L 11 KR 2001/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 1972/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2001/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.05.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Anspruch auf eine immunbiologische Behandlung (Infusionsbehandlungen in Kombination mit aktiver Heilfiebertherapie) geltend.

Die 1959 geborene Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Im Oktober 2010 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert. Die Behandlung dieser Erkrankung erfolgte durch eine operative Entfernung (Resektion) des Tumors (brusterhaltende Operation). Eine Strahlentherapie und eine Chemotherapie lehnte die Klägerin ab. Stattdessen führte sie ab 2011 eine biologische Tumorbehandlung durch und nahm Maßnahmen der komplementären Onkologie in Anspruch. Vom 22.08. bis 25.08.2013 befand sich die Klägerin in der S Klinik in N in stationärer Behandlung. Dort wurde bei Verdacht auf ein Lokalrezidiv ein schmerzhafter Knoten im Bereich der Operationsnarbe entfernt. Die histologische Untersuchung ergab keinen Tumorbefund (pathologisch-histologisches Gutachten vom 27.08.2013; Arztbrief R vom 02.09.2013). Die Beklagte beteiligte sich an den Kosten eines stationären Aufenthalts der Klägerin in der H Klinik M vom 10.09. bis 02.10.2013. Außerdem zahlte sie auf einen Kostenübernahmeantrag der Klägerin vom 11.10.2013 - den sie zunächst abgelehnt hatte (Bescheid vom 06.12.2013) - einen Betrag von 4.600 €.

Am 23.12.2015 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Kostenübernahme zur Fortführung ihrer immunbiologischen Heilbehandlung mit weiteren Infusionsbehandlungen in Kombination mit aktiven Heilfiebertherapien einschließlich verordneter Infusionen, Medikamente und Re-Staging-Untersuchungen (Ganzkörper-MRT/jährlich). Zur Begründung gab sie an, die begonnene immunbiologische Behandlung habe eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gehabt. Dennoch bestehe bei ihr nach wie vor nach histologischen und laborchemischen Befunden noch immer ein erhebliches Rezidiv- und Progressionsrisiko. Aus diesem Grund sollte die begonnene immunbiologische Behandlung, einschließlich aktiver Heilfiebertherapie, unbedingt fortgesetzt werden. Ihrem Antrag hatte sie auch ein Attest der H Klinik vom 14.10.2015/01.12.2015 beigefügt, in dem eine Kostenzusage von fünf weiteren Infusionsbehandlungen in Kombination mit einer aktiven Heilfiebertherapie erbeten wird.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein (Gutachten vom 15.01.2016). Darin wurde ua ausgeführt, dass ein Wirksamkeitsnachweis für die beantragte Methode anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken bislang nicht vorliege. Unter Hinweis auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 21.01.2016 ab. Eine Kopie des Gutachtens des MDK wurde der Klägerin mit dem ablehnenden Bescheid übersandt.

Dagegen legte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, am 17.02.2016 Widerspruch ein. Den Widerspruch begründete sie ausführlich mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 02.05.2016. Die Klägerin machte geltend, dass für die Krebserkrankung, an der sie leide, die begehrten Therapien eine hinreichende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf böten. Die Beklagte bat den MDK erneut um eine Stellungnahme. Im Gutachten vom 23.02.2017 heißt es ua, bei der beantragten Methode handele es sich um eine außervertragliche Leistung, die bislang keinen Eingang in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gefunden habe. Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme aufgrund verfassungsgerichtlicher Vorgaben lägen im Fall der Klägerin nicht vor. Auch von diesem Gutachten erhielt die Klägerin eine Kopie. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2017 als unbegründet zurück.

Am 22.06.2017 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben (S 16 KR 1972/17) mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die selbstbeschaffte immunbiologische Behandlung in noch zu beziffernder Höhe zu erstatten bzw in Zukunft entstehende Kosten zu übernehmen. Mit Schriftsatz vom 13.04.2018 (Bl 85 der SG-Akte S 16 KR 1972/17) sind von der Klägerin verauslagte Kosten für das Jahr 2016 in Höhe von 481,68 € und im Jahr 2017 Kosten in Höhe von 301,53 € (zusammen also 783,21 €) für Medikamente und sonstige Präparate, die der Klägerin auf Privatrezept verordnet worden waren, geltend gemacht worden. Hinsichtlich der einzelnen Beträge wird für das Jahr 2016 auf Bl 89/100 und für das Jahr 2017 auf Bl 101/110 der SG-Akte S 16 KR 1972/17 verwiesen. Eine Übernahme dieser Kosten hat die Klägerin bei der Beklagten mit Schreiben vom 17.01.2018 beantragt (Bl 111 der SG-Akte S 16 KR 1972/17). Eine Heilfiebertherapie hat die Klägerin in den Jahren 2016 und 2017 nicht durchgeführt, da sie - wie sie vorträgt - im Frühjahr 2016 an einer Fraktur des Beines gelitten und im Herbst nicht über die finanziellen Mittel verfügt habe.

