L 6 U 207/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1151/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 207/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Juli 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig auf 1.606.573,08 € festgesetzt.

 

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Veranlagung der Klägerin zu dem ab dem 1. Januar 2019 geltenden Gefahrtarif der Beklagten umstritten.

Die seit den 1930-er Jahren in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgänger fallende Klägerin firmiert seit 2011 unter ihrer jetzigen Firma (vgl. Satzung vom 22. Juli 2011). Sie hat die Herstellung und den Vertrieb von Erzeugnissen aus Aluminium und anderen Werkstoffen sowie den Handel mit diesen und anderen Waren zum Gegenstand. Im streitigen Veranlagungszeitraum ist sie – nur noch – im Bereich „Automotive“ tätig und Zulieferer der Automobilindustrie. Daneben betreibt sie ein Presswerk.

Mit Veranlagungsbescheid vom 20. Dezember 2005 veranlagte die B als Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagte) die Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 010401 (Warmwalzwerke [Gefahrklasse 3,08]) des Gefahrtarifs 2006. Eine Überprüfung am 9. Dezember 2008 ergab, dass für die vier Unternehmenszweige der Klägerin die Voraussetzungen für eine getrennte Veranlagung vorlägen, sodass mit Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2008 eine Veranlagung zu den Gefahrtarifstellen 0105-05 (Metallhalbzeugwerk [Gefahrklasse 3,08]), 2301-05 (Herstellung von Kfz-Komponenten aus Blech [Gefahrklasse 1,85]) und 0104-01 (Warmwalzwerk [Gefahrklasse 3,08]) erfolgte.

Daran anschließend veranlagte die Beklagte die Klägerin mit Veranlagungsbescheid vom 21. Dezember 2009 nach dem Gefahrtarif 2010 zu den Gefahrtarifstellen 010200 (Halbzeuge, Walzwerke, Drahtzieherei [Gefahrklasse 3,68]) und 052100 (Herstellung und Zusammenbau von Kfz-Komponenten aus Blech [Gefahrklasse 0,87]). Mit weiterem Veranlagungsbescheid vom 21. Dezember 2012 wurde die Klägerin zu den Gefahrtarifstellen 010000 (Hochofen- und Stahlwerke, Metallhütten, Metallhalbzeugewerke, Walzwerke, Drahtziehereien [Gefahrklasse 3,54]) und 040000 (Herstellung von vollständigen technischen Systemen…für Produkte der Tarifstelle 04 in Serie [Gefahrklasse 0,89]) nach dem Gefahrtarif 2013 veranlagt.

Die Beklagte führte eine Betriebsbegehung zur Überprüfung der Veranlagung durch. Der Außendienstmitarbeiter H stellte fest (vgl. Aktenvermerk vom 3. November 2014), dass das Halbzeugewerk das Hauptunternehmen und zutreffend zur Gefahrtarifstelle 010100 veranlagt sei. Der Unternehmensteil „Automotive“ sei ein Nebenunternehmen, welches nicht zur Gefahrtarifstelle 04 habe veranlagt werden dürfen, da keine der in der Gefahrtarifstelle 04 genannten Produkte hergestellt würden. Zutreffend sei die Gefahrtarifstelle 05. Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 25. November 2014 darauf hin, dass die Veranlagung zu der Gefahrtarifstelle 04 unzutreffend erfolgt sei. Eine Änderung des Veranlagungsbescheides könne nicht erfolgen, da die falsche Einordnung nicht von der Klägerin zu vertreten sei. Über den Aufbau und die Zusammenfassung der verschiedenen Bereiche bzw. wie ein künftiger Gefahrtarif aufgegliedert sein werde, könne gegenwärtig noch keine Aussage getroffen werden. Die Veranlagung bleibe bis zum Ablauf der Gefahrtarifperiode unverändert. Vor Inkrafttreten eines neuen Gefahrtarifs würden die Betriebsverhältnisse erneut geprüft.

Ausweislich eines weiteren Aktenvermerks vom 15. August 2018 ging die Beklagte davon aus, dass nach der Ausgliederung des Walzwerkes dem Bereich „Automotive“ 649 Mitarbeiter zugeordnet seien und dem „Presswerk“ 414, sodass der Bereich „Automotive“ das Hauptunternehmen und das Presswerk das Nebenunternehmen darstelle. Unternehmen mit diesen Unternehmenszweigen seien entsprechend dem Unternehmensschwerpunkt „Automotive“ (Herstellung von Kfz-Komponenten aus Alu-Profilen) zur Gefahrtarifstelle 050100 zu veranlagen. Da der Gefahrtarif für den Unternehmensbereich „Automotive“ nach wie vor eine unveränderte Veranlagungsfortschreibung zur Tarifstelle 05 vorsehe, seien aktuell keine weiteren Ermittlungen erforderlich.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2018 veranlagte die Beklagte die Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 050000 (Verarbeitung von leichten Blechen bis 5 mm Stärke [Gefahrklasse 3,07]) nach dem Gefahrtarif 2019.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Sie sei zum Gefahrtarif 2013 in die Gefahrtarifstelle 04 eingeordnet worden. Der Bescheid sei bestandskräftig und nicht abgeändert worden. Mit Schreiben vom 25. November 2014 sei mitgeteilt worden, dass nach den Feststellungen vor Ort für den Unternehmensbereich „Automotive“ eine Veranlagung nach der Tarifstelle 05 zu erwägen sei. Zwischenzeitlich sei das Unternehmen weiter umstrukturiert und der Walzbereich in eine eigenständige Gesellschaft überführt worden. Die Klägerin bestehe derzeit noch mit dem Bereich „Automotive“ mit 840 Mitarbeitern und dem „Presswerk“ mit 400 Mitarbeitern. Die hergestellten Systeme für die Autoindustrie seien zwischenzeitlich noch komplexer geworden. Die Beklagte habe keine erneuten Ermittlungen bzw. Prüfungen der Betriebsverhältnisse durchgeführt, sondern ohne weitere Anhörung eine Veranlagung zu der Gefahrtarifstelle 05 mit der Gefahrklasse 3,07 vorgenommen. Daraus folge eine finanzielle Mehrbelastung von einer halben Million Euro jährlich. Nachdem mit Schreiben vom 25. November 2014 eine Veranlagung zum Gefahrtarif 04 erfolgt sei, habe sie sich darauf verlassen können, dass diese beibehalten werde. Jedenfalls hätten, da bei der zuletzt erfolgten Einstufung eine unklare Bewertungslage gegeben gewesen sei, wie aus dem Schreiben vom 25. November 2014 folge, Ermittlungen zu den Herstellungsprozessen stattfinden müssen. Eine Verarbeitung von Blechen finde nicht statt. Bereits tatbestandlich impliziere die unter der Gefahrtarifstelle 05 enthaltende Beschreiung die Bearbeitung eines zweidimensionalen Blechs durch Walzen/Stanzen und Schneiden oder ähnliches. Sie erhalte hingegen von dritter Seite Fertigungsteile/Komponenten, aus welchen durch Verbinden/Zusammenfügen dieser Einzelteile komplexe Strukturkomponenten für Fahrzeuge (Struktur- und Sicherheitsbauteile) hergestellt würden, die zum direkten Einbau durch die Automobilindustrie bestimmt seien. Es würden vollständige technische Systeme im Sinne der Gefahrtarifstelle 04 gefertigt. Die Beweis- und Feststellungslast für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsgrundlage obliege in vollem Umfang der den Verwaltungsakt erlassenden Stelle. Die Argumentation, dass durch die Zusammenfassung gleicher oder ähnlicher Unternehmen zu Gewerbezweigen Solidargemeinschaften gebildet würden, was es grundsätzlich ermögliche, sowohl höher als auch niedriger belastete Unternehmen unter diesem Dach zu sammeln, rechtfertige die Einordnung in die Gefahrtarifstelle 05 nicht, da die Beklagte im Schreiben vom November 2014 selbst ausgeführt habe, dass die Einordnung in die Tarifstelle 05 keineswegs eindeutig sei. Bei einer so erheblichen finanziellen Belastung erfordere die Verhältnismäßigkeit der Mittel eine eindeutige und zweifelsfrei mögliche objektive Einordnung. Im Übrigen sei bei der Fertigung von Systemen, wie ihren, ein deutlich geringeres Gefährdungsrisiko anzunehmen, was die Einordnung in die Tarifstelle 04 erforderlich mache.

Im Widerspruchsverfahren ließ die Beklagte eine erneute Begehung vor Ort durch den Außendienstmitarbeiter H durchführen. Hierüber wurden sowohl von Klägerseite (vgl. Blatt 1251 ff. VA) wie auch durch den Außendienstmitarbeiter der Beklagten (vgl. Blatt 1287 ff. VA) schriftliche Vermerke gefertigt. Ergänzend wurden Daten zu dem von der Klägerin betriebenen Presswerk übermittelt, wonach von der verarbeiteten Gesamtmenge 41 % an externe Kunden und 59 % an die eigenen Werke gegangen sind.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2019 führte die Beklagte zum Ergebnis der Begehung aus, dass unter dem Gewerbezweig „Verarbeitung von leichten Blechen bis 5 mm Stärke“ Unternehmen zusammengefasst würden, deren arbeitsmäßiger Schwerpunkt auf der Herstellung von Bauteilen, Behältern, Apparaten, Komponenten oder anderen Produkten liege, die durch eine Be- und Verarbeitung von leichten Blechen erzeugt würden. Die betrieblichen Verhältnisse sowie die darauf beruhenden Unfallrisiken seien hier typischerweise durch den industriellen und automatisierten Einsatz von modernen Stanz-, Kant-, Laser- oder Biegemaschinen geprägt. Demgegenüber begreife sich die Herstellung im Sinne der Gefahrtarifstelle 04 als Prozess der Planung, Entwicklung, Konstruktion, Fertigung, Montage, Vertrieb, Wartung und Weiterentwicklung von Waren und Produkten, wobei dem in den Verkehr bringenden Vorgang unter einem eigenen Logo oder Warenzeichen große Bedeutung beigemessen werde. Die „Struktur- und Sicherheitsbauteile“ erfüllten nicht die Anforderungen zur Zuordnung in die Gefahrentarifstelle 04. Es handele sich im Wesentlichen um Strukturkomponenten der Rahmenteile für PKW, die in unterschiedlichen Verfahren bearbeitet würden (gestanzt, gebohrt, gefräst, etc.), jedoch nicht vollständig seien und nicht aus mehreren Bauelementen unterschiedlicher Bereiche (Mechanik, Elektrik, Elektronik, Fluidtechnik) bestünden. Das Presswerk sei ein Hilfsunternehmen, sodass eine getrennte Veranlagung nicht in Betracht komme.

Die Klägerin wandte ein, dass ihre Unfallrisiken und Präventionserfordernisse eher denen der Gefahrtarifstelle 04 entsprächen. Wesentlich bei der Feststellung der Indizien seien die durch den Außendienstmitarbeiter getroffenen Feststellungen, die in mehreren Punkten nicht zuträfen. Es würden nicht Aluminiumhalbzeuge hergestellt und vertrieben, sondern Aluminiumhalbzeuge und andere Zukaufteile verwendet, die zu vollständigen technischen Systemen zusammengebaut würden. Es würden in keinem Fall leichte Bleche bearbeitet oder eingesetzt, sodass keine zur Blechbearbeitung typischen Maschinen eingesetzt würden. Sie fertige an hochspezialisierten Fertigungsstrecken, sodass die Fertigungsprozesse mit denen von Automobilherstellern zu vergleichen seien. Einzelne Stanz-, Kant-, Laser- oder Biegemaschinen seien nicht vorhanden. Die im Werk vorhandenen Fertigungsstrecken seien gekennzeichnet durch hochautomatisierte, verkettete Produktionslinien und Montageanlagen unter Einbeziehung von Robotertechnik. Mit der Aussage, dass unstreitig keine vollständigen technischen Systeme aus mehrerer Bauelementen unterschiedlicher Bereiche hergestellt würden, werde bewusst die Aussage der diesbezüglichen Beschreibung des Unternehmenszweiges der Tarifstelle 04 verkehrt. Diese sei wie folgt aufgebaut: unter den Spiegelstrichen 1 bis 4 seien zunächst die Produkte genannt, deren Herstellung die Einordnung eines Unternehmens in die Tarifstelle unproblematisch zulasse. Unter Spiegelstrich 5 seien sodann exemplarisch die klassischen technischen Systeme, die den unter Spiegelstrich 1 bis 4 genannten Produkten zuzuordnen seien, genannt. Spiegelstrich 6 enthalte sodann, da die Aufzählung der klassischen technischen Systeme nicht abschließend sein könne, einen Auffangtatbestand für weitere vollständige technische Systeme für die unter Spiegelstrich 1 bis 4 genannten Produkte. Deshalb gleiche die Formulierung unter Spiegelstrich 5 auch derjenigen unter Spiegelstrich 6, mit der Ausnahme, dass unter Spiegelstrich 5 konkrete (die klassischen) Systeme genannt seien, während Spiegelstrich 6 lediglich eine Definition der diesbezüglichen Systeme enthalte, um weitere vollständige Systeme unter die Tarifstelle 4 fassen zu können. Die hergestellten Produkte stellten solche vollständigen technischen Systeme für den Automobilbereich dar. Ihre Produkte erfüllten die Definition vollständiger technischer Systeme ohne weiteres, da sie aus Bauelementen unterschiedlicher Bereich bestünden. Allein die Mechanik verfüge über mehrere unterschiedliche Bereiche, wie Elemente aus den Bereichen Pressen, Gießen, Stanzen, Umformen sowie diverser Verbindungselemente aus unterschiedlichen Metallen, die erst im Werk zu den technischen Systemen zusammengebaut würden.

