L 10 U 109/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2615/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 109/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.12.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente streitig.

Der 1966 geborene Kläger war als Chemiearbeiter bei der S GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Am 04.03.2008 befand er sich früh morgens mit seinem Pkw auf dem Nachhauseweg, als ihm auf Grund von Glatteis ein anderes Fahrzeug in die Fahrerseite rutschte (Bl. 1 VA-I). Laut Durchgangsarztbericht (Klinikum am P) vom 04.03.2008 zog er sich dabei eine Patellaprellung und eine Platzwunde am linken Knie zu, die wundversorgt wurde (Bl. 1a VA-I). Im Verlauf desselben Tages kam es auf Grund einer Hämatomentleerung zu einer Blutung aus der Wunde, weshalb sich der Kläger erneut im Klinikum am P vorstellte (Bl. 5 VA-I). Vom 08.03.2008 bis 29.03.2008 wurde der Kläger stationär im Klinikum am P behandelt. Es wurden eine posttraumatische Bursitis praepatellaris links bei Z.n. Risswunde präpatellar und Knieprellung links, eine Prellung links, eine Kontusion der medialen Femurkondyle, ein Riss des medialen Retinaculum, eine Teilruptur des medialen und lateralen Seitenbandes, eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes links und eine Hüftprellung links diagnostiziert (Bl. 27 ff. VA-I). Am 10.03.2008 wurde eine Bursektomie und am 17.03.2008 eine operative Revision vorgenommen (Bl. 27 ff., 66 f. VA-I). In den folgenden Monaten musste der Kläger wegen Wundinfekten am linken Knie vom 18.05.2008 bis 26.05.2008 und vom 19.06.2008 bis 29.06.2008 stationär im Klinikum am P behandelt werden (Bl. 101 f., 109 f. VA-I). Schließlich wurde am 17.07.2008 in der B Uklinik T (BGU) ein Debridement am linken Knie durchgeführt, wobei ein bislang unentdeckter Fremdkörper entfernt wurde (Bl. 127 ff. VA-I). Im Rahmen der Intubation kam es zu einer Avulsion des Zahnes 41 im Bereich der Unterkieferfront (Bl. 594 VA-III). Eine Arbeitserprobung brach der Kläger am 22./23.10.2008 wegen starker Schmerzen ab (Bl. 207 VA-II). Am 04.05.2009 nahm er im Rahmen einer erneuten Arbeitserprobung eine Tätigkeit als Pförtner bei seinem Arbeitgeber auf, die er jedoch kurz danach wegen anhaltender Schmerzen abbrach (Bl. 335, 338, 341 VA-II). Eine berufliche Tätigkeit nahm er seither nicht mehr auf. Er erhält eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung seitens des zuständigen Rentenversicherungsträgers (s. Bl. 119 eVA-V).

Am 05.11.2008 wurden kernspintomographische Aufnahmen des linken Kniegelenks erstellt, die eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes, eine weitgehende narbige Konsolidierung des gerissenen medialen Retinaculum, eine mediale Chondropathie Grad II - III im femoropatellaren Gleitlager und ein Knochenmarksödem der medialen Femurkondyle bei ausgerissenem Knochenflake zeigten (Bl. 211 VA-II). Daraufhin fand am 10.12.2008 eine diagnostische Arthroskopie des linken Kniegelenks in der BGU statt, wobei sich das vordere Kreuzband im Gegensatz zum MRT-Befund unauffällig, jedoch das hintere Kreuzband deutlich insuffizient zeigte (Bl. 228 f., 230 ff. VA-II; Diagnosen: HKB-Ruptur links, Ausriss des lateralen Kapselecks, erstgradiger Knorpelschaden des medialen und lateralen Tibiaplateaus, degenerative Auffaserung des Außenmeniskus, Z.n. altem Knorpelschaden außerhalb der Hauptbelastungszone der medialen Femurkondyle, Plica antero-medialis).

Die Beklagte holte ein erstes Rentengutachten bei dem W ein (Bl. 349 ff. VA-II, Untersuchungstag: 08.05.2009). Als wesentliche Unfallfolgen bezeichnete er eine Muskelumfangsminderung am linken Bein, eine Kalksalzminderung der Kniescheibe links und eine mäßige hintere Kreuzbandinsuffizienz und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) seit dem 08.05.2009 auf Dauer mit 20 v.H. ein.

