L 10 VE 1/17

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
1. Instanz
SG Osnabrück (NSB)
Aktenzeichen
S 2 VE 12/10
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 10 VE 1/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Entscheidung des EuGH vom 21. Juni 2017 (C-621/15 = NJW 2017 S. 2739 ff) gibt keinen Anlass von der feststehenden Rechtsprechung im Impfschadensrecht zur Kausalität abzuweichen. Derzeit liegen in der Wissenschaft keine überzeugenden Hinweise für eine aluminiumbedingte Toxizität von Impfungen vor.Impfbedingte neurologische Schadensvermutungen beim Menschen durch das Adjuvans Aluminium sind daher (bisher) reine Spekulation.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. November 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die im März 1992 geborene Klägerin wurde am 18. März und am 6. Mai 2008 mit dem Wirkstoff Gardasil sowie am 1. April 2008 mit den Wirkstoffen Meningitec und Repevax geimpft. Spätestens im Mai 2008 entwickelten sich bei ihr Symptome einer neurologischen Erkrankung, die unter anderem zu Paresen der Beine mit Schwerpunkt rechts führten. Die Klägerin wurde zunächst orthopädisch behandelt und begab sich sodann in die Behandlung der neurologischen Abteilung des Klinikums H.. Residuen dieser Erkrankung liegen bei der Klägerin bis zum heutigen Tage vor.

Die Klägerin beantragte im April 2009 bei dem beklagten Land, ihr Beschädigtenversorgung nach dem IfSG zu gewähren. Sie führte die bei ihr nunmehr vorliegende Erkrankung auf die Impfungen zurück.

Das beklagte Land leitete Ermittlungen ein und zog umfangreich Befund- und Entlassungsberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Kliniken bei; insbesondere vom Klinikum H. und aus dem St. I. -Hospital in J.. In beiden Kliniken hatte sich die Klägerin zur Untersuchung und Behandlung stationär aufgehalten. In beiden neurologischen Kliniken war jeweils ein Zusammenhang der Erkrankung mit den angeschuldigten Impfungen für möglich gehalten worden, beziehungsweise sei dies nicht auszuschließen.

Sodann veranlasste das beklagte Land die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Neurologen Professor Dr. K.. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 26. Februar 2010 nach Untersuchung und Befragung der Klägerin im Wesentlichen zu dem Ergebnis, trotz intensiver Untersuchungen sei es bisher nicht gelungen, eine Ursache der neurologischen Erkrankung der Klägerin zu ermitteln. Klar sei, dass es sich um eine Form der Polyneuropathie handele. Bei diesen Erkrankungen sei es in 30 % der Fälle aufgrund des derzeitigen Erkenntnisstandes der Wissenschaft nicht möglich, eine Ursache der Erkrankung zu ermitteln. Soweit die Behandler der Klägerin im St. I. -Hospital in J., die bei der Behandlung und Erforschung derartiger Erkrankungen führend seien, der Auffassung seien, es handle sich am ehesten um Folgen einer Gefäßentzündung (Vaskulitis) sei auch dies letztlich nicht bewiesen. Wissenschaftlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass es einen Ursachenzusammenhang zwischen den angeschuldigten Impfungen und der Erkrankung der Klägerin gebe. Es gebe aber eben auch nicht die Möglichkeit zu zeigen, dass dieser Ursachenzusammenhang wahrscheinlich sei – auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sogenannten „Kann-Versorgung.“

Daraufhin lehnte das beklagte Land nach Beteiligung seines versorgungsmedizinischen Dienstes mit hier angefochtenem Bescheid vom 22. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 die Feststellung von Schädigungsfolgen sowie die Gewährung von Beschädigtenrente ab.

Am 1. September 2010 ist Klage erhoben worden.

Das Sozialgericht (SG) Osnabrück hat weitere medizinische Unterlagen beigezogen und sodann den Neurologen Professor Dr. L. mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser ist nach eingehender Untersuchung der Klägerin und Beiziehung von zwei Zusatzgutachten in seinem Gutachten vom 12. Juni 2014 zu dem Ergebnis gelangt, die von der Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Gesundheitsstörungen seien auf die durchgeführten Impfungen zurückzuführen. Es sei vertretbar gewesen, die Impfungen durchzuführen. In der medizinischen Vorgeschichte der Klägerin fänden sich keine Hinweise auf relevante Vorerkrankungen. In der wissenschaftlichen Literatur fänden sich Hinweise darauf, dass derartige Erkrankungen nach Impfungen aufträten. Es sei ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 festzustellen.