Das SG hat (einheitlich in den Verfahren S 16 KR 1972/17, S 16 KR 3474/17 und S 16 KR 784/18) auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 18.11.2019 beruhendes Gutachten bei E, Arztpraxis für Palliativmedizin, Naturheilkunde und komplementäre Onkologie, eingeholt (Gutachten vom 27.12.2019). In dem Gutachten hat der Sachverständige folgende Diagnose gestellt: invasiv ductales Mamma-Karzinom rechts pT2 G3 pN0 (0/2 SN) M0 ER neg PR neg Her2 neu negativ ED 10/10. Bei der Klägerin habe ein schlecht differenzierter Krebs mit sehr schnellem Wachstum und verstärkter Tendenz zur Streuung vorgelegen. Außerdem habe bei ihr eine dreifach negative Konstellation vorgelegen. Beim dreifach negativen (triple negative) Brustkrebs befänden sich auf der Oberfläche der Krebszellen keine Bindungsstellen (Rezeptoren) für die Hormone Östrogen und Progesteron, auch der humane epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor Typ 2 (Her2) sei nicht ausgeprägt. Nach der brusterhaltenden Resektion 2010 seien Maßnahmen aus der biologischen Tumorbehandlung bzw komplementären Onkologie erfolgt. Eine Bestrahlung und Chemotherapie seien nicht durchgeführt worden. Die Laboruntersuchungen zeigten eine persistierende Erhöhung des Tumormarkers TKTL1 als Hinweis für ein weiterhin bestehendes Tumorproblem. Die Leukopenie, Lymphopenie, die Defizite einiger T-Lymphozyten-Untergruppen wiesen auf eine verminderte Immunabwehr hin, sowohl der Lymphozyten-Zellzahl als auch der Lymphozyten-Funktion. Die aktive Fiebertherapie sei für die Klägerin eine geeignete Therapieform. Aufgrund der dauerhaften zellulären Immunabwehrschwäche bei weiter bestehendem erhöhten Tumorrezidivrisiko müsse diese Therapie dauerhaft fortgeführt werden. Die Fiebertherapie werde in Deutschland in stationären Einrichtungen durchgeführt. Der Grund sei die Notwendigkeit der Überwachung und Versorgung den ganzen Tag über und die Einbettung in ein begleitendes Therapiekonzept. Die vorhandenen Daten über die Wirksamkeit der aktiven Fiebertherapie beim Mammakarzinom stammten aus Fallberichten, da eine Großserie mit Doppelverblindung nie habe durchgeführt werden können. Bei der Klägerin bestehe eine besonders bösartige Unterform des Brustkrebses. Ohne wirksame Therapie verlaufe diese Krankheit regelhaft desaströs. Die Klägerin habe 2010 mit der biologischen Tumorbehandlung begonnen und sei bis heute rezidivfrei.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, streitgegenständlich in diesem Verfahren seien die privatärztliche Behandlung und die privatärztlich verordneten Präparate (Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel). Sie finde in dem Gutachten des Er keine Hinweise, die darauf hindeuteten, dass die laufende Einnahme der privatärztlich verordneten Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel zwingend erforderlich sei. Nahrungsergänzungsmittel seien ohnedies gemäß § 6 der Arzneimittel-Richtlinie von der Versorgung in der GKV ausgeschlossen. Im Übrigen habe die Klägerin den für eine Erstattung vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten. Sie habe die privatärztlichen Behandlungen durchführen lassen und sich für Arzneimittel Privatrechnungen ausstellen lassen, ohne sich zuvor mit ihr in Verbindung zu setzen.