Den beim Sozialgericht Konstanz (SG) am 5. Mai 2020 gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 1 U 765/20 ER) lehnte dieses mit Beschluss vom 28. Mai 2020 ab, da das Gericht keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide feststellen könne. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Bescheide bestehe angesichts der Komplexität der Materie mit technischen Fragen der Produktionsvorgänge nicht. Es habe eine Betriebsbesichtigung stattgefunden und die Struktur der Klägerin habe sich durch die Ausgliederung eines Betriebsteils verändert, was Auswirkungen auf Art und Inhalt der Tätigkeit haben könne. Die Erfolgsaussichten der Widersprüche bzw. einer entsprechenden späteren Klage könnten daher höchstens als „offen“ angesehen werden. Eine weitere Bewertung sei im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes nicht möglich und müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Es sei keine unbillige, nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte gegeben. Dem Gesichtspunkt der besonderen wirtschaftlichen Belastung aufgrund der Corona-Pandemie sei bereits Rechnung getragen worden. Die Beklagte habe die Forderung der Klägerin, wie auch in anderen vergleichbaren Fällen, gestundet, sodass die nächsten eineinhalb Monate kein Vollzug der Beitragsforderung drohe.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2020 zurück. Bei dem Gefahrtarif handele es sich um einen überwiegend produktorientierten Gewerbezweigtarif. Die bedeute, dass Gefahrengemeinschaften aus Gewerbezweigen gebildet würden, die ein gleiches oder vergleichbares Unfallrisiko trügen. Durch die Bildung der Tarifstellen nach Art des Gewerbes würden die gewerbetypischen Gefahren im Gefahrtarif des Unfallversicherungsträgers erfasst. Da ein gewerbezweigorientierter Gefahrtarif seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei technologisch verwandten Betrieben beziehe, komme es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an, die ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die Mitarbeiterstruktur, die eingesetzten Maschinen und sonstige Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt würden. Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Gewerbezweigprinzip habe zwangsläufig zur Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten gebe. Dass alle gewerbezweigzugehörigen Betriebe und Unternehmen trotz unterschiedlicher Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beiträgen belastet würden, als es ihrem tatsächlichen Gefährdungsrisiko entspräche, sei als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen. Die Veranlagung nach der Tarifstelle 05 setze voraus, dass nach dem arbeitsmäßigen Schwerpunkt im Unternahmen Waren und Produkte im Zusammenhang mit der Verarbeitung von leichten Blechen bis fünf Millimetern Stärke angeboten, ausgeführt oder hergestellt würden. Die betrieblichen Verhältnisse sowie die darauf beruhenden Unfallrisiken seien hier typischerweise durch den industriellen und automatisierten Einsatz von modernen Stanz-, Kant-, Laser-, Press- oder Biegemaschinen geprägt. Die Klägerin produziere an mehreren Unternehmensstandorten verschiedene Produkte aus Aluminiumblechen und Aluminiumprofilen für die Industriebereiche Automotive, Aerospace, Verpackung, Verteidigung und Transport. Im Bereich des Presswerks würden auf Kundenwunsch Aluminiumprofile hergestellt, wobei das Knowhow des Unternehmens im Verständnis des Werkstoffes Aluminium als Halbzeug liege. Hierbei werde hauptsächlich Stangenware hergestellt und in Einzelfällen mechanisch bearbeitet. Dafür würden Bearbeitungsmaschinen vorgehalten und rund 450 Personen beschäftigt. Nach den Feststellungen des Beratungs- und Prüfdienstes vor Ort würden in den Betriebsstätten G und D Bauteile für die Kraftfahrzeugindustrie aus Aluminiumprofilen hergestellt. Im Automotive-Bereich fände das spezifische Wissen dann seine volle Anwendung. Hier bezeichne sich die Klägerin selbst als gemeinsame Nummer Zwei in Europa im A(Karosserieblech), weltweiter Marktführer für Aluminium Crash Management Systeme und Karosseriestrukturen. Aus dem Bericht zum Termin vor Ort sei zu entnehmen, dass es sich bei den Waren und Produkten überwiegend um strukturelle Verstärkungen der Rahmenteile für PKW für A-Säule, B-Säule, Bodengruppe, Anfahrschutz, Bumper, Seitenaufprallträger, Cockpitträger, Stoßfänger und der sogenannten Crashbox handele. Dazu würden zunächst Aluminiumprofile durch zum Teil vollautomatische Maschinen zu unterschiedlichen Teilen gesägt, gekantet, gebogen und mechanisch bearbeitet. Diese würden anschließend durch Schweißen und Handmontage zu Modulen, sogenannten Crashmanagementsystemen, zusammenmontiert. Diese Module bestünden ausschließlich aus Aluminiumteilen. Es hätten vor Ort keine Produkte festgestellt werden können, die aus mehreren Komponenten unterschiedlicher Bereiche wie elektrischen, elektronischen und/oder mechanischen Bauelementen bestünden. Die Bauteile würden an die Automobilindustrie geliefert und dort z. B. für den Aufprallschutz in die Fahrzeuge eingebaut. In der Zusammenfassung lägen die Voraussetzungen als Hersteller von Bauteilen aus Aluminiumprofilen und -blechen für eine Veranlagung zur Gefahrklasse 3,07, Tarifstelle 05 „Verarbeitung von leichten Blechen bis 5 mm Stärke“ unter typisierenden Gesichtspunkten vor. Alle Unternehmen mit diesem Geschäftsgegenstand würden im Gefahrtarif der BGHM in dieser Tarifstelle zusammengefasst. Die Voraussetzungen der Tarifstelle 04 lägen nicht vor, da gefahrtarifrechtlich sich die Herstellung als Prozess der Planung, Entwicklung, Konstruktion, Fertigung, Montage, Vertrieb, Wartung und Weiterentwicklung von Waren und Produkten begreife. Dem in den Verkehr bringenden Vorgang unter einem eigenen Logo oder Warenzeichen werde dabei eine große Bedeutung beigemessen. Die hergestellten Crashmanagementsysteme, die im Wesentlichen die Kernprodukte darstellten, erfüllten nicht die Anforderungen zur Zuordnung des Unternehmens zur Tarifstelle 04. In den früheren Gefahrtarifperioden seien Teile des Unternehmens als Nebenunternehmen der Unternehmensart „Herstellung und Zusammenbau von Kfz-Komponenten aus Blech“ zugeordnet gewesen. Die Gefahrklassen hierzu hätten 1,85 bzw. 0,87 betragen. Es sei seinerzeit versucht worden, die Kfz-Zulieferindustrie in einer gemeinsamen Tarifstelle zusammenzufassen. Allerdings habe sich gezeigt, dass die Waren und Produkte der erfassten Unternehmen zu vielfältig gewesen seien und die betrieblichen Ausstattungen oder die Art und Weise der Betriebsführung in einer Vielzahl von Zulieferbetrieben keine technologisch gemeinsame oder zumindest vergleichbare Ausrichtung aufwiesen. Die Tarifgemeinschaft sei deshalb nicht über den 31. Dezember 2012 fortgeführt und die erfassten Unternehmen seien nach Art und Gegenstand der Produkte, Waren oder Dienstleistungen neu anderen Tarifstellen zugeordnet worden. Auf die frühere Veranlagung komme es nicht an, da diese unzutreffend gewesen sei. Die Klägerin habe bereits im Zeitraum von 2013 bis 2018 zur Gefahrtarifstelle 05 veranlagt werden müssen. Eine rückwirkende Aufhebung des Bescheides sei wegen § 160 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht in Betracht gekommen. Vertrauensschutz über den Ablauf der Gültigkeit des Gefahrtarifs hinaus bestehe nicht.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2020 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 24. April 2020 für das Jahr 2019 zurückgewiesen, da die Veranlagung rechtmäßig erfolgt sei.

Am 26. Juni 2020 hat die Klägerin Klagen beim SG erhoben, welches die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 24. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2020 abgetrennt hat (Beschluss vom 16. Dezember 2020). Sie sei nicht der Tarifstelle 05, sondern der Tarifstelle 04 zuzuordnen. Schon tatbestandlich indiziere die aktuell unter der Tarifstelle 05 enthalte Beschreibung die Bearbeitung eines zweidimensionalen Bleches durch Walzen/Stanzen und Schneiden oder ähnliches. Tatsächlich erhalte sie von dritter Seite Fertigungsteile/Komponenten, die komplett gefertigt/gepresst seien, und füge diese zu komplexen dreidimensionalen Strukturkomponenten für Fahrzeuge (Struktur- und Sicherheitsbauteile) zusammen, die zum direkten Einbau durch die Autoindustrie bestimmt seien. Es würden daher vollständige technische Systeme im Sinne der Tarifstelle 04 gefertigt. Eine Vergleichbarkeit mit den Übrigen in der Tarifstelle genannten Unternehmen bestehe nicht. Die Unfallrisiken bei der Verarbeitung von leichten Blechen bis 5 mm Stärke beruhten auf dem automatisierten Einsatz von Stanz-, Kant-, Laser- oder Biegemaschinen, solche betrieblichen Verhältnisse bestünden bei ihr nicht. Vielmehr fertige sie an hochspezialisierten individuellen Fertigungsstrecken. Die Fertigungsprozesse seien daher mit denen von Automobilherstellern zu vergleichen. Maßgeblich zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte selbst seit 2009 eine Zuordnung zur Tarifstelle 04 bzw. der entsprechenden vorherigen Tarifstellen vorgenommen habe. Welche Gründe dazu geführt haben, dies zu ändern, sei nicht ansatzweise dargelegt und ohne Überprüfung oder Anhörung erfolgt. Selbst wenn eine Zuordnung zur Tarifstelle 04 nicht in Betracht komme, verbiete sich trotzdem eine Zuordnung zur Tarifstelle 05, da hierdurch das Äquivalenzprinzip verletzt werde. Vielmehr müsse eine eigene Gefahrtarifstelle für sie im Bereich der Automobilzulieferung geschaffen werden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Mitteilung der Klägerin nach § 192 SGB VII über die Abspaltung eines Betriebsteils sei berücksichtigt worden, weitere Änderungsmitteilungen, die eine erneute Prüfung erforderlich gemacht hätten, lägen nicht vor. Bei der Veranlagung für nachfolgende Gefahrtarifperioden bestehe gerade kein Vertrauensschutz und keine Verpflichtung zur Anhörung der Unternehmen. Korrekturen von fehlerhaften Veranlagungen seien ausschließlich nach § 160 SGB VII zu beurteilen. Danach könnten fehlerhafte Beurteilungen durch die Beklagte zu Ungunsten der Unternehmen in der laufenden Gefahrtarifperiode nur unter ganz bestimmten, engen Voraussetzungen aufgehoben werden. Regelmäßig verhinderten Fristen und Vertrauensschutzregelungen eine solche Änderung. Die Klägerin kenne diese Maßstäbe und habe durch die Fortführung der fehlerhaften Veranlagung bereits deutlich profitiert. Aus Treu und Glauben könne nichts Anderes folgen, da die Klägerin über die fehlerhafte Veranlagung mit Schreiben vom 25. November 2014 informiert worden sei und deshalb mehr als fünf Jahre Zeit gehabt habe, sich auf die Erhöhung der Gefahrklasse einzustellen und Vorkehrungen zu treffen. Wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt, finde bei der Klägerin nur das spezifische Wissen um die Eigenschaften des Werkstoffes Aluminium in der Verwendung als strukturfeste oder verstärkende Bauteile rund um die Fahrzeugkarosserie seine volle Anwendung, nicht dagegen als kompletter Systemlieferant. Bei der Klägerin würden Aluminiumstangenprofile durch zum Teil vollautomatische Maschinen zu unterschiedlichen Teilen gesägt, gekantet, gebogen und mechanisch bearbeitet. Diese würden anschließend durch Schweißen und Handmontage zu Modulen, sogenannten Crashmanagementsystemen, zusammenmontiert. Diese Module bestünden ausschließlich aus Aluminiumteilen. Im Jahr 2006 sei die Klägerin nach einem Gefahrtarif der B veranlagt gewesen, der insgesamt für geschätzte 68.000 Mitgliedsunternehmen Gültigkeit gehabt habe. Nach dem Fusionsbeschluss im Jahr 2011 zur B1 hätten die Gefahrtarife 2013 und 2019 bereits mehr als 200.000 Mitgliedsunternehmen erfasst. Dementsprechend seien die zusammengefassten Gefahrengemeinschaften, Veränderungen in den Gewerbezweigen und neue Unternehmensarten seither in die Überlegungen zur Aufstellung des Gefahrtarifs eingeflossen. Für das Umlagejahr 2019 habe die Klägerin für circa 1.500 Beschäftigten Bruttolohnsummen in Höhe von knapp 80 Millionen Euro gemeldet. Die Beitragsforderung der Beklagten von 1.306.952,42 € betrage in der Relation der Jahreslohnsumme nur etwa 1,6 %. Im Vergleich zu Mieten, Pachten, Abgaben oder Gebühren des Geschäftsbetriebs oder im Vergleich zum Umsatz von über 500 Millionen Euro komme dem Beitrag in der Höhe keine existenzbedrohende oder erdrosselnde Wirkung zu. Die Darlegungen zu den betrieblichen und wirtschaftlichen Verhältnissen könnten nicht die Unrichtigkeit der getroffenen Veranlagung belegen, sondern nur die wirtschaftlich schwierige Lage des Unternehmens durch die gestoppten Produktionen in der Automobilindustrie. Deshalb seien bereits Zahlungsvereinbarungen mit der Klägerin getroffen worden. Hinsichtlich 2020 hätten ihre Ermittlungen ergeben, dass mit einer Lohnsummenminderung von 25 %, entsprechend einer Bruttolohnsummenminderung von 20 Millionen Euro, zu rechnen sei. Für das Umlagejahr 2020 ergäbe sich prognostisch ein vermindertes Beitragsvolumen, sodass die Beitragsvorschüsse angepasst worden seien.

