I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2019 verurteilt, an die Klägerin 3.575,22 € zu zahlen.
II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf (anteilige) Zahlung von Kosten für eine Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).
Die 1993 geborene Klägerin war bei der Beklagten bis 31.05.2020 krankenversichert. Ihr Ehemann ist beim D. (im Folgenden: D.) privat versichert. Die Klägerin reichte bei der Beklagten einen Behandlungsplan des Kinderwunschzentrums A-Stadt vom 14.01.2019 über die Durchführung einer ICSI zur Genehmigung für maximal 3 Zyklen ein. Dieser wurde von der Beklagten - laut Stempelaufdruck und Unterschrift - am 23.01.2019 genehmigt. Am gleichen Tag erging auch ein Bescheid der Beklagten, der im Wesentlichen folgenden Wortlaut enthielt:
"Vielen Dank für Ihren Behandlungsplan für eine Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).
Wir beteiligen uns gern an den Kosten der künstlichen Befruchtung. Dies gilt für 3 in Folge geplante Zyklen, wenn bei dem ersten und/oder zweiten Versuch eine Befruchtung stattgefunden hat. Sie erhalten anteilig die Kosten für ärztliche Leistungen, die an Ihnen erbracht werden, für extrakorporale Leistungen (Leistungen außerhalb des Körpers) und für Arzneimittel, die im Zusammenhang mit der Maßnahme verordnet werden.
Um Ihnen unseren Zuschuss überweisen zu können, reichen Sie uns bitte die Originalrechnungen gesammelt ein. Zusätzlich benötigen wir die Erstattungsmitteilung der privaten Krankenversicherung bzw. Beihilfe Ihres Ehepartners.
Von den Kosten für die ärztliche Behandlung übernehmen wir die in der gesetzlichen Krankenversicherung gültigen Vertragssätze, maximal 50 % der tatsächlich entstandenen Kosten für Leistungen, die wir bei unserer Erstattung berücksichtigen können. Für Arzneimittel erstatten wir Ihnen die Kosten, die bei vertraglicher Abrechnung der Arzneimittel-Verordnungen berücksichtigt worden wären.
Bitte beachten Sie, dass der Behandlungsplan 12 Monate gültig ist. Unsere Kostenbeteiligung bezieht sich ausschließlich auf die gesetzlichen Leistungen. Für Maßnahmen außerhalb des gesetzlichen Leistungsumfangs, wie etwa die Kryokonservierung von Samenzellen, können wir Ihnen keinen Zuschuss gewähren."
Im nachfolgenden Zeitraum wurden bei der Klägerin 2 Behandlungszyklen zur ICSI (März und Mai 2019) durchgeführt. Ein dritter Behandlungszyklus fand nicht statt.
Die Klägerin legte der Beklagten die Rechnungen über die durchgeführten Behandlungszyklen der ICSI sowie in diesem Zusammenhang ergangene Leistungsmitteilungen der D. an ihren Ehemann vor.
Mit Bescheid vom 23.05.2019 lehnte die Beklagte die Erbringung einer Zuzahlung zu den vorgelegten Rechnungen ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach den eingereichten Unterlagen bereits 50 % der durch die ICSI entstandenen Kosten von der D. erstattet worden seien. Beim Restbetrag handele es sich um den Eigenanteil der Klägerin.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und reichte bei der Beklagten auf schriftlichem Weg weitere Unterlagen zur Berücksichtigung durch den Widerspruchsausschuss ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass bereits 50 % der für die Behandlung entstandenen Kosten durch die Krankenversicherung des Ehemannes erstattet worden seien. Dadurch sei die Schuld der Beklagten erloschen, erstattungsfähige Aufwendungen lägen nicht mehr vor. Die Beklagte verwies in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.04.2001 - B 1 KR 22/00 R und auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 24.04.2015 - L 9 KR 9/13.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.
Das Gericht hat im Verfahren von der D. Auskünfte bezüglich der Leistungen, die anlässlich der durchgeführten ICSI an den Ehemann der Klägerin erbracht wurden, eingeholt und Unterlagen angefordert.