Mit Urteil vom 14.05.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 21.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2017 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte habe den Antrag der Klägerin auf „Kostenübernahme zur Fortführung ihrer immunbiologischen Heilbehandlung mit weiteren Infusionsbehandlungen in Kombination mit aktiven Heilfiebertherapien einschließlich verordneter Infusionen und Medikamente" zu Recht abgelehnt. Die von der Klägerin begehrte immunbiologische Therapie gehöre nicht zu den von der Beklagten geschuldeten Leistungen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Durchführung der Therapie im Rahmen der ärztlichen Behandlung. Gemäß § 87 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestimme der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) den Inhalt der abrechnungsfähigen vertragsärztlichen Leistungen, also welche Leistungen von den Krankenkassen zu erbringen seien und von den Versicherten beansprucht werden könnten. Die immunbiologische Therapie sei im EBM nicht enthalten. Die immunbiologische Therapie sei auch nicht als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode gemäß § 135 SGB V zu erbringen. Nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Behandlung nur dann von den Krankenkassen erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine entsprechende Richtlinie gemäß § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V erlassen habe. Dies sei für die immunbiologische Therapie nicht erfolgt. Auch bestehe kein Anspruch auf eine stationäre Behandlung in der H Klinik M. Diese Klinik sei kein zugelassenes Krankenhaus. Auch nach dem Vortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Unterlagen sei die H Klinik eine Rehabilitationseinrichtung gemäß § 111 Abs 1 SGB V, nicht jedoch ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V. Auch ein Anspruch auf eine Leistungserbringung nach § 2 Abs la SGB V sei nicht gegeben. Bei der Klägerin liege zum jetzigen Zeitpunkt bereits keine Krankheit vor. Nach den übereinstimmenden Aussagen der behandelnden Ärzte sei die Klägerin nach ihrer Krebserkrankung geheilt, es sei weder zu einem Rezidiv gekommen noch seien weitere Tumore aufgetreten.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von ihr beschafften Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel. Die Krankenkasse dürfe gemäß § 13 Abs 1 SGB V anstelle der Sach- und Dienstleistung Kosten nur dann erstatten, soweit dies gesetzlich vorgesehen sei. Im vorliegenden Fall komme als Anspruchsgrundlage für eine Kostenerstattung nur § 13 Abs 3 SGB V in Betracht. Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V sei nicht gegeben. Ein solcher setze voraus, dass ein Naturalleistungsanspruch des Versicherten bestehe, der durch die Krankenkasse rechtswidrig nicht erfüllt - also etwa abgelehnt - worden sei, und der Versicherte sich die entsprechende Leistung aufgrund der rechtswidrigen Ablehnung selbst beschafft habe. Die Beklagte habe zwar einen Naturalleistungsanspruch verweigert, dies sei aber nicht rechtswidrig gewesen. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V reiche nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch (§ 2 Abs 2 SGB V) und setze daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehöre, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hätten. Die von der Klägerin beschafften Medikamente seien aber von der Krankenkasse nicht zu leisten. Gemäß § 31 Abs 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinie nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen seien. Hieraus folge, dass die Kostenerstattung für die Karazym Tabletten, K2-Tropfen, Vitamin E-Tropfen, das JacumboFee (Quellwasser), Zell-Essenz (Quellwasser), Princess Flower Essenz (Quellwasser), die JacumboFee Salbe, Princess Flower Salbe, Zell-Salbe, das Teebaumöl KBA, 7 x 7 Kräutertee und die Viathen Tz 90 Kapseln bereits ausscheide, da es sich hierbei bereits nicht um apothekenpflichtige Arzneimittel handele. Auch ein Anspruch aus § 31 Abs 5 SGB V scheide aus. Ein Anspruch bestehe nur dann, wenn eine diätische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig sei. Der GBA habe in einer Richtlinie nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V festzulegen, unter welchen Voraussetzungen welche bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden könnten. § 21 der Arzneimittel-Richtlinie lege die medizinisch notwendigen Fälle fest. Ein solcher Fall sei aber von der Klägerin weder vorgetragen noch sei er erkennbar.

Auch die Kosten für die übrigen Präparate seien von der Beklagten nicht zu erstatten. Bei diesen handele es sich zwar um apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Diese seien nach § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Auch liege keine Ausnahme nach § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V vor, wonach der GBA in einer Richtlinie nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V festlege, welche nicht verschreibungspflichtigen Medikamente, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gälten, vom Vertragsarzt ausnahmsweise mit Begründung verordnet werden könnten. Diese Medikamente seien vom GBA in Anlage I zum Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie aufgeführt. Eine zugelassene Ausnahme nach der Arzneimittel-Richtlinie liege jedoch nicht vor.

