L 3 KA 89/17

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 61 KA 382/16
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 3 KA 89/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1.Die rückwirkende Erhöhung der Honorare für antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen (einschließlich der Einführung von Strukturzuschlägen nach den Gebührenordnungspositionen 35251 und 35252) mWv 2012 gilt auch für die ermächtigten Ambulanzen staatlich anerkannter Ausbildungsstätten für Psychotherapie (vgl BSG SozR 4-2500 § 117 Nr 7). 2.Nachzahlungsansprüche der Träger dieser Ausbildungsstätten können mangels rechtzeitiger Vorbehalte einer Nachforderung aber verwirkt sein.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. November 2017 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.929,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15. Dezember 2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 189.685 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit steht eine Nachvergütung ambulanter psychotherapeutischer Leistungen der Ambulanz einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte für Psychotherapie in den Quartalen I/2012 - III/2016 aufgrund wiederholter rückwirkender Änderung der Bewertung der antragspflichtigen Leistungen des Abschnitts 35.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) und Einführung eines sog Strukturzuschlags.

 

Der Kläger ist Träger einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte für Psychotherapie nach § 28 des Gesetzes über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz - PsychThG; im streitbefangenen Zeitraum: § 6 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten <Psychotherapeutengesetz - PsychThG aF>), deren Ambulanz zur ambulanten psychotherapeutischen Behandlung ermächtigt ist.

 

Für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 schlossen die anerkannten psychotherapeutischen Ausbildungsinstitute in Niedersachsen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen die „Vereinbarung gemäß § 120 Abs. 2 und 3 SGB V über die Vergütung der Leistungen der Ambulanzen an den Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG“ vom 28. Februar 2012 (im Folgenden: Vereinbarung). Nach § 4 S 1 der Vereinbarung erfolgt die Vergütung der erbrachten Leistungen „als Einzelleistungsvergütung gemäß EBM“. Die Höhe des Punktwertes wird in der Anl 1 zur Vereinbarung festgelegt (§ 4 S 2 der Vereinbarung), die im Streitzeitraum jeweils an die Anhebungen des Orientierungswertes angepasst wurde und in der zuletzt vereinbarten Neufassung (vom 16. Dezember 2013) auf die jeweils gültige regionale Euro-Gebührenordnung verweist. Gemäß § 7 Nr 5 der Vereinbarung ist „Die Abrechnung […] längstens innerhalb der auf das Leistungsquartal folgenden vier Quartale möglich. Für nach dieser Frist eingereichte Abrechnungen besteht kein Vergütungsanspruch.“

 

Auf der Grundlage dieser Vereinbarung rechnete der Kläger die in seiner Ausbildungsstätte in den Quartalen I/2012 - III/2016 erbrachten psychotherapeutischen Leistungen jeweils nach Quartalsende gegenüber der Beklagten ab. Über den form- und fristgerechten Eingang dieser Abrechnungen und die Höhe der daraus resultierenden Vergütung, die die Beklagte an den Kläger auch ausgezahlt hat, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

 

Am 22. September 2015 beschloss der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) rückwirkend zum 1. Januar 2012 Änderungen des Abschnitts 35.2 EBM (Antragspflichtige Leistungen). Neben einer Anhebung der (Punktzahl-)Bewertung der Gebührenordnungspositionen (GOP) des Abschnitts nahm der Ausschuss die GOPen 35251 und 35252 auf, die jeweils einen Zuschlag zu bestimmten psycho- und verhaltenstherapeutischen Einzel- (GOP 35251) bzw Gruppenbehandlungen (GOP 35252) vorsehen (sog Strukturzuschlag). Hinsichtlich der Berechnung des Zuschlags ergänzte er die Bestimmungen in der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM.

 

Im Februar 2016 führten die Arbeitsgemeinschaft der niedersächsischen Ausbildungsinstitute und die Krankenkassenverbände Verhandlungen darüber, ob und inwieweit die Änderungen des EBM im Rahmen der Vergütung der Leistungen der Ambulanzen der Ausbildungsstätten umzusetzen seien. Im Ergebnis wurde von Kassenseite lediglich eine Nachvergütung aufgrund der Erhöhung der Punktzahlen ab dem Quartal I/2015 akzeptiert. Für die Quartale I/2015 - III/2016 zahlte die Beklagte dem Kläger dementsprechend Nachvergütungen unter Berücksichtigung der erhöhten Punktzahlen.