Am 29.05.2009 wurde beim Kläger in der BGU eine hintere Kreuzbandersatzplastik und eine Seitenbandplastik eingesetzt (Bl. 366 f. VA-II). Im Rahmen eines am 09.07.2009 mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführten Telefonats klagte der Kläger erstmals über zunehmende psychische Probleme, die er auf die Unfallfolgen zurückführte (Bl. 380 f. VA-II), und stellte sich am 27.07.2009 bei der K vor, die eine Anpassungsstörung und eine mittelgradige depressive Episode diagnostizierte (Bl. 447 VA-III).

Da mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei, stellte die Beklagte das dem Kläger gezahlte Verletztengeld mit Ablauf der 78. Woche zum 31.08.2009 ein (s. Bl. 426 VA-III).

Im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der BGU vom 17.09.2009 bis 13.10.2009 wurde der Kläger von dem Facharzt für S1 untersucht (Bl. 475 ff. VA-III, Untersuchungstag: 28.09.2009). S1 schloss eine Schädigung peripherer Nerven aus und sah auch keine relevante psychiatrische Erkrankung. Aus der Rehabilitationsmaßnahme wurde der Kläger arbeitsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen. Bei nahezu freier Beweglichkeit im Bereich des linken Kniegelenkes und festen Bandverhältnissen wurde keine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß gesehen (Bl. 488 ff. VA-III).

Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Z von Oktober 2009 ein (Bl. 493 VA-III), der eine deutliche Bewegungsbehinderung des linken Kniegelenkes, eine Schwellneigung des linken Kniegelenkes, eine Muskelminderung des linken Beines, den Ersatz des hinteren Kreuzbandes und beginnende umformende Veränderungen des linken Kniegelenkes als Unfallfolgen bezeichnete. Die degenerative Auffaserung des Außenmeniskus, die Plica mediopatellaris, die Knorpelschäden retropatellar sowie im Tibiaplateau und im Bereich der Femurkondyle außerhalb der Belastungszone bezeichnete er hingegen als unfallunabhängig. Die MdE schätzte er auf 20 v.H. ein und empfahl eine Nachuntersuchung in einem Jahr.

Am 14.12.2009 teilte der Kläger einem Mitarbeiter der Beklagten bei einem Hausbesuch mit, dass er nach wie vor an psychischen Beeinträchtigungen leide. Er habe jedoch bereits früher unter psychischen Problemen gelitten, die er auf seine Kindheit mit einem alkoholkranken Vater zurückführte (Bl. 509 f. VA-III).

Mit Bescheid vom 25.01.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.03.2008 ab, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruches nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert sei (Bl. 517 ff. VA-III). Als bei der Bemessung der MdE zu beachtende gesundheitliche Beeinträchtigungen berücksichtigte sie eine Bewegungsbehinderung sowie Schwellneigung, eine beginnende umformende Veränderung und eine Muskelminderung im Bereich des linken Kniegelenks. Als vom Arbeitsunfall unabhängig lägen eine degenerative Auffaserung des Außenmeniskus, eine Plica antero-medialis, Knorpelschäden am medialen und lateralen Tibiaplateau sowie im Bereich der Femurkondyle und psychische Beeinträchtigungen vor. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch (Bl. 524, 575 f. VA-III).

Vom 22.01.2010 bis 04.03.2010 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie des Z1 Klinikum am W1 (Bl. 538 ff. VA-III, Diagnosen: Anpassungsstörung, mittelgradige depressive Episode), aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde.

Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes u.a. für R ein (Bl. 544 ff. VA-III). Dieser vertrat die Auffassung, dass vorübergehend das Vorliegen einer Anpassungsstörung anzuerkennen sei, die jedoch keine MdE bedinge. Zwei Jahre nach dem schädigenden Unfallereignis seien keine weiteren Behandlungsmaßnahmen zu Lasten der Beklagten erforderlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück (Bl. 585 ff. VA-III). Hiergegen erhob der Kläger am 16.09.2010 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG, S 6 U 3294/10). Das SG holte zunächst (schriftlich) sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte (K, L und G) ein. Vom 22.02.2011 bis 22.03.2011 absolvierte der Kläger eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung (Bl. 54 Akte des Landessozialgerichts - LSG - zum Verfahren L 6 U 4175/12, Diagnosen: somatoforme Störung mit psychischen und körperlichen Symptomen, Z.n. Knietrauma mit Bänderriss bzw. Operation (05/09) mit mäßiger belastungsabhängiger funktioneller Einschränkung), aus der er mit einem mehr als sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen wurde. Außerdem holte das SG ein Sachverständigengutachten bei dem B1 ein (Bl. 60 ff. SG-Akte zum Verfahren S 6 U 3294/10, Untersuchungstag: 15.08.2011), der als Unfallfolge auf seinem Fachgebiet eine vorübergehende depressive Anpassungsstörung diagnostizierte. Hieraus resultiere theoretisch maximal eine vorübergehende MdE von 20 v.H. im ersten Jahr nach der Entstehung (bis Ende März 2009) und eine MdE von 10 v.H. im zweiten Jahr bis längstens 04.03.2010. Danach könne keine weitere MdE auf psychiatrischem Fachgebiet abgeleitet werden. An dieser Auffassung hielt er auch in seiner ergänzenden Stellungnahme von Juni 2012 fest (Bl. 148 ff. SG-Akte des Verfahrens S 6 U 3294/10). Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das SG sodann ein weiteres Sachverständigengutachten bei dem K1 ein (Bl. 112 ff. SG-Akte zum Verfahren S 6 U 3294/10, Untersuchungstag: 20.03.2012). Er diagnostizierte auf seinem Fachgebiet eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, wobei die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung nicht auf den Unfall zurückzuführen sei, jedoch ein Risiko für das Auftreten weiterer psychischer Erkrankungen im Sinne einer erhöhten Vulnerabilität darstelle. Die MdE schätzte er auf seinem Fachgebiet sowie insgesamt mit 50 v.H. ein.

Vom 17.04.2012 bis 23.05.2012 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung im Z1 Klinikum am W1 (Bl. 100 ff. SG-Akte zum Verfahren S 6 U 3294/10, Diagnosen: schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen und chronischer unbeeinflussbarer Schmerz), aus der er in gebessertem Zustand entlassen wurde.

Mit Urteil vom 04.09.2012 verpflichtete das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2010, eine depressive Episode und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren als Folge des Arbeitsunfalls vom 04.03.2008 anzuerkennen. Vom 17.12.2012 bis 07.02.2013 befand sich der Kläger erneut in stationärer medizinsicher Behandlung im Z1 Klinikum am W1 (Bl. 21 ff. LSG-Akte des Verfahrens L 6 U 4275/12, Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen und chronischer unbeeinflussbarer Schmerz). Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem LSG (L 6 U 4175/12) schlossen die Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22.05.2014 nach dem richterlichen Hinweis, dass u.a. auch B1 eine Anpassungsstörung diagnostiziert, diese jedoch fälschlicherweise auf das Unfallereignis selbst zurückgeführt und nicht als mittelbare Unfallfolge (fehlgeschlagene Heilbehandlung) angesehen habe und eine Anpassungsstörung nach der unfallmedizinischen Literatur in der Regel bis zu zwei Jahren andauere, auf Vorschlag des Senats einen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, unter Aufhebung des Bescheides vom 25.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2010 beim Kläger vom 27.07.2009 bis 22.02.2011 eine Anpassungsstörung als Folge des Arbeitsunfalles vom 04.03.2008 festzustellen und ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. bis 26.07.2010 und danach nach einer MdE von 20 v.H. bis 22.02.2011 zu gewähren. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

Mit Bescheid vom 16.06.2014 (Bl. 142 ff. eVA-V) führte die Beklagte den gerichtlichen Vergleich aus.

Am 23.06.2014 stellte sich der Kläger bei dem M vor. Dieser diagnostizierte eine posttraumatische Arthrose am linken Knie (Bl. 147 eVA-V). Diese sei Folge der auf Behandlungsfehlern basierenden Infektion des linken Knies, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung desselben geführt habe (Bl. 151 eVA-V). Auch seien die psychische Situation des Klägers in Folge der mehrfachen Operationen und die soziale Situation zu beachten. Er habe wegen der Infektion des linken Knies bis heute keine Arbeit mehr gefunden. Daraufhin stellte der Kläger am 25.06.2014 einen Verschlechterungsantrag bei der Beklagten und bat um Neufeststellung der MdE mit 40 v.H. auf Dauer (Bl. 150 eVA-V).

Die Beklagte holte daraufhin ein Rentengutachten bei dem T1 ein (Bl. 204 ff. eVA-V, Untersuchungstag: 03.12.2014). T1 beschrieb im Bereich des linken Kniegelenks im Vergleich zum ersten Rentengutachten vom 23.05.2009 u.a. eine deutliche Besserung der Beweglichkeit von 0-0-120° auf eine lediglich endgradige Bewegungseinschränkung von 0-0-135° und stabile Bandverhältnisse. Auch vermochte er eine Muskelminderung im Seitenvergleich nicht (mehr) festzustellen. Die MdE schätzte er zum Untersuchungszeitpunkt auf 10 v.H. ein.

