Die Kassenärztliche Vereinigung ist verpflichtet, das Korrekturbegehren einer klagenden Krankenkasse nach § 106a Abs. 3 SGB V in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung auf sachlich-rechnerische Richtigstellung umzusetzen. Die Krankenkasse hat mit Blick auf evtl. Haftungsansprüche nach § 106a Abs. 7 SGB V a.F. i.V.m. § 106 Abs. 4b SGB V a.F. ein Bescheidungsinteresse auch dann, wenn die Kassenärztliche Vereingiung von einer Honorarrückforderung gegenüber den betroffenen Vertragsärzten absehen sollte oder muss.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.05.2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 3.513,37 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt noch eine Entscheidung der Beklagten über ihr Korrekturbegehren auf sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch in der bis zum 31.12.2016 gültigen Fassung (im Folgenden: SGB V a.F.) für vertragsärztliche Leistungen der Quartale vor 2013, für welche gegenüber den betroffenen Vertragsärzten wegen Zeitablaufs keine Honorarberichtigungsbescheide mehr erlassen werden können.
Mit Schreiben vom 15.08.2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung nach § 106a Abs. 3 SGB V a.F. die Abrechnungsdaten der Beklagten für das Quartal 3/2011 überprüft habe. Dabei sei festgestellt worden, dass auch Abrechnungsdaten für Personen übersandt worden seien, die nicht bei ihr versichert seien. Für die Abrechnung der unbekannten Leistungsempfänger ergebe sich eine Gesamtforderung in Höhe von 2.720,27 €. Es werde um schriftliche Bestätigung der Korrektur der genannten Auffälligkeiten bis zum 01.12.2012 gebeten.
Mit Bescheid vom 04.09.2012 wies die Beklagte den Berichtigungsantrag zurück. Der Antrag sei am 21.08.2012 eingegangen und damit für das Quartal 3/2011 außerhalb der nach der Vereinbarung nach § 106a SGB V a.F. festgelegten Antragsfrist. Nach der Vereinbarung bestehe eine Frist von sechs Monaten nach Zugang der Abrechnungsdaten. Ergänzend sei auszuführen, dass nach § 106a Abs. 3 Ziff. 1 SGB V a.F. die Krankenkassen die Abrechnungen der Vertragsärzte hinsichtlich „des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht“ prüften. Werde eine Leistungspflicht zunächst nicht festgestellt, fordere § 44 Abs. 4 in Verbindung mit § 47 Bundesmantelvertrag - Ärzte/Ersatzkassen (BMV-Ä/EK) für eine Prüfung bzw. Korrektur durch die Beklagte u.a. einen Mindestbetrag von 25,60 €. Dieser Betrag sei nicht in allen Fällen erreicht worden. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.09.2012 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 07.01.2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung nach § 106a Abs. 3 SGB V a.F. habe sie die Abrechnungsdaten für das Quartal 4/2013 überprüft. Dabei sei festgestellt worden, dass die erbrachten extrabudgetären Leistungen in bestimmten Fällen nicht nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen bzw. nach den Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) abgerechnet worden seien. Die geprüften Sachverhalte ergäben eine Gesamtforderung in Höhe von 118.827.70 €. Die Anlage zum Schreiben enthielt verschiedene geprüfte Sachverhalte: Abrechnung der EBM-Ziffer 01770 (Mutter I), die Abrechnung der Ziffer 01732 EBM (Check I2J), Abrechnungen der Ziffern 01730 bzw. 01731 EBM (KREF I), Abrechnungen der Ziffer 01740 EBM (KREF III), Abrechnungen der Ziffer 01745 EBM (Haut II2J), Abrechnungen der Ziffern 01745 und 01746 EBM (Haut III), Abrechnungen der Anästhesie im Bereich der ambulanten Operationen ohne eine nachfolgende Operation (AAOPOAOP) und Abrechnungen der Ziffer 01735 EBM (CHROI).
Mit Bescheid vom 14.01.2015 wies die Beklagte auch diesen Berichtigungsantrag zurück. Der Antrag vom 07.01.2015 sei am 07.01.2015 bei ihr eingegangen. Damit sei der Antrag außerhalb der nach der Vereinbarung nach § 106a SGB V a.F. festgelegten Frist eingegangen, da solche Prüfungen nur innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung sämtlicher Daten für den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg beantragt werden könnten. Die Daten seien der Klägerin am 28.05.2014 zugegangen, so dass die Antragsfrist für das Quartal 4/2013 versäumt worden sei. Auch hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 23.01.2015 sinngemäß Widerspruch ein.