 

Mit quartalsweise gesonderten Rechnungsschreiben vom 14. November 2016 (bei der Beklagten eingegangen am selben Tag) machte der Kläger gegenüber der Beklagten weitergehende Ansprüche auf Nachvergütung für die Quartale I/2012 - III/2016 iHv insgesamt 189.684,71 Euro geltend. Bei der Berechnung der Nachforderungen brachte er für die Quartale I/2012 - IV/2014 die vom EBewA beschlossenen höheren Punktzahlen der antragspflichtigen Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM in Ansatz. Außerdem setzte er für sämtliche der streitbefangenen Quartale den jeweiligen Strukturzuschlag hinzu. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Abrechnungen vom 14. November 2016 nebst Anlagen (Anlagenkonvolut K 4 und Anl K 5 <Bl 30 - 239 der Gerichtsakte>) verwiesen.

 

Die Beklagte lehnte insoweit eine Nachvergütung ab (Schreiben vom 8. Dezember 2016).

 

Am 5. Dezember 2016 hat der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage auf Zahlung einer Nachvergütung iHv insgesamt 189.684,71 Euro erhoben und dort geltend gemacht, dass die Anwendbarkeit der vom EBewA beschlossenen Punktzahlanhebungen auf die ermächtigten Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG dem Grunde nach auch von der Beklagten nicht infrage gestellt werde. Das zeige sich an der mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen vereinbarten rückwirkenden Anwendung der erhöhten Punktzahlen ab dem 1. Januar 2015. Dies entspreche auch der Vereinbarung, deren § 3 Nr 1 hinsichtlich Art, Inhalt und Umfang der abrechenbaren Leistungen eine dynamische Verweisung auf den jeweils aktuellen EBM enthalte.

 

Dass die Strukturzuschläge ebenfalls von den ermächtigten Ausbildungsstätten abgerechnet werden könnten, werde durch die Entscheidungserheblichen Gründe zum Beschluss des EBewA vom 22. September 2015 bestätigt. Darin werde hinsichtlich des Begriffs der „Vertragsärzte bzw. -therapeuten“, denen die Abrechnung der Zuschlags-GOP nach Nr 2 der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM vorbehalten sei, auf die Regelung in Nr 1.1 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM verwiesen. Damit seien auch die dort genannten „weiteren Leistungserbringer, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen“ erfasst, zu denen auch die ermächtigte Ambulanz an der Ausbildungsstätte des Klägers gehöre. Das entspreche zugleich der vertraglichen Regelung in § 3 Nr 1 der Vereinbarung, nach deren Inhalt sich die Berechnungsfähigkeit von Leistungen nach den Allgemeinen Bestimmungen A I Ziff 1 EBM richte. Demgegenüber würde die Nichteinbeziehung der ermächtigten Ambulanzen in die Zuschlagsregelung zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Benachteiligung der Ausbildungsstätten gegenüber den Vertragsarztpraxen führen. Nach gesetzlichen Vorgaben solle bei der Vergütung der Ambulanzen eine Abstimmung mit Entgelten für vergleichbare Leistungen erfolgen. Folgerichtig sei in Anl 1 der Vereinbarung zunächst stets ein Punktwert entsprechend der Euro-Gebührenordnung niedergelegt und sodann zum 1. April 2014 eine dynamische Verweisung auf die Euro-Gebührenordnung vereinbart worden; damit würden die Leistungen der Ambulanzen im Ergebnis mit dem identischen Euro-Betrag vergütet wie die Leistungen der Praxen. Das sei aber nicht mehr der Fall, wenn den Ambulanzen die Berechnung der Strukturzuschläge versagt bliebe. Überdies sei zu berücksichtigen, dass der überwiegende Anteil der Personalkosten an den Betriebsausgaben bei der Höherbewertung der genehmigungspflichtigen Leistungen ausgeklammert und stattdessen in die Zuschlags-GOP verlagert worden sei. Hierdurch sei die Anhebung der Punktzahlen für die genehmigungspflichtigen Leistungen deutlich geringer ausgefallen, und dies habe durch die Zuschläge gerade kompensiert werden sollen. Um zu vermeiden, dass die durch die punktzahlmäßige Bewertung der genehmigungspflichtigen Leistungen erreichte Absenkung der Betriebskosten ausgerechnet diejenigen Einrichtungen treffe, die den größten Personalkostenaufwand hätten, sei die Einbeziehung der Ambulanzen in die Zuschlagsregelung zwingend und folgerichtig.