Am 18.11.2021 hat das Gericht den Rechtsstreit mit den Beteiligten in nicht-öffentlicher Sitzung erörtert.
Die Klägerin vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass die Leistungen der D. im Leistungsverhältnis zum Ehemann der Klägerin Leistungen auf die dortigen Versicherungsansprüche seien. Eine Rechtsgrundlage, dass diese Leistungen auf die der Klägerin durch die Beklagte gesetzlich geschuldeten Leistungen anzurechnen seien, existiere nicht. Es handele sich hierbei auch um Leistungen, die eine Gegenleistung für die im Leistungsverhältnis des Ehemannes erbrachten Beiträge darstellen würden.
Die Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid vom 23.5.2019 der beklagten Partei sowie der Widerspruchsbescheid vom 13.9.2019 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.796,17 € (Kosten 1. Behandlungsversuch) sowie weitere 1.779,05 € (Kosten 2. Behandlungsversuch) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.09.2019 zu zahlen.
3. Die beklagte Partei trägt die Kosten des Verfahrens und des Vorverfahrens, jeweils einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Klagepartei.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt im Wesentlichen die Auffassung (vgl. Schriftsatz vom 16.12.2021), dass die Klägerin keinen über § 27a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hinausgehenden Anspruch auf Übernahme von mehr als 50 % der entstandenen Kosten hat. Auch aus dem Bescheid vom 23.01.2019 ergebe sich nichts Anderes. Die Leistungen der D. seien teilweise auf Leistungen erfolgt, für welche die Beklagte grundsätzlich zur Kostenübernahme verpflichtet gewesen sei. Durch diese Zahlungen seien die Aufwendungen der Klägerin zu 50 % untergegangen, auch wenn die D. gegenüber der Klägerin nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen sei. Es lägen daher keine erstattungsfähigen Aufwendungen im Rahmen des § 27a SGB V mehr vor. Sähe man das anders, würde der Eigenanteil von 50 % unterlaufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Das Gericht konnte den Rechtsstreit mit Einverständnis der Beteiligten, das diese mit Schriftsätzen vom 23.12.2021 (Klägerin) bzw. vom 04.01.2022 (Beklagte) erklärt haben, ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klage ist zulässig und begründet.
I. Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist auch im Übrigen zulässig (vgl. §§ 87 ff. SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 23.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2019. Mit den angefochtenen Bescheiden hat es die Beklagte abgelehnt, der Klägerin die für zwei Behandlungszyklen einer ICSI in Rechnung gestellte Kosten zu erstatten, auch nicht beschränkt auf die Höhe von 50 %.
Streitgegenständlich ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte - auf Grundlage ihres Bewilligungsbescheids vom 23.01.2019 - der Klägerin einen Zuschuss zu den Behandlungskosten einer ICSI in Höhe von insgesamt 3.575,22 € (1.796,17 € für den 1. Behandlungszyklus sowie weitere 1.779,05 € für den 2. Behandlungszyklus) zu leisten hat.
II. Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat es die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden abgelehnt, der Klägerin 50 % der Kosten für zwei Behandlungszyklen einer ICSI (März 2019 und Mai 2019) zu zahlen. Die Klägerin ist somit durch den Bescheid vom 23.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2019 in ihren Rechten verletzt; die Bescheide sind aufzuheben. Der Klägerin steht infolge der durchgeführten Behandlung einer ICSI gegenüber der Beklagten einen Zahlungsanspruch in Höhe von 3.575,22 € zu. Der Zahlungsanspruch beruht auf dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 23.01.2019 (siehe dazu nachfolgend 1.). Er ist auch nicht nachträglich erloschen oder untergegangen (siehe dazu nachfolgend 2.).
1. Die Klägerin hat aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 23.01.2019 einen Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung der geltend gemachten 3.575,22 €.
a. Das Gericht hat vorliegend nicht darüber zu entscheiden, ob der Klägerin ein Sachleistungsanspruch auf Durchführung der zwei Behandlungszyklen einer ICSI zugestanden hat (siehe dazu § 27a Abs. 1, 3 SGB V) und hieraus - nach Durchführung der Behandlung - ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch (§ 13 Abs. 3 SGB V) resultiert. Denn die Beklagte hat der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 23.01.2019 einen Zuschuss zu den im Rahmen des genehmigten Behandlungsplans für eine ICSI entstehenden Kosten bewilligt.
