Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.01.2020 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 50.343,18 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.03.2014 in seiner Tätigkeit für die Klägerin als Planer und Verkäufer von Küchen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag und deshalb zu Recht Sozialversicherungsbeiträge nebst Umlagen in Höhe von 50.343,18 € nachgefordert werden.
Die Klägerin, eine Tochterfirma der M GmbH & Co. KG, betreibt in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft Küchenfachgeschäfte, welche die Planung, den Verkauf und die Montage von Einbauküchen anbieten.
Der 1959 geborene Beigeladene zu 1) war bis 31.03.2014 in der Filiale der Klägerin in W als Planer und Verkäufer von Küchen tätig. Er hatte seit 01.03.2008 an seinem damaligen Wohnsitz ein Gewerbe mit der Tätigkeit „Kücheneinrichtungen“ angemeldet. Ab dem 01.09.2012 hatte er ebenfalls unter seiner Wohnadresse eine Tätigkeit als Handelsagentur angemeldet. Der Beigeladene zu 1) stellte der Klägerin monatlich unter dem Briefkopf „Handelsvertretung und Vertrieb K“ für „Vermittlungsaufträge“ an die Klägerin Provisionen in Höhe von zuletzt 9,9 % des Netto-Umsatzes in Rechnung. Die Rechnungsbeträge bewegten sich zwischen 8.000,00 und 15.000,00 € (einschl. Umsatzsteuer). Am 02.01.2008 schloss der Beigeladene zu 1) mit der Klägerin einen „Vertrag eines freien Mitarbeiters“. §§ 1-11 des Vertrages hatte folgenden Wortlaut:
[....]
Vom 21.09.2015 bis 03.09.2016 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung mit Prüfzeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2014 bei der Klägerin durch. Im Fragebogen zur sozialversicherungsrechtlichen Feststellung gab der Beigeladene zu 1) an, er sei seit August 2007 freier Handelsvertreter. Er plane und verkaufe Einbauküchen für die Klägerin als Auftraggeberin. Er beschäftige keine Arbeitnehmer und arbeite am Betriebssitz der Klägerin. „Offiziell“ habe er keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einhalten, „inoffiziell“ schon. Hinsichtlich der Ausführung seiner Tätigkeit würden ihm Weisungen von der Klägerin erteilt. Sein Einsatzgebiet könne ohne seine Zustimmung nicht verändert werden. Der Einsatz von Vertretern bzw. Hilfskräften sei von der Zustimmung der Klägerin abhängig. Seine Tätigkeit sei hinsichtlich des unternehmerischen Handelns „exakt gleich“ wie bei angestellten Verkäufern.
Nach erfolgter Anhörung mit Schreiben vom 14.04.2016 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 27.10.2016 fest, dass die vom Beigeladenen zu 1) verrichtete Tätigkeit als Küchenverkäufer vom 01.01.2011 bis 31.03.2014 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründete. Sie forderte für den genannten Zeitraum Sozialversicherungsbeiträge nebst Umlagen in Höhe von 50.343,18 € von der Klägerin. Zur Begründung gab sie an, nach Abwägung aller Merkmale liege bei dem Beigeladenen zu 1) keine selbstständige Tätigkeit als freier Handelsvertreter für die Klägerin vor. Er habe Abwesenheitszeiten mit der Klägerin abzustimmen, an Schulungen teilzunehmen, auf Anweisung Ausstellungsware und Neuware zu montieren, umzustellen und neu zu gruppieren sowie Inventurarbeiten auszuführen. Weiter könne der Verkauf der Küchen nur in den Räumen des Auftraggebers erfolgen. Der Beigeladene zu 1) benutze die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Unterlagen wie Verkaufshandbücher und Preislisten sowie die vom Möbelhaus zur Verfügung gestellte EDV-Hard- und Software. Selbst wenn eine Tätigkeit als Handelsvertreter ausgeübt werde, werde diese vor dem Hintergrund der genannten Kriterien im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Er trete gegenüber der Klägerin als Auftraggeberin nicht als rechtlich gleichgeordneter Unternehmer auf. Er biete den Endkunden die von der Klägerin vorgegebene Produktpalette an und erhalte die von der Klägerin (bzw. dem Mutterkonzern) festgelegte Provision in Höhe von zuletzt 9,9 % des Netto-Umsatzes. Die Umsätze ergäben sich aus der EDV-Liste der R Gruppe, so dass eine freie Preisgestaltung nicht zu erkennen sei. Aus der Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 1) könne nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Das Gewerbeamt dürfe das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht überprüfen. Allein aus der Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) nur umsatzabhängige Vergütungen erhalte, könne keine selbstständige Tätigkeit abgeleitet werden. Der Beigeladene zu 1) stelle seine Arbeitskraft ausschließlich der Klägerin zur Verfügung; dies sei ebenfalls ein Kriterium für eine abhängige Beschäftigung. Aber auch das Vorhandensein von mehreren Auftraggebern begründe nicht zwangsläufig eine selbstständige Tätigkeit, weil jede Tätigkeit stets getrennt voneinander zu beurteilen sei. Die somit vorliegende abhängige Beschäftigung führe zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Aufgrund der Höhe des Jahresarbeitsentgelts sei von einer Befreiung von der Krankenversicherungspflicht des Selbstständigen auszugehen.