Dem Gutachten ist das beklagte Land durch Stellungnahmen seines versorgungmedizinischen Dienstes (Dr. M.) entgegengetreten.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 29. September 2015 beigezogen (Professor Dr. N. /Dr.  O.). Darin wird berichtet, dem PEI seien keine klinischen Studien zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Polyneuropathie mit axonalen und demyelisierenden Läsionen und den Impfstoffen, die hier zum Einsatz gekommen sein bekannt. Bei der Klägerin sei ein Guillain-Barre-Syndrom (GBS) von den behandelnden Ärzten ausgeschlossen worden. Das GBS gehöre indessen auch zum Formenkreis der demyelisierenden Polyneuropathien; daher sei auch die Studienlage zum GBS durchgesehen worden. Dabei habe man bei großen Studien keine Zusammenhänge zwischen Impfung und GBS entdecken können. Der zeitliche Abstand zwischen Auftreten der Erkrankung und Impfung sei zwar plausibel; dies könne aber rein zufällig sein. Alternative Ursachen seien vom PEI bei Durchsicht der Unterlagen aber ebenfalls nicht gefunden worden. Der Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung sei daher für das PEI nicht beurteilbar.

Das beklagte Land hat ein von ihm beauftragtes ergänzendes Gutachten des Neurologen Professor Dr. K. nach Aktenlage vom 6. Februar 2016 vorgelegt. Dieser hat zunächst die bei der Klägerin unstreitig vorliegende Erkrankung genauer eingegrenzt. Insoweit hat er u.a. darauf hingewiesen, es handele sich um eine asymmetrische Form der Polyneuropathie. Er hat weiter ausgeführt, der Beginn der Erkrankung könne hier nicht ganz eindeutig festgelegt werden. Da sich derartige Erkrankungen sehr langsam und schleichend entwickelten, könne es durchaus sein, dass der Beginn bereits vor den angeschuldigten Impfungen läge. Auch Professor Dr. K. hat sodann nochmals dargelegt, bei der Klägerin sei kein GBS diagnostiziert worden. Eine Ursache der Erkrankung der Klägerin sei nach wie vor nicht festgestellt worden. Dies sei indessen nicht ungewöhnlich, da in ca. 30 % der Fälle die Ursache für Polyneuropathien derzeit nicht geklärt werden könnten. Professor Dr.  K. hat sich sodann nochmals intensiv mit der Studienlage zum Zusammenhang zwischen GBS und dem Impfstoff Gardasil auseinandergesetzt – insbesondere auch mit einer vom PEI thematisierten französischen Studie. Professor Dr. K. hat sich auch intensiv mit den von Professor Dr. L. zur Stützung seiner Auffassung zitierten Studien auseinandergesetzt. Nach seiner Auffassung könnten diese wissenschaftlichen Arbeiten gerade nicht zum Beleg eines Zusammenhangs im Falle der Klägerin dienen.

Das SG hat sodann Professor Dr. L. um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. In der Stellungnahme vom 30. Mai 2016 hat dieser an seiner Auffassung festgehalten. Er hat u.a. ausgeführt, wenn er sich mit der Kritik von Professor Dr. K. an seiner Auswertung der wissenschaftlichen Literatur auseinandersetzen wolle, dann bedürfe dies Ausführungen im Umfang von weiteren 50 Seiten; das sei hier aber nicht zielführend. Ergänzend hat er sich auf weitere Studien bezogen.

Auf Anforderung des SG hat Professor Dr. L. dem Gericht die von ihm neu herangezogenen Studien übersandt. Das SG hat die Studien, die im Wesentlichen in englischer Sprache verfasst waren, übersetzen lassen und zur Akte genommen.

Das SG hat die Klage mit hier angefochtenem ausführlich begründetem Urteil vom 17. November 2016 abgewiesen. U.a. hat es die von Professor Dr. L. übersandten Studien im Einzelnen durchgesehen und jeweils dargelegt, warum diese nicht dazu geeignet sind, die Kausalität der hier angeschuldigten Impfungen für die bei der Klägerin vorliegende spezielle Erkrankung wahrscheinlich zu machen. Daher hat sich das SG im Wesentlichen der Auffassung von Professor Dr. K. und des PEI angeschlossen, wonach die Verursachung der Erkrankung durch die Impfungen nicht wahrscheinlich sei.