Mit zwei im Wesentlichen inhaltsgleichen Widerspruchsbescheiden vom 31.08.2015 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 04.09.2012 und vom 14.01.2015 zurück. Zur Begründung wurde jeweils u.a. ausgeführt, in der Vereinbarung zwischen der Beklagten und den Landesvertretungen der Krankenkassen zur Durchführung der Abrechnungsprüfung sei unter Teil D Allgemeine Bestimmungen, § 8 Antragstellung, unter Abs. 1 geregelt, dass Prüfungen nach § 106a Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB V a.F. durch die Vertragspartner und die Krankenkassen innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung sämtlicher Daten nach § 1 Abs. 2 Anlage 6 BMV-Ä für den KV-Bereich Baden-Württemberg beantragt werden könnten (Lieferung 3/2011: 08.02.2012; Lieferung 4/2013: 28.05.2014). Über den u.a. in Bezug genommenen § 106a Abs. 4 Satz 2 SGB V a.F. werde auch die Prüfung nach § 106a Abs. 3 SGB V a.F. in den Wirkungskreis der Fristenregelung einbezogen. Die Frist sei hier jeweils abgelaufen gewesen.
Gegen die beiden Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 01.10.2015 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das Verfahren ist zunächst unter dem Aktenzeichen S 24 KA 5382/15 geführt und zur Berücksichtigung der Entscheidung des Verfahrens L 5 KA 4078/13 vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) wiederholt zum Ruhen gebracht worden. Nach Wiederanrufung ist es unter dem Aktenzeichen S 24 KA 143/17 fortgesetzt worden.
Nach Wiederanrufung hat die Beklagte zunächst mitgeteilt, dass sie sich nur zu einer Neubescheidung für das Quartal 4/2013 verpflichtet sehe. Für das Quartal 3/2011 sei die vierjährige Ausschlussfrist gegenüber den betroffenen Vertragsärzten zu einer sachlich-rechnerischen Berichtigung abgelaufen, so dass keine Neubescheidung mehr möglich sei.
Die Beklagte hat sodann den Bescheid vom 04.07.2017 erlassen, welcher Gegenstand des hiesigen Verfahrens geworden sei. In diesem Bescheid hat die Beklagte ausgeführt, zwischenzeitlich habe das Bundessozialgericht (BSG) die Frage zum Geltungsbereich von Antragsfristen geklärt und die Rechtsauffassung der Beklagten nicht bestätigt. Es werde daher den Anträgen der Klägerin, soweit noch möglich, abgeholfen. Im Antrag vom 07.01.2015, der für das Quartal 4/2013 deklariert worden sei, seien auch Prüfergebnisse für die Quartale 1 bis 3/2013, für die Sachverhalte CHROI und KREF III sogar aus dem Zeiträumen 3/2010 bis 4/2012, enthalten. Für die letztgenannten Quartale sei eine Umsetzung von Korrekturen aus Gründen des Vertrauensschutzes der betroffenen Praxen nicht mehr möglich. Es erfolge daher eine Umsetzung der Prüfergebnisse der Klägerin lediglich für die Quartale 1/2013 bis 4/2013. Die Beklagte werde die betroffenen Leistungen im Rahmen von maschinellen Korrekturläufen im Quartal 2/2017 berichtigen. Eine Umsetzung von Korrekturen entsprechend des Antrags vom 15.08.2012 sei nicht mehr möglich. Die Prüfergebnisse stammten aus dem Quartal 3/2011. Seit Mitte Januar 2016 könnten die Praxen darauf vertrauen, dass keine Korrekturen mehr erfolgten. Mit Urteil vom 23.03.2016 (B 6 KA 14/15 R) habe das BSG zwar anerkannt, dass vereinbarte Antragsfristen kein Hindernis für eine Sachentscheidung sein sollten, und ihnen lediglich eine Ordnungsfunktion zukomme. In einer Parallelentscheidung führe das BSG aus, dass ein Anspruch der Krankenkasse auf Auszahlung der sich aufgrund einer sachlich-rechnerischen Richtstellung zu ihren Gunsten ergebenden Beträge nur bestehe, wenn entsprechende Bescheide gegenüber den Vertragsärzten ergangen bzw. diese bestandskräftig geworden seien (BSG, Urteil vom 23.03.2016, B 6 KA 8/15 R). Die KV sei bei der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106a Abs. 3 Nr. 1 SGB V a.F. auf die Prüfung beschränkt, ob der Umsetzung des Prüfungsergebnisses der Krankenkasse gegenüber dem Vertragsarzt Begrenzungen der Richtigstellungsbefugnisse entgegenstünden. wie etwa eine Versäumung der Ausschlussfrist oder andere Vertrauensschutzgesichtspunkte. Da hier die Ausschlussfrist von vier Jahren ab Erhalt der Honorarbescheide für die Praxen bereits abgelaufen sei, seien Korrekturen nicht mehr möglich. Vor Bekanntgabe der Entscheidungen des BSG sei die Beklagte auch nicht gehalten gewesen, rechtzeitige Korrekturen durchzuführen. In Baden-Württemberg seien alle Kassen bis dahin davon ausgegangen, dass sämtliche nachgehende Abrechnungsprüfungen mittels Daten der Kassen einen Antrag erforderten und die vereinbarte Antragsfrist Gültigkeit habe. Auch sei mit Urteil des SG vom 08.08.2013 (S 11 KA 7057/12) zunächst die Gültigkeit der Antragsfrist bestätigt worden.