Hiergegen legte die Klägerin am 10.11.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie an, zu Unrecht messe die Beklagte der im Anhörungsverfahren angeführten Entscheidung des Sozialgerichts Ulm (S 13 R 596/10) keine Bedeutung zu. Der Beigeladene zu 1) sei für die Klägerin als freier Handelsvertreter gemäß §§ 84 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) tätig gewesen. Er sei damit betraut gewesen, Geschäfte für die Klägerin zu vermitteln oder in deren Namen abzuschließen, also (Küchen-)Möbel zu verkaufen. Er habe seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen können. Dass die Einsatzzeiten in Abstimmung mit der Klägerin erfolgten, liege in der Natur der Sache. Weder der Einsatzort noch Art und Inhalt der Tätigkeit seien vorgegeben gewesen. Die Höhe der Provision sei frei ausgehandelt und nicht einseitig von der Klägerin vorgegeben worden. Die ursprünglich vereinbarte Höhe sei zudem nachverhandelt und mit ergänzender Vertragsregelung vom 31.08.2012 zum 01.09.2012 (von 9,04 auf 9,9 %) deutlich angehoben worden. Es sei unerheblich, dass die Anbahnung der Verkaufsgespräche in den Schauräumen der Klägerin erfolgt sei. Es ergebe sich aus der Natur der Sache, dass beim Verkaufsgut „Möbel“ die Begutachtung und Auswahl in den Geschäftsräumen der Klägerin erfolgen müsse. Auch der Umstand, dass eine nebenvertragliche Verpflichtung zur Teilnahme und Mitarbeit an Schulungen bestanden habe, sei kein geeignetes Differenzierungskriterium, weil die Schulungen in beiderseitigem Interesse gelegen hätten. Neben einer Gewerbeanmeldung spreche auch die ausschließlich erfolgsabhängige Vergütung des Beigeladenen zu 1) für eine selbstständige Tätigkeit. Unzutreffend sei auch die Behauptung, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) habe sich nicht von der Tätigkeit anderer abhängig Beschäftigter der Klägerin unterschieden. Der Beigeladene zu 1) habe von den frei abzustimmenden Einsatzzeiten und -orten profitieren und deutlich höhere Einkünfte erzielen können. Ergänzend legte die Klägerin beispielhaft einen Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und einem abhängig beschäftigten Küchenverkäufer vor.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Beigeladene zu 1) unter dem 01.03.2017 mit, er habe an Schulungsmaßnahmen teilgenommen, die von der Klägerin bezahlt worden seien. Laut Vertrag habe er Fahrtkosten geltend machen können. Eine Erstattung sei von der Klägerin jedoch abgelehnt worden, weil er einen Firmenwagen besessen habe. Er sei hauptsächlich in W eingesetzt gewesen, mit Ausnahme von wenigen Monaten, in denen er auf freiwilliger und von der Klägerin gewünschter Basis in den Filialen in K1 (drei Monate), G (drei Wochen) und H (1 Woche) tätig geworden sei. In K1 sei das Hotel, in dem er untergebracht worden sei, von der Klägerin bezahlt worden. Es stimme nicht, dass er auf seinen Wunsch hin nur am Wochenende und zu kundenintensiven Zeiten gearbeitet habe, sondern wie ein Angestellter über die Woche. Er sei wie ein Angestellter in monatlichen Besetzungsplänen geführt worden und habe Urlaubsanträge ausfüllen und genehmigen lassen müssen. Er habe auch ein Namensschild mit dem Firmenlogo getragen. Er habe keinerlei Werbung für sein Gewerbe gemacht. Er habe auch Inventurarbeiten erledigt, etikettiert und Plakate aufgehängt. Ausstellungware habe er nicht montiert oder umgestellt. Dafür habe es Monteure gegeben. Die Anweisungen seien vom Hausleiter der Filiale in W erteilt worden. Er habe ein Passwort, Visitenkarten und eine Mailadresse von der Klägerin erhalten, wie ein Angestellter.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 12.04.2017 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, der Beigeladene zu 1) sei auf seinen Wunsch als Handelsvertreter für sie tätig geworden. An Schulungsmaßnahmen auf Veranlassung der Klägerin habe er nie teilgenommen. Er habe gegenüber der Klägerin angegeben, an externen, selbst finanzierten Schulungsmaßnahmen teilzunehmen. Außerdem habe er an Schulungsmaßnahmen, die die jeweiligen Vertreter der Küchenindustrie in den Filialen der Klägerin angeboten hätten, teilgenommen. Die Teilnahme habe ihm aber freigestanden. Fahrtkosten habe der Beigeladene zu 1) von ihr nie erstattet bekommen. Abgesehen davon, sei eine Aufwandsentschädigung kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Auf Wunsch des Beigeladenen zu 1) habe man diesen vorwiegend in W eingesetzt. Er habe selbstständig entschieden, in welchen Filialen er tätig sein wolle. Neben den Eröffnungen der Filialen in K1, G und H sei er auch in der Niederlassung in E der Fa. M tätig gewesen. Anlässlich der Eröffnung der Filiale in K1 seien allen nicht ortsansässigen Personen Hotelzimmer gemietet worden, also dem Beigeladenen zu 1) und auch den Angestellten der Klägerin. Arbeitszeiten seien nicht vorgegeben gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe selbst entschieden, wann er jeweils morgens erschien und wann er aufhörte. Der Klägerin sei lediglich wichtig gewesen, dass die vertraglichen Rahmenbedingungen eingehalten wurden. Bei der Personaleinsatz- und Urlaubsplanung sei der Beigeladene zu 1) nicht berücksichtigt worden. Der Beigeladene zu 1) habe gegenüber der Klägerin immer wieder angegeben, in seiner Heimatstadt im Rahmen seines Unternehmens eine Angestellte zu beschäftigen und Unterlagen präsentiert, mit denen er Werbung für sein Gewerbe mache. Er habe angegeben, Aufträge einer Fertighausfirma zu generieren und Mobiltelefone und Tablets zu verkaufen. An Inventurarbeiten habe der Beigeladene zu 1) nie teilgenommen oder Waren etikettiert oder Plakate geklebt. Der Beigeladene zu 1) habe über kein Passwort für den Internetzugang der Klägerin verfügt. Er habe lediglich über eine allgemeine, neutrale Blanko-Visitenkarte der Klägerin verfügt, die er mit seinem Namen handschriftlich ergänzt habe. Sein Ansteckschild sei neutral - ohne Firmenlogo - gestaltet gewesen. Auf Anforderung des SG hat die Klägerin die Einsatz- und Urlaubspläne für die streitgegenständliche Zeit, die den Beigeladenen zu 1) betreffenden Verträge, Verträge eines weiteren freien Verkäufers der Klägerin und Verträge mit der Fa. „F“ sowie dazugehörige Rechnungen und Lohnabrechnungen mit angestellten Verkäufern vorgelegt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 11.09.2018 hat das SG neben dem Beigeladenen zu 1) die Einzugsstelle und die Bundesagentur für Arbeit beigeladen.