Ergänzend hat die Klägerin die Dokumentation „Charakteristik der Produktion bei der C GmbH“ des S, Fraunhofer IOSB, vom 4. Dezember 2020 (vgl. Blatt 132 ff. SG-Akte) vorgelegt. Dieser hat – nach Darstellung der Produktionsabläufe im Einzelnen – zusammenfassend dargelegt, dass bei der Klägerin die Bearbeitung von Blechen an keiner Stelle der Fertigung zu sehen sei. Mit der Charakteristik der gekapselten, komplett eingehausten automatisierten Transferlinien bzw. den automatisierten Schweißzellen ergebe sich ein geringeres Risiko der Gefährdung der Mitarbeiter im Vergleich zu blechverarbeitenden Betrieben. Neben diesen unmittelbar sichtbaren Merkmalen liege Automobilzulieferern eine nicht sichtbare Philosophie zugrunde, die ihren Ausdruck in der Logistik, Fertigungssteuerung und der Informationstechnik habe. Bestände, d. h. in angearbeitetem Material gebundenes Kapital, seien weitgehend zu vermeiden, die Logistik sei Teil eines kompletten Wertschöpfungsnetzwerkes, die Informationstechnik orientiere sich an den Vorgaben und Standards der Automobilindustrie. Dies alles erfülle die Klägerin im Gegensatz zu blechverarbeitenden Betrieben, die selten für die Automobilindustrie, sondern überwiegend in anderen Bereichen tätig seien und meist größere Freiheiten bei der Gestaltung ihrer Logistik, der Fertigungssteuerung und der Informationstechnik hätten. Aus technologischer Sicht lasse sich eindeutig und zweifelsfrei ableiten, dass die Klägerin einen Unternehmenszweig der Gefahrklasse 04 darstelle. Betriebe der Gefahrklasse 05, insbesondere solche zur Verarbeitung von leichten Blechen bis 5 mm Stärke, wiesen völlig andere Merkmale auf.

Die Beklagte hat an ihrer Veranlagung festgehalten. Grundlegend zu unterscheiden seien die Vorgaben für die Bildung von Gewerbezweigen und denjenigen für die Bildung von Gefahrtarifstellen. Anknüpfungspunkt für die Definition und den Zuschnitt von Gewebezweigen seien dabei in erster Linie Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen. Da ein gewerbezweigorientierter Gefahrtarif seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit von Unfallrisiken und Präventionserfordernissen bei technologisch verwandten Betrieben (nicht gleichen) beziehe, komme es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an, die ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt würden. Dabei dürfe sich die Betrachtung nicht auf einzelne für oder gegen die Vergleichbarkeit sprechende Gesichtspunkte beschränken, sondern müsse alle das Gefährdungsrisiko beeinflussende Faktoren einbeziehen. Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Gewerbezweigprinzip habe zwangsläufig zur Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen oder Unternehmensarten gebe. Häufig werde übersehen, dass die Gefahrenklassen eines Gewerbezweiges nicht anhand konkreter Einschätzungen der Gefährlichkeit der dort ausgeübten Tätigkeiten festgelegt würden, sondern immer das abstrakte Verhältnis von Entschädigungsleistungen und Entgeltsumme widerspiegele. Bei den in einer Gefahrtarifstelle gelisteten Gewerbezweigen handele es sich daher nicht um Orientierungs- oder Regelbeispiele, sondern eben um eigenständige Gewerbezweige, die in ihrer Belastungssituation derart beieinanderlägen, dass daraus die Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle erfolgen könne. Die Klägerin führe zunächst richtigerweise aus, dass es sich bei ihrem Unternehmen um einen klassischen Automobilzulieferer handele, nehme danach jedoch einer fehlerhaften Subsumtion vor. Sie stelle keines der in der Tarifstelle 04 genannten Produkte her, sondern stattdessen verschiedene Produkte für die Industriebereiche Automotive, Aerospace, Verpackung, Verteidigung und Transport. Den Ausführungen, dass eine Serienfertigung mit hoher Standardisierung und großer Stückzahl dem klassischen Bild der leichten Blechbearbeitung widerspreche, könne nicht gefolgt werden. Es gäbe im Zuständigkeitsbereich der Beklagten neben dem abgebildeten Durchschnittsfall zahlreiche weitere Stufen und Lebenssachverhalte, die ebenfalls noch diesem Gewerbezweig unterfielen. Wenn die Klägerin in der Zuordnung ihres Unternehmens eine Verletzung des Äquivalenzprinzips sehe, verkenne sie, dass das Ziel einer individuellen Beitragsgerechtigkeit durch Untergliederung der Gefahrklassen nur begrenzt erreichbar sei. Die Versicherungsträger seien nicht gehindert, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung durch Typisierungen Rechnung zu tragen. Ergänzend hat sie die Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand 2012 (vgl. Blatt 171 SG-Akte) und 2019 (vgl. Blatt 325 SG-Akte) sowie eine Übersicht über die Belastungsziffern der in der Tarifstelle 05 beobachteten Unternehmenszweige vorgelegt (vgl. Blatt 515 SG-Akte).

Das SG hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2020 zwei Produktionshallen der Klägerin besichtigt (vgl. Protokoll vom gleichen Tag). Danach habe sich ergeben, dass keine thermische Umformung erfolge und sämtliche Schweißvorgänge automatisiert seien. Zu sehen gewesen sei ein Schweißarbeitsplatz, an dem von einem Mitarbeiter die Teile eingelegt und nach dem Schweißvorgang wieder entnommen würden. Der automatisierte Schweißvorgang sei über einen Monitor von außen zu verfolgen gewesen. Neben den Fertigungsstraßen seien gelegentlich transportable Mulden zur Aufnahme von Metallspänen aufgestellt, die innerhalb der Fertigungsstraßen entstanden seien. In einer weiteren Halle hätten am Beginn einer Produktionsstrecke Stangenprofile von sechs Metern Länge eingesehen werden können. Eine Bearbeitung von Blechen sei nicht festzustellen gewesen, vielmehr seien überall Aluminiumprofile in verschiedenen Querschnitten und Ausformungen bearbeitet worden. Die Stärke der Profile sei wechselnd, teilweise auch innerhalb eines Profils. Stellenweise habe die Materialstärke leicht über 5 mm gelegen.

Mit Urteil vom 16. Dezember 2020 hat das SG den Bescheid vom 29. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2020 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin gemäß II Nr. 2 des Gefahrtarifs 2019 einzustufen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Einstufung in der Gefahrtarifstelle 05 sei unzutreffend, da die Klägerin nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, des Augenscheins und des Akteninhalts keine Bleche verarbeite. Vielmehr stelle sie in ihrem Presswerk in Singen unterschiedlich ausgeformte Aluminiumprofile her. Hierbei würden am Anfang des Produktionsprozesses zylinderförmige Aluminiumbarren eingesetzt. Die entstandenen Aluminiumprofile würden dann in den beiden Produktionsstandorten zu Karosserieteilen für die Automobilindustrie weiterverarbeitet. Bei diesem Produktionsprozess würden Bleche weder ursprünglich eingesetzt oder hergestellt, noch entstünden sie als Zwischenprodukte. Einzige Ausnahme seien Blechwannen, die aber eingekauft und nicht weiterbearbeitet würden. Bei einem Blech handele es sich nach Duden um ein flach ausgewalztes Metall. Diese Definition treffe auf ein Aluminiumprofil weder im Hinblick auf den Fertigungsprozess des Pressens noch auf das hierbei entstehende Produkt zu. Umgangssprachlich würden diese Profile eher als Stangen oder Stäbe bezeichnet werden. Hätte die Beklagte gewollt, dass auch Profile aus Metall unter diesen Unternehmenszweig zu subsumieren wären, habe sie dies bei Abfassung des Gefahrtarifs zum Ausdruck bringen können und müssen. Dass Bleche und Profile mit den üblichen Methoden der Bearbeitung von Metall bearbeitet werden könnten, reiche nicht für eine identische Bewertung im Sinne der Tarifstelle 05 aus. Die Stärke diene der Abgrenzung zu der Tarifstelle 06, wobei diese Grenzziehung auf Profile nicht anwendbar sei. Die Metallstärke der Profile sei teilweise innerhalb des Profils abweichend gewesen und bei einem Profil handele es sich um eine deutlich komplexere Struktur als bei einem Blech, wo die Anknüpfung allein an die Materialstärke ein durchaus nachvollziehbares und praktikables Kriterium darstelle. Bei Profilen mit ihren komplexen, sich gegenseitig in unterschiedlicher Art und Richtung versteifenden Strukturen, seien danach andere komplexere Kriterien zu bilden, die beispielsweise eher auf den Querschnitt und den Aufbau des Profils abstellten.

Eine Einstufung in der Tarifstelle 04 scheitere schon daran, dass die Klägerin keine Bauelemente aus unterschieden Bereichen zusammensetze. Die gefertigten Karosserieteile würden ausschließlich aus Aluminium hergestellt und keine Komponenten aus anderen Bereichen verarbeitet. Dies entspreche dem Vortrag der Klägerin und habe sich im Augenschein bestätigt. Damit fehle es an dieser Tatbestandsvoraussetzung der Beschreibung des Unternehmenszweiges. Die Argumentation, die Produktionsweise entspräche derjenigen der Automobilindustrie, könne insoweit bestätigt werden, als ein sehr hoher Automatisierungsgrad bestehe. Die Schlussfolgerung, dass darum auch die Klägerin, unabhängig von der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der Verwendung von Bauelementen aus unterschiedlichen Bereichen in der Tarifgruppe 04 einzustufen sei, überschreite jedoch den Wortlaut der Unternehmenszweigbeschreibung. An diese sehe sich das Gericht unter Beachtung der autonomen Festsetzungsbefugnis der Beklagten genauso gebunden, wie es sich bei der Prüfung der Tarifstelle 05 am dortigen Wortlaut orientiert habe. Es könne daher keine über den Wortlaut hinausgehende Interpretation der Festsetzungen des Gefahrtarifs vornehmen.