Im Nachgang hat die Beklagte nach Beanstandungen der Klägerin noch Änderungen hinsichtlich einzelner Prüffragen vorgenommen. Die Klägerin hat den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt, soweit die Beklagte ihren Anträgen abgeholfen hat. Im Übrigen hat sie an ihrem Berichtigungsbegehren unter Hinweis auf die Prüffragen CHROI, KREF III und ULE (vgl. die in den Anlagen K 2, 3 mit "v" gekennzeichneten sowie in Anlage K 5 aufgeführten Fälle) festgehalten. Sie hat zur Begründung vorgetragen, diese Abrechnungsfälle seien nicht erledigt, da die Beklagte eine Berichtigung abgelehnt habe, da sie gegenüber den betroffenen Vertragsärzten keine Berichtigung aus Vertrauensschutzgründen vornehmen könne. Dies stelle jedoch keine Bescheidung gegenüber der Klägerin dar. Im Hinblick auf die Vorstandshaftung der Beklagten gemäß § 106a Abs. 7 in Verbindung mit § 106 Abs. 4b SGB V a.F. werde das Bescheidungsinteresse weiterverfolgt. Dies bestehe unabhängig davon, ob die Beklagte Honorarrückforderungen gegenüber den betroffenen Vertragsärzten wegen Zeitablaufes noch durchsetzen könne. Die Klägerin erwarte daher weiterhin, dass die beanstandeten Abrechnungen ihr gegenüber richtiggestellt würden bzw. eine Feststellung getroffen werde, dass die Abrechnungen unberechtigt erfolgt seien.
Die Beklagte hat erwidert, sie sehe sich über die anerkannten Fälle hinaus nicht mehr in der Pflicht zur materiell-rechtlichen Prüfung, ob der Prüfantrag der Klägerin im Hinblick auf die in den Anlagen K 2, 3 und 5 bezeichneten Fälle begründet gewesen sei, da diese jedenfalls nicht mehr gegenüber den betroffenen Vertragsärzten durchsetzbar seien. Aufgrund der früheren Rechtslage bis zur Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.10.2016 (L 5 KA 4078/13) habe auch keine Notwendigkeit bestanden, die betroffenen Vertragsärzte über den anhängigen Prüfantrag der Klägerin zu informieren. Die Beklagte habe dem Bescheidungsinteresse der Klägerin auch im Hinblick auf die nicht mehr durchsetzbaren Berichtigungen mehrfach Rechnung getragen, indem sie den Bescheid vom 04.07.2017 erlassen habe und auch in den hiesigen Schriftsätzen eine dahingehende Entscheidung getroffen habe, dass für die Quartale 3/2010 bis 4/2012 keine Korrekturen mehr vorgenommen werden könnten.
Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.05.2019 hat das SG die Bescheide der Beklagten vom 04.09.2012 und vom 14.01.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 31.08.2015, jeweils in der Form des Änderungsbescheides vom 04.07.2017, abgeändert und die Beklagte verpflichtet, in den Quartalen 3/2010 bis 4/2012 über das Korrekturbegehren der Klägerin auf sachlich-rechnerische Richtigstellung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Beklagte habe im Bescheid vom 04.07.2017 nur niedergelegt, dass „eine Umsetzung der Korrekturen nicht möglich" sei. Damit werde nach Auslegung der Bescheide entsprechend des objektiven Empfängerhorizonts die begehrte sachlich-rechnerische Richtigstellung für die Quartale 3/2010 bis 4/2012 gegenüber der Klägerin erneut abgelehnt. Die Beklagte berufe sich dabei nunmehr nicht mehr auf den Ablauf einer sechsmonatigen Antragsfrist, sondern auf den Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist, nach der Honorarbescheide endgültig seien und Vertragsärzte auf deren Bestand vertrauen dürften. Nach Ansicht der Kammer betreffe diese Begründung der Beklagten aber allein das Verhältnis zu den Vertragsärzten, gegenüber denen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarbescheide nicht mehr durchführt werden könne. Auch könne keine Auszahlung der zurückgeforderten Honorare an die Klägerin mehr erfolgen, da dies eine bestandskräftige Feststellung voraussetzen würde, dass eine sachlich-rechnerische Richtigstellung im Verhältnis von Arzt und KV berechtigt sei. Im Verhältnis zur Klägerin sei die Beklagte jedoch auch nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist verpflichtet, festzustellen, dass die Honorarforderungen unberechtigt gewesen seien. Dies ergebe sich nach Ansicht der Kammer aus der Verpflichtung der Beklagten, das von der Klägerin aufgrund ihrer eigenständigen, in § 106a Abs. 3 SGB V a.F. niedergelegten Prüfungskompetenz gefundene Ergebnis der sachlich-rechnerischen Richtigstellung umzusetzen. Die Beklagte habe, wenn wie hier eine Umsetzung und Auszahlung der Honorarberichtigungen nicht mehr möglich sei, gegenüber der Klägerin dies sowie die Rechtswidrigkeit der Honorarabrechnungen festzustellen. Das Feststellungsinteresse der Klägerin an einer solchen Bescheidung ergebe sich daraus, dass auch nach Ablauf der Vierjahresfrist Haftungsansprüche aus § 106a Abs. 7 SGB V a.F. i.V.m. § 106 Abs. 4b SGB V a.F. bestehen könnten. Danach würden die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung der Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung haften, wenn diese nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt würden. Auch das BSG habe bereits entschieden, dass Krankenkassen jedenfalls im Regelfall ein Rechtsschutzbedürfnis hätten, wenn sie klären lassen wollten, ob Vertragsärzte die Leistungspositionen des EBM korrekt angewandt haben. Die Beklagte sei hier daher zu einer Neubescheidung gegenüber der Klägerin dergestalt verpflichtet, dass die ursprünglichen Honorarabrechnungen in den in den Anlagen K 2, 3 und 5 näher bezeichneten Fällen unrichtig waren, eine Honorarberichtigung gegenüber den Vertragsärzten aber nicht mehr durchsetzbar ist. Eine solche Bescheidung sei bislang nicht erfolgt, denn die Beklagte habe die Rechtmäßigkeit der Honorarforderungen im Hinblick auf die fehlende Durchsetzbarkeit dahinstehen lassen.