 

Der Kläger habe auch die Mindestpunktzahl für die Abrechnung der Strukturzuschläge (sog „Schwellenwert“) erreicht. In diesem Zusammenhang sei allein auf ihn selbst als Inhaber der Ermächtigung und der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen gemäß den Psychotherapie-Vereinbarungen abzustellen, nicht aber auf die in seiner Ambulanz unter Supervision tätig gewordenen Ausbildungsteilnehmer.

 

Für den Fall, dass dem Gericht hinsichtlich der Strukturzuschläge eine andere Berechnungsart vorschwebe, werde diesbezüglich hilfsweise die Feststellung beantragt, dass die Beklagte dem Grunde nach zur Vergütung der vom Kläger erbrachten Leistungen mit dem Strukturzuschlag verpflichtet sei.

 

Den Ansprüchen für die Quartale I/2012 - IV/2014 könne auch nicht die Ausschlussregelung des § 7 Nr 5 der Vereinbarung entgegengehalten werden. Für die Einhaltung der dort geregelten Frist sei die jeweils zeitnahe, in der Regel unmittelbar nach Quartalsende erfolgte Abrechnung der Leistungen maßgebend, der naturgemäß nur die zum Abrechnungszeitpunkt gültige Fassung des EBM habe zugrunde gelegt werden können. Damit liege kein Fall einer fehlenden Quartalsabrechnung, um den § 7 Nr 5 der Vereinbarung kreise, vor. Die Anwendung der Regelung setze im Übrigen voraus, dass der Grund der Nachberechnung aus der Sphäre des Klägers stamme. Ein solcher Fall könne etwa angenommen werden, wenn Leistungen eines Ausbildungsteilnehmers in der Quartalsabrechnung zunächst völlig oder teilweise vergessen und nach mehr als vier Quartalen nachberechnet würden; darum gehe es hier aber nicht. Zudem sei auch der Zweck der Ausschlussregelung nicht betroffen. Diese solle verhindern, dass sich die Krankenkassen mit Forderungen aus der Vergangenheit beschäftigen müssten, deren tatsächlichen Hintergrund sie wegen Zeitablaufs kaum mehr überprüfen könnten. Vorliegend gehe es aber nur um die Neubewertung der den Kassen bekannten, ordnungs- und fristgemäß abgerechneten Leistungen aufgrund rückwirkend beschlossener Änderungen des EBM. Auf diese und vor allem auf deren verzögertes Inkrafttreten habe der Kläger weder dem Grunde noch der Höhe nach irgendeinen Einfluss gehabt.

 

Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass Beschlüsse des (E)BewA nicht automatisch im Verhältnis zwischen den Beteiligten Wirkung entfalteten; für eine Geltung solcher Beschlüsse habe es vielmehr einer vertraglichen Einigung bedurft. Hinsichtlich der Punktzahlanhebung hätten die Vertragsparteien am 25. Februar 2016 eine rückwirkende Anwendung ab dem 1. Januar 2015 vereinbart. Das sei auf der Grundlage des Schreibens der Arbeitsgemeinschaft der niedersächsischen Ausbildungsinstitute vom 14. Dezember 2015 geschehen und damit von § 7 Nr 5 der Vereinbarung gedeckt. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass eine Geltendmachung von Ansprüchen für länger zurückliegende Zeiträume vertraglich ausgeschlossen bzw verwirkt sei. Die Geltung der Regelungen über den Strukturzuschlag sei zwischen den Vertragspartnern nicht vereinbart worden. Diese Regelungen seien auch nicht auf die Ausbildungsstätten übertragbar, da es für die sich in Ausbildung befindlichen Psychotherapeuten keine individuellen Zulassungsbescheide und damit auch keinen individuell zuordenbaren Tätigkeitsumfang gebe, der zur Ermittlung des (für die Zuschlagsberechnung