Mit Bescheid vom 21.01.2015 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente an den Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls ab (Bl. 220 f. eVA-V). Den hiergegen erhobenen Widerspruch (Bl. 223 eVA-V) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2015 zurück (Bl. 237 ff. eVA-VI), da eine wesentliche Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls nicht vorliege. Von einer wesentlichen Verschlimmerung sei nur dann auszugehen, wenn sich die MdE um mehr als 5 v.H. ändere, was nach dem Gutachten des T1 vorliegend jedoch nicht der Fall sei.

Hiergegen hat der Kläger am 12.08.2015 Klage beim SG erhoben und eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes behauptet. Er hat - teilweise bereits aktenkundige - Befundberichte seiner behandelnden Ärzte vorgelegt (u.a. M, Bl. 20 und 62 SG-Akte, W2, Bl. 23 SG-Akte, K, Bl. 88 f. SG-Akte, Bericht über MRT des linken Kniegelenks vom 25.10.2017, Bl. 142 SG-Akte, sowie weitere Berichte Bl. 75 ff. SG-Akte).

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das SG ein Sachverständigengutachten bei dem E eingeholt (Bl. 32 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 30.06.2016). E hat eine mittelschwere bis schwere depressive Episode bei fortbestehender Kniesymptomatik, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine Innenmeniskusläsion am linken Knie, eine fortschreitende posttraumatische Gonarthrose links, eine partielle Ruptur des vorderen Kreuzbandes am linken Kniegelenk, einen Z.n. hinterer Kreuzbandplastik und eine deutliche Muskelminderung des Quadriceps am linken Oberschenkel diagnostiziert und als unfallbedingt eingestuft. Bei einer Beweglichkeit des linken Kniegelenks (Extension/Flexion) von 0-0-120° (s. Bl. 42 SG-Akte; im Messblatt hat der Sachverständige offensichtlich die Bewegungsmaße für das linke - 0-0-135° - und rechte - 0-0-120° - Kniegelenk vertauscht, Bl. 44 SG-Akte) hat der Sachverständige die MdE auf 20 v.H. eingeschätzt und dies mit einer rasch fortschreitenden Arthrose mit entsprechenden Reiz- und Schmerzzuständen begründet, wobei er eingeräumt hat, dass die MdE-Bewertung des T1 unter dem Aspekt der Funktionalität nachvollziehbar sei. Die Beklagte hat daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des stellvertretenden Ärztlichen Direktors der B Uklinik F S2 vorgelegt (Bl. 67 f. SG-Akte), der die Arthrose am linken Kniegelenk nicht auf den Unfall zurückgeführt hat, da bereits bei der Arthroskopie am 10.12.2008 ein alter Knorpelschaden an der medialen Femurkondyle beschrieben worden sei und eine Instabilität des Kniegelenkes, die zu einem vorzeitigen Verschleiß führen könnte, auch nach dem Gutachten des E nicht bestehe. Eine Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks von 0-0-120° bedinge jedoch lediglich eine MdE von 10 v.H.

Das SG hat von Amts wegen ein Gutachten bei dem Facharzt u.a. M1 eingeholt (Bl. 105 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 06.09.2018). Im Rahmen der Untersuchung hat der Kläger entgegen früherer Angaben das Vorhandensein - u.a. durch eine bereits mehrere Jahre vor dem Arbeitsunfall bestehende Spielsucht hervorgerufener - psychischer sowie finanzieller und familiärer Probleme bereits vor dem Arbeitsunfall verneint und zunächst Falschangaben über die Medikamenteneinnahme gemacht. Erst nach erfolgter Blutabnahme zur Serumspiegelbestimmung hat der Kläger eingeräumt, bereits seit zwei Monaten keine Medikamente mehr einzunehmen, da er bei der kurz zuvor - am 02.09.2018 - in der Türkei stattgefundenen Hochzeit seiner Tochter, bei der auch er anwesend gewesen sei, nicht habe müde sein wollen. Der Sachverständige hat weder eine eindeutige psychische Störung noch eine neurologische Erkrankung diagnostizieren können. Am ehestens bestehe beim Kläger ein Zustand nach abgeklungener Anpassungsstörung. Jedenfalls bestehe keine Gesundheitsstörung, für die ein Zusammenhang mit dem Ereignis vom 04.03.2008 denkbar erscheine. In seiner ergänzenden Stellungnahme von Oktober 2018 (Bl. 144 ff. SG-Akte) hat der M1 an seiner Auffassung festgehalten und nochmals herausgestellt, dass beim Kläger eine Simulation vorliege.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.12.2018 hat das SG die Klage abgewiesen, da eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers nicht vorliege. Eine solche sei bei der MdE-Feststellung nur dann relevant, wenn sie mehr als 5 v.H. betrage und bei Renten auf unbestimmte Zeit länger als drei Monate andauere. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Zur Begründung hat sich das SG auf die vom Sachverständigen E erhobenen Befunde und die seitens des Sachverständigen Mayer erhobenen Befunde und dessen Einschätzung gestützt.