Die Gewährung einer Geldleistung anstelle einer Sachleistung ergibt sich nicht nur unzweifelhaft aus der Formulierung "Zuschuss" in dem Bescheid, sondern auch aus der von der Beklagten vorgesehenen Verfahrensweise, wonach die Klägerin die Originalrechnungen sammeln und einreichen soll, damit anschließend der Zuschuss überwiesen werden kann. Grundlage für den von der Klägerin im vorliegenden Klageverfahren geltend gemachten Leistungsanspruch bildet somit der bestandskräftige Leistungsbescheid der Beklagten vom 23.01.2019.
b. Der Klägerin sind durch die Behandlung Kosten i.H.v. 7.440,42 € entstanden. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den in den Akten befindlichen und auf Anforderung des Gerichts im gerichtlichen Verfahren weiteren vorgelegten Rechnungen. Von den angefallenen Kosten werden seitens der Klägerin die für die Behandlung am 18.03.2019 (verlängerte Embryonenkultur) in Rechnung gestellten 290 € nicht, auch nicht anteilig geltend gemacht. Von den verbleibenden Kosten in Höhe von 7.150,42 € wurden dem Ehemann der Klägerin von der D. (rundungsbedingt) 3.575,20 € erstattet. Es verbleibt somit ein Restbetrag in Höhe von 3.575,22 €, den die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend macht. Die Einzelheiten zu den in Rechnung gestellten Leistungen und deren Abrechnung sind nachfolgender Tabelle zu entnehmen:
Behandlungsdatum Behandlungsempfänger Art der Behandlung Rechnungsbetrag in € Erstattungsbetrag D. in € Offener Restbetrag in €
05.03.2019 Klägerin Medikament 1057,51 528,76 528,76
09.03.2019 Klägerin Arzt 104,16 52,08 52,08
09.03.2019 bis 23.03.2019 Klägerin Kinderwunschzentrum 1833,31 916,65 916,65
14.03.2019 Klägerin Arzt 420,74 210,37 210,37
15.03.2019 Klägerin Medikament 52,97 26,48 26,49
18.03.2019 Klägerin Arzt (verlängerte Embryonenkultur) 290 145 145
nicht geltend gemacht
18.03.2019 Klägerin Medikamente 123,64 61,82 61,82
04.05.2019 Klägerin Medikament 1055,35 527,68 527,67
09.05.2019 Klägerin Arzt 1831,21 915,60 915,61
14.05.2019 Klägerin Medikament 150,81 75,40 75,41
17.05.2019 Klägerin Arzt 420,74 210,37 210,37
06.06.2019 Klägerin Medikament 99,98 49,99 49,99
Gesamtsumme ohne Rechnung über 290 € 7150,42 3575,20 3575,22
c. Die Kosten in Höhe von 3.575,22 € werden von der Leistungsbewilligung der Beklagten vom 23.01.2019 im vollen Umfang umfasst.
Die Kosten in Höhe von 3.575,22 € resultieren entweder aus ärztlichen Leistungen, die an der Klägerin erbracht worden sind, aus extrakorporalen Leistungen oder aus Arzneimitteln, die im Zusammenhang mit der Maßnahme verordnet worden sind. Sie stehen in Übereinstimmung mit dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Kosten der ärztlichen Behandlung entsprechen in ihrer Höhe auch den in der gesetzlichen Krankenversicherung gültigen Vertragssätzen. Die für die Arzneimittel in Rechnung gestellten Kosten sind gleich denen, die bei vertraglicher Abrechnung der Arzneimittel-Verordnungen berücksichtigt worden wären. Auch entspricht - wie dargelegt - unter Einbeziehung einer rundungsbedingten Differenz von 0,01 € die Höhe der Kosten (maximal) 50 % der mit dem Behandlungsplan für die ICSI genehmigten Kosten. Die nach § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V gesetzlich vorgesehene bzw. im Bescheid vom 23.01.2019 bestimmte Kostenobergrenze wird damit nicht überschritten.
