandlung verzichtet werden kann, damit, dass in § 3 Abs. 2 des Landesvertrages für Niedersachsen die Krankenhausbehandlung durch einen Klammerzusatz näher definiert wird, der auch die vorstationäre und die nachstationäre Behandlung einschließt. Enthielte dieser Satz für Notfälle eine Befreiung von dem Einweisungserfordernis für jede der dort aufgeführten Behandlungsarten, so würde dies auch für die nachstationäre Krankenhausbehandlung gelten. Sachverhalte, bei denen eine Notfallbehandlung im Rahmen einer nachstationären Krankenhausbehandlung stattfinden könnte, sind angesichts der in § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V geregelten Voraussetzungen allerdings schwer vorstellbar. Bereits dies legt den Schluss nahe, dass in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages lediglich generell definiert werden sollte, was unter Krankenhausbehandlung zu verstehen ist, nicht aber für sämtliche der in der Klammer aufgeführten möglichen Krankenhausbehandlungen eine Ausnahme von der Einweisungspflicht geregelt werden sollte. Die Ausnahmevorschrift im § 3 Abs. 4 des Landesvertrages dürfte sich daher nur auf die „regulären“ stationären Behandlungen beziehen, nicht aber auf die gesetzlich gesondert geregelte vor- und nachstationäre Behandlung. Diese Auslegung legen auch entsprechende Regelungen in anderen Landesverträgen nahe, die eine ähnliche Pauschalierung hinsichtlich der Definition der Krankenhausbehandlung beinhalten, aber für bestimmte Abklärungsuntersuchungen ausdrücklich besondere Vergütungsregelungen vorsehen.
So regelt z.B. § 3 Abs. 4 des Landesvertrages für Mecklenburg-Vorpommern, dass in den Fällen, in denen die Aufnahmeuntersuchung ergibt, dass keine Krankenhausbehandlung erforderlich ist, die Vergütung „analog“ der Vergütung einer vorstationären Behandlung nach § 115a SGB V. Von dieser Regelung ausgenommen sind die ambulanten Notfallbehandlungen im Krankenhaus. Eine entsprechende Regelung findet sich auch im Landesvertrag für Nordrhein-Westfalen. Dort heißt es in § 2 Abs. 3 und des Landesvertrages:
„(3) Bei einem zur Krankenhausbehandlung eingewiesenen Patienten und in Notfällen wird von einem Krankenhausarzt unter Berücksichtigung der Eignung des Krankenhauses gemäß Absatz 1 abgeklärt, ob und ggf. welche Art der Krankenhausbehandlung notwendig ist. Die Notwendigkeit der vollstationären Aufnahme ist unverzüglich von dem für die Behandlung verantwortlichen Krankenhausarzt zu überprüfen. Soweit zunächst vorstationäre Behandlung angezeigt ist, wird der Patient nach der Abklärungsuntersuchung nicht vollstationär aufgenommen.
(4) Die Abklärungsuntersuchung ist Bestandteil der Krankenhausbehandlung. Ergibt die Abklärungsuntersuchung, daß eine Krankenhausbehandlung nicht bzw. nicht sofort erforderlich ist oder nur in einem anderen Krankenhaus erbracht werden kann, können die dabei erbrachten Leistungen nach den Bestimmungen gemäß Anlage 1 abgerechnet werden. Die Ergebnisse der Abklärungsuntersuchung sind für die weitere Behandlung des Patienten zur Verfügung zu stellen.“
In der Anlage 1 heißt es dazu:
„(1) Ergibt eine Abklärungsuntersuchung nach § 2 Abs. 3 dieses Vertrages, daß eine Krankenhausbehandlung nicht bzw. nicht sofort erforderlich ist oder nur in einem anderen Krankenhaus erbracht werden kann, können die dabei erbrachten Leistungen wie folgt abgerechnet werden:
a) Sofern festgestellt wird, daß eine Krankenhausbehandlung nicht erforderlich ist, richtet sich die Vergütung nach der Vereinbarung gemäß § 115a SGB V.“
Das von der Klägerin erstrebte Ziel, den Aufwand für die mehrstündige Abklärung der Behandlungsnotwendigkeit des Versicherten ersetzt zu bekommen, wird in den zitierten Landesverträgen also gesondert geregelt und zwar „analog“ der Vergütung nach § 115a SGB V, was den tatsächlich entstandenen Aufwand vermutlich zutreffender abbildet als die Abrechnung als ambulante Behandlung. Die Aufklärungsuntersuchung als solche wird aber nicht als vorstationäre Behandlung gewertet, andernfalls hätte es dieser Sonderreglung nicht bedurft.
Der Landesvertrag von Sachsen regelt die Vergütung anders, lässt aber ebenfalls erkennen, dass die Abklärung der Behandlungsnotwendigkeit im Krankenhaus nicht mit einer vorstationären Behandlung gleichzusetze ist. Dort heißt es in § 6 Abs. 3 und 4:
„(3) Ergibt die Aufnahmeuntersuchung, dass keine Krankenhausbehandlung erforderlich ist oder die Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus durchzuführen ist, wird die Aufnahmeuntersuchung als vorstationäre Leistung nach § 115a Abs. 3 Satz 3 SGB V vergütet, es sei denn, es liegt ein Fall des Absatz 4 vor...