Gegen das am 28. November 2016 zugestellte Urteil ist am 29. Dezember 2016 Berufung eingelegt worden. Der Senat hat insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Zur Begründung stützt sich die Klägerin auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme von Professor Dr. L. sowie auf das auf ihren Antrag hin zweitinstanzlich eingeholte Gutachten von Dr. P.. Aus bisher nicht vorliegenden Studien über einen Zusammenhang der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung mit den angeschuldigten Impfungen könne nichts geschlossen werden, weil bei Nichtanerkennung von Impfschäden auch keine Studien erstellt würden. Zudem dürfe sich die Anerkennung von Impfschäden nicht an der herrschenden Meinung in der Medizin orientieren, wie dies Prof. Dr. K. und der vom Senat beauftragte Dr. Q. getan hätten. Diese Sachverständigen hätten sich unzulässigerweise mit verschiedenen Erkrankungen auseinandergesetzt, die bei der Klägerin nicht vorlägen. Durch die zweite Impfung mit Gardasil sei es bei der Klägerin zu einer unbeabsichtigten Reexposition mit einer schädigenden Substanz gekommen, die zur Entstehung oder Verschlimmerung der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung geführt habe. Sie hält den Sachverhalt für noch nicht ausreichend ermittelt. Zudem weist sie auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hin. Nach Ihrer Auffassung müssten die im Impfschadensrecht bisher herangezogenen Maßstäbe aufgrund dieser Entscheidung verändert werden, was der Klägerin zu Gute komme.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

1.    das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. November 2016 sowie den Bescheid des beklagten Landes vom 22. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 aufzuheben,

 

2.    das beklagte Land zu verurteilen, bei ihr eine distal asymmetrische sensomotorische axonale Polyneuropathie mit Schwerpunkt im Versorgungsgebiet des Nervus peronaeus beidseits als Schädigungsfolge festzustellen und ihr ab April 2009 Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von zumindest 30 zu gewähren,

 

Das beklagte Land beantragt schriftsätzlich,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. November 2016 zurückzuweisen.

Es hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zur Begründung hat das beklagte Land u.a. eine ausführliche versorgungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. R. vom 11. Juni 2019 vorgelegt. Diese hat sich zur Begründung ihrer Auffassung auf Stellungnahmen des PEI zur Sicherheit der Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) von September 2018 und zur Sicherheitsbewertung von Aluminium in Impfstoffen von September 2015 bezogen.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. Q. vom 3. Juli 2018 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11. Oktober 2019 eingeholt. Auf Antrag der Klägerin hat der Senat auch ein Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. P. vom 5. März 2019 eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet in Anwendung von § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage mit seinem hier angefochtenen Urteil vom 17. November 2016 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des beklagten Landes Niedersachsen vom 22. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land Niedersachsen keinen Anspruch auf Feststellung von Schädigungsfolgen und Zahlung von Beschädigtenrente aus §§ 60 Abs. 1 Satz Nr. 1, 61 IfSG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 BVG.

Bei den bei der Klägerin am mit den Impfstoffen Gardasil, Meningitec und Repevax, durchgeführten Impfungen handelte es sich um empfohlene Impfungen im Sinne dieser Vorschriften. Hiervon gehen die Beteiligten des Verfahrens übereinstimmend aus und auch aus der Sicht des Senats bestehen hieran keine Zweifel (vgl. auch den Hinweis im Gutachten von Dr. P. S. 11).

Der Anspruch auf Versorgung als Folge einer Impfung setzt eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, den Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine - dauerhafte - gesundheitliche Schädigung, also einen Impfschaden, voraus. Zwischen den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen muss ein Ursachenzusammenhang bestehen.

Maßstab dafür ist die im sozialen Entschädigungsrecht ebenso wie im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung. Danach ist aus der Fülle aller Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne diejenige Ursache rechtlich erheblich, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägen ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist. Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende, als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - im sogenannten Vollbeweis - feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus, § 61 Satz 1 IfSG. Die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Impfkomplikation sowie zwischen Impfkomplikation und Impfschaden ist gegeben, wenn auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aktuell geltenden medizinischen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht. Die aktuell geltende medizinische Lehrmeinung ist hierbei im Grundsatz den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) zu entnehmen (s. dazu auch die Hinweise auf S. 5 der Einleitung zu der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung, deren Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (im Folgenden: VMG) allein aus Rechtsgründen keine Ausführungen mehr zu Kausalitätsbeurteilungen einzelner Krankheitsbilder enthält), solange sich keine Anzeichen dafür ergeben, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4; der Senat folgt in ständiger Rechtsprechung dieser ständigen Spruchpraxis des Bundessozialgerichts vgl. dazu zuletzt Urteil vom 28. Januar 2021, L 10 VE 11/16; sowie vom 5. November 2020, L 10 VE 46/17 veröffentlicht in juris). Schon aus diesem Grund kann das Argument der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der Senat sei nicht verpflichtet auf die herrschende Lehrmeinung in der Medizin abzustellen, keine Überzeugungskraft entfalten.