Ferner sei ein im Gefahrtarif 2010 enthaltener Unternehmenszweig „Herstellung und Zusammenbau von Karosserieteilen zu Modulen“ mit einer Gefahrklasse von 0,87 von der Beklagten schon im Gefahrtarif 2013 nicht mehr fortgeführt worden, wo eine dem heutigen Wortlaut des Gefahrtarifs 2019 im Wesentlichen wortgleiche Formulierung gegolten habe. Für das Gericht habe die Beklagte damit zum Ausdruck gebracht, dass sie diese frühere Einordnung ab dem Tarif 2013 nicht mehr habe fortführen wollen. Dieses Vorgehen zeige jedoch ebenfalls, dass eine über den Wortlaut der Unternehmenszweigbeschreibung des Gefahrtarifs hinausreichende Interpretation an diesem Punkt dem Willen der Beklagten widerspräche. Dies stehe bei Beachtung der autonomen Festsetzungsbefugnis der Beklagten einer solchen Interpretation entgegen. Eine Überprüfung, ob der so entstandene Gefahrtarif die sinnvollste und beste Lösung darstelle, erfolge nach der Rechtsprechung nicht. Eine Einordnung in der Tarifstellen 02 und 06 scheide ebenfalls aus, sodass keine weiteren Einordnungsmöglichkeiten bestünden. Damit greife die Auffangvorschrift in II Nr. 2 des Gefahrtarifs. Danach setze die Beklagte die Gefahrklasse für Unternehmen fest, die im Teil III nicht aufgeführt seien, weil zum Beispiel eine Unternehmensart oder ein Gewerbezweig neu entstanden sei. Das Entstehen neuer Unternehmensarten sei dort nur beispielhaft genannt und nicht abschließend. Bei dieser Regelung handele es sich um ein Einstufungsrecht, welches sich die Beklagte aus nachvollziehbaren Gründen vorbehalten habe und das von ihr auszuüben sei. Das Gericht könne damit keine eigene Einstufung vornehmen und rege an dieser Stelle lediglich an, bei dieser Einstufung den hohen Automatisierungsgrad bei der Klägerin mit seinen positiven Auswirkungen auf eine Minderung des Unfallgeschehens zu berücksichtigen.

Am 15. Januar 2021 hat die Beklagte Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die entscheidenden Kriterien für die Zuordnung eines Unternehmens zu einem Gewerbezweig könnten sich nicht immer direkt und vollständig aus dem Wortlaut des Gefahrtarifs ergeben, sondern müssten durch Anwendung der anderen Auslegungsmethoden ermittelt werden. Dass die Profile der Klägerin im Strangpressverfahren und nicht über die Umformung von Blechtafeln oder Metallbändern (Coils) erzeugt würden, stelle eine Besonderheit dar, die nach dem SG zur Rechtswidrigkeit der Veranlagung führen solle. Ein technischer Laie, dem einmal ein Profil aus umgeformten Blechen und einmal ein strangepresstes Profil der Klägerin präsentiert werde, könne diese Unterscheidung nicht wahrnehmen oder verorten. Die von der Klägerin erzeugten Produkte könnten unter Zugrundelegung einer weniger fachlich-technisch geprägten Wortlautauslegung unter die Begrifflichkeit des „Blechs“ bzw. „Blechprodukts“ subsumiert werden. Die Gewerbezweigbezeichnungen für die zahlreichen Unternehmensarten könnten nicht für jeden konkreten Einzelfall sprachlich hundertprozentig passend ausgestaltet sein, wenn ein Gefahrtarif in seiner „Länge“ und Struktur noch übersichtlich und nachvollziehbar bleiben solle. Letzteres sei im Rahmen der autonomen Rechtssetzung zu beachten. Aus diesem Grunde müssten angesichts der Branchen- und Gewerbezweigzugehörigkeit einzelner Unternehmen und der damit verbundenen Gefährdungspotentiale immer wieder sachgerechte Analogien gezogen werden. Die betrieblichen Verhältnisse der Klägerin lägen derart nah an denen von Betrieben der Blechverarbeitung, dass eine Anwendung der Tarifstelle 05 alternativlos erscheine. Der Unfallversicherungsträger sei nicht gehindert, durch Typisierungen den Bedürfnissen der Massenverwaltung Rechnung zu tragen. Dabei auftretende Härten im Einzelfall seien bei einer generalisierenden Regelung unvermeidlich und hinzunehmen. Insofern sei die Zuordnung eines Unternehmens jenseits der möglichen Wortlautgrenzen immer davon abhängig, welcher Risikosphäre dieses nach den o. g. Kriterien am nächsten stehe bzw. welcher Gefahrengemeinschaft es hiernach am ehesten zugerechnet werden könne. Die Klägerin stelle Module, Bauteile und Komponenten aus Aluminiumprofilen unter Anwendung aller in der Metall- und somit auch der modernen und konventionellen Blechverarbeitung üblichen Fertigungsverfahren her. Hierzu zählten unter anderem das Umformen, Trennen sowie das Fügen. Bezogen auf den großen Umfang an Automatisierung im Unternehmen der Klägerin verkenne das sozialgerichtliche Urteil, dass Blechbearbeitungsbetriebe zunehmend auf einen hohen Automatisierungsgrad mit geschlossenen Produktionsanlagen und Transferlinien setzten, um die eigene Produktivität zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. So erfolge das Teilehandling an einzelnen Bearbeitungsstationen dort schon teilweise robotergestützt. Darüber hinaus seien in diesen Unternehmen generell moderne Blechschneide-, Biege-, Stanz- und Kantmaschinen, CNC-Bearbeitungszentren sowie Linien für das Finish von Blechbauteilen im Einsatz, die die Bearbeitungsprozesse ebenfalls autonom durchführten. Soweit das SG ausführe, die Grenzziehung zwischen den Tarifstellen 05 und 06 über die Materialstärke könne bei Profilen nicht angewandt werden, unterliege es einem Missverständnis. Mit der „Stärke“ werde nicht das gesamte Profil als solches, sondern die Wand- bzw. Materialstärke gemeint. Diese Abgrenzung sei gezogen worden, da Bauteile mit einer dickeren Wandstärke in der Regel ein höheres Gewicht aufwiesen, was grundsätzlich mit einem größeren Gefährdungsrisiko verbunden sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob ein Aluminiumprofil in seiner Struktur komplexer aufgebaut sei als eine Blechtafel. Aus gefahrtariflicher Sicht liege das maßgebende Gepräge der Klägerin damit auf der Herstellung sowie insbesondere der Be- und Verarbeitung von Aluminiumprofilen nach industriellem Maßstab. Die Produktionsweise zeige keine starken Abweichungen oder wesentliche gefahrenbezogenen Divergenzen zum Gewerbezweig „Verarbeitung von leichten Blechen bis 5 mm Stärke“ mit der Gefahrklasse 3,07. Nach Sinn und Zweck des Gefahrtarifs sei die Klägerin, wie im Übrigen alle Profilverarbeitungsbetriebe, deshalb diesem Gewerbezweig zuzuordnen. Demgegenüber erfordere die Herstellung von vollständigen technischen Systemen im Sinne der Tarifstelle 04 ein völlig anderes technisches und fachliches Know-how. Bei der Herstellung von Lenksystemen, Bremsanlagen, Fahrwerkstechnik, Airbagvorrichtungen oder Klimaautomatiken lägen das Fachwissen und die Kompetenzen nicht nur auf der Be- und Verarbeitung eines einzigen Ausgangsmaterials, sondern auf dem Umgang, dem gezielten Einsatz und dem komplexen Zusammenspiel verschiedener Komponenten und Substanzen. Hieraus ergäben sich in der Folge unterschiedliche Produktionsverfahren mit anderen Risiken. Die Regelung des II Nr. 2 sei nicht einschlägig, da sie nur für Unternehmen gelte, deren Unternehmenszweig unter Würdigung der Gesamtumstände im Teil III nicht aufgeführt sei, was vorliegend nicht der Fall sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. Dezember 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der von der Beklagten als Ausführungsbescheid bezeichnete Bescheid vom 12. März 2021 stelle keinen Ausführungsbescheid, sondern einen selbstständigen Bescheid dar, der in das Verfahren einzubeziehen sei. Der Bescheid enthalte eine eigenständige Regelung, wobei für die Einstufung nach Teil II Nr. 2 die Vertreterversammlung zuständig sei, nachdem es sich um eine Angelegenheit der Selbstverwaltung der Beklagten handele. Widerspruch sei bereits eingelegt worden. Das SG sei zu Recht zu der Überzeugung gekommen, dass in ihrem Betrieb keine Bleche verarbeitet würden. Vielmehr erhalte sie aus dem Presswerk und von anderen Zulieferern unterschiedlich ausgeformte Aluminiumprofile, die zu Systemkomponenten für die Automobilindustrie weiterverarbeitet würden. Bei den angewandten Produktionsprozessen würden weder Bleche ursprünglich eingesetzt noch hergestellt und sie entstünden nicht als Zwischenprodukte. Die Grenzziehung von 5 mm sei auf Profile nicht anwendbar, vielmehr weiche nach den Feststellungen des SG die Materialstärke innerhalb des Profils voneinander ab. Bei einem Profil handele es sich nach den Feststellungen des SG um eine deutlich komplexere Struktur als bei einem Blech, wo die Anknüpfung an die Materialstärke ein nachvollziehbares Kriterium darstelle. Das Abstellen auf angeblich historische Zuordnungen des Unternehmens sei ebenfalls unergiebig. Ebenso unzulässig sei es, dass die Beklagte immer wieder auf die Unternehmensbeschreibung des Konzerns abstelle. Es stehe vorliegend ausschließlich die Zuordnung eines Betriebs der Klägerin und nicht die eines weltweit tätigen Gesamtkonzerns in Rede. Ergänzend hat sie eine Abschrift ihrer Widerspruchsbegründung betreffend den Ausführungsbescheid vorgelegt. Zuletzt hat sie geltend gemacht, dass für den Gefahrtarif 2013 die Zuordnung zur früheren Tarifstelle 05 bei der Berufsgenossenschaft Metall einfach gestrichen und keine 1:1 Überführung erfolgt sei. Es sei interessant, wo die Unternehmenszweige bei den Geschäftsfeldern lägen. Zwar sei anzunehmen, dass auch dort nicht die Geschäftsfelder des gestrichenen Unternehmenszweiges des ursprünglichen Gefahrtarifs zu finden seien, ggf. könne man aber erkennen, inwieweit unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips die Klägerin bezüglich der bisherigen Gruppe Automobil zur neuen Tarifstelle 05 Bleche gepasst habe.