Am 24.05.2019 hat das SG die Rechts- und Sachlage mit den Beteiligten erörtert und den Geschäftsführer der Klägerin sowie den Beigeladenen zu 1) angehört. Auf das Protokoll wird Bezug genommen (Bl. 105 bis 114 SG-Akte).
Mit Urteil vom 16.01.2020 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien sei der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner immer gleich gearteten Tätigkeit als Küchenverkäufer - sowohl in W, wie auch den anderen Filialen der Klägerin - abhängig beschäftigt gewesen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigen am 12.06.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.07.2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie macht geltend, das SG habe den vertraglichen Regelungen insbesondere über die Nebenarbeiten Bindungswirkung zuerkannt, obwohl im Verlaufe des Verfahrens sich ergeben habe, dass die zwischen den Parteien gelebte Praxis in rechtserheblicher Weise Abweichungen ermöglicht habe. Das SG habe das in § 11 Satz 2 zwischen den Parteien verabredete Schriftformerfordernis für „Änderungen und Ergänzungen“ des Vertrages rechtlich falsch interpretiert und sei deshalb davon ausgegangen, dass die Parteien hiervon nur schriftlich - und nicht etwa auch konkludent - hätten abweichen können. Nur eine - hier nicht vorliegende - (doppelte) Schriftformklausel, die nicht nur für Vertragsänderungen die Schriftform vorschreibe, sondern auch Änderungen der Schriftform ihrerseits der Schriftform unterstelle, habe eine Sperrwirkung hinsichtlich anderweitiger betrieblicher Übung. Ausgehend von den maßgeblichen Vorschriften der §§ 84 ff HGB einerseits sowie des § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) mit den entscheidungserheblichen Tatbestandsmerkmalen „Tätigkeit nach Weisungen“ und „betriebliche Eingliederung“ andererseits, ergebe die vorzunehmende Gesamtabwägung eindeutig ein Überwiegen der für die Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1) sprechenden Merkmale. Der Beigeladene zu 1) habe frei wählen und selbst entscheiden können, zu welchen Zeiten und an welchen Standorten der Klägerin er jeweils tätig sein wolle. Insoweit habe es lediglich der Abstimmung mit der zuständigen Verkaufsleitung der Klägerin bedurft, um die Koordination insbesondere auch mit den abhängig beschäftigten Küchenverkäufern vornehmen zu können. Der Beigeladene zu 1) habe auch die Höhe seiner Provision frei ausgehandelt und mit Wirkung zum 01.09.2012 verhandlungsweise gegenüber der Klägerin eine erhebliche Anhebung durchsetzen können. Eine „betriebliche Eingliederung“ des Beigeladenen zu 1) könne nicht schon deshalb angenommen werden, weil er in den Ausstellungs- und Schauräumen der Klägerin gewesen sei, um Kunden ansprechen zu können. Küchen könnten nicht in einem Musterkoffer präsentiert werden. Im Gegensatz zu fest angestellten Küchenverkäufern habe seitens des Beigeladenen zu 1) auch keinerlei „Verpflichtung“ gegenüber der Klägerin zur Teilnahme an Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen bestanden. Im Gegensatz zu angestellten sozialpflichtig Beschäftigten seien ihm auch zu keinem Zeitpunkt Fahrtkosten für Schulungsveranstaltungen von Seiten der Klägerin erstattet worden. Auf entsprechend geäußerte ausdrückliche Wünsche des Beigeladenen zu 1), bei den Eröffnungen der Filialen in K1, G oder H mitanwesend sein zu können, sei ihm dies von Seiten der Klägerin ermöglicht worden. Darüber hinaus habe die Haupttätigkeit des Beigeladenen zu 1) auf dessen ausdrücklichen Wunsch in der W Filiale stattgefunden. Der Beigeladene zu 1) habe selbstständig über seine Einsatzzeiten befinden können. Demgemäß sei der Beigeladene zu 1) nie in der Personaleinsatzplanung der Klägerin vorgesehen und auch bei der Urlaubsplanung des Personals nicht berücksichtigt worden. Entsprechendes gelte insbesondere auch für die sogenannte „Kernbesetzung“, der der Beigeladene zu 1) ebenfalls nicht angehört habe. Anders als fest angestellte Verkäufer der Klägerin, die mit einem mit Firmenlogo versehenen Namens-Ansteckschild den Kunden gegenübergetreten seien, sei das Namensschild des Beigeladenen zu 1) „neutral“ gewesen. Im Gegensatz zu fest angestellten Mitarbeitern der Klägerin sei er auch zu keinem Zeitpunkt in Inventurarbeiten eingebunden oder mit der Etikettierung von Ware befasst gewesen. In keiner Form seien dem Beigeladenen zu 1) von Seiten der Klägerin entsprechende Anweisungen erteilt worden. Der Beigeladene zu 1) habe sich nicht über das bei der Klägerin bestehende EDV-Passwort in das Intranet Zugang verschaffen können. Wie jeder Handelsvertreter habe auch der Beigeladene zu 1) „das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen“ (§ 86 Abs. 1 HGB). Demgemäß sei der Beigeladene zu 1) an die Preisvorgaben der vertriebenen Küchenprodukte gebunden gewesen. Im Rahmen der Einvernahme beim SG habe der Beigeladene zu 1) zu Recht darauf hingewiesen, keinen Firmenwagen von der Klägerseite gestellt bekommen zu haben. Darüber hinaus habe der Provisionsanteil des Beigeladenen zu 1) mit 9,9 % des Umsatzvolumens drei Mal so hoch gelegen, wie der entsprechende Verdienst der angestellten Verkäufer. Soweit der Beigeladene zu 1) auf eine vermeintliche „Verpflichtung zur Kojenpflege“ verwiesen habe, sei dies nachdrücklich zu bestreiten. Derartigen Pflichten habe er zu keinem Zeitpunkt unterlegen. Dies sei ausschließlich Sache der fest angestellten Mitarbeiter der Klägerin gewesen. Soweit das Erfordernis der Schriftlichkeit von Urlaubsanträgen von Seiten des Beigeladenen zu 1) behauptet worden sei, werde dies ebenfalls bestritten; immerhin werde insoweit eingeräumt, dass jedenfalls im vorliegenden streitgegenständlichen Zeitraum, also nach Ablauf von 3 Jahren seit Vertragsbeginn, keine entsprechende Verpflichtung mehr bestanden habe. Im Rahmen der Vernehmung habe der Beigeladene zu 1) auch bestätigt, dass er die Einsatzorte nach eigenen Wünschen maßgeblich habe bestimmen können und ihm dies von Seiten der Klägerin auch ohne Weiteres ermöglicht worden sei, gerade auch bei den begehrten Neueröffnungen. Unstreitig sei nach der Einvernahme vom 24.05.2019 auch die entscheidungserhebliche Tatsache, dass es klägerseits keinerlei Vorgaben zu Anwesenheitszeiten gegeben und damit insoweit überhaupt keine „Weisungsunterworfenheit“ des Beigeladenen zu 1) bestanden habe. Dies ergebe sich auch aus dem Umstand, dass der Beigeladene zu 1) in absolut arbeitnehmeruntypischer Weise „alle 4 Wochen frei nehmen“ konnte, um das Wochenende über in seiner Heimat zu verbringen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.01.2020 und den Bescheid der Beklagten vom 27.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides der Beklagten vom 04.04.2017 aufzuheben,
hilfsweise zum Beweis für die konkrete Einsatzweise des Beigeladenen zu 1) vor Ort in W insbesondere im Hinblick auf die Art und Weise der Kojenpflege, Vernehmung des Zeugen N als ehemaligen Hausleiter in W.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.