Hinsichtlich ihres weiteren Begehrens, die bereits entstandenen Kosten erstattet zu erhalten, bleibe dies auch erfolglos, denn die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die zwischenzeitlich durchgeführten Behandlungen in der H Klinik. Die Beklagte habe zwar einen Naturalleistungsanspruch mit Bescheid vom 21.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2017 verweigert, der Gegenstand des Verfahrens S 16 KR 1972/17 sei, dies sei aber nicht rechtswidrig gewesen. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V reiche nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch (§ 2 Abs 2 SGB V) und setze daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehöre, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hätten (vgl BSG 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R). Die Klägerin habe jedoch keinen Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte auf eine immunbiologische Behandlung.

Gemäß § 39 Abs 1 S 2 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sei, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden könne. Dabei dürften die Krankenkassen Krankenhausbehandlung nur durch folgende Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen: (1.) Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt seien, (2.) Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen seien (Plankrankenhäuser), oder (3.) Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen hätten, § 108 SGB V. Die H Klinik M sei kein zugelassenes Krankenhaus. Auch nach dem Vortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Unterlagen sei die H Klinik zwar eine Rehabilitationseinrichtung gemäß § 111 Abs 1 SGB V, nicht jedoch ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V.

Auch ein Anspruch auf eine Leistungserbringung nach § 2 Abs la SGB V sei nicht gegeben. Die Norm setze voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliege, wenn bezüglich dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe und für die begehrte Behandlung eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Bei der Klägerin liege zum jetzigen Zeitpunkt bereits keine Krankheit vor. Nach den übereinstimmenden Aussagen der behandelnden Ärzte im Verfahren S 16 KR 1972/17, M1 und B, sei die Klägerin nach ihrer Krebserkrankung geheilt, es sei weder zu einem Rezidiv gekommen, noch seien weitere Tumore aufgetreten. Zwar hätten W und der D darauf hingewiesen, dass bei der MRT-Untersuchung am 13.09.2018 ein Befund erhoben worden sei, der einen Verdacht auf eine Metastasierung begründe. Allerdings könne die vermehrte Kontrastmittelaufnahme nach der Aussage des W, die durch den beigefügten Befundbericht über das durchgeführte MRT bestätigt werde, auch durch eine degenerative Veränderung hervorgerufen worden sein. Eine Bestätigung des Verdachts auf eine weitere Metastasierung sei bislang nicht erfolgt, so dass im streitigen Zeitraum nicht von einer weiteren Erkrankung ausgegangen werden könne.

Am 25.06.2020 hat die anwaltlich vertretene Klägerin gegen das Urteil, das ihr am 28.05.2020 zugestellt worden ist, Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zunächst ausgeführt, Anträge und deren Begründung blieben einem besonderen Schriftsatz vorbehalten (Schriftsatz vom 25.06.2020). Mit weiterem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.08.2020 führt sie zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen aus, sie leide unstreitig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Die besonderen Umstände der Erkrankung ließen keinen anderen Schluss zu. Zu Unrecht verneine das SG das Bestehen einer lebensbedrohlichen Erkrankung bzw stelle dies zumindest in Frage. Krebserkrankungen seien regelmäßig lebensbedrohlich und könnten nicht an relativen Heilungsprognosen gemessen werden. Sofern diese Erkrankungen nicht therapiert würden, verliefen sie unweigerlich tödlich. Unabhängig von der Frage der Heilungschancen könne dementsprechend ein Rückfallrisiko, das Auftreten von Rezidiven, nicht vollständig ausgeschlossen werden. Es sei daher zumindest mittelbar von einer Lebensbedrohlichkeit durch die Erkrankung auszugehen. In diesem Zusammenhang werde auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verwiesen. Dieses habe ausgeführt, der Annahme eines lebensbedrohlichen Zustands stehe nicht entgegen, dass eine Erkrankung noch nicht das Stadium einer akuten Lebensgefahr erreicht habe. Das BVerfG habe entschieden, dass eine Krankheit auch dann als regelmäßig tödlich zu qualifizieren sei, wenn sie „erst" in einigen Jahren zum Tod des Betroffenen führe (Hinweis auf BVerfG 06.02.2007, 1 BvR 3101/06, juris mwN).

Ferner hätten ihr keine allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Leistungen zur Verfügung gestanden. Hierzu sei bereits umfassend vorgetragen worden. Das SG habe sich mit diesem Vortrag jedoch nicht auseinandergesetzt.