Gegen das der Beklagten am 21.05.2019 zugestellte Urteil hat diese am 21.06.2019 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass entgegen der Rechtsauffassung des SG man hier nicht pauschal argumentieren könne, dass die Beklagte das Prüfergebnis der Klägerin aufgrund deren eigener Prüfungskompetenz lediglich „durchzuwinken“ bzw. umzusetzen und entsprechend festzustellen hätte. Das sei zu kurz gedacht und werde den hier in der praktischen Umsetzung auftretenden Problemen nicht gerecht. Für die Beklagte bestehe ein dahingehendes Prüfungsrecht, ob die 4-jährige Ausschlussfrist eine Umsetzung der Prüfergebnisse hindere. Nichts Anderes habe sie im Änderungsbescheid vom 04.07.2017 festgestellt. Hinzu komme, dass die Abrechnungsprüfungs-Richtlinien zwischenzeitlich normieren würden, dass ein Prüfergebnis von einer Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber dem Vertragsarzt dann nicht umgesetzt werden müsse, wenn Vertrauensschutzgesichtspunkte dem Erlass des Bescheides entgegenstünden. Die Beklagte führt weiter aus, sie wisse aus Erfahrungen mit der Klägerin, dass die Prüfergebnisse im Hinblick auf die Prüfung des Umfangs ihrer Leistungspflicht, beispielsweise, wenn es um die Frage gehe, ob Patienten tatsächlich bei ihr versichert seien, häufig äußerst fehlerbehaftet seien. Sie sei aufgrund der zeitlich weit zurückliegenden Fälle ohne Mitwirkung der betroffenen Vertragsärzte nicht in der Lage, zu prüfen, inwieweit die Prüfergebnisse der Klägerin in den noch offenen Quartalen plausibel seien, da eine Einspielung der betroffenen Quartalsabrechnungen in das System nicht mehr möglichsei. Die Vertragsärzte seien aber außerhalb der 4-Jahres-Frist nicht mehr verpflichtet, mitzuwirken. Die Beklagte teilt in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 30.08.2019 weiter mit, dass bereits anhand einer stichprobenmäßigen Prüfung von Patienten in späteren Quartalen auf der Grundlage der eingelesenen Versichertenkarten zu erkennen sei, dass allein drei Patienten entgegen der Prüfergebnisse der Klägerin doch bei ihr versichert gewesen seien. Wenn man nunmehr den Feststellungen im Urteil des SG folgen würde, würde dies zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass sie das Prüfergebnis der Klägerin im Hinblick auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Abrechnungen in den Quartalen 3/2010 bis 4/2012 eins zu eins umzusetzen hätte, obwohl ihr eine genaue Prüfung auf Plausibilität nicht mehr möglich sei und obwohl sie bereits bei einer stichprobenartigen Prüfung Fehler in der Prüfung der Klägerin feststellen habe können. Letztlich bestreitet die Beklagte auch ein über die Feststellungen im Änderungsbescheid vom 04.07.2017 hinausgehendes Bescheidungsinteresse der Klägerin.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.05.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verweist, soweit die Beklagte weiterhin ihre fehlende Möglichkeit zur Überprüfung von Richtigkeit und Plausibilität des Prüfergebnisses beklage, auf die Entscheidung des BSG vom 23.03.2016 (B 6 KA 8/15 R, Rn. 14 und 24). Danach stehe einer Kassenärztlichen Vereinigung ein eigenständiges materiell-rechtliches Prüfrecht nicht zu, soweit es sich um Prüfergebnisse aus der Prüfkompetenz der Krankenkasse gem. § 106d Abs. 3 SGB V handle. Habe die Beklagte Hinweise, dass ein Prüfergebnis der Klägerin fehlerhaft sei, könne sie gem. § 106d Abs. 4 Satz 2 SGB V bei dieser eine Prüfung beantragen.
Die Klägerin hat bezüglich der drei im Schreiben vom 30.08.2019 benannten Abrechnungsfälle hinsichtlich eines Betrags i.H.v. 137,61 € die Klage zurückgenommen, da die diesbezüglichen Patienten nach erneuter Prüfung Versicherte der Klägerin gewesen seien.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragsärzte, da es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und zulässig, aber in der Sache unbegründet.
Streitgegenstand sind die Bescheide der Beklagten vom 04.09.2012 und 14.01.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 31.08.2015 und des Bescheids vom 04.07.2017 hinsichtlich des Korrekturbegehrens der Klägerin betreffend die im Bescheid abgelehnte Durchführung von sachlich-rechnerischen Berichtigungen bzgl. der von der Klägerin beanstandeten Sachverhalte der Quartale 3/2010 bis 4/2012. Dies betrifft die Prüffragen CHROI (- 30,90 € -), KREF III (- 762,20 € -) und ULE (- 2.720,27 € -) und ausschließlich die in den Anlagen K 2, 3 mit "v" gekennzeichneten sowie in Anlage K 5 aufgeführten Fälle, auf die inhaltlich Bezug genommen wird und soweit die Klage nicht zurückgenommen worden ist. Im Übrigen wurde die Klage für erledigt erklärt.
Das SG hat die Beklagte zu Recht unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide zur Neubescheidung verurteilt. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Berufungsbegründung überzeugt nicht. Nur ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Die Klägerin hat ein Bescheidungsinteresse. Wie der Senat bereits entschieden hat, hat die antragstellende Krankenkasse mit Blick auf evtl. Haftungsansprüche aus § 106a Abs. 7 SGB V a.F. in Verbindung mit § 106 Abs. 4b SGB V a.F. auch dann ein Bescheidungsinteresse, wenn die Beklagte von einer Honorarrückforderung gegenüber den betroffenen Vertragsärzten absehen sollte bzw. muss, weil nach ihrer Prüfung eine Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Vertragsarzt nicht möglich ist (Senatsurteil vom 26.10.2016 - L 5 KA 4078/13 -, n.v.).