Mit Bescheid vom 12. März 2021 hat die Beklagte unter Hinweis auf das anhängige Berufungsverfahren in Ausführung des Urteils vom 16. Dezember 2020 die Klägerin zur Tarifstelle 01 „Sonstige Betriebe“ zur Gefahrenklasse 3,07 veranlagt. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin nach Auffassung des SG Konstanz nach dem Wortlaut des Gefahrtarifs 2019 keinem Gewerbezweig eindeutig zugeordnet werden könne, sei eine Entscheidung im Rahmen eines Festsetzungsverfahrens immer davon abhängig, welcher Risikosphäre das betreffende Unternehmen nach den o. g. Kriterien am nächsten stehe bzw. welcher Gefahrengemeinschaft es hiernach am ehesten zugerechnet werden könne. In dem Unternehmen würden aus selbstgefertigten Aluminiumprofilen überwiegend Bauteile für die Automobilindustrie hergestellt. Hierzu würden drei Betriebsstätten betrieben, wobei im Presswerk in Singen Aluminiumprofile im Strangpressverfahren herstellt würden. Hierzu könne entweder ein auf Umformtemperatur aufgeheizter, fester Aluminiumbolzen in einen Rezipienten eingelegt und mit einem Pressstempel durch ein formgebundenes Stahlwerkzeug gedrückt oder der Pressstempel samt Matrize gegen den Bolzen in den Rezipienten gepresst werden. Das Know-how dieses Unternehmensteils liege dabei im Verständnis des Werkstoffs Aluminium als Halbzeug. In diesem Bereich würden rund 450 Personen beschäftigt, 41 % der Produktion würden an externe Kunden vertrieben, etwa 59 % gelangten in die eigene Weiterverarbeitung. Dort würden die Aluminiumprofile durch zum Teil vollautomatische Maschinen zu unterschiedlichen Teilen gesägt, gekantet, gebogen, mechanisch bearbeitet und durch Schweißen zu Modulen verbunden. Hierfür würden circa 800 Beschäftigte eingesetzt. Diese Module, Bauteile oder Komponenten aus Aluminiumprofilen würden unter Anwendung der in der Metall- und somit auch der modernen und konventionellen Blechverarbeitung üblichen Fertigungsverfahren hergestellt. Hierzu zählten auch das Umformen, das Trennen sowie das Fügen. Dies bestätige das Gutachten der Fraunhofer-Gesellschaft, wonach die Klägerin die in der DIN 8580 definierten Verfahren verwende. Bezogen auf den großen Umfang der Automatisierung verkenne die Klägerin, dass zur Steigerung der Produktivität und zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit Blechbearbeitungsbetriebe ebenso zunehmend auf einen hohen Automatisierungsgrad mit geschlossenen Produktionsanlagen und Transferlinien setzten. So erfolge das Teilehandling an einzelnen Bearbeitungsstationen z. B. dort schon teilweise robotergestützt. Darüber hinaus seien in diesen Unternehmen generell moderne Blechschneide-, Biege-, Stanz- und Kantmaschinen, CNC-Bearbeitungszentren sowie Linien für das Finish von Blechbauteilen im Einsatz, die die Bearbeitungsprozesse autonom durchführten. Aus gefahrtarifrechtlicher Sicht liege das maßgebende Gepräge des Unternehmens damit auf der Herstellung („Metallhalbzeugwerk“, Tarifstelle 05, Gefahrklasse 3,07) und der Be- und Verarbeitung von Aluminiumprofilen („leichte Blechverarbeitung“, Tarifstelle 05, Gefahrklasse 3,07). Die Produktionsweise zeige keine starken Abweichungen oder wesentlich gefahrbezogenen Divergenzen zu den genannten Gewerbezweigen. Nach Sinn und Zweck des Gefahrtarifs stehe das Unternehmen dem Gewerbezweig „Verarbeitung von leichten Blechen“ am nächsten. Hierbei sei berücksichtigt, dass es sich bei der „Herstellung von Aluminiumprofilen“ in Singen um ein Hilfsunternehmen handele, das veranlagungstechnisch der Blechbearbeitung zuzuordnen sei. In Anlehnung an die Höhe der Gefahrklasse für Betriebe, die dem Gewerbezweig der leichten Blechverarbeitung zugeordnet würden, werde die Gefahrklasse des Unternehmens weiterhin mit 3,07 festgesetzt, unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Urteils jedoch unter dem Gewerbezweig „sonstige Betriebe“.

Weiter hat die Beklagte ausgeführt, dass sich die entscheidenden Kriterien zur Zuordnung eines Unternehmens zu einem Gewerbezweig vor dem Hintergrund eines von Typisierungen getragenen Gefahrtarifs nicht lediglich aus dessen Wortlaut ergeben könne. Wäre dem so, müsste der Gefahrtarif bei etwa 231.500 Mitgliedsbetrieben unzählige Gewerbezweigbezeichnungen mehr aufweisen, damit sich jeder dieser Betriebe ausdrücklich darin wiederfände. Unabhängig davon, dass dies angesichts einer vielgestaltigen gewerblichen Wirtschaft kaum möglich erscheine, sei die Beklagte zur Errichtung eines derartigen „Gefahrtarifwerks“ angesichts ihres Gestaltungsspielraums gewiss berechtigt, definitiv aber nicht verpflichtet. Die Gestaltung eines überschaubaren Gefahrentarifs erfordere deshalb den Rückgriff auf sprachliche Vereinfachungen hinsichtlich der Bezeichnungen der Gewerbezweige und inhaltliche Typisierungen hinsichtlich der von ihnen erfassten Unternehmen. Deren Eigenheit bestehe dann aber eben genau darin, augenscheinlich nicht für jeden konkreten Einzelfall hundertprozentig passend ausgestaltet zu sein. In diesem Sinne stellten Typisierungen generell ein legitimes gesetz- bzw. satzungsgeberisches Mittel dar, das im Spannungsfeld zwischen Individualität und Gleichheit eindeutig letzterem zu dienen bestimmt sei und dabei helfen solle, eine unbestimmte Vielzahl von Veranlagungsfällen zu erfassen und zu regeln. Bei der Ordnung solcher Massenerscheinungen brauche der Satzungsgeber insofern nicht um die differenzierende Behandlung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er sei vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergebe. Auf dieser Grundlage dürfe er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Das SG habe berücksichtigen müssen, dass es sich dem Unternehmen der Klägerin insbesondere aus teleologischen Gründen um einen Betrieb handele, der seiner Art und seinem Gegenstand nach mit den übrigen in der Tarifstelle geführten Betrieben verwandt sei und das Wortlautargument nicht ausschlaggebend sei. Die hieraus gezogene Schlussfolgerung, mangels einer Einordnungsmöglichkeit müsse die Gefahrklasse der Klägerin nach Teil II Nr. 2 des Gefahrtarifs 2019 festgesetzt werden, sei falsch. Könne die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem der im Gefahrtarif erfassten Gewerbezweige nach dem Wortlaut nicht eindeutig bestimmt werden, sei dieses – in entsprechender Anwendung der zum Zuständigkeitsrecht der gewerblichen Berufsgenossenschaften entwickelnden Überlegungen – demjenigen Gewerbezweig zuzuordnen, dem es nach Art und Gegenstand am nächsten stehe. Hierdurch solle neben dem Gesichtspunkt der Beitragsgerechtigkeit insbesondere erreicht werden, dass das betreffende Unternehmen eine zielgerichtete, branchenspezifische und damit die zweckmäßigste Betreuung und Beratung zur Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren erhalte. Das maßgebende Gepräge des klägerischen Unternehmens liege auf der Herstellung sowie insbesondere der Be- und Verarbeitung von Aluminiumprofilen nach industriellem Maßstab. Letztlich unterliege die Klägerin einem Missverständnis, wenn sie wiederholt vortrage, dass unzulässiger Weise auf die Unternehmensbeschreibung des Konzerns im Internet abgestellt werde. Bei dem angegriffenen Gefahrtarif handele es sich um einen Gewerbezweigtarif, der den Blick in Veranlagungsfragen im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung auf den damit zusammenhängenden Marktauftritt des Unternehmens ausrichte und fokussiere. Es sei hier ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der werblichen Darstellung der Klägerin im Internet und den tatsächlichen Risiken und Präventionserfordernissen für die Beschäftigten vor Ort zu sehen. Da die Klägerin selbst keinen eigenen Internetauftritt besitze, habe die Beklagte für die Einstufung inhaltlich auch diejenigen Teile der Konzernseite berücksichtigt, die auf die Betriebsverhältnisse der Klägerin zuträfen. Im Ergebnis träfen die Ableitungen aus der Sparte Automotive genau den Vortrag der Klägerin hinsichtlich der Waren und Produkte. Die Betriebsweisen entsprächen den vor Ort angetroffenen Verhältnissen. Damit seien durch die Betrachtung der Internetseite keine wesentlichen anderen Tatsachen und Umstände ins Verfahren eingeführt worden, als die, die aus anderen Quellen bereits bekannt gewesen seien. Im Ergebnis seien die hieraus zu ziehenden Rechtsfolgen streitig, nicht der Tatbestand.

Der Senat hat die Beschlussvorlagen der Beklagten für die Gefahrtarife 2013 und 2019 beigezogen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 SGG), auch im Übrigen zulässig und begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG, mit dem auf die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) der Bescheid vom 29. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 27. Mai 2020 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet worden ist, die Klägerin nach II Nr. 2 des Gefahrtarifs 2019 zu veranlagen. Soweit das SG die Klage hinsichtlich einer Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 04 abgewiesen hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden, nachdem die Klägerin weder Berufung noch Anschlussberufung eingelegt hat. Die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 24. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2020 ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, nachdem das SG diese in der mündlichen Verhandlung abgetrennt und über die Bescheide folgerichtig nicht entschieden hat. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34).

Nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2021, nachdem die Beklagte diesen ausdrücklich als Ausführungsbescheid gekennzeichnet hat. Derartige Ausführungsbescheide ergehen lediglich vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens durch eine rechtskräftige Entscheidung und werden weder nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens, noch erledigen sie den ursprünglichen Bescheid (teilweise) gemäß § 39 Abs. 2 SGB X. Durch einen vorläufig erlassenen Ausführungsbescheid will die Behörde in der Regel der ihr im Urteil auferlegten Verpflichtung ungeachtet der noch nicht eingetretenen Rechtskraft entsprechen. Sie trifft damit keine verbindliche Regelung und der Bescheid steht deshalb unter dem Vorbehalt, dass er nur gelten soll, wenn die der Behörde auferlegte Verpflichtung zur Neubescheidung in Rechtskraft erwächst (BSG, Urteile vom 20. Oktober 2005 – B 7a/7 AL 76/04 R –, juris, Rz. 12 und vom 21. Oktober 1998 – B 6 KA 65/97 R –, juris, Rz. 15). Dass die Beklagte in Ausführung des Urteils die Zuordnung zu einer Gefahrtarifstelle und einer Gefahrklasse vornehmen musste, war wesentlicher Inhalt des Verpflichtungsurteils. Dies vermag nichts daran zu ändern, dass der Bescheid nur dann Gültigkeit erlangen soll, wenn der ursprüngliche Bescheid, entsprechend dem Urteil des SG, keinen Bestand hat. Dies schon deshalb, damit nicht zwei unterschiedliche Veranlagungen in Bestandskraft erwachsen.

Die Begründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Veranlagung zu dem ab 1. Januar 2019 geltenden Gefahrtarif ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage des Veranlagungsbescheides ist § 159 Abs. 1 SGB VII. Danach veranlagt der Unfallversicherungsträger die Unternehmer für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen, wobei die Beklagte der für die Klägerin zuständige Unfallversicherungsträger ist.

Den Gefahrtarif setzt der Unfallversicherungsträger als autonomes Recht fest, § 157 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen zu bilden, § 157 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, wobei der Gefahrtarif nach Tarifstellen gegliedert wird, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs gebildet werden, § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Die Berechnung der Gefahrklasse erfolgt aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten, § 157 Abs. 3 SGB VII.

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen. Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid geprüft werden (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2013 – B 2 U 4/12 R – juris, Rz. 16 f.).

Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der streitigen Gefahrtarifstelle ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist. Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu. Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder die andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtssetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers. Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif erhalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2013 – B 2 U 4/12 R –, juris, Rz. 18).

Der Gefahrtarif ist wie jede andere Rechtsnorm nach den Grundsätzen der klassischen juristischen Methodenlehre auszulegen und anzuwenden. Die Bedeutung der jeweiligen Tarifstellen ist daher ausgehend vom Wortlaut und systematischen Zusammenhang unter Berücksichtigung des Willens des Satzungsgebers sowie des (objektiven) Zwecks der Regelung zu ermitteln (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 28. Januar 2014 – L 3 U 180/10 –, juris, Rz. 47). Ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum kommt der Beklagten bei der Auslegung des Gefahrtarifs nicht zu (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 1981 – 2 RU 101/79 –, juris, Rz. 24).

Mit der Aufstellung des Gefahrtarifs 2013 hat die Beklagte auf die Fusion zwischen insgesamt vier Berufsgenossenschaft zur B1 reagiert und erstmals einen gemeinsamen Gefahrtarif aufgestellt. Dabei hat sie, wie der Senat den Vorbemerkungen zur Sitzung der Vertreterversammlung entnimmt, die Unternehmen der ehemaligen Metall-Berufsgenossenschaften nach dem seit Jahrzehnten bestehenden gleichen Muster, das Grundlage der jeweiligen Gefahrentarife war, zusammengefasst. Dadurch entstanden durch gleiche Branchen und technologisch gleichartige Unternehmen große Tarifstellen, sodass insbesondere die unterschiedliche Beitragsbelastung nur aufgrund regionaler Zuständigkeiten entfallen ist. Damit hat sie sich an dem gesetzgeberischen Ziel orientiert, die Vielzahl der früheren Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es zunächst sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2013 – B 2 U 4/12 R –, juris, Rz. 55 unter Verweis auf BT-Drucks. 16/9154 S. 1).