Auch sei das Wirtschaftlichkeitsgebot zu berücksichtigen. Dies sei eines der Grundprinzipien der GKV. Sie verzichte gerade auf klassische Behandlungsmethoden und veranlasse hierdurch eine erhebliche Kostenentlastung der Versichertengemeinschaft. Hätte sie ausschließlich auf Standardtherapien wie die Chemotherapie und Bestrahlung zurückgegriffen, entstünden durch die wiederholt erfolglosen Therapien unnötige Kosten für die Sozialgemeinschaft. Diese Kostenbelastung würde sich insoweit durch die krankenstandsbedingte Zusatzbelastung sogar erheblich erhöhen.

Es habe auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der begehrten Immuntherapie bestanden. Die erforderlichen Aussichten auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf erforderten eine Risiko-/Nutzen-Analyse. Ausgehend vom erstrebten Behandlungsziel - dem Erkennen, Heilen oder Lindern einer Erkrankung - habe eine abstrakte und konkrete Prüfung im Einzelfall stattzufinden (Hinweis auf BSG vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06, NJW 2007, 1385). Hierbei unterliege der zu verlangende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ebenso wie das vertretbare Risiko - abhängig von der Schwere und dem Ausmaß der Erkrankung - Abstufungen. Dabei seien Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen, je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen seien an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg zu stellen. Danach könnten als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch „Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, uÄ; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen“ in Betracht kommen.

Liege überdies - wie im Streitfall - eine lebensbedrohliche, wenig erforschte Erkrankung vor, sei es bereits ausreichend, wenn die Annahme gerechtfertigt sei, dass der voraussichtliche Nutzen der Behandlungsmaßnahme die möglichen Risiken überwiege. Alleine durch die selbstbeschaffte Therapie (in Kombination mit den Therapien der anderen Verfahren) habe eine Verbesserung erreicht werden können. Es habe ein Rezidiv vermieden werden können. Sie sei in ihrer Mobilität nicht mehr eingeschränkt gewesen. Die Therapie sei sehr gut vertragen worden und habe zu einer signifikanten Verbesserung ihres Allgemeinzustandes geführt. Weiter habe sich ihre Lebensqualität verbessert. Diese wesentliche Verbesserung, insbesondere der signifikante Rückgang der Schmerzen, könne in der vorliegenden Behandlungssituation nur als erheblicher Therapieerfolg gewertet werden.

Die Klägerin beantragt (Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.08.2020),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.05.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Kosten in Höhe von 783,21 € zu erstatten sowie ihr eine immunbiologische Behandlung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie trägt vor, streitig sei die Kostenerstattung für eine stationäre immunbiologische Behandlung in der H Klinik M. Das SG habe in dem angefochtenen Gerichtsurteil vom 14.05.2020 zu Recht einen Anspruch auf Kostenerstattung für eine stationäre immunbiologische Behandlung in der H Klinik M verneint. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsurteils Bezug genommen. Im Übrigen habe sie - die Beklagte - bereits in dem Widerspruchsbescheid vom 07.02.2018 sowie im gesamten erstinstanzlichen Schriftwechsel eingehend dargelegt, aus welchen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Die nun neu aufgeführten Argumente der Gegenseite vermögen nicht zu überzeugen. Sowohl die sozialmedizinischen Gutachten als auch das oben aufgeführte Gerichtsurteil verneinten den Anspruch auf eine Leistungserbringung nach § 2 Abs 1a SGB V. Eine lebensbedrohliche Erkrankung habe nicht vorgelegen und auch die behandelnden Ärzte bestätigten, dass die Krebserkrankung als geheilt angesehen werden könne. Die Fiebertherapie nach Coley sei eindeutig ein experimentelles Therapieverfahren, welches nicht dem anerkannten Standard der medizinischen Erkenntnisse entspreche und deshalb außerhalb einer klinisch kontrollierten Studie nicht empfohlen werden könne. Selbst ein „individueller Heilversuch“ könne bei fehlenden gesicherten Erkenntnissen aus wissenschaftlichen Studien hinsichtlich patientenrelevanter Nutzenparameter nicht begründet werden. Zudem hätten der Klägerin allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen zur Verfügung gestanden.