Die Beklagte hat in der nicht-öffentlichen Sitzung vom 18.11.2021 auch ausdrücklich erklärt, dass die von der Klägerin geltend machten Kosten in Höhe und Umfang dem entsprechen, was seitens der Beklagten bei einer Behandlung der vorliegenden Art nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V übernommen würde. Einwendungen gegen die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Kosten wurden daher ausdrücklich nicht erhoben.
Im Ergebnis ist somit die Auffassung der Beklagten zutreffend, dass der Klägerin mit dem Bescheid vom 23.01.2019 keine Leistungen bewilligt wurden, die über die gesetzliche Regelung des § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V hinausgehen.
d. Der Leistungsbescheid der Beklagten vom 23.01.2019 enthielt auch keinerlei einschränkende Bestimmungen, die dem mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Zahlungsanspruch der Klägerin entgegenstehen oder diesen einschränken oder diesem entgegengehalten werden könnten. Insbesondere ist dem Bescheid keine Regelung zu entnehmen, dass Zahlungen Dritter, z.B. privater Krankenversicherungen, die im Zusammenhang mit der durchgeführten Behandlung der ICSI erfolgen, auf den Leistungsanspruch der Klägerin anzurechnen sind. Dies gilt jedenfalls insoweit, als diese Zahlungen 50 % der tatsächlich entstandenen Kosten nicht übersteigen. Die Zahlungen der D. an den Ehemann der Klägerin übersteigen, wie ausgeführt, 50 % der tatsächlich entstandenen Kosten nicht.
Somit steht der Klägerin aufgrund des Leistungsbescheids der Beklagten vom 23.01.2019 ein Erstattungsanspruch in Höhe von 3.575,22 € zu.
2. Der Leistungsanspruch der Klägerin in Höhe von 3.575,22 € ist durch die Zahlungen der D. auch nicht erloschen oder, wie die Beklagte meint, untergegangen.
Für ein Erlöschen des Leistungsanspruchs der Klägerin gegenüber der Beklagten infolge der Erstattungszahlungen der D. an den Ehemann der Klägerin in Höhe von 3.575,20 € findet sich keine gesetzliche Grundlage. Eine solche wird von der Beklagten auch nicht benannt.
§ 19 Abs. 1 SGB V, der ein Erlöschen des Anspruchs auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft vorsieht, ist vorliegend offensichtlich nicht einschlägig, ebenso wenig § 59 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Auch die Erfüllungsfunktion des § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) findet auf den Leistungsanspruch der Klägerin schon deshalb keine Anwendung, weil es sich bei der D. um keinen Sozialleistungsträger handelt.
Der Leistungsanspruch der Klägerin aus dem Bewilligungsbescheid vom 23.01.2019 ist auch nicht in entsprechender Anwendung des § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen.
Nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 BGB Anwendung (§ 362 Abs. 2 BGB).
Die D. hat ihre Erstattungszahlungen an den Ehemann der Klägerin offensichtlich nicht zur Erfüllung der Leistungsschuld der Beklagten erbracht, sondern zur Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen aus dem Versicherungsverhältnis mit diesem (vgl. dazu BGH vom 03.03.2004 - IV ZR 25/03). Der Ehemann der Klägerin ist somit nicht Dritter i.S.d. § 362 Abs. 2 BGB. Auch den vom Gericht beigezogenen versicherungsvertraglichen Regelungen zwischen dem Ehemann der Klägerin und der D. sind keinerlei Bestimmungen zu entnehmen, die die Annahme der Beklagten, dass durch die Zahlungen der D. der Leistungsanspruch der Klägerin erloschen wäre, stützen könnten. Dass der Klägerin trotz der Zahlungen der D. tatsächlich Aufwendungen verblieben sind, hat das Gericht bereits (siehe II. 1.) dargelegt.