Eine solche Reduzierung von Tarifstellen ist bereits mit der Aufstellung des Gefahrtarifs 2010 durch die Fusion der B und der N erfolgt, wie aus dem Hinweisschreiben der Beklagten zum Veranlagungsbescheid vom 21. Dezember 2009 folgt. Mit diesem Bescheid ist die Klägerin zu den Tarifstellen 01 (Halbzeuge, Walzwerke, Drahtzieherei [Gefahrklasse 3,68]) und 05 (Herstellung und Zusammenbau von Kfz-Komponenten aus Blech [Gefahrklasse 0,87]) veranlagt worden, wobei die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen haben dürfte, dass die Formulierung im Gefahrtarif selbst nicht „aus Blech“, sondern „zu Modulen“ lautete. Hinsichtlich des unter der Tarifstelle 01 berücksichtigten Walzwerkes entnimmt der Senat den Betriebsakten, dass dieses 2016 ausgegliedert und unter einer eigenen Betriebsnummer fortgeführt worden ist, sodass es bei der hier streitigen Veranlagung ab 2019 keine Berücksichtigung mehr zu finden hat und nur noch die Bereiche „Automotive“ und „Presswerk“ zu veranlagen sind. Diese Änderung ist von der Beklagten somit berücksichtigt worden. Weitere Änderungen sind von der Klägerin weder mitgeteilt (vgl. § 192 SGB VII) noch behauptet worden und auch sonst nicht ersichtlich.

Die Untergliederung „Herstellung und Zusammenbau von Kfz-Komponenten zu Modulen“ in der ehemaligen Gefahrtarifstelle 05 ist im Gefahrtarif 2013 nicht weitergeführt worden, sodass eine Veranlagung der Klägerin hierzu nicht mehr möglich gewesen ist. Hintergrund war, dass die Beklagte erkannt hat, dass die Waren und Produkte der Kfz-Zulieferindustrie zu vielfältig sind und deshalb die betrieblichen Ausstattungen oder die Art und Weise der Betriebsführung in einer Vielzahl von Zuliefererbetrieben keine technologisch gemeinsame oder zumindest vergleichbare Ausrichtung aufgewiesen haben. Die Beklagte hat somit tragende Sachgründe für die Streichung der Untergliederung in der Tarifstelle aufgezeigt, abgesehen davon, dass sie für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmen gegenüber nicht darlegungs- und nachweispflichtig ist. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist. Insofern besteht keine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung. Die Rechtsprechung überprüft folglich nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Lösung getroffen hat (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2013 – B 2 U 4/12 R –, juris, Rz. 39). Die Klägerin kann daher, entgegen ihrer Auffassung, nicht beanspruchen, dass die Beklagte ihr gegenüber darlegt, weshalb die Einstufungen seit 2009 nicht beibehalten wurden. Dennoch hat die Beklagte dies im Laufe des Verfahrens getan. Dies nimmt die Klägerin nicht zur Kenntnis, wie zuletzt daran deutlich wird, dass sie meint, dass die Beklagte die Berechnungen zu den einzelnen Unterbeobachtungen in der neuen Gefahrtarifstelle 04 offenlegen müsse. Auf diese Daten kommt es indessen nicht an. Der Senat hat zum einen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Darlegungen der Beklagten unzutreffend sind, dass die Unterbeobachtung „Herstellung und Zusammenbau von Kfz-Komponenten zu Modulen“ nicht fortgeführt worden ist und zum anderen keine Anhaltspunkte dafür, dass nicht sämtliche erhobenen Unterbeobachtungen in den Wortlaut des Gefahrtarifs übernommen worden sind, wie dies in der Gefahrtarifstelle 05 ebenfalls geschehen ist. Derartiges ist von der Klägerin in keiner Weise substantiiert dargelegt worden, sodass weitere Erhebungen schon deshalb nicht veranlasst gewesen sind. Soweit die Klägerin offenkundig ein Interesse an den für die einzelnen Unterbeobachtungen errechneten Gefahrklassen hat, kommt es hierauf deshalb nicht an, da eine Zuordnung über die Gefahrklasse einer Unterbeobachtung zu einer Gefahrtarifstelle ausscheidet. Vorstehendes kann aber deshalb dahinstehen, da rechtskräftig feststeht, dass die Klägerin der Gefahrtarifstelle 04 nicht zuzuordnen ist, da das SG die hierauf gerichtete Klage abgewiesen und die Klägerin keine Berufungs- oder Anschlussberufung erhoben hat (vgl. oben).

Die von der Beklagten zur Tarifstelle 05 vorgelegten Grundlagen des Gefahrtarifs durfte der Senat uneingeschränkt verwerten und seiner Entscheidung zu Grunde legen. Um im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid prüfen zu können, ob das autonom gesetzte Recht mit der Ermächtigungsgrundlage, mit den tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist (vgl. die oben zitierte Rechtsprechung), müssen, ebenso wie zur Prüfung des systematischen Zusammenhangs unter Berücksichtigung des Willens des Satzungsgebers und zur Ermittlung des objektiven Zwecks der Regelung, die wesentlichen Grundlagen des Gefahrtarifs dem Senat offengelegt werden.

Gründe des Datenschutzes stehen dem nach Überzeugung des Senats nicht entgegen und begründen insbesondere kein Beweisverwertungsverbot. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten personenbezogene Daten, die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne. Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03 –, juris, Rz. 87).

Unzweifelhaft unterfallen den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen damit alle Erkenntnisse zu den Fertigungsprozessen bei der Klägerin wie auch ihre buchhalterischen Aufstellungen insbesondere zu den gezahlten Entgelten. Die Zulässigkeit der Erhebung und Speicherung der Daten durch die Beklagte folgt aus § 199 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die Unfallversicherungsträger Sozialdaten nur erheben und speichern dürfen, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschrieben oder zugelassenen Aufgaben erforderlich ist. Ihre Aufgaben sind u. a. die Berechnung, Festsetzung und Erhebung von Beitragsberechnungsgrundlagen und Beiträgen nach dem Sechsten Kapitel (§ 199 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VII). Nach § 69 Abs. 1 SGB X ist die Übermittlung von Sozialdaten nur zulässig, soweit sie erforderlich ist, für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind, oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach diesem Gesetzbuch oder einer solchen Aufgabe des Dritten, an den die Daten übermittelt werden, wenn er eine in § 35 des Ersten Buches genannte Stelle ist (Nr. 1). Eine Übermittlung ist weiter zulässig für die Durchführung eines mit einer Erfüllung einer Aufgabe nach Nr. 1 zusammenhängenden gerichtlichen Verfahrens einschließlich eines Strafverfahrens (Nr. 2). Um die Veranlagung vornehmen zu können, durfte die Beklagte daher die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beklagten erheben und war ebenso befugt, sie im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens um die Rechtmäßigkeit der Veranlagung zunächst dem SG und dann dem Senat zu übermitteln.

Die in den Materialien zum Gefahrtarif enthaltenen Angaben zu den in den jeweiligen Unterbeobachtungen gezahlten Entgelten sowie den jeweiligen Unfallbelastungen enthalten solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gerade nicht. Diese Aufstellungen ordnen den jeweiligen Unterbeobachtungen weder konkrete Betriebe zu, noch lassen sich aus den in den Unterbeobachtungen gezahlten Lohnsummen oder der Unfallbelastung Rückschlüsse auf konkrete Betriebe ziehen. Vielmehr handelt es sich insoweit um anonyme Daten. Für den Sozialdatenschutz gelten die grundlegenden Bestimmungen nach Art. 4 Nr. 1 bis 26 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese Grundsätze gelten jedoch nicht für anonyme Daten, sodass die DSGVO nicht die Verarbeitung anonymer Daten, auch für statistische oder Forschungszwecke, betrifft. Der Begriff der Anonymisierung wird nicht direkt in der DSGVO definiert. Jedoch wird im Erwägungsgrund 26 darauf Bezug genommen. Danach sollen anonyme Informationen Informationen sein, die sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen oder Daten, die in einer Weise anonymisiert worden sind, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann (vgl. Fromm in: jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 67 Rz. 103). So liegt es hier, da die errechneten Gesamtsummen gerade keine Rückschlüsse auf konkrete Betriebe sowie deren Lohnsummen und Unfallbelastungen zulassen. Ob für Unfallverzeichnisse, in denen konkrete Versicherungsfälle mit Namen der Geschädigten und der jeweiligen Betriebe etwas anderes gelten mag, kann dahinstehen. Derartige Daten sind vorliegend weder entscheidungserheblich, noch von der Beklagten offengelegt worden.

Darauf, dass die Beklagte die Klägerin mit dem Veranlagungsbescheid vom 21. Dezember 2012 ab dem 1. Januar 2013 zum Gefahrtarif 2013 zu den Gefahrtarifstellen 010000 und 040000 mit den Gefahrklassen 3,54 bzw. 0,89 veranlagt hat, kommt es nicht an. Nach § 157 Abs. 5 SGB VII gilt der Gefahrtarif jeweils nur für die Dauer von höchstens sechs Jahren, sodass sich der Veranlagungsbescheid vom 21. Dezember 2012 mit Ablauf des Jahres 2018 durch Zeitablauf erledigt hat (§ 39 Abs. 2 Alt. 4 SGB X).

Schon wegen der gesetzlich beschränkten Geltungsdauer eines Gefahrtarifs vermag dieser keinen Vertrauensschutz für künftige Regelungen zu bilden. Daneben ist die Beklagte nicht gehindert, Veränderungen in den Gefahrtarifstellen vorzunehmen. Ein Vertrauen in die Fortschreibung von Tarifstellen kommt nicht in Betracht.

Soweit die Klägerin einen Vertrauensschutz aus dem Bescheid vom 21. Dezember 2012 für sich reklamiert, sind ihre Ausführungen in keiner Weise nachvollziehbar. Tatsache ist, dass die Beklagte während der Laufzeit des Gefahrtarifs 2013 mit Schreiben vom 13. Juni 2014 eine Überprüfung der Veranlagung zum Gefahrtarif eingeleitet und durch den Außendienstmitarbeiter H eine Betriebsbegehung hat durchführen lassen. Dessen Bericht entnimmt der Senat, dass die Klägerin über die folgenden drei Werksbereiche verfügte:

  1. Walzwerk (produziert Aluminium-Coils und Bleche, z. B. Alu-Bänder und Schraubverschlüsse)
  2. Presswerk (produziert auf Kundenwünsche Profile für Automobilbau, Maschinenbau und Eisenbahnen). Es wird hauptsächlich Stangenware hergestellt, teilweise gesägt auf Endlänge und in Einzelfällen mechanisch nachbearbeitet. Der nicht überwiegende Teil der Fertigung findet in der eigenen Automotive-Herstellung Anwendung.
  3. Automotive. Es werden Kfz-Komponenten aus Alu-Profilen hergestellt. Dabei handelt es sich vorwiegend um Strukturkomponenten der Rahmenteile für PKW (A-Säule, B-Säule, Bodengruppen, Instrumententräger, Sicherheitssysteme, Seitenaufprallschutz, Fußgängerschutz, Anfahrschutz, Stoßfänger und Crash-Box). Herstellung über automatische Fertigungsstraßen. Dabei wird gestanzt, gebohrt, gefräst und montiert.

Im Nachgang zu der Besichtigung ist die Klägerin mit Schreiben vom 25. November 2014, welches die Klägerin selbst mehrfach in Bezug nimmt, darauf hingewiesen worden, dass sich die Einordnung in die Gefahrtarifstelle 04 als unzutreffend erweist, da die hergestellten Blechkomponenten keine vollständigen technischen Systeme aus mehreren Bauteilen unterschiedlicher Bereiche wie Mechanik, Elektrik, Elektronik und Fluidtechnik für die Produkte der Tarifstelle 040000 in Serie sind, sondern zutreffend eine Veranlagung zur Tarifstelle 050000 hätte erfolgen müssen. Von einer rückwirkenden Aufhebung des Bescheides ist aus Vertrauensschutzgesichtspunkten (§ 160 Abs. 3 SGB VII i. V. m. § 45 SGB X) abgesehen worden. Die Klägerin ist von der Beklagten somit positiv darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die vor Ort im Betrieb durchgeführten Ermittlungen eine falsche Veranlagung des Werkbereichs „Automotive“ ergeben haben und der Bescheid damit hinsichtlich der Veranlagung zur Tarifstelle 04 – begünstigend – rechtswidrig ist. Ein schutzwürdiges Vertrauen dahin, dass die Beklagte zukünftig eine rechtswidrige Zuordnung vornehmen werde, besteht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt und folgt insbesondere nicht daraus, dass die Klägerin die Rechtsauffassung der Beklagten nicht geteilt hat.