Die Beigeladenen haben keine Anträge in der Sache gestellt.
In der mündlichen Verhandlung am 20.10.2021 hat der Senat den Beigeladenen zu 1) und den Geschäftsführer der Klägerin angehört sowie den Zeugen M1 vernommen; hinsichtlich ihrer Angaben wird auf das Protokoll verwiesen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einem streitigen Nachforderungsbetrag von 50.343,18 € den erforderlichen Betrag von 750,00 € übersteigt.
II. Die Berufung führt jedoch für die Klägerin nicht zum Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 04.04.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wegen der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in Höhe von insgesamt 50.343,18 € herangezogen.
1. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides der Beklagten vom 04.04.2017 ist formell rechtmäßig.
Die Beklagte hat als zuständige Behörde gehandelt. Rechtsgrundlage des Bescheids ist § 28p Abs. 1 SGB IV. Hiernach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die in Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insb. die Richtigkeit der Beitragszahlung und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Im Rahmen der Prüfung erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV; vgl. zur Zuständigkeit für den Erlass von Nachforderungsbescheiden auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.07.2010 - L 11 R 2595/10 ER-B -, in juris).
Der Bescheid der Beklagte ist auch im Übrigen formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des belastenden Bescheids ordnungsgemäß angehört (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>).
2. Der Bescheid vom 27.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides der Beklagten vom 04.04.2017 ist auch materiell rechtmäßig.
a) Die Klägerin ist zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen zu 1) dem Grunde nach verpflichtet, weil der Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.03.2014 in seiner Tätigkeit für die Klägerin als Planer und Verkäufer von Küchen der Versicherungsplicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
aa) Versicherungspflichtig sind in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Die Pflicht des Arbeitgebers zur anteiligen Tragung der Beiträge folgt aus § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI und § 346 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Die Verpflichtung zur Tragung der Umlage 1 (Ausgleich für Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) und der Umlage 2 (Leistungen des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld) folgt aus § 7 Abs. 1 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung, die zur Tragung der Insolvenzgeldumlage aus § 359 Abs. 1 Satz 1 SGB III.
Grundvoraussetzung für die Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dafür ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (vgl. etwa BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R -; Urteile vom 29.07.2015 - B 12 R 1/15 R - und - B 12 KR 23/13 R -; Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -, alle in juris). Das Unternehmerrisiko besteht (regelmäßig) in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital (ganz) zu verlieren oder mit ihm (nur) Verluste zu erwirtschaften; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen. Das für eine selbstständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung nicht wesentlich bestimmen (BSG, Beschluss vom 16.08.2010 - B 12 KR 100/09 B -, in juris). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R -, in juris).
Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ausgangspunkt der Prüfung sind die (der jeweiligen Tätigkeit zugrundeliegenden) Vereinbarungen, die die Beteiligten - schriftlich oder ggf. auch nur mündlich - getroffen haben. Behörden und Gerichte müssen den Inhalt dieser Vereinbarungen feststellen. Sind die Vereinbarungen schriftlich getroffen worden, muss dabei auch geklärt werden, ob sie durch mündlich getroffene (Änderungs-)Vereinbarungen oder durch schlüssiges Verhalten rechtswirksam abgeändert worden sind. Steht der Inhalt der Vereinbarungen danach fest, ist zu prüfen, ob die Vereinbarungen (mit dem festgestellten Inhalt) wirksam oder wegen Verstoßes gegen zwingendes Recht unwirksam sind, wobei bei gegebenem Anlass auch die Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen geklärt werden muss, um auszuschließen, dass ein „Etikettenschwindel“ bzw. ein Scheingeschäft vorliegt und die Vereinbarung deswegen gemäß § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig ist; ist letzteres der Fall, muss der Inhalt des durch das Scheingeschäft verdeckten Rechtsgeschäfts festgestellt werden. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der (der jeweiligen Tätigkeit zugrundeliegenden) Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder zum Typus der selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen. Danach ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere (tatsächliche) Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R -; Urteile vom 29.07.2015 - B 12 R 1/15 R - und - B 12 KR 23/13 R -, alle in juris).
Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert nach der Rechtsprechung des BSG eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, d. h. für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht (ebenso die Behörde) insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 24.05.2012 - B 12 KR 14/10 R - und - B 12 KR 24/10 R -, beide in juris).