(4) Nimmt der versicherte Patient das Krankenhaus im Notfall in Anspruch und ergibt die Aufnahme-/Erstuntersuchung keine Notwendigkeit zur stationären Aufnahme, so wird die Aufnahme-/Erstuntersuchung als Notfallbehandlung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet.“
Im Landesvertrag für Niedersachsen fehlt eine vergleichbare Regelung für die Abgeltung der Aufnahmeuntersuchung, die der Entscheidung, ob der Patient stationär aufzunehmen ist oder nicht, vorausgeht. Sollte, wie die Klägerin vorträgt, überwiegend Konsens zwischen den Krankenkassen bestehen, dass der Aufwand mit der Pauschale nach § 115a SGB V zu vergüten ist, könnte der Landesvertrag entsprechend ergänzt werden.
Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht darauf stützen, dass eine vollstationäre Behandlung stattgefunden hat und die Vergütung dafür jedenfalls einen Betrag ergeben hätte, der oberhalb der geltend gemachten Forderung liegt. Die Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung ist nicht ersichtlich. Eine solche hat auch nicht stattgefunden, da der Patient nicht vollstationär aufgenommen wurde.
Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 19. September 2013 (B 3 KR 34/12 R, juris) ausführt, wird das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses in Anspruch genommen, wenn sich die Behandlung grundsätzlich zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Weiter heißt es dazu:
„Demgegenüber erfordert der Aufnahmeakt selbst, dh die physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in dieses Versorgungssystem, keine zeitliche Erstreckung über eine bestimmte Dauer. Voraussetzung hierfür ist lediglich die Entscheidung des Krankenhausarztes, dass eine Behandlung über mindestens einen Tag und eine Nacht erfolgen soll. Diese Aufnahmeentscheidung auf der Basis eines entsprechenden Behandlungsplans wird nach außen regelmäßig zB durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes, das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen etc. dokumentiert. Eine auf diese Weise auf der Grundlage der Entscheidung des Krankenhausarztes einmal erfolgte physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Krankenhausversorgungssystem kann nicht rückwirkend dadurch entfallen, dass der Patient zB gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt; dann handelt es sich um eine "abgebrochene" stationäre Behandlung (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 5). Abzugrenzen sind indes solche Fälle, in denen noch keine Entscheidung zur Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus getroffen wurde, etwa weil sich aufgrund der Aufnahmeuntersuchung eine Verlegung oder die ambulante Weiterbehandlung als medizinisch sinnvoll, erforderlich und ausreichend erwies.“ (BSG, a.a.O., Rn. 13).
Die in dem Urteil dargelegten äußeren Merkmale einer Aufnahmeentscheidung sind im hier zu beurteilenden Fall nicht zu erkennen. Der Versicherte wurde nach einer Eingangsuntersuchung lediglich eine Zeit lang überwacht und nach einer ausführlichen ärztlichen Untersuchung nach ca. 4 Stunden entlassen. Der Umstand, dass während des Aufenthalts die Mittel des Krankenhauses z.B. in Form einer Überwachung eingesetzt wurden, machen den Aufenthalt noch nicht zu einem stationären Aufenthalt, denn es fehlen ausreichende Anhaltspunkte für eine Aufnahmeentscheidung und eine Eingliederung in das Versorgungssystem des Krankenhauses. So weist das BSG in der o.g. Entscheidung zutreffend darauf hin, dass auch eine ambulante Behandlung im Krankenhaus möglich ist und z.B. auch der Aufenthalt des Versicherten im Krankenhaus zur Durchführung einer Operation ebenso wenig wie eine mehrstündige, intensive postoperative Überwachung im Krankenhaus bereits eine vollstationäre Behandlung bedeuten (BSG, a.a.O, Rn. 12).
Im hier zu entscheidenden Fall wurden lediglich solche Mittel des Krankenhauses eingesetzt, die grundsätzlich auch bei einer ambulanten Versorgung zur Verfügung stehen - wenn auch nicht rund um die Uhr. Der Sachverständige weist auf diesen Umstand hin und begründet in erster Linie mit dem fehlenden ambulanten Behandlungsangebot die Notwendigkeit einer Behandlung im Krankenhaus. Ein medizinisches Erfordernis für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung iSd der Rechtsprechung des BSG (u.a. BSG, Beschluss vom 25. September 2007 – GS 1/06 –, juris, Rn. 16) kann jedoch in dem Fehlen ausreichender Ressourcen für ambulante Untersuchungen zu bestimmten Tageszeiten nicht gesehen werden. Wie bereits ausgeführt, reicht auch eine Beobachtung – sofern es sich dabei nicht um eine intensivmedizinische Überwachung handelt -, wie sie auch nach einer ambulanten Operation im Krankenhaus erfolgt weder aus, um eine medizinische Notwendigkeit für einen stationären Aufenthalt hinreichend zu begründen, noch, um einen solchen Aufenthalt im Krankenhaus als vollstationären Aufenthalt zu definieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Gericht hat die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, denn die Klägerin hat vorgetragen, dass sich die hier zu entscheidende Frage für sie in einer Vielzahl von Fällen stellt. Zu der aufgeworfenen Frage, ob die Einweisung durch den Notarzt einer Verordnung von Krankenhausbehandlung im Sinne des § 115a SGB V gleichzustellen ist, gibt es bislang keine höchstrichterliche Entscheidung und auch keine Entscheidung zum Landesvertrag Niedersachsen.