Dem Schreiben vom 25. November 2014 ist klar und deutlich zu entnehmen, dass die Beklagte eine falsche Veranlagung festgestellt und keineswegs eine unklare Sachlage angenommen hat. Soweit sie in dem Schreiben weitere Ermittlungen in den Raum gestellt hat, erfolgte dies im Zusammenhang mit dem Hinweis, dass über die Gliederung des künftigen Gefahrtarifs noch keine Auskunft gegeben werden könne. Es versteht sich von selbst, dass bei Änderung oder Neufassung von Gefahrtarifstellen eine Überprüfung der betrieblichen Verhältnisse erforderlich werden kann. Tatsächlich verhielt es sich indessen so, dass, wie aus dem Aktenvermerk der Beklagten vom 15. August 2018 folgt, die Gefahrtarifstelle 05 mit dem Gefahrtarif 2019 unverändert fortgeführt worden ist. Den Vorbemerkungen zur Sitzung der Vertreterversammlung zum Gefahrtarif 2019 entnimmt der Senat, dass die durchgeführten Berechnungen ergeben haben, dass bis auf wenige Ausnahmen, die die Tarifstelle 05 nicht betrafen, die Tarifstellen unverändert bleiben konnten. Unternehmen, die gleiche Produkte herstellten oder gleiches Material verarbeiteten, haben danach durch typische Veränderungen in den Entgelten und Leistungen nahezu gleiche oder geringfügig veränderte Belastungen. Aus den vorgelegten Berechnungsgrundlagen ergibt sich, dass für die Unterbeobachtung der „Verarbeitung leichter Bleche bis 5 mm Stärke (stanzen, schneiden, umformen)“ eine Belastungsziffer von 2,9310 berechnet worden ist, die somit nicht signifikant von der Durchschnittsziffer der Tarifstelle 05 von 3,07 abweicht und damit keinen Anspruch auf eine Verselbstständigung begründen kann. Dass das schon beim SG vorgelegte Zahlenmaterial unzureichend oder unvollständig wäre und daher die Berechnungen auf einer nicht tragfähigen Grundlage beruhten, ist von der Klägerin weder behauptet worden noch bestehen Anhaltspunkte hierfür.

Schlüssig hat die Beklagte bei der Veranlagung zum Gefahrtarif 2019 keinen weiteren Ermittlungsbedarf gesehen, sondern nur die Verselbstständigung des Walzwerkes berücksichtigt und den Bereich „Automotive“ anhand der Feststellungen aus der Betriebsbegehung als Hauptunternehmen veranlagt. Die Behauptungen der Klägerin, dass unvorhersehbar eine Änderung der Veranlagung durchgeführt worden sei, treffen daher nicht zu. Vor dem Erlass des neuen Veranlagungsbescheides war keine Anhörung (§ 24 SGB X) notwendig, weil durch den neuen Gefahrtarif und die aufgrund derselben eingeräumten Rechte oder Rechtspositionen ähnlich wie bei einer Gesetzesänderung endeten (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2003 – B 2 U 7/02 R –, juris, Rz. 22).

Auf den Umstand, dass die Klägerin der Rechtsauffassung ist, die Unterkategorie der Kfz-Zulieferer habe beibehalten werden müssen, kommt es schon deshalb nicht an, da die Beklagte im Rahmen ihres Ausgestaltungsspielraums auf eine Fortführung verzichtet hat. Darüber hinaus spricht einiges dafür, dass anhand der von der Beklagten aufgezeigten Gründe (vgl. oben), warum die Unterkategorie nicht fortgeführt worden ist, eine derartige Zusammenfassung zu einer Rechtswidrigkeit der Gefahrtarifstelle führen würde.

Die im Widerspruchsverfahren dennoch durchgeführte – weitere – Betriebsbegehung durch den Außendienstmitarbeiter H hat außer dem bereits bekannten Umstand, dass das Walzwerk ausgegliedert worden ist, keine neuen Erkenntnisse ergeben, die eine andere Beurteilung gerechtfertigt hätten. Es hat sich bestätigt, dass die Beklagte zu Recht keinen weiteren Ermittlungsbedarf vor Erlass des Veranlagungsbescheides gesehen hat.

Die Veranlagung zur Tarifstelle 05 nach dem Gefahrtarif 2019 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat das Presswerk zutreffend als Hilfsunternehmen im Sinne des Teil II Nr. 4 des Gefahrtarifs 2019 bewertet. Danach werden Unternehmensteile, die einem oder mehreren Teilen eines Unternehmens dienen und nicht überwiegend eigene wirtschaftliche Zwecke verfolgen, als Hilfsunternehmen dem Unternehmensteil zugeordnet, dem sie hauptsächlich dienen. Vorbereitungs-, Fertigstellungs- und Abwicklungsarbeiten gehören hierzu. Aus den Erhebungen der Beklagten folgt, dass das Presswerk die hergestellte Stangenware zu 59 % an die dem Bereich „Automotive“ zuzurechnenden Werke in G und D liefert und lediglich 41 % an externe Kunden. Eigene wirtschaftliche Zwecke werden vor diesem Hintergrund nicht überwiegend verfolgt, sondern das Presswerk dient dem Bereich „Automotive“. Eine eigenständige Veranlagung dieses Unternehmensteils hat nicht zu erfolgen, sodass es nicht entscheidend darauf ankommt, dass dort die Aluminiumprofile im Strangpressverfahren und nicht durch Umformung von Blechen gefertigt werden.

Die Ausführungen der Klägerin hinsichtlich des Presswerks, dass sich in der alphabetischen Aufzählung der Gewerbezweige für den Gefahrtarif 2019 keine Nennung dieser Unternehmensart finde, sind daher nicht relevant. Indessen ist die besagte Aufstellung zur Auslegung des Gefahrtarifs heranzuziehen, da sich hieraus Hinweise darauf entnehmen lassen, welche konkreten Unternehmensgegenstände nach dem Willen des Normgebers welcher Gefahrtarifstellen unterfallen sollen. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, da sich das Gericht einem vom Gesetz-/Satzungsgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes/einer Satzung nicht entziehen darf, sondern die Grundentscheidung des Normgebers respektieren und dessen Willen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen muss (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 17. September 2013 – 1 BvR 1928/12 –, juris, Rz. 33). Die Gewerbezweige „Karosseriemodule, Herstellung aus Blech bis 5 mm“ und „Karosserieteile, Herstellung aus Blech bis 5 mm“ werden dort jeweils der Gefahrtarifstelle 05 zugeordnet, die die Unterbeobachtung „Verarbeitung von leichten Blechen bis 5 mm Stärke (stanzen, schneiden, umformen)“ enthält. Insoweit hat die Beklagte, anhand der Historie der Gefahrtarife nachvollziehbar, dargelegt, dass die Gewerbezweige der ehemaligen Unterbeobachtung „Herstellung von Kfz-Komponenten aus Blech“ (vgl. Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2008, Gefahrtarifstelle 2301-05) von anderen Tarifstellen abgebildet werden. Im Übrigen hat die Klägerin die damalige Veranlagung akzeptiert und sich selbst gegen die wohl nicht dem Wortlaut des Gefahrtarifs 2010 entsprechende Veranlagung im Veranlagungsbescheid vom 21. Dezember 2009 (vgl. oben) nicht gewandt. Sie ist also selbst davon ausgegangen, Kfz-Komponenten aus Blech herzustellen und hat die Tarifstelle daher ebenso verstanden, wie die Beklagte.

Der Wortlaut der Unterbeobachtung „Verarbeitung von leichten Blechen bis 5 mm Stärke (stanzen, schneiden, umformen)“ lässt erkennen, dass für die Zuordnung zu der Gefahrtarifstelle an den Werkstoff Blech, ohne diesen hinsichtlich des Materials zu konkretisieren, und die Materialstärke anknüpft wird. Es fällt in den Gestaltungsspielraum der Beklagten, dass sie weder die Größe noch die Form des Werkstoffs als Anknüpfungspunkt gewählt hat und weiter keine Differenzierung nach dem Automatisierungsgrad bei der Verarbeitung vorgenommen hat. Letzteres wird von der Auswertung des Fraunhofer Instituts nicht beachtet, worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat. Dass die Gefahrtarifstelle nur die Bearbeitung „zweidimensionaler Bleche“ abbilden soll, wie die Klägerin wiederholt meint, geht schon deshalb fehl, da Bleche keine Fläche, sondern räumliche Strukturen sind. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass einerseits die Wandstärke bei Profilen ebenso zu bestimmen ist und andererseits die Abgrenzung zwischen Stärken von 5 und 6 mm daran anknüpft, dass mit der Materialstärke das Gewicht zunimmt und damit die Unfallrisiken. Die von der Beklagten vorgenommene Abgrenzung ist mithin unabhängig von der Form des Werkstoffs, da auch bei einem Profil mit Zunahme der Wandstärke das Gewicht zunimmt. Es mag zwar zutreffen, dass ein Profil eine komplexere Struktur als ein Blech darstellt, wie vom SG dargelegt. Dies ändert aber nichts daran, dass der Gefahrtarif nicht auf Größe und Form des Werkstoffs abstellt. Tragende Gründe, weshalb die Materialstärke bei einem Profil kein tauglicher Anknüpfungspunkt sein sollte, wie das SG meint, sind von diesem nicht aufgezeigt worden. Welchen Vorteil das Bestimmen und Abstellen auf einen „Querschnitt“ des Profils, wie das SG weiter ausführt, zur Abgrenzung nach dem Gewicht des Werkstoffs bieten soll, erschließt sich im Übrigen nicht. Letztlich können diese Erwägungen dahinstehen, da diese Anknüpfungen vom Gestaltungsspielraum der Beklagten umfasst und der gerichtlichen Kontrolle damit entzogen sind.

Die von der Beklagten getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu der Produktion der Klägerin werden durch die vorgelegte Auswertung „Charakteristik der Produktion bei der C GmbH“, die der Senat als Beteiligtenvorbringen verwertet, bestätigt und zusätzlich quantifiziert. Danach werden zu rund 80 % Crashmanagemnet-Systeme, also Komponenten oder Module, die in das System Stoßfänger integriert werden, zu 5 % Seitenaufprallschutz, also Komponenten, die in Fahrzeugtüren integriert werden, zu 1 % Instrumententräger, also komplexe Baugruppen, die die tragende Struktur für das Cockpit des Fahrzeuges bilden, zu 11 % diverse Strukturkomponenten für den Fahrzeugrohbau wie Schweller und Crashboxen sowie zu rund 3% Batteriekästen für Elektrofahrzeuge, die als tragende Strukturelemente die Batteriezellen und -module aufnehmen und gleichzeitig einen Teil der Fahrzeugkarosse bilden, gefertigt. Weiter wird ausgeführt, dass verarbeitete Werkstoffe hochfeste Aluminium-Legierungen sind, sodass die Ausführungen der Beklagten, dass vorwiegend ein Werkstoff verarbeitet wird, bestätigt und die Behauptung der Klägerin, dass sie mit verschiedenen Materialen arbeite, widerlegt wird.

Zu den Fertigungsverfahren wird dargelegt, dass die verfügbaren Fertigungsverfahren in der DIN 8580 in folgende Hauptgruppen eingeteilt sind: Urformen (z. B. Gießen), Umformen (Walzen, Schmieden, Tiefziehen, Biegen), Trennen (spanende Verfahren wie Drehen, Bohren, Fräsen, Schleifen, Sägen, Laser-, Brenn-, Plasma- oder Wasserstrahlschneiden), Fügen (Schweißen, Löten, Kleben, Schrauben), Beschichten (Lackieren, Galvanisieren, Auftragsschweißen) und Stoffeigenschaften ändern (Härten, Glühen). Sodann wird, wiederum entsprechend der Feststellungen der Beklagten, bestätigt, dass entsprechend DIN 8580 die Verfahren Umformen, Trennen, Fügen, Stoffeigenschaften ändern in allen Fertigungslinien zu sehen sind.

Die Darlegungen bestätigen somit, dass die typischen Verfahren zur Blechbearbeitung bei der Klägerin zur Anwendung kommen und widerlegen ihren gegenteiligen Vortrag. Dass die Verfahren innerhalb von Fertigungslinien zur Anwendung gelangen, ändert nichts daran, dass die Profile durch Umformen, Trennen, Fügen und Stoffeigenschaften ändern bearbeitet werden und damit die Verfahren zur Blechbearbeitung Anwendung finden. Die Klägerin verkennt, dass sie die Profile mit den üblichen Verfahren der Blechbearbeitung bearbeiten muss, um die Einzelteile zu komplexen Strukturkomponenten zusammenfügen zu können, wie sie immer wieder betont.

