L 3 AS 3/22 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 1628/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3/22 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X kommt weder auf den Fall einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung eines bereits in einem Widerspruchsverfahren einbezogenen Verwaltungsakts noch eines bereits in einem Gerichtsverfahren einbezogenen Verwaltungsakts in Betracht (Anschluss an BSG, Urteil vom 20.10.2010 – B 13 R 15/10 R, juris).

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.12.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Übernahme von in einem Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten abgelehnt hat.

Die Kläger legten gegen den die Gewährung vorläufiger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Juli bis Dezember 2017 regelnden Bescheid vom 01.09.2017 am 20.09.2017 den unter dem Aktenzeichen W 1184/17 geführten Widerspruch ein. Sodann ergingen der die Gewährung endgültiger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Juli bis Dezember 2017 regelnde Bescheid vom 26.04.2018 sowie der die Erstattung für diesen Zeitraum überzahlter Leistungen regelnde Bescheid vom 26.04.2018, dessen Überprüfung die Kläger mit Schreiben vom 13.07.2018 beantragten, woraufhin der diesen Antrag in vollem Umfang stattgebende Überprüfungs- und Rücknahmebescheid vom 19.12.2018, der die Gewährung endgültiger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Juli bis Dezember 2017 regelnde Änderungsbescheid vom 19.12.2018 und der die Herabsetzung der Erstattungsforderung für diesen Zeitraum überzahlter Leistungen und eine Aufrechnung mit laufenden Leistungen regelnde Erstattungsbescheid vom 19.12.2018 ergingen. Die Kläger legten gegen den Änderungsbescheid und gegen den Erstattungsbescheid mit ihren beiden Schreiben vom 18.01.2019 die ausweislich des Schreibens des Beklagten vom 21.01.2019 unter dem Aktenzeichen W 96/19 geführten Widersprüche ein.

Sodann erklärten die Kläger mit Schreiben vom 26.01.2019 das unter dem Aktenzeichen W 1184/17 geführte Widerspruchsverfahren für erledigt und machten die für dieses Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von 497,42 € geltend, die der Beklagte am 04.04.2019 zur Zahlung anwies.

Nachdem die Kläger in ihrem weiteren Schreiben vom 26.01.2019 den unter dem Aktenzeichen W 96/18 geführten und gegen den Erstattungsbescheid vom 19.12.2018 gerichteten Widerspruch damit begründet hatten, die Aufrechnung sei rechtswidrig, erging der die Aufrechnung aufhebende und die Übernahme der Hälfte der im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten regelnde Abhilfebescheid vom 06.03.2019, wogegen die Kläger mit Schreiben vom 18.03.2019 mit der Begründung, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten seien in voller Höhe zu übernehmen, den unter dem Aktenzeichen W 520/19 geführten Widerspruch einlegten.

Ferner nahmen die Kläger mit weiterem Schreiben vom 18.03.2019 den gegen den Änderungsbescheid vom 19.12.2018 eingelegten Widerspruch zurück und machten die hierfür entstandenen Kosten in Höhe von 91,93 € geltend.

Sodann führte der Beklagte in seinem Bescheid vom 23.04.2019 aus, das unter dem Aktenzeichen W 96/19 anhängig gewesene Widerspruchsverfahren sei in vollem Umfang erfolgreich gewesen, so dass die entstandenen Kosten in voller Höhe übernommen würden, während die unter dem 18.03.2019 geltend gemachten Kosten in Höhe von 91,93 € nicht beglichen würden. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 25.04.2019 den unter dem Aktenzeichen W 893/19 geführten Widerspruch ein.

Im weiteren Verlauf wies der Beklagte die von den Klägern mit Schreiben vom 25.04.2019 für das unter dem Aktenzeichen W 96/19 geführte Widerspruchsverfahren geltend gemachten Kosten in Höhe von 490,88 € am 19.06.2019 sowie die von den Klägern mit Schreiben vom 25.04.2019 für das unter dem Aktenzeichen W 520/19 geführte Widerspruchsverfahren geltend gemachten Kosten in Höhe von 488,50 € am 19.06.2019 zur Zahlung an.

Der Beklagte wies den gegen den Bescheid vom 23.04.2019 eingelegten und unter dem Aktenzeichen W 893/19 geführten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2019 zurück.

Die hiergegen am 24.08.2019 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Konstanz mit Urteil vom 16.12.2021 abgewiesen.