Für die Abgrenzung der Tätigkeit eines selbstständigen Handelsvertreters von der eines abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen bestimmt § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB, dass Handelsvertreter ist, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbstständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Wer, ohne selbstständig im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter (§ 84 Abs. 2 HGB). Das BSG hat die maßgeblichen Kriterien für die Abgrenzung zwischen beiden Tätigkeiten in einem Grundsatzurteil vom 29.01.1981 (- 12 RK 63/79 -, in juris, Rn. 18 ff.) dargelegt. Daran hält das BSG in ständiger Rechtsprechung fest (vgl. etwa BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 12 KR 28/03 R -, juris, Rn. 24). Dabei geht das BSG von der Rechtsgestaltung des selbstständigen Handelsvertreters nach §§ 84 ff. HGB aus, der zwar bei der Gestaltung seiner Tätigkeit auch Weisungen des Unternehmers, für den er tätig ist, unterliegen kann, dass er sich von dem abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB aber dadurch abgrenzt, dass das Weisungsrecht des Unternehmers nicht so stark ausgestaltet sein darf, dass die dadurch bewirkten Einschränkungen seiner unternehmerischen Freiheit diese in ihrem Kerngehalt beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 29.01.1981 - 12 RK 63/79 -, in juris, Rn. 19 f.). Wenn der Beauftragte seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit wie ein Angestellter einrichten muss, kann er nicht mehr als selbstständig und damit als Handelsvertreter angesehen werden. Während der Unternehmer über die Arbeitskraft des abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen durch einseitig erteilte Weisungen grundsätzlich unbeschränkt verfügen kann, fehlt eine derartige persönliche Abhängigkeit beim Handelsvertreter, der seinem Auftraggeber in einem Verhältnis persönlicher Selbstständigkeit und Gleichstellung gegenüber steht. Die persönliche Selbstständigkeit des Handelsvertreters, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer nicht ausschließt, kommt vor allem in den in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Merkmalen zum Ausdruck (BSG, Urteil vom 29.01.1981 - 12 RK 63/79 -, in juris, Rn. 21). Daneben können noch weitere Umstände von Bedeutung sein, soweit sie als Indizien für das Vorliegen der ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbstständigkeit anzusehen sind oder sich schon aus der Unternehmereigenschaft des Handelsvertreters ergeben; zu ihnen gehört insbesondere das eigene Unternehmerrisiko, das als Gegenstück der unternehmerischen Betätigungsfreiheit im Unternehmerbegriff mit enthalten ist. Handelsvertreter ist danach, wer von einem Unternehmer ständig mit der Vermittlung von Geschäften betraut ist, sofern er nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit persönlich selbstständig ist, insbesondere im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann und ein entsprechendes Unternehmerrisiko trägt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist er angestellter Handlungsgehilfe. Von den gleichen Grundsätzen geht das BSG auch im Recht der Sozialversicherung aus (BSG, Urteil vom 29.01.1981 - 12 RK 63/79 -, in juris, Rn. 22). Es betont, dass die Begriffe der Selbstständigkeit und der Abhängigkeit im Handelsrecht zwar eine andere Funktion als im Sozialversicherungsrecht haben. So dienen sie im Handelsrecht dazu, bestimmte mit Vermittlungsdiensten betraute Personen jeweils einem besonderen Normenbereich mit den entsprechenden privatrechtlichen Ansprüchen zuzuordnen, die Handelsvertreter den §§ 84 ff. HGB, die Handlungsgehilfen den §§ 59 ff. HGB, wobei diese Zuordnung zugleich über den jeweiligen Rechtsweg entscheidet (Zivilgerichtsbarkeit für Ansprüche der Handelsvertreter, Arbeitsgerichtsbarkeit für solche der Handlungsgehilfen). Im öffentlichen Recht der Sozialversicherung dienen die genannten Begriffe demgegenüber der Abgrenzung von versicherungsfreien und versicherungspflichtigen Tätigkeiten und den damit verbundenen Rechtsfolgen. Trotz dieser unterschiedlichen Funktionen versteht das BSG die genannten Begriffe im Handels- und im Sozialversicherungsrecht als weitgehend inhaltsgleich. So wird auch im Sozialversicherungsrecht eine selbstständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet, während ein abhängig Beschäftigter typischerweise einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung umfasst. Auch die Rechtsprechung zur Sozialversicherung bezieht dabei für die Unterscheidung zwischen selbstständigen und abhängigen Dienstleistungen alle Umstände des Falles ein, stellt also auf das „Gesamtbild“ ab, berücksichtigt allerdings auf der anderen Seite auch den Zweck der Sozialversicherung, den abhängig Beschäftigten wegen ihrer vom Gesetzgeber unterstellten sozialen Schutzbedürftigkeit ein besonderes Sicherungssystem des öffentlichen Rechts zur Verfügung zu stellen (BSG, Urteil vom 29.01.1981 - 12 RK 63/79 -, in juris, Rn. 23). Nach der Auffassung des BSG schließen der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, über dessen Normen grundsätzlich nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden kann, es aus, dass über die rechtliche Einordnung der Tätigkeit allein die von den Vertragsschließenden getroffenen Vereinbarungen entscheiden (BSG, Urteil vom 29.01.1981 - 12 RK 63/79 -, in juris, Rn. 24). Allein der Wille der Vertragsschließenden, eine mit der Vermittlung von Geschäften beauftragte Person den Normen des Handelsvertreterrechts zu unterstellen (etwa durch die Formulierung „Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB“) kann deshalb für die Frage ihrer Versicherungspflicht dann nicht maßgebend sein, wenn diese rechtliche Einordnung den sonstigen Bestimmungen des Vertrages oder ihrer tatsächlichen Anwendung nicht entspricht. Dabei kommt es nicht nur auf die schriftlich niedergelegten oder ausdrücklich getroffenen Vertragsbestimmungen an; zu berücksichtigen ist vielmehr auch das schlüssige (konkludente) Verhalten der Vertragspartner. Der im Vertrag verlautbarte Wille der Vertragspartner, die beiderseitigen Beziehungen in einem bestimmten Sinne zu regeln, insbesondere ein Dienstverhältnis den Normen eines bestimmten Vertragstyps zu unterstellen, ist somit für die Beurteilung der Versicherungspflicht eines der Partner nur dann maßgebend, wenn die übrigen Bestimmungen des Vertrags und seine tatsächliche Durchführung der gewählten Vertragsform entsprechen.
bb) Nach diesen Maßstäben ist der Senat unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.03.2014 in seiner Tätigkeit als Planer und Verkäufer in einem Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stand. Er war in dieser Tätigkeit kein selbstständiger Handelsvertreter im Sinne von § 84 HGB. Er war nicht wie ein selbstständiger Kaufmann, sondern wie ein angestellter Verkäufer in einem fremden Einzelhandelsbetrieb tätig.