In diesem Zusammenhang hat die Beklagte überzeugend aufgezeigt und dies in der mündlichen Verhandlung nochmals betont, dass der Automatisierungsgrad in der Blechverarbeitung insgesamt zunimmt und Robotersteuerung zur Steigerung der Effizienz zum Einsatz gelangt, was sich anhand der in der alphabetischen Aufzählung der Gewerbezweige genannten Gewerbezweige wie „Gitterost, Herstellung aus Blech bis 5 mm“, „Heizkörper, Herstellung aus Blech bis 5 mm“, „Katalysator, Herstellung aus Blech bis 5 mm“, „Kotflügel, Herstellung aus Blech bis 5 mm“, „Kraftstofftank, Herstellung aus Blech bis 5 mm“, die ebenfalls der Gefahrtarifstelle 05 zugeordnet werden, zwanglos nachvollziehen lässt. Weiter hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung schlüssig dargelegt, dass sich der Automatisierungsgrad in der Gefahrtarifstelle zwar unterscheide, der Gewerbezweigtarif aber danach gebildet worden ist, dass gleiche Produkte und gleiche Materialien verarbeitet werden. Abgesehen davon, dass in der alphabetischen Aufzählung weitere Produkte des Werkstoffs Blech gelistet sind, die ebenfalls in der Automobilindustrie Verwendung finden, sind diese ebenfalls einer Produktion in großer Stückzahl und weitgehend automatisiert zugänglich. Zu Recht weist die Beklagte deshalb darauf hin, dass die Serienfertigung und große Stückzahlen nicht dem klassischen Bild der leichten Blechbearbeitung widersprechen und der unterschiedliche Automatisierungsgrad als Folge der Typisierung bei der Aufstellung des Gefahrtarifs als Gewerbezweigtarif hinzunehmen ist. Der hohe Automatisierungsgrad ist im Übrigen den Aktenvermerken über die Betriebsbegehungen zu entnehmen und damit bei der Veranlagung berücksichtigt worden. Die Gefahrtarifstelle erfasst, wie die Beklagte weiter überzeugend dargelegt hat, Unternehmen, deren arbeitsmäßiger Schwerpunkt auf der Herstellung von Bauteilen, Behältern, Apparaten, Komponenten und anderen Produkten liegt, die durch Be- und Verarbeitung von leichten Blechen erzeugt werden.

Der Gefahrtarif bildet eine Gefahrengemeinschaft ab, bei der es nicht auf die Risiken des einzelnen Unternehmens ankommt. § 157 Abs. 2 SGB VII bestimmt, dass die Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden, sodass das System durch Beiträge finanziert wird, deren Höhe nicht streng proportional zum versicherten Risiko ist (vgl. zum Grundsatz der Solidarität: Europäischer Gerichtshof [EuGH], Urteil vom 5. März 2009 – C-350/07 –, juris, Rz. 44 ff.). Dementsprechend müssen die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2013 – B 2 U 4/12 R –, juris, Rz. 36).

Soweit die Klägerin auf eine vermeintlich erhebliche finanzielle Mehrbelastung verweist, überzeugt dies schon deshalb nicht, da sie bislang fehlerhaft zu einer zu geringen Gefahrklasse veranlagt war, woraus zwingend eine Beitragssteigerung folgen muss. Bei zutreffender Veranlagung hätte die Gefahrklasse zuvor bereits 3,15 (vgl. Gefahrtarifstelle 05 des Gefahrtarifs 2013) betragen und damit sogar höher gelegen. Zwar ist es gegenüber der letzten – zutreffenden – Veranlagung durch den Veranlagungsbescheid vom 21. Dezember 2009 zu der damaligen Gefahrtarifstelle 052100 mit einer Gefahrklasse von 0,87 zu einer deutlichen Erhöhung der Gefahrklasse gekommen. Die Beklagte hat indessen aufzeigen können, dass die im Gefahrtarif 2010 enthaltene Unterbeobachtung zu heterogen und zu wenig vergleichbar gewesen ist, um eine Zusammenfassung – selbst unter Berücksichtigung des Risikoausgleichs (§ 157 Abs. 2 SGB VII, vgl. oben) – zu rechtfertigen. Daneben sind auftretende Härten dadurch, dass durch Typisierungen der Massenverwaltung Rechnung getragen wird, hinzunehmen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. Juli 2007 – 1 BvR 1696/03 –, juris, Rz. 38). Dass Maß des Zumutbaren wird dabei vorliegend deshalb nicht überschritten, da die Beklagte überzeugend dargelegt hat, dass die Beitragslast insgesamt gerade einmal 1,6 % der von der Klägerin gezahlten Bruttolohnsumme ausmacht und auf den Umstand, dass durch die Corona-Pandemie bedingt mit niedrigen Bruttolohnsummen zu rechnen ist, bereits durch eine Anpassung der Vorauszahlungen reagiert worden ist.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf ihre Präventionsbemühungen verwiesen hat, handelt es sich um keine Frage der Veranlagung zu der Gefahrtarifstelle. § 162 Abs. 1 SGB VII bestimmt hierzu, dass die gewerblichen Berufsgenossenschaften unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen haben. Das Nähere bestimmt die Satzung. Die Regelung bezweckt, den Eintritt von Versicherungsfällen mit allen geeigneten Mitteln zu vermeiden, unter anderem auch mit dem Mittel finanzieller Anreize zur Prävention (vgl. Kranig in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 7/21, § 162 Rz. 1a). Präventionsbemühungen kann daher über Zuschläge und Nachlässe Rechnung getragen werden, diese haben indessen keinen Einfluss auf den versicherungsmathematischen Risikoausgleich innerhalb der Gefahrtarifstelle wie er durch die Gefahrklasse zum Ausdruck kommt.

Bei zutreffender Auslegung der Gefahrtarifstelle unter ergänzender Heranziehung der historischen Entwicklung des Gefahrtarifs sowie des alphabetischen Verzeichnisses erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen für die Veranlagung zu der Gefahrtarifstelle 05. Der Gefahrtarif verstößt aus den oben ausgezeigten Gründen in der streitigen Gefahrtarifstelle weder gegen das SGB VII noch gegen sonstiges höherrangiges Recht und er ist den Formvorschriften entsprechend zustande gekommen.

Die Zuordnung ist somit eindeutig vorzunehmen, sodass es auf die weiteren Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren nicht ankommt. Diese geben allerdings Veranlassung zu dem Hinweis, dass der Gefahrtarif den rechtsstaatlichen Grundsätzen des Gesetzesvorbehaltes und der Bestimmtheit von Gesetzen genügen muss. Eingriffsakte der Verwaltung bedürfen einer normativen Grundlage, die so formuliert ist, dass die Folgen der Regelung für den Normadressaten erkennbar und berechenbar sind (vgl. zur Beitragsgestaltung: BSG, Urteil vom 4. Dezember 2007 – B 2 U 36/06 R –, juris, Rz. 14). Die Beklagte darf sich vor diesem Hintergrund nicht darauf zurückziehen, dass sich bei der Anzahl von mehr als 230.000 Mitgliedsunternehmen nicht jedes in der Formulierung exakt wiederfinden könne.

Da die Klägerin zur Gefahrtarifstelle 05 zutreffend veranlagt ist, hat das SG einen Anspruch auf Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 04 schon deshalb materiell-rechtlich zutreffend abgelehnt. Das ein solcher Anspruch nicht besteht, steht zwischen den Beteiligten fest, da rechtskräftige Urteile die Beteiligten binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (vgl. § 141 Abs. 1 SGG). Die Bindung eines Urteils beschränkt sich auf die Entscheidung über den Streitgegenstand, bei einem Streit über die Veranlagung also auf den Ausspruch, dass die konkret vorgenommene Veranlagung rechtmäßig oder rechtswidrig war und gegebenenfalls die Verpflichtung, das Unternehmen einer bestimmten anderen Tarifstelle zuzuordnen (BSG, Urteil vom 21. März 2006 – B 2 U 2/05 R –, juris, Rz. 28). Wie vom SG zutreffend dargelegt, stellt die Klägerin weder Personen- und Lastkraftwagen, noch Krafträder, Omnibusse und Traktoren her, ebenso keine Bremsen, Lenkungen, Fahrwerke, Motoren und Getriebe in Serie für Produkte dieser Tarifstelle. Dass sie ihre Bauteile als vollständige technische Systeme begreift, ändert nichts daran, dass diese gerade nicht aus mehreren Bauelementen unterschiedlicher Bereiche wie Mechanik, Elektrik, Elektronik und Fluidtechnik in Serie für Produkte dieser Tarifstelle gefertigt werden, sondern insgesamt nur aus Aluminium. Somit scheidet eine Zuordnung schon aufgrund des umschriebenen Tatbestandes aus. Daneben hat die Beklagte für den Senat überzeugend aufgezeigt, dass die Herstellung von vollständigen technischen Systemen im Sinne dieser Gefahrtarifstelle Fachwissen und Kompetenzen nicht nur in der Be- und Verarbeitung eines einzigen Ausgangsmaterials erfordert, sondern den Umgang, den gezielten Einsatz und das komplexe Zusammenspiel verschiedener Komponenten und Substanzen, woraus unterschiedliche Produktionsverfahren mit anderen Risiken folgen. Die Auffassung der Klägerin, dass mehrere Bauelemente vorlägen, weil die Einzelteile unterschiedlich bearbeitet worden seien, wird weder vom Wortlaut der Gefahrtarifstelle noch von ihrem Sinn und Zweck gedeckt und kann daher nicht überzeugen.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Verpflichtung zur Neuveranlagung nach Teil II Nr. 2 des Gefahrtarifs 2019 deshalb nicht in Betracht kommen dürfte, da die Beklagte bei der Neufassung des Gefahrtarifs (schon 2010) bewusst darauf verzichtet hat, Kfz-Zulieferer gesondert in den Gefahrtarif aufzunehmen, sondern vorausgesetzt hat, dass deren Tätigkeiten in anderen Gefahrklassen abgebildet werden. Jedenfalls aus dem alphabetischen Verzeichnis zum Gefahrtarif 2019 wird eine entsprechende Berücksichtigung deutlich. Für eine Einzelfallentscheidung, wie sie Teil II Nr. 2 letztlich vorsieht, ist vor dem Hintergrund kein Raum. Soweit das SG darauf hingewiesen hat, dass die Beklagte bei der zu treffenden Entscheidung den Automatisierungsgrad bei der Klägerin berücksichtigen solle, dürfte dies mit der Bildung des Gewerbezweigtarifs, der nach Produkten und Materialen differenziert (vgl. oben), nicht in Einklang zu bringen sein, was aber ebenfalls dahinstehen kann.

Auf die Berufung der Beklagten war daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 € anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Nach der Rechtsprechung geht es bei dem Streit über die richtige Veranlagung eines Unternehmens zu den im Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft ausgewiesenen Gefahrklassen um ein Berechnungselement für den während der Tarifzeit von maximal sechs Jahren zu entrichtenden Unfallversicherungsbeitrag, ohne dass sich das damit verbundene wirtschaftliche Interesse des beitragspflichtigen Unternehmens betragsmäßig beziffern lässt. Bei derartigen Grundlagenentscheidungen, die für das Versicherungsverhältnis zwischen den Beteiligten längerfristige Bedeutung haben, hat eine Orientierung an dem zu erwartenden Jahresbeitrag bzw. der zu erwartenden Beitragsdifferenz zu erfolgen. Je nach Streitgegenstand ist dieser Betrag oder ein Mehrfaches davon zu Grunde zu legen. Wegen es erheblichen Gewichts solcher Entscheidungen darf dabei ein Mindestbetrag nicht unterschritten werden, dessen Höhe wiederum abhängig vom Streitgegenstand zu bestimmen ist. Für Zuständigkeitsstreitigkeiten, in denen es um die Mitgliedschaft bei einem bestimmten Unfallversicherungsträger geht, ist das Dreifache des bisherigen Jahresbeitrages, mindestens jedoch der vierfache Auffangwert anzusetzen. Im Übrigen das Doppelte der streitigen Beitragsdifferenz, mindestens jedoch der dreifache Auffangstreitwert (BSG, Beschluss vom 3. Mai 2006 – B 2 U 415/05 B –, juris, Rz. 3 f.).

Nach der Vergleichsberechnung der Beklagten im SG-Verfahren liegt die Beitragsdifferenz, wenn statt der Gefahrklasse 3,07 die Gefahrklasse 0,88 berücksichtigt wird, bei 803.286,54 €, sodass das Doppelte der Beitragsdifferenz 1.606.573,08 € beträgt.

Rechtskraft
Aus
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