Hiergegen hat der Kläger - vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten - am 08.01.2019 Berufung beim LSG eingelegt. Mit der Einschätzung des SG, wonach es nicht zu einer wesentlichen Verschlechterung der gesundheitlichen Folgen am linken Knie und der anerkannten vorübergehenden Angststörung gekommen sei, bestehe auf Grund der Einschätzungen von M1, E und der Frau K kein Einverständnis. Ihm stehe eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H., zumindest aber überhaupt eine Verletztenrente zu.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.12.2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.08.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.03.2008 eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. seit dem 25.06.2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids berufen und ausgeführt, dass die Untersuchungsergebnisse des E keine Verschlimmerung der Unfallfolgen zeigten, die zu einer MdE in rentenberechtigendem Grade führen würden. Er habe vielmehr eine Rückbildung der Knieinstabilität bestätigt. Der M habe die außerhalb seines Fachgebiets liegenden Unfallfolgen bewertet. Außerdem habe sich der M1 auch mit den Befundberichten der K auseinandergesetzt und diese in sein Gutachten einfließen lassen. Eine rentenberechtigende MdE ergebe sich nicht.

Der Senat hat (schriftlich) eine sachverständige Zeugenauskunft des den Kläger behandelnden Facharztes für Orthopädie M1 eingeholt (Bl. 35 f. Senatsakte). Dieser hat mitgeteilt, dass die Beweglichkeit des linken Knies bei 0-0-135° mit endgradiger Beugehemmung gelegen habe. Es bestehe eine (im MRT dokumentierte) posttraumatische Knorpelschädigung des linken Knies. Es liege Fremdmaterial nach hinterer Kreuzbandplastik ein. Es bestünden glaubhafte Beschwerden bei Belastung des linken Knies. Im Rahmen der Schmerzen habe sich beim Kläger eine Depression entwickelt. Arthrosen neigten im Laufe der Zeit zur Verschlechterung, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass sich die posttraumatische Arthrose im Laufe der Zeit verschlechterte. M1 hat u.a. Berichte über MRT-Untersuchungen des linken Knies vom 23.06.2014 (Bl. 40 Senatsakte) und vom 25.10.2017 (Bl. 38 Senatsakte) vorgelegt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Gerichtsakten der Verfahren S 6 U 3294/10 und L 6 U 4175/12 und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 21.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2015, mit dem die Beklagte auf den Verschlechterungsantrag des Klägers vom 25.06.2014 hin - auch weiterhin - die Gewährung von Verletztenrente ablehnte. Streitgegenständlich ist der Zeitraum ab 25.06.2014, da der Kläger sowohl im erstinstanzlichen Klage- als auch im Berufungsverfahren Verletztenrente ab diesem Zeitpunkt - entsprechend seinem Antrag vom 25.06.2014 im Verwaltungsverfahren - geltend gemacht hat.

Das SG hat die Klage - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 21.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.08.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Allerdings ist Maßstab für die Prüfung, ob der Kläger einen Anspruch auf Verletztenrente hat, entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten vorliegend nicht § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 73 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), da der vor dem streitgegenständlichen Bescheid zuletzt ergangene Bescheid vom 16.06.2014 - anders als es diese Rechtsgrundlagen voraussetzen - kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn eine durch Verwaltungsakt getroffene Regelung in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus Wirkung erzeugt (BSG, Urteil vom 13.02.2013, B 2 U 25/11 R, juris). Ein Bescheid mit versagenden Verfügungssätzen ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSG, Urteil vom 22.10.1986, 9a RVs 55/85, juris). Ebenso verhält es sich mit einem Bescheid, der (nur) eine befristete Verletztenrente für die Vergangenheit bewilligt (Thüringer LSG, Urteil vom 04.07.2011, L 1 U 270/17, juris). Vorliegend entfaltet der Bescheid vom 16.06.2014, mit dem die Beklagte den im Verfahren L 6 U 4175/12 am 22.05.2014 geschlossenen gerichtlichen Vergleich umsetzte, indem sie für einen befristeten und in der Vergangenheit liegenden Zeitraum eine vorübergehende Anpassungsstörung als Unfallfolge feststellte und dem Kläger für diesen Zeitraum eine Verletztenrente gewährte sowie einen darüber hinaus bestehenden Anspruch auf Verletztenrente ablehnte, keine Wirkungen über seinen Bekanntgabezeitpunkt hinaus.  