(1) Ausgehend von der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) sollte der Beigeladene zu 1) nach dem Willen der Vertragspartien als „freier Mitarbeiter“ bzw. „selbstständiger Unternehmer“ tätig werden. Der Beigeladene zu 1) verpflichtete sich im Küchenverkauf der Klägerin tätig zu werden; der genaue Einsatzort war nicht schriftlich vereinbart. Es war vereinbart, dass der Beigeladene zu 1) für seine Tätigkeit – neben einem Aufwandsersatz für Fahrtkosten (§ 5 des Vertrages) – ausschließlich Provisionen in Höhe von 9,04 % des Nettoumsatzes (ab September 2012 in Höhe von 9,9 %), die sich auf Grundlage einer von der Klägerin zur Verfügung gestellten EDV-Liste errechneten, erhalten sollte (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die Preislisten wurden dem Beigeladenen zu 1) zur Verfügung gestellt. Er musste eine Anzahlungsquote von 40 % mit den Kunden der Klägerin vereinbaren. Preisnachlässe mussten vom Hausleiter genehmigt und abgezeichnet werden (§ 2 Abs. 3 des Vertrages). Das Risiko sich nicht realisierender Verträge oder „verkäuferverursachten“ Reklamationen trug der Beigeladene zu 1) (vgl. § 2 Abs. 5 und 6 des Vertrages). Die Anwesenheitszeiten waren im schriftlichen Vertrag nicht festgelegt; sie erfolgten „nach Absprache“ mit der Klägerin (§ 3 des Vertrages). Die Abwesenheitszeiten waren nach § 4 des Vertrages mindestens zwei Wochen vorher mit der Klägerin schriftlich „abzustimmen“. Nach § 8 des Vertrages war ein Wettbewerbsverbot für Tätigkeiten für ein Unternehmen, das mit der Klägerin im Wettbewerb steht, vereinbart. Der Vertrag konnte mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende von beiden Seiten gekündigt werden (§ 9 des Vertrages). In § 10 des Vertrages waren darüber hinaus eine Reihe von „Nebenarbeiten“ vereinbart. Der Beigeladene zu 1) war danach u.a. verpflichtet, an Schulungen teilzunehmen, Kaufverträge „unverzüglich“ zu bearbeiten, in Einzelfällen „auf Anweisung“ Kundenbesuche durchzuführen, Reklamationen per Kundendienstformular zur sofortigen Weiterleitung an die Kundendienstabteilung aufzunehmen, Verkaufsunterlagen, Typenpläne und Stoffmuster etc. zu aktualisieren, „auf Anweisung“ Ausstellungsware zu montieren, Inventurarbeiten durchzuführen, das Preisauszeichnungswesen zu pflegen, den „zugeteilten Ausstellungs-/Verkaufsbereich“ persönlich in ordentlichem und sauberen Zustand zu halten, Heimberatungstermine anzubieten und durchzuführen, Abteilungskontrolle durchzuführen, die Vertretung von Kolleginnen/Kollegen im Falle von Urlaub, Krankheit etc. zu übernehmen sowie die Arbeitszeit anhand der Zeiterfassung zu dokumentieren. Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages bedurften zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 11 des Vertrages). Eine doppelte Schriftformklausel, die auch Änderungen der Schriftformklausel ihrerseits der Schriftform unterstellt, war hingegen nicht vereinbart. Regelungen über eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sah der Vertrag nicht vor.
(2) Der schriftliche Vertrag vom 02.01.2008 wurde indes in Teilen nicht gelebt. Dem steht die Schriftformklausel in § 11 des Vertrags nicht entgegen, weil es sich nur um eine einfache Schriftformklausel handelt, die ohne Weiteres mündlich abbedungen werden kann (vgl. Bundesgerichtshof <BGH>, Urteil vom 26.11.1980 - VIII ZR 298/79 -, in juris; zur qualifizierten Schriftformklausel BGH, Urteil vom 02.06.1976 - VIII ZR 97/74 -, in juris). Die tatsächliche Umsetzung des Vertragsverhältnisses gestaltete sich zur Überzeugung des Senats wie folgt:
Der Beigeladene zu 1) arbeitete im streitgegenständlichen Zeitraum weit überwiegend in der Filiale W, nach Absprache mit der Klägerin kurzzeitig im streitgegenständlichen Zeitraum - insbesondere anlässlich der Neueröffnung einer Filiale auch in K1. Die Anbahnung und der Verkauf der Einbauküchen erfolgte in den Filialen der Klägerin. Preislisten wurden dem Beigeladenen zu 1) von der Klägerin zur Verfügung gestellt. Er musste eine Anzahlungsquote von 40 % mit den Kunden der Klägerin vereinbaren. Preisnachlässe mussten vom Hausleiter genehmigt und abgezeichnet werden. Der Beigeladene zu 1) hatte einen festen, von der Klägerin zur Verfügung gestellten Beratungsplatz in der Filiale W, wo nur er arbeitete und seine Unterlagen aufbewahrte. Der Arbeitsplatz war mit einem Computer und Telefon ausgestattet, den er zur Verrichtung der Tätigkeit benutzen musste. Er hatte eine eigene E-Mailadresse mit dem Namen der Klägerin und eine eigene Telefondurchwahl. Am Telefon meldete er sich mit dem Namen der Klägerin und seinem Namen. Er hatte in demselben Umfang Zugriff auf die EDV der Klägerin, wie die angestellten Mitarbeiter. Nach den eigenen Angaben des Geschäftsführers im Erörterungstermin beim SG stellte die Klägerin ihm außerdem Blankovisitenkarten mit dem Firmenlabel zur Verfügung. Auf seinem Namensschild war anders als bei den angestellten Mitarbeitern nur sein Name sichtbar. Der Beigeladene zu 1) war verpflichtet, sich fortzubilden und hat an Schulungen in den Räumen der Klägerin und außerhalb bei Herstellerfirmen teilgenommen. Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Klägerin. Insoweit hatte er – soweit diese außerhalb bei Herstellerfirmen (z.B. N1, M2) stattfanden – die Fahrtkosten selbst zu tragen. Schulungskosten hatte er nicht zu tragen. Er schuldete keine bestimmte Anzahl an Arbeitsstunden und keine Anwesenheit zu den Geschäftszeiten der Filiale, musste jedoch Anwesenheits- und Abwesenheitszeiten anzeigen, damit die Klägerin Kundenrückfragen beantworten konnte. Bei Abwesenheit des Beigeladenen zu 1) haben in dringenden Fällen andere Mitarbeiter seine Arbeit übernommen. Der Beigeladene zu 1) hat bei Abwesenheit angestellter Mitarbeiter für diese Telefonate angenommen. Er hat außerdem mit den Aufmaßtechnikern und der Reklamationsabteilung der Klägerin zusammengearbeitet. Die Anwesenheitszeiten des Beigeladenen zu 1) wurden entgegen § 10 des Vertrages nicht erfasst. Der Beigeladene zu 1) wurde von der Klägerin nicht bzw. mit „frei“ in ihrem Dienstplan geführt, wie sich aus den vorgelegten Dokumentationen ergibt. Die Angaben des Beigeladenen zu 1) im Widerspruchsverfahren (Schreiben vom 01.03.2017) und im Erörterungstermin, wonach er „wie ein Angestellter“ in den monatlichen Besetzungsplänen geführt worden sei, haben sich insoweit nicht bestätigt. Schriftliche Urlaubsanträge hatte er „zumindest in den ersten drei Jahren“ zu stellen; diese Angabe des Beigeladenen zu 1) im Erörterungstermin beim SG widerspricht mithin nicht dem Vortrag der Klägerin, wonach im streitgegenständlichen Zeitraum keine schriftlichen Urlaubanträge eingereicht werden mussten. Für seinen Einsatz in K1 erhielt er wie die fest angestellten Mitarbeiter der Klägerin das Hotelzimmer gezahlt. Ansonsten erhielt der Beigeladene zu 1) nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten keinen Aufwendungsersatz, insbesondere keine Fahrtkostenerstattung. Mit den monatlich durch Rechnung unter dem Briefkopf „Handelsvertretung und Vertrieb K“ nebst Umsatzsteuer geltend gemachten Provisionen, die der Höhe nach mit 9,04 bzw. 9,9 % deutlich über den Verkaufsprovisionen, welche die fest angestellte Verkäufer der Klägerin neben ihrem „Garantiegehalt“ von 2.000,00 € brutto erhielten (- nach dem von der Klägerin beispielhaft vorgelegten Vertrag in Höhe von max. 4 % nebst weiteren Prämien und Gratifikationen -), waren sämtliche Aufwendungen des Beigeladenen zu 1) abgegolten. Die Höhe der Provisionen wurde von den Vertragspartnern nach übereinstimmenden Angaben ausgehandelt. Die Abrechnungen erstellte der Beigeladene zu 1) anhand seiner Aufzeichnungen und glich diese ggf. mit dem EDV-Waren-Wirtschaftssystem der Klägerin ab. Er erhielt keine EDV-Listen vorab. Ein Firmenwagen wurde ihm nicht zur Verfügung gestellt. Die dahin gehende Einlassung des Beigeladenen zu 1) im Widerspruchsverfahren (Schreiben vom 01.03.2017) korrigierte der Beigeladene zu 1) im Erörterungstermin vor dem SG und bestätigte dies gegenüber dem Senat. Der Beigeladene zu 1) hatte ein Gewerbe angemeldet, machte für die Tätigkeit bei der Klägerin jedoch keine Eigenwerbung. Bis zuletzt ungeklärt ist, ob der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum an Inventurarbeiten beteiligt war und ob er zur sog. Kojenpflege verpflichtet war. Da es hierauf zur Überzeugung des Senats nicht entscheidend ankommt, war die Einvernahme des weiteren, von der Klägerin benannten Zeugen N nicht erforderlich. Aus der Aussage des Zeugen M1 ergibt sich jedenfalls, dass die Klägerin Wert darauf legte, dass der Beigeladene zu 1) auf Sauberkeit an seinem Arbeitsplatz achtete und ihm ggf. insoweit Weisungen erteilt wurden.
(3) Ausgehend von den vorgenannten Feststellungen überwiegen die Indizien, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen.
Der Beigeladene zu 1) war zur Überzeugung des Senats in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und unterlag in gewissem Umfang Weisungen der Klägerin. Weisungsgebunden arbeitet, wer - im Umkehrschluss zu § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB - nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit müssen nicht auf einzelnen Anordnungen des Arbeitgebers beruhen. Vielmehr kann die Weisungsbefugnis - vornehmlich aber nicht ausschließlich - bei Diensten höherer Art zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Eine dienende Teilhabe am Arbeitsprozess im Sinne abhängiger Beschäftigung liegt i.d.R. vor, wenn das Arbeitsziel und der betriebliche Rahmen von dem Auftraggeber gestellt oder auf Rechnung des Arbeitgebers organisiert werden. Sie kann selbst dann noch gegeben sein, wenn lediglich der Geschäfts- oder Betriebszweck vorgegeben und es dem Beschäftigten überlassen wird, welche Mittel er zur Erreichung der Ziele einsetzt (vgl. Segebrecht, in: jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7 Rn. 87 ff. m.w.N.). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens einer derartigen dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insb. eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können. Hingegen ist die Tätigkeit noch Teil der dienenden Teilhabe, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus „der Natur der Tätigkeit“ ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten (BSG, Urteil v. 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R -, in juris, dort Rn. 29 ff.). Die dienende Teilhabe am Arbeitsprozess ergibt sich vorliegend ohne Weiteres aus den in § 10 des Vertrages vereinbarten „Nebenarbeiten“, die in weiten Teilen auch gelebt wurden. Zwar steht nicht fest, ob er zu Inventurarbeiten und der Kojenpflege herangezogen worden ist. Er war aber verpflichtet, an Schulungen teilzunehmen, für Sauberkeit an seinem Arbeitsplatz zu sorgen und die Vertretung von Kollegen zu übernehmen. Eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin ergibt sich aus der Zusammenarbeit mit den fest angestellten Mitarbeitern der Klägerin (z.B. Reklamationsabteilung, Aufmaßtechniker) und dem Umstand, dass er auch für andere angestellte Mitarbeiter der Klägerin Arbeiten erledigte und auch seine Arbeiten im Falle seiner Abwesenheit von angestellten Mitarbeitern der Klägerin übernommen wurden. Zudem wurde ihm – wie einem angestellten Verkäufer – ein voll ausgestatteter Arbeitsplatz in den Geschäftsräumen der Klägerin zur Verfügung gestellt. Insgesamt unterschied sich die Arbeit des Beigeladenen zu 1) von der Tätigkeit der fest angestellten Mitarbeiter der Klägerin im Wesentlichen nur hinsichtlich der größeren Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit. Eine konkrete Arbeitszeit oder ein Arbeitspensum waren nicht vertraglich vereinbart. Er war insoweit „freier“ als ein fest angestellter Mitarbeiter der Klägerin, weil er darüber entscheiden konnte, wann er morgens anfing und wann er abends aufhörte. Seine Arbeitszeiten musste er jedoch vorher mitteilen, so dass er nicht völlig losgelöst von den klägerischen Vorstellungen tätig werden konnte.