Nach Nr. 57 der Ausgabe 2008 der AHP ist zur Ermittlung des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft auf die Arbeitsergebnisse der Ständigen Impfkommission zurückzugreifen, die im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht sind. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 7. April 2011, B 9 VJ 1/10 R, veröffentlicht in juris, Rn. 36 ff.).

Ursache eines Körperschadens sind in dem hier erheblichen Sinne diejenigen Bedingungen (das sind die Umstände, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Eintritt der Gesundheitsstörung entfiele – conditio sine qua non), die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben zu einem Erfolg (dem Eintritt eines Körperschadens) mehrere Bedingungen beigetragen, so sind nur diejenigen Bedingungen Ursache im Rechtssinn, die von ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Schadens wenigstens der Bedeutung und Tragweite der Summe der anderen Bedingungen annähernd gleichwertig sind (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, Az.: B 9 V 6/13 R, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1; insoweit unterscheidet sich die Bewertung von den im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsätzen: BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Kommt dagegen einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist er allein Ursache im Rechtssinn (Theorie der rechtlich wesentlichen Bedingung, vgl. Rohr/Strässer/Dahm, Kommentar zum BVG, Anm. 10 zu § 1). Dies gilt auch, soweit zum Zeitpunkt des angeschuldigten schädigenden Ereignisses bereits eine Disposition für den Eintritt einer Gesundheitsstörung vorhanden war, ein dieser Gesundheitsstörung zuzuordnendes pathologisches physisches oder psychisches Geschehen aber noch nicht eingetreten war. In diesem Fall ist der Einfluss der Krankheitsanlage einerseits und des äußeren Ereignisses andererseits auf den Eintritt der Gesundheitsstörung zu gewichten (vgl. zusammenfassend Roos, ZfSH/SGB 2020,210,214).

Die Entscheidung des EuGH vom 21. Juni 2017 (C-621/15 = NJW 2017 S. 2739 ff) gibt keinen Anlass von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung zum Produkthaftungsrecht und nicht zum Impfschadensrecht ergangen ist und somit schon aus diesem Grund für die hier zu entscheidende Konstellation nicht relevant ist. Fraglich war dort die Beziehung zwischen dem Geimpften und dem Impfstoffhersteller, nicht aber eine etwaige Haftungspflicht des Staates aufgrund einer Impfempfehlung. Daneben ist aber weiter auch darauf hinzuweisen, dass die vom vorlegenden französischen Gericht dem EuGH vorgelegte Konstellation im deutschen Impfschadensrecht bei Beachtung der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung im Impfschadensrecht nicht auftreten kann (zum Ganzen vgl. Roos in ZfSH/SGB 2018 S. 146 ff insbesondere 148 f).

Der Senat kann in Anwendung dieser Grundsätze nicht feststellen, dass die Impfungen der Klägerin im Frühjahr 2008 mit Gardasil, Meningitec und Repevax ursächlich für eine Impfkomplikation und damit die bei der Klägerin auch jetzt noch vorliegende neurologische Erkrankung (distal asymmetrische sensomotorische axonale Polyneuropathie mit Schwerpunkt im Versorgungsgebiet des Nervus peronaeus beidseits) beziehungsweise deren Residualzustand geworden ist.

Zur Begründung nimmt der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen in Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf das ausführliche und sorgfältig begründete erstinstanzliche Urteil des SG, das auch der Senat für überzeugend hält. Das SG hat sich insbesondere sehr sorgfältig mit der Argumentation von Professor Dr.  L. auseinandergesetzt und an Hand der von diesem selbst zitierten Studien im Einzelnen dargelegt, warum diese nicht für einen Zusammenhang der Erkrankung der Klägerin mit den angeschuldigten Impfungen sprechen. Der Senat teilt diese Auffassung nach Durchsicht der Veröffentlichungen ausdrücklich und wiederholt sie daher nicht.

Auch die ergänzenden Ermittlungen des Senats im Berufungsverfahren haben nicht zu einem anderen Ergebnis geführt.