Damit ist maßgebliche Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Verletztenrente § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII.

Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (sog. Wegeunfall). Der Kläger erlitt am 03.04.2008 unstreitig einen solchen Wegeunfall, als er auf dem Heimweg von seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit mit seinem Pkw mit einem - auf eisglatter Fahrbahn rutschenden - entgegenkommenden Pkw kollidierte und sich eine Verletzung am linken Kniegelenk zuzog.

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist durch die gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls vom 03.04.2008 jedoch jedenfalls seit dem 25.06.2014 nicht um mindestens 20 v.H. gemindert.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, juris): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Der Kläger leidet seit dem 25.06.2014 jedenfalls noch an einer auf den Unfall zurückzuführenden endgradigen Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Kniegelenks. Dies entnimmt der Senat sowohl dem - urkundsbeweislich verwertbaren - Verwaltungsgutachten des T1 (Untersuchungstag: 03.12.2014) als auch dem Sachverständigengutachten des E sowie der sachverständigen Zeugenauskunft des M1. Ob auch die beim Kläger im Bereich des linken Kniegelenks bestehende Arthrose auf den Unfall zurückzuführen ist oder nicht - wie vom Beratungsarzt S2 ausgeführt -, kann - da hier lediglich die Gewährung der Verletztenrente und nicht die Anerkennung von Unfallfolgen im Streit steht - dahinstehen, denn die Bestimmung der MdE richtet sich grundsätzlich nach den funktionellen Defiziten (s.o.). Nach dem vom Senat bei der Bemessung der MdE regelmäßig zu Grunde gelegten Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit (9. Auflage 2017, S. 685 f.) ist eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenks (Streckung/Beugung) bis 0-0-120° mit einer MdE um 10 v.H., bis 0-0-90° um 15 v.H. und erst bei 0-0-80° um 20 v.H. anzusetzen. Eine muskulär kompensierte Instabilität des Kniegelenks ist ebenfalls mit einer MdE um 10 v.H. und eine muskulär nicht kompensierbare Instabilität mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten. Jedenfalls seit dem 25.06.2014 lag beim Kläger weder eine Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit noch eine Knieinstabilität in einem Ausmaß vor, die eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen.

Bei der Untersuchung durch T1 bestand im Bereich des linken Kniegelenks im Vergleich zum rechten Kniegelenk lediglich eine endgradige Bewegungseinschränkung auf 0-0-135° und der Seitenbandapparat zeigte sich stabil. Eine vormals bestehende Muskelumfangsminderung des linken Beines und eine Verschmächtigung der linken Oberschenkelmuskulatur - als Zeichen für eine erhebliche Minderbelastung der linken Extremität - lag gerade nicht (mehr) vor. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen E im Juni 2016 haben sich die Bandverhältnisse ebenfalls stabil gezeigt. Die Beweglichkeit des linken Kniegelenks hat der Sachverständige in seinem Messblatt mit 0-0-135°, diejenige des rechten Kniegelenks mit 0-0-120° (Bl. 44 SG-Akte), im Fließtext des Gutachtens hat er jedoch die Beweglichkeit des linken Kniegelenks mit 0-0-120° (Bl. 42 SG-Akte) angegeben. Da der Sachverständige davon ausgegangen ist, dass es im Vergleich zur Begutachtung durch T1 zu einer Verschlechterung der linksseitigen Kniegelenksbeweglichkeit gekommen ist, geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass dem Sachverständigen bei der Übertragung der Messwerte in das Messblatt ein Fehler unterlaufen ist und er tatsächlich eine Beweglichkeit des linken Kniegelenkes von 0-0-120° gemessen hat. Diese scheint jedoch lediglich vorübergehend vorgelegen zu haben, da M1 im Rahmen seiner sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem Senat wiederum eine Kniegelenksbeweglichkeit links von 0-0-135° angegeben hat. Letztlich kann es dahinstehen, ob die Kniegelenksbeweglichkeit lediglich bis 0-0-135° oder bis 0-0-120° eingeschränkt ist, da dies im Ergebnis nicht zu einer anderen Einschätzung führt. Wie oben ausgeführt, bedingt eine Beweglichkeit von 0-0-120° lediglich eine MdE um 10 v.H., die mangels Knieinstabilität und mangels weiterer noch bestehender auf den Unfall zurückzuführender Gesundheitsbeeinträchtigungen (s. sogleich unten) jedenfalls nicht zu erhöhen ist und somit keinen Rentenanspruch begründet.