Demgegenüber lag ein Unternehmerrisiko vor, weil dem Beigeladenen zu 1) kein Mindesteinkommen garantiert wurde. Maßgebliches Kriterium für ein Unternehmerrisiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R -, in juris, Rn. 29). Dabei kommt es nicht allein auf den Einsatz von Kapital an, weil andernfalls Tätigkeiten, bei denen kein oder nur geringes Kapital zu ihrer Durchführung notwendig ist, nicht selbstständig ausgeübt werden könnten. Ein Unternehmerrisiko wird deshalb auch schon dann getragen, wenn der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft ungewiss ist, namentlich, wenn kein Mindesteinkommen garantiert ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R -, in juris, Rn. 29). Vorliegend war der Einsatz seiner Arbeitskraft mit einem nennenswerten Verlustrisiko für den Beigeladenen zu 1) verbunden, weil er ausschließlich erfolgsabhängig bezahlt wurde. Dem Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1) stand jedoch eine nur beschränkte Freiheit und Flexibilität bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs seiner Tätigkeit gegenüber. Er konnte zwar mehr als acht Stunden täglich und mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten und war nicht an die Arbeitszeitvorgaben für die angestellten Mitarbeiter gebunden. Er konnte aber nicht außerhalb der Räumlichkeiten und der Öffnungszeiten der Klägerin weitere Einkünfte generieren, sondern war wie alle angestellten Küchenverkäufer der Klägerin auf den vorgegebenen Arbeits- und Zeitrahmen beschränkt. Der Beigeladene zu 1) setzte zudem keinerlei eigenes Kapital ein, weil er keine Betriebs- und Personalkosten aufzubringen hatte und ihm sämtliche Arbeitsmittel von der Klägerin zur Verfügung gestellt wurden. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass er beim Abschluss der Verträge nur einen geringen unternehmerischen Spielraum hatte. Dass der Beigeladene zu 1) bei der Preisgestaltung nicht frei war, sondern an die von der Klägerin vorgegebenen Preise bei der Akquisition von Aufträgen gebunden war, spricht zwar zunächst nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit. Denn die freie Preisgestaltung ist keine Voraussetzung für eine Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter; vielmehr ist das Recht zur eigenständigen Preisgestaltung eher untypisch für die Stellung als Handelsvertreter (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. 01.2016 - L 4 R 2796/15 -, in juris). Demgegenüber gehört die Möglichkeit, im Einzelfall Rabatte und Abschlagsquoten einzuräumen, durchaus zu den typischen unternehmerischen Entscheidungen, auch eines Handelsvertreters. Hierzu war er aber ohne Genehmigung und Abzeichnung durch den Hausleiter nicht befugt.
Für eine abhängige Beschäftigung spricht ferner auch, dass der Beigeladene zu 1) nicht werbend am Markt als selbstständiger Unternehmer, sondern als Teil des Betriebes der Klägerin aufgetreten ist. Er trug zwar ein „neutral“ gestaltetes Namensschild, meldete sich aber am Telefon mit dem Namen der Klägerin und verfügte über eine E-Mail-Adresse mit dem Namen der Klägerin.
Die Anmeldung eines Gewerbes ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status dagegen unerheblich (Urteil des Senats vom 01.07.2020 - L 5 KR 3137/18 -, in juris). Sie stellt lediglich die Rechtsfolge einer selbstständigen Tätigkeit dar und sagt über den Status einer Beschäftigung nichts aus. Die Gewerbebehörde ist nicht berechtigt, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine selbstständige Tätigkeit zu überprüfen.
Das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot, das dazu führte, dass der Beigeladene zu 1) nur für die Klägerin tätig war, fällt bei der Abwägung der Indizien ebenfalls nicht ins Gewicht. Es machte ihn zwar wirtschaftlich von der Klägerin abhängig, begründet aber noch keine - für die Frage der Versicherungspflicht allein erhebliche - persönliche Abhängigkeit (BSG, Urteil vom 29.01.1981 – 12 RK 63/79 –, in juris, Rn. 26 unter Hinweis auf § 92a Abs. 1 HGB, der ausdrücklich eine vertragliche Regelung zulässt, dass der Handelsvertreter nicht für weitere Unternehmen tätig sein darf, und die aus § 86 HGB folgende Interessenwahrungspflicht, die ein Wettbewerbsverbot begründet).
Für eine selbstständige Tätigkeit spricht indes wiederum nicht, dass keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart wurden. Solche Vertragsgestaltungen sind konsequent, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollen. Entsprechende vertragliche Regelungen machen den Arbeitnehmer nicht zum selbstständig erwerbstätigen Unternehmer; die Rechtsfolgen einer Beschäftigung ergeben sich aus dem Gesetz und sind nicht abdingbar.
Da schließlich der Wille der Klägerin und des Beigeladenen zu 1), kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen, vorliegend lediglich ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit darstellt, das im Rahmen der Gesamtabwägung jedoch zurücktritt, erfolgte die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin vom 01.01.2011 bis 31.03.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, weswegen Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung bestanden hat mit der Pflicht zur Tragung der Beiträge hierfür.
b) Die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträge ist auch der Höhe nach rechtmäßig. Fehler zu Lasten der Klägerin sind nicht ersichtlich und werden auch nicht behauptet.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keine Sachanträge gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.
IV. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
V. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.