Es fehlt nach den überzeugenden Ausführungen auch des Sachverständigen Dr.  Q. und der versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. R. an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der streitgegenständlichen Impfung und der Erkrankung der Klägerin. Der vom Senat bestellte Sachverständige hat damit die Auffassung des schon im Verwaltungsverfahren und erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Prof. Dr. K. sowie des PEI bestätigt und sich nicht der erstinstanzlich von Prof. Dr. L. geäußerten Auffassung angeschlossen. Der Senat hält dies aus den nachstehenden Gründen für überzeugend.

Bei allen großen epidemiologischen Untersuchungen, die dem Senat und den gehörten Sachverständigen im Verlauf des Verfahrens bekannt geworden sind hat sich kein Zusammenhang der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung mit den bei ihr durchgeführten Impfungen heraus gestellt (Vgl. insbesondere im Hinblick auf die Impfungen mit Gardasil zusammenfassend Weisser/Heymanns/Keller-Stanislawski in Bulletin zur Arzneimittelsicherheit Ausgabe 3, September 2018, S. 17 ff, wo die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung nicht erwähnt wird). Dies bestätigt im Ergebnis auch der Sachverständige Dr. P., der letztlich ebenfalls für die bei der Klägerin konkret diagnostizierte Erkrankung keine Belege gefunden hat. Angesichts der Zahl der weltweit verabreichten Impfungen mit den hier angeschuldigten Impfstoffen und der internationalen Überwachung von Nebenwirkungen, wie sie in der zitierten Zusammenfassung des PEI für die HPV-Impfstoffe berichtet wird, spricht dies deutlich gegen die Verursachung der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung durch die Impfstoffe.

Soweit die Klägerin demgegenüber auf den zeitlichen Zusammenhang ihrer Erkrankung mit den durchgeführten Erkrankungen hinweist, vermag dies argumentativ nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen.

Zum einen haben verschiedene Sachverständige (Professor Dr. K.; Dr.  Q.) im Verlauf des Verfahrens mehrfach darauf hingewiesen, bei der Klägerin liege eine Form der Polyneuropathie vor, die sich sehr langsam herausgebildet hat. Dies ergibt sich u.a. auch aus der Einsichtnahme in die Berichte des die Klägerin auf neurologischem Gebiet erstbehandelnden Klinikums H. (vom 28. November 2008 und vom 18. März 2009). Auch dort ist dokumentiert, wie langsam sich die Symptome bei der Klägerin herausgebildet haben und dass die Klägerin selbst durchaus unterschiedliche Angaben dazu gemacht hat, wann sie die Symptome erstmals bemerkt hat. Während sie im November 2008 angegeben hat, sie habe die Symptome erstmals im Mai 2008 bemerkt, wird im weiteren Verlauf davon gesprochen, sie habe dies bereits im April 2008 bemerkt. Vor diesem Hintergrund kann der Senat im Anschluss an die Auffassung von Professor Dr. K. und Dr. Q. nicht ausschließen, dass die Erkrankung bereits vor der ersten hier angeschuldigten Impfung im Entstehen begriffen war.

Zudem vermag der zeitliche Zusammenhang der Entstehung der Erkrankung mit den angeschuldigten Impfungen - selbst wenn er hier unterstellt würde - allein einen Zusammenhang im kausalen Sinne nicht nachzuweisen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die angeschuldigten Impfungen weltweit in sehr großer Zahl verabreicht werden. Schon deswegen muss es immer wieder im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen zur Entstehung von Erkrankungen kommen, obwohl diese nicht kausal verbunden sind (vgl. zu dieser Überlegung schon Professor Dr. K. in seinem Gutachten im Verwaltungsverfahren vom 26. Februar 2010, Bl. 111 des Verwaltungsvorgangs, Teil G). Eben deswegen werden die unerwünschten Wirkungen von Impfstoffen weltweit überwacht und alle Verdachtsfälle in den einschlägigen Datenbanken ohne Ausnahme registriert, wie dies auch im Fall der Klägerin der Fall war. Aus der Registrierung eines solchen Verdachtsfalls kann aber deswegen noch nicht der Rückschluss gezogen werden, es gäbe einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung auch wenn ein - möglicherweise enger - zeitlicher Zusammenhang vorliegt.

Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung darauf hinweist, es sei keine andere denkbare Ursache für ihre Erkrankung bekannt geworden, daher müsse diese auf die angeschuldigten Impfungen zurückgeführt werden, vermag auch dies nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Insoweit hat schon das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Professor Dr. K. vom 26. Februar 2010 darauf hingewiesen, in ca. 30% aller Fälle seien die Ursachen einer Polyneuropathie mit dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht aufzuklären. Dieser Standpunkt wird auch von allen anderen gehörten Sachverständigen und den behandelnden Ärzten der Klägerin geteilt. Auch die behandelnden Ärzte der Klägerin im Klinikum H. und im St. I. -Hospital in J. gehen nur von der „Möglichkeit“ nicht aber von der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs aus (vgl. etwa den Entlassungsbericht aus H. vom 28. November 2008 <Bl. G1 des Verwaltungsvorgangs>, in dem es heißt ein Zusammenhang sei denkbar; oder den Entlassungsbericht aus dem St.  I. -Hospital in J. vom 30.Dezember 2009 <Bl. G63 des Verwaltungsvorgangs>, in dem es heißt ein Zusammenhang sei nicht auszuschließen). Daraus ergibt sich, dass die Nichtaufklärbarkeit der Ursache für die Erkrankung der Klägerin nicht zwingend zur Anerkennung der Impfungen als Schadensursache führen muss.

Das in Anwendung von § 109 SGG eingeholte Gutachten von Dr. P. vermag den Senat nicht vom Gegenteil zu überzeugen.

Der Senat weist insoweit einleitend darauf hin, dass ihm aus mehreren impfschadensrechtlichen Verfahren in Anwendung von § 109 SGG erstattete Gutachten von Dr. P. bekannt sind (vgl. insoweit etwa Senatsurteil vom 30. Mai 2013, L 10 VJ 1/09; und vom 11. Mai 2017, L 10 VE 24/14). Diese zeichnen sich durchgängig - so auch hier - dadurch aus, dass sie in Widerspruch zur herrschenden medizinischen Lehrmeinung, wie sie sich etwa in dem Beitrag von Weisser/Heymans/Keller-Stanislawski (in Bulletin zur Arzneimittelsicherheit Ausgabe 3 September 2015 S. 7 ff; dem folgend auch Senatsurteil vom 5. November 2020, L 10 VE 46/17 veröffentlicht in juris dort Rn 42 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung anderer Gerichte; LSG NRW Beschluss vom 18. Juli 2019, L 13 VJ 55/17 veröffentlicht in juris dort Rn 40) findet, unter Bezugnahme auf die Forschungsarbeiten von Professor Dr. S. von einer Induktion von Impfschäden durch dem Impfstoff als Adjuvantien beigegebene Aluminiumverbindungen ausgehen (dazu etwa auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. Dezember 2018, L 20 VJ 3/17 veröffentlicht in juris Rn 156 ff; Urteil vom 14. Mai 2019, L 15 VJ 9/17 veröffentlicht in juris). Der Senat hat sich insoweit in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 5. November 2020 a.a.O.) die Auffassung gebildet, dass dieser wissenschaftliche Standpunkt nicht der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entspricht, die er unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - wie oben dargelegt - bei der Entscheidung impfschadensrechtlicher Fragestellungen zu berücksichtigen hat. Aus der zitierten Übersichtsarbeit aus dem PEI von Weisser u.a. aus dem Jahr 2015 ergibt sich für den Senat - ebenso wie für die anderen zitierten Gerichte - nach wie vor, dass es kein Signal für aluminiumbedingte Toxizität nach Impfungen gibt. Hinsichtlich des Adjuvans Aluminiumhydroxid ist nach den STIKO-​Hinweisen vom Juni 2007 (Epidemiologisches Bulletin Nr. 25 Seite 232) die Aluminium-​Exposition im Vergleich zu derjenigen über Trinkwasser, Lebensmittel oder Medikamente gering und liegt deutlich unter der Menge, die täglich ein Leben lang ohne gesundheitsschädliche Wirkungen aufgenommen werden kann. Für die in den Blutkreislauf gelangten Mengen Aluminium aus Impfstoffen sei ein systemisches Toxizitätsrisiko auszuschließen. Impfbedingte neurologische Schadensvermutungen beim Menschen durch das Adjuvans Aluminium in Impfstoffen sind daher (bisher) reine Spekulation (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. März 2016, L 15 VJ 9/19, juris, Rn. 98; LSG Rheinland-​Pfalz, Urteil vom 12. Mai 2016, L 4 VJ 1/14, juris, Rn. 58 sowie LSG Baden-​Württemberg, Urteil vom 6. April 2017, L 6 VJ 1281/15, juris, Rn. 65; vgl. dazu auch die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Widmann-Mauz in BT Drs. 17/9678 S. 45 f, die auf in verschiedenen Ländern durchgeführte Studien zu dieser Fragestellung hinweist). Die vom PEI vorgenommene und im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit (Ausgabe 3, September 2015) veröffentlichte aktuelle Sicherheitsbewertung, die eine mögliche Verursachung von Impfschäden durch Aluminiumverbindungen als Adjuvantien in Impfstoffen zum Gegenstand hat, ist zu dem Ergebnis gekommen, aus klinischen Studien und aus der Spontanerfassung von Nebenwirkungen in Deutschland gebe es kein Signal zu aluminiumbedingter Toxizität von Impfungen.