Die Kläger haben gegen dieses Urteil, in dem die Berufung nicht zugelassen worden ist, am 30.12.2021 Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

 

II.

Die gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG Konstanz vom 16.12.2021, über die der Senat nach § 145 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da die Kläger mit ihrer vom SG Konstanz abgewiesenen Klage eine Änderung des Bescheides vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2019 und eine Verurteilung des Beklagten zur Übernahme der unter dem 18.03.2019 geltend gemachten Kosten in Höhe von 91,93 € begehren und sich ihre Klage damit auf einen Betrag in einer Höhe richtet, die 750,00 € nicht übersteigt.

Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht im Sinne des § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG bei dem zuständigen LSG Baden-Württemberg eingelegt worden.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keiner der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Gründe für die Zulassung der Berufung liegt vor.

Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch ist ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht.

Auch beruht das Urteil des SG Konstanz vom 16.12.2021 nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg, des BSG, des GmS-OGB oder des BVerfG.

Die Ansicht der Kläger, das Urteil des SG Konstanz vom 16.12.2021 weiche von dem Urteil des BSG vom 15.07.2017 – B 14 AS 36/16 R ab, trifft nicht zu. Zwar hat das BSG in diesem Urteil auch ausgeführt, bei der darin entschiedenen hälftigen Kostenerstattungspflicht der Behörde sei berücksichtigt worden, dass diese durch ihre unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung in der abschließenden Entscheidung – Widerspruch – das sodann hiergegen anhängig gemachte Verfahren mit veranlasst habe. Das BSG hat in diesem Urteil seine Kostenentscheidung aber nicht nur auf die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung, sondern auch darauf gestützt, dass die Behörde durch ihre Verfahrensweise – Feststellung der Erledigung des gegen die vorläufige Entscheidung eingelegten Widerspruchs – das sodann anhängig gemachte Verfahren mit veranlasst und es die Behörde unterlassen habe, den dortigen Kläger auf die Erledigung der vorläufigen durch die abschließende Entscheidung während des gegen die vorläufige Entscheidung geführten Widerspruchsverfahrens und auf die Einbeziehung der abschließenden Entscheidung in das laufende Widerspruchsverfahren kraft Gesetzes nach § 86 SGG vor der Entscheidung über den Widerspruch hinzuweisen, um diesem im Sinne der bezweckten Verfahrensökonomie Gelegenheit zur sachgerechten Fortführung des Widerspruchsverfahrens zu geben (vergleiche juris Rn. 24). Mithin handelt es sich bei den Ausführungen des BSG um keinen allgemeine Gültigkeit beanspruchenden Rechtssatz, sondern um eine die Besonderheiten des dort entschiedenen Sachverhalts berücksichtigende Einzelfallentscheidung, die auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht übertragbar ist. Vorliegend hat, da die Kläger ihren gegen die abschließende Entscheidung eingelegten Widerspruch zurückgenommen haben, der Beklagte weder die Erledigung des gegen die vorläufige Entscheidung eingelegten Widerspruchs festgestellt, noch über den gegen die abschließende Entscheidung eingelegten Widerspruch entschieden, so dass es den entsprechenden Hinweisen – deren Fehlen das BSG in diesem Urteil zum Anlass seiner Kostenentscheidung genommen hat – zur sachgerechten Fortführung des Widerspruchsverfahrens nicht bedurft hat.

Im Übrigen hat das BSG bereits in seinem Urteil vom 20.10.2010 – B 13 R 15/10 R die Ansicht, § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X sei in erweiternder Auslegung bei einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung mit der Folge anzuwenden, dass ein Kostenerstattungsanspruch auch bei einem wegen der Rechtsfolge des § 96 Abs. 1 SGG unzulässigen Widerspruch gegen einen bereits in einem Gerichtsverfahren einbezogenen Verwaltungsakt zu bejahen, nicht geteilt, sondern darin ausgeführt, vielmehr komme eine Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Regelung auf den Fall einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht in Betracht (vergleiche juris Rn. 33-37). Nichts anderes kann nach Überzeugung des Senats in Bezug auf einen – wie vorliegend – Widerspruch gegen einen in einem Widerspruchsverfahren einbezogenen Verwaltungsakt gelten.

Nach alledem ist die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Mit seinem Erlass wird die angegriffene Entscheidung gemäß § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG rechtskräftig.

Rechtskraft
Aus
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