Soweit der Sachverständige E von einer MdE um 20 v.H. für die Beeinträchtigungen im Bereich des linken Kniegelenks ausgegangen ist, folgt dem der Senat nicht. E hat bei seiner Einschätzung nämlich eine durch die Arthrose bedingte zeitnahe weitere - in der Zukunft erwartete - Verschlechterung miteinbezogen. Künftige Funktionsbeeinträchtigungen sind jedoch im Rahmen der MdE-Bewertung, die sich grundsätzlich nach den aktuellen Funktionsdefiziten richtet (s.o.), nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen ist vorliegend auch die von E erwartete, derartige zeitnahe Verschlechterung gar nicht eingetreten. Wie bereits ausgeführt, hat sich die Beweglichkeit des linken Kniegelenks des Klägers nach der Begutachtung durch E gerade nicht weiter verschlechtert, sondern - wie von M1 dargetan - verbessert.

Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung behauptet hat, die Knieinstabilität habe sich nicht zurückgebildet, ist diese Behauptung durch die von T1 und E erhobenen Befunde, die eine Knieinstabilität ausdrücklich nicht beschrieben haben, widerlegt. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass bereits lange vor dem am 25.06.2014 gestellten Verschlechterungsantrag - u.a. im Oktober 2010 (Bl. 80 SG-Akte), im Juni 2011 (Bl. 91 f. SG-Akte) und Dezember 2011 (Bl. 93 SG-Akte) - eine Bandinstabilität seitens der behandelnden Ärzte ausdrücklich nicht mehr dokumentiert wurde.

Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung von Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, denn solche liegen beim Kläger nicht (mehr) vor. Diese Überzeugung stützt der Senat auf das Sachverständigengutachten des M1. Dieser hat beim Kläger eine neurologische Erkrankung ausgeschlossen, eine eindeutige psychische Störung nicht zu diagnostizieren vermocht und allenfalls einen Zustand nach abgeklungener Anpassungsstörung angenommen. Dies ist für den Senat auf Grund der mitgeteilten Befunde (neurologischer Befund: bis auf eine angegebene Sensibilitätsstörung ab dem linken Kniegelenk bis zum linken Sprunggelenk, die sich nicht an das Versorgungsgebiet eines peripheren Nerves oder einer Nervenwurzel hält, unauffällig - insbesondere auch unauffälliges Gang-
bild -; psychischer Befund: unauffälliges äußeres Erscheinungsbild, keine Verhaltensauffälligkeiten, problemloser Sozialkontakt, keine Sprachauffälligkeiten, Psychomotorik sowie Gestik und Mimik unauffällig, klare Bewusstseinslage, keine Orientierungs- oder Wahrnehmungsstörungen, keine Störungen der Ich-Funktionen oder des Gedankenganges, keine Auffälligkeiten des Gedankeninhaltes, Auffassungsvermögen nicht erschwert, Merk- und Konzentrationsfähigkeit nicht beeinträchtigt, Kritikfähigkeit erhalten, keine Zwangsgedanken oder -handlungen, Stimmungslage ausgeglichen, keine Beeinträchtigung der Affektivität, Antrieb nicht vermindert, keine Suizidalität, keine Hinweise auf psychotische Entwicklung) und der selbstanamnestischen Angaben des Klägers (einmal jährlich Reise in die Türkei zum Familienbesuch, letzter Türkeibesuch kurz vor der Begutachtung zur Hochzeit der Tochter am 02.09.2018, aufstehen zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr, lesen - aktuell einen Band über die türkische Geschichte -, Beschäftigung mit dem Laptop/Internet, Nachrichten ansehen, spazieren gehen, regelmäßige Mitarbeit im Haushalt - Staub saugen, Fenster putzen, sauber machen -, angeln, telefonischer Kontakt zu Freundeskreis) schlüssig und nachvollziehbar. Der Sachverständige hat überdies herausgearbeitet, dass der Kläger im Rahmen seiner Begutachtung nicht nur völlig konträre Angaben im Vergleich zur Aktenlage, sondern auch Falschangaben gemacht hat. So hat er u.a. seine jahrelang bestehende Spielsucht, wegen der er sich im Februar 2005 - und damit lange vor dem Arbeitsunfall - bei dem G in Behandlung befand, völlig heruntergespielt und entgegen seiner in den Akten dokumentierten früheren Angaben behauptet, nie von seiner Ehefrau getrennt gewesen zu sein, erst durch den Unfall zu rauchen begonnen zu haben sowie keinen alkoholkranken Vater und eine konfliktbehaftete Kindheit gehabt zu haben. Außerdem hat er dem Sachverständigen zunächst einen handgeschriebenen Medikamentenplan seiner täglich einzunehmenden Medikamente und eine Tasche mit - unangebrochenen - Medikamentenpackungen vorgelegt, schließlich nach der Blutabnahme zur Serumspiegelbestimmung jedoch eingeräumt, seit zwei Monaten keine Medikamente mehr eingenommen zu haben, da er bei der Hochzeit der Tochter nicht habe müde sein wollen. Schließlich hat der Kläger auch eingeräumt, Schmerzmittel nur bei Bedarf einzunehmen, was zu einer vollständigen Remission der Schmerzen führe, weshalb der Sachverständige auch das Vorliegen einer chronischen Schmerzstörung nicht bestätigen konnte. Schon allein dieses Verhalten des Klägers lässt erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Angaben aufkommen. Außerdem haben - nach den Ausführungen des Sachverständigen - auch die vom Kläger geschilderten Beschwerden, die grundsätzlich auf eine mittelgradige Depression hindeuten könnten, nicht mit dem klinischen Eindruck und dem (oben dargestellten) psychischen Befund übereingestimmt. Der Sachverständige ist deshalb und nach Auswertung der - ebenfalls auffälligen - durchgeführten psychologischen Tests für den Senat nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger - zumindest in Teilen - simuliert. Da somit bereits nicht nachgewiesen ist, dass beim Kläger überhaupt (noch) eine Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegt, den Kläger jedoch die Beweislast für das Vorliegen des Gesundheitsschadens (s. hierzu BSG, Urteil vom 20.12.2016, B 2 U 16/15 R, juris) trifft, kann auch keine MdE für eine psychische Erkrankung angesetzt werden.

Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass beim Kläger in der Vergangenheit psychiatrische Erkrankungen diagnostiziert wurden, er diesbezüglich mehrmals stationär behandelt wurde und die Beklagte in Umsetzung des im Verfahren L 6 U 4175/12 geschlossenen Vergleichs auch eine vorübergehende Anpassungsstörung - bis 22.02.2011 - als mittelbare Unfallfolge anerkannte. Denn das Vorliegen psychiatrischer Erkrankungen in der Vergangenheit bedeutet nicht, dass diese auch ab dem 25.06.2014 noch bestanden. Hiergegen spricht gerade, dass der Kläger letztmals von Dezember 2012 bis Februar 2013 stationär behandelt wurde und eine psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung nicht (mehr) stattfindet (Bl. 129 SG-Akte).

An dieser Einschätzung ändert auch der Befundbericht der K von Juli 2017 nichts (Bl. 139 SG-Akte). Sie hat den Kläger als bewusstseinsklar, allseits orientiert, im Kontakt freundlich und zugewandt, ohne kognitive Defizite oder formale Denkstörungen, ohne Zwänge, Wahn, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen beschrieben und lediglich eine deprimierte Stimmung und Niedergeschlagenheit dokumentiert. Im Übrigen hat sie die Angaben des Klägers (Freud- sowie Interessenlosigkeit, Schlafstörungen, starke Schmerzen, Ängste unter Menschen, Versagens-, Zukunfts- und Existenzängste, sozialer Rückzug) wiedergegeben, ohne diese Angaben kritisch zu hinterfragen. Der M1 hat diesen Befund - soweit er überhaupt auffällig gewesen ist - gerade nicht bestätigt, sondern vielmehr die Simulationstendenzen des Klägers herausgearbeitet.

Da beim Kläger folglich eine MdE um mindestens 20 v.H. nicht vorliegt, besteht auch kein Anspruch auf Verletztenrente.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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