Aus dieser Untersuchung ergibt sich im Übrigen auch, dass die Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, solange keine Impfschäden festgestellt würden, würden auch keine Studien gemacht, unzutreffend ist. Vielmehr werden ganz offensichtlich weltweit alle möglichen unerwünschten Auswirkungen von Impfungen erfasst und durch große Studien – auch nach der Zulassung der Impfstoffe - auf mögliche unerwünschte Wirkungen untersucht, wie es gerade auch für die hier angeschuldigten Impfstoffe erfolgt ist.

Das Gutachten von Dr. P. geht im Hinblick auf den konkreten Fall der Klägerin auch von falschen Voraussetzungen aus.

Zunächst legt er eine Diagnose zu Grunde, die von keinem der behandelnden Ärzte gestellt worden ist, wenn er ein sogenanntes ASIA Syndrom vermutet. Hierbei handelt es sich nach seinen eigenen Ausführungen (S. 21 des Gutachtens vom 5. März 2019) um eine Autoimmunerkrankung. Insoweit haben Dr. R. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11. Juni 2019 und Dr. Q. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2019 ausgeführt, bei allen Untersuchungen der Klägerin auf autoimmune Prozesse sowohl laborchemisch als auch bei der in Bochum durchgeführten Nervenbiopsie seien keine Hinweise für ein autoimmunes Geschehen gefunden worden. Die Ausführungen von Dr. P. auf S. 7 oben seines Gutachtens, wonach mehrheitlich von einem autoimmunen Geschehen ausgegangen werde, sind für den Senat daher nicht nachvollziehbar. Von daher kann es sich auch nicht um ein ASIA-Syndrom handeln. 

Auch die Behauptung von Dr. P. (S. 7 des Gutachtens), die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung müsse als Polyneuritis bezeichnet werden, findet in den dem Senat vorliegenden Unterlagen keine Stütze. Auch insoweit weist Dr. R. in ihrer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 11. Juni 2019 (Bl. 567 der Gerichtsakte) in Übereinstimmung mit den Ausführungen der behandelnden Ärzte darauf hin, bei der in J. durchgeführten Biopsie seien keine Hinweise auf eine Neuritis oder Vaskulitis gefunden worden. Dieser Hinweis ist auch von Dr. Q. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2019 (Bl. 605 der Gerichtsakte) wiederholt worden.

Diese beiden Mediziner haben auch den schon von Professor Dr. K. gegebenen Hinweis für den Senat überzeugend wiederholt, gegen das Vorliegen eines autoimmunen Geschehens spreche auch die Tatsache, dass bei der Klägerin vorwiegend axonale Strukturen geschädigt seien, wohingegen bei autoimmunen Geschehen vorwiegend die Myelinscheiden betroffen seien.

Sie haben weiter darauf hingewiesen, schon der Verlauf der Erkrankung spreche gegen ein autoimmunes Geschehen. Diese sei nämlich ohne kontinuierliche Medikamentengabe zum Stillstand gekommen.

Die Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die herrschende medizinische Lehrmeinung sei für den Senat bei seiner Entscheidung nicht beachtlich, widerspricht – wie bereits oben dargelegt - der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat nach eigener Überzeugungsbildung in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Urteil vom 28. Januar 2021, L 10 VE 11/16) folgt, ohne hierfür eine Begründung anzugeben.