Der Anspruch auf Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) sei zwar unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse und des medizinisch-technischen Fortschritts zu erfüllen, er sei aber nicht darauf gerichtet, nur von einer ganz bestimmten, aus Sicht des Versicherten am besten geeigneten Behandlungsmethode oder einem qualifizierten Krankenhaus behandelt zu werden. Das Wahlrecht eines Betroffenen bei der Krankenbehandlung beschränke sich auf zur Versorgung der Versicherten zugelassene Ärzte und Krankenhäuser, umfasse also nicht auch die Behandlung in Privatkliniken. Da es sich bei der H Klinik M um keinen zugelassenen Leistungserbringer handele, gehörten deren Leistungen auch nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat auf der Grundlage von § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der von der Beklagten mit Bescheid vom 21.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2017 abgelehnte Antrag der Klägerin vom 23.12.2015 auf Kostenübernahme für eine vollstationäre immunbiologische Behandlung in der H Klinik in M. Aus dem Attest der H Klinik vom 14.10.2015/01.12.2015, welches dem Antrag beigefügt war, ergibt sich, dass der Antrag auf Versorgung mit fünf weiteren Infusionsbehandlungen in Kombination mit einer aktiven Heilfiebertherapie gerichtet war. Insoweit macht die Klägerin (weiterhin) einen Anspruch auf eine Sachleistung geltend. Die Kosten für die in der H Klinik in den Jahren 2018 und 2019 durchgeführten stationären Behandlungen, die sich die Klägerin auf privatärztlicher Basis selbst beschafft hatte, sind (ausschließlich) Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 KR 2003/20. Da die Klägerin die hier streitgegenständliche Sachleistung bereits im Dezember 2015 beantragt hatte, dann aber die Behandlung in den Jahren 2018 und 2019 auf eigene Kosten in der H Klinik durchführen hat lassen, hat sich der Bescheid vom 21.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2017 gemäß § 39 Abs 2 SGB X „auf andere Weise erledigt.“ Denn eine Sachleistung, die sich die Versicherte nach der Antragstellung (hier: 23.12.2015) bereits (mehrfach) selbst beschafft hat (hier: in den Jahren 2018 und 2019), kann nicht mehr zusätzlich als Sachleistung gewährt werden. Die Klägerin hätte zwar die (zunächst) auf Gewährung einer Sachleistung gerichtete Klage ändern und stattdessen auf eine Erstattung der Kosten für die (inzwischen) selbst beschaffte Behandlung richten können. Dies hat sie aber nicht getan, sondern im vorliegenden Verfahren das Kostenerstattungsbegehren auf die Jahre 2016 und 2017 sowie den Erstattungsbetrag iHv 783,21 € beschränkt und vielmehr die Kostenerstattung in einem gesonderten Verwaltungs- (Bescheide der Beklagten vom 19.10.2017 und 04.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2018) und Gerichtsverfahren (S 16 KR 784/18; L 11 KR 2003/20) geltend gemacht. Für einen Anspruch auf Gewährung einer (erneuten) Sachleistung für die Zeit nach der letzten selbst beschafften Behandlung bedarf es eines weiteren Antrages, der hier fehlt. Im Übrigen steht der Klägerin ein solcher Sachleistungsanspruch auch nicht zu. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe im Verfahren L 11 KR 2003/20 Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 13.04.2018 sind während des anhängigen Klageverfahrens von der Klägerin zusätzlich verauslagte Kosten für das Jahr 2016 in Höhe von 481,68 € und für das Jahr 2017 Kosten in Höhe von 301,53 € für Medikamente und sonstige Präparate, die der Klägerin auf Privatrezept verordnet worden waren, geltend gemacht worden. Auch hierüber hat das SG im angefochtenen Urteil entschieden. Dieser Anspruch besteht schon deshalb nicht, weil es an einem Verwaltungsverfahren fehlt. Der Widerspruchsbescheid vom 24.05.2017 kann keinen Erstattungsantrag erfassen, der erst mehr als sieben Monate später (konkret: am 17.01.2018) gestellt wurde. Im Übrigen sind auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht erfüllt. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen in den Entscheidungsründen des angefochtenen Urteils an und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs 2 SGG). Auf § 13 Abs 3a SGB V kann sich die Klägerin nicht berufen, da von dieser Vorschrift nur Anträge auf Sachleistungen erfasst werden, nicht aber Anträge auf Geldleistungen, wozu auch Erstattungsansprüche nach § 13 Abs 2 und 3 SGB V gehören (BSG 26.05.2020, B 1 KR 21/19 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 54).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) nicht vorliegt.

Rechtskraft
Aus
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