Der Senat hat ebenfalls schon im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG entschieden, dass für den Fall, dass eine Krankenkasse von der ihr durch § 106a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB V a.F. zugewiesenen Kompetenz Gebrauch macht, die KV die sich hieraus ergebenden Beschränkungen ihrer Prüfkompetenz beachten muss (Senatsurteil vom 26.10.2016 - L 5 KA 4078/13 -, n.v.). Die KV ist an das mitgeteilte Ergebnis der von der Krankenkasse durchgeführten Prüfung gebunden und hat dieses nur noch im Verhältnis zu den betroffenen Vertragsärzten durch Bescheid umzusetzen; ein Recht, das Prüfungsergebnis der Krankenkassen inhaltlich zu überprüfen, steht ihr - anders als bei Prüfungen nach § 106a Abs. 4 SGB V a.F. - hingegen nicht zu. Die KV ist bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen nach § 106a Abs. 3 Nr. 1 SGB V a.F. auf die Prüfung beschränkt, ob der Umsetzung des Prüfungsergebnisses der Krankenkasse gegenüber dem Vertragsarzt Begrenzungen der Richtigstellungsbefugnis entgegenstehen, wie etwa eine Versäumung der Ausschlussfrist oder (andere) Vertrauensschutzgesichtspunkte. Ein materiell-rechtliches - inhaltliches - „Letztentscheidungsrecht“ hinsichtlich der Abrechnungsprüfung steht der KV im Rahmen des § 106a Abs. 3 SGB V a.F. mithin nicht zu (BSG, Urteil vom 23.03.2016 - B 6 KA 8/15 R -, vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 26.05.2021 - B 6 KA 10/20 R -, beide in juris). Im vorliegenden Fall handelt es sich unstreitig um eine Prüfung nach § 106a Abs. 3 SGB V a.F., so dass der Beklagten keine eigene materielle Prüfungskompetenz hinsichtlich der Abrechnungsprüfung zusteht. Deshalb gehen auch die Argumente der Beklagten zur Fehlerhaftigkeit der Prüfung der Klägerin und zur fehlenden Möglichkeit der eigenen Plausibilitätsprüfung unter Einbeziehung der Vertragsärzte ins Leere.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf die zwischenzeitlich normierten Abrechnungsprüfungs-Richtlinien für die Prüfung nach § 106d Abs. 3 SGB V zur Berücksichtigung von Vertrauensgesichtspunkten (§ 18 Abs. 4 und 6 Richtlinie zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen gemäß § 106d Abs. 6 SGB V <Abrechnungsprüfungs-Richtlinien> in der Fassung der zum 01.10.2020 in Kraft getretenen Regelungen) berufen. Zum einen waren diese unstreitig im vorliegenden Fall noch gar nicht anwendbar. Zum anderen betreffen diese Gesichtspunkte das Verhältnis der KV zum Vertragsarzt und nicht unmittelbar das hier alleine entscheidende Verhältnis der Krankenkasse zur KV.
Alleine der Zeitablauf der Ausschlussfrist, weshalb keine Honorarberichtigungen mehr gegenüber den Vertragsärzten umgesetzt werden können, führt nicht zum Ausschluss der Bescheidungspflicht des Korrekturbegehrens. Das noch offene Korrekturbegehren betrifft die Quartale 3/2011 bis 4/2012. Die Klägerin hat am 15.08.2012 und am 07.01.2015 ihre Prüfergebnisse an die Beklagte übermittelt. Es war der Beklagten daher zeitlich möglich, innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist die Honorarberichtigungen gegenüber den Vertragsärzten umzusetzen. Dass sie bzgl. der Antragsfrist einem Rechtsirrtum unterlag, geht nicht zulasten der Klägerin (BSG. Urteil vom 26.05.2021 - B 6 KA 10/20 R -, in juris Rn. 35f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63, 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Wert entspricht dem Wert des ursprünglich im Berufungsverfahren verfolgten Berichtigungsbegehrens der Klägerin.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).