Auch die Behauptung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die Sachverständigen hätten sich zu Unrecht mit Erkrankungen beschäftigt, die bei der Klägerin nicht vorlägen, ist für den Senat so nicht nachvollziehbar. Die vom Senat der Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverständigen sind – wie dargelegt – übereinstimmend und in Übereinstimmung mit den behandelnden Ärzten davon ausgegangen, bei der Klägerin sei kein GBS diagnostiziert worden. Sie haben dennoch geprüft, ob sich aus der wissenschaftlichen Literatur Anhaltspunkte für ein gehäuftes Auftreten von GBS im Zusammenhang mit den hier angeschuldigten Impfungen ergeben. Dies hat auch das PEI in seiner hier erstatteten Stellungnahme geprüft. Dem lag nach dem Verständnis des Senats nur zu Grunde, auch letzte Zweifel im Hinblick auf einen etwaigen Zusammenhang zwischen Impfung und der hier vorliegenden Erkrankung auszuschließen. Das GBS ist eine neurologische Erkrankung, die derjenigen, die bei der Klägerin vorliegt, jedenfalls ansatzweise nahekommt. Wenn sich Hinweise auf die Erhöhung des Risikos des Eintretens eines GBS im Zusammenhang mit den angeschuldigten Impfungen gezeigt hätten, wäre dies möglicherweise Anlass für weitere sachverständige Überlegungen gewesen, ob die Ähnlichkeit der Krankheitsbilder möglicherweise für einen Zusammenhang sprechen könnte.

Das Begehren der Klägerin hat auch in Anwendung von § 61 Satz 2 IfSG keinen Erfolg. Danach kann, wenn die zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 IfSG anerkannt werden (sog. Kann-Versorgung). Die Regelung entspricht der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG. Die dafür von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten folglich auch insoweit. Die wesentlichen medizinischen Maßstäbe zur Anwendung der Kann-Versorgung ergeben sich aus Teil C Nr. 4 der VMG.

Die Frage der Kausalitätsvoraussetzungen stellt sich für die Kann-Versorgung allerdings ebenso wie für einen Rechtsanspruch. Zwischen beiden bestehen bezüglich der Kausalität lediglich graduelle Unterschiede (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 1981, 9 RVi 5/80, veröffentlicht in juris, Rn. 27). Die Möglichkeit des Kausalzusammenhangs reicht auch im Rahmen des § 60 Abs. 1 S. 1 IfSG nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt. Die Verwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs - die so gut wie nie widerlegt werden kann - ausreichen zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, 9/9a RV 41/92, veröffentlicht in juris, dort Rn. 19). Zur Gewährung der Kann-Versorgung muss nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang bestehen, sondern nach wenigstens einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen Belastungen und der festgestellten Erkrankung sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern es muss vielmehr eine "gute Möglichkeit" bestehen, die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995, 9 RV 17/94, veröffentlicht in juris, Rn. 19).

Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. K. in seinen Gutachten vom 26. Februar 2010 und vom 6. Februar 2016 und Dr. Q. in seinem Gutachten vom 3. Juli 2018 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11. Oktober 2019 fehlt es vorliegend an wenigstens einer fundierten wissenschaftlichen Lehrmeinung, die die Wahrscheinlichkeit eines generellen Ursachenzusammenhangs vertritt. Insbesondere hat der Senat keinerlei statistische Erhebungen für einen derartigen Zusammenhang feststellen können.

Die gegenteilige Auffassung von Dr. P. vermag den Senat - wie oben dargelegt - nicht zu überzeugen. Impfbedingte neurologische Schadensvermutungen beim Menschen durch das Adjuvans Aluminium in Impfstoffen sind daher wie bereits ausgeführt (bisher) reine Spekulation (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. März 2016, L 15 VJ 9/19, juris, Rn. 98; LSG Rheinland-​Pfalz, Urteil vom 12. Mai 2016, L 4 VJ 1/14, juris, Rn. 58 sowie LSG Baden-​Württemberg, Urteil vom 6. April 2017, L 6 VJ 1281/15, juris, Rn. 65). Sowohl Dr. R. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11. Juni 2019 als auch Dr. Q. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2019 haben übereinstimmend darauf hingewiesen, die Forschungen von Prof. Dr. S., auf die sich Dr. P. zur Begründung seiner Auffassung bezieht, seien in der Fachwelt als Hypothesen eingestuft worden und könnten im Fall der Klägerin nicht dazu führen, die Voraussetzungen der Kann-Versorgung zu bejahen. Eine einzelne wissenschaftliche Meinung, Erklärung oder Arbeitshypothese reicht aber für die richterliche Überzeugungsbildung im Impfschadensprozess nicht aus (Roos a.a.O. S. 215).

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.

Anlass, die Revision in Anwendung von § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.

Rechtskraft
Aus
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