Unabhängig davon, dass im vorliegenden Rechtsstreit ein bestandskräftiger Leistungsbescheid der Beklagten gegeben ist, geht auch aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.06.2008 - B 1 KR 24/07 R nicht hervor, dass der Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten für die ICSI infolge der Zahlungen der privaten Krankenversicherung an ihren Ehemann erloschen wäre. Denn der Entscheidung des BSG kann allenfalls entnommen werden, dass die vollständige Erfüllung des Anspruchs gegen die private Krankenversicherung den gleichgerichteten, sich inhaltlich überschneidenden Anspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung erlöschen lässt (kritisch zum Begriff des Erlöschens LSG Berlin-Brandenburg vom 24.04.2015 - L 9 KR 9/13). So liegt der vorliegende Fall aber nicht: Eine 100-prozentige (= vollständige) Kostendeckung war durch die Leistungen der privaten Versicherung des Ehemannes der Klägerin gerade nicht gegeben, sondern nur eine 50-prozentige. Damit überschneiden sich die Ansprüche der Klägerin und ihres Ehemannes aber nicht, sondern sie ergänzen sich (in diesem Sinne wohl auch Brosius-Gersdorf in Berchtold/Huster/Rehborn, § 27a SGB V Rn. 38; siehe dazu auch BSG vom 03.04.2001 - B 1 KR 22/00 R).
Das Gericht folgt daher - unabhängig davon, dass im streitgegenständlichen Sachverhalt bereits ein bestandskräftiger Leistungsbescheid der Beklagten vorliegt und nicht ein Kostenerstattungs- oder Kostenfreistellungsanspruch geltend gemacht wird - auch nicht der vom LSG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 24.04.2015 - L 9 KR 9/13 vertretenen Auffassung, wonach erstattungsfähige Aufwendungen des gesetzlich Versicherten für medizinische Behandlungen nach § 27a SGB V nicht mehr gegeben sein sollen, wenn dem Ehepartner bereits 50 % der Behandlungskosten durch eine private Krankenkasse erstattet worden sind. Das LSG Berlin-Brandenburg beruft sich nach Auffassung des Gerichts zum einen zu Unrecht auf die zitierte Entscheidung des BSG, da diese nicht den Fall einer nur hälftigen Kostenerstattung durch die private Krankenversicherung betraf. Zum anderen nennt das LSG in seiner Entscheidung keine Begründung für die Schlussfolgerung, dass bei einer nur 50-prozentigen Erstattung der Gesamtkosten keine erstattungsfähigen Aufwendungen mehr vorliegen sollen.
Auch dem Wortlaut des § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V sind keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass eine Kostenerstattung in Höhe von 50 % durch die Krankenkasse nur unter der Bedingung erfolgen darf, dass dem gesetzlich Versicherten ein Eigenanteil in Höhe von 50 % verbleibt, der nicht durch Zahlungen Dritter bzw. Leistungsansprüche außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt ist. Eine solche Einschränkung ist zum Erreichen des Normzwecks, Reduzierung der Kostenlast für die gesetzliche Krankenversicherung, auch nicht erforderlich. Diese Zielsetzung wird vielmehr auch dann erreicht, wenn der Versicherte die Tragung der bei ihm verbleibende Kostenlast in Höhe von 50 % anderweitig absichert oder absichern lässt, z.B. durch eine vom Ehegatten aus eigenen Beiträgen finanzierte private Krankenversicherung (wie im vorliegenden Fall). Auch in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 83) finden sich keine Hinweise für ein anderes Verständnis. Dort wird nur ausgeführt, dass sich die Krankenkasse höchstens zu 50 % an den Kosten beteiligen darf.
Nach alledem stand der Klägerin aufgrund des Bewilligungsbescheids vom 23.01.2019 ein Geldleistungsanspruch gegenüber der Beklagten in Höhe von letztlich 3.575,22 € wegen der Aufwendungen für die bei ihr durchgeführte Behandlung einer ICSI zu.
Soweit die Beklagte diesen Leistungsanspruch mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2019 abgelehnt bzw. auf 0 € beschränkt hat, sind die Bescheide rechtswidrig und daher aufzuheben.
Der Leistungsanspruch der Klägerin i.H.v. 3.575,22 € ist nach § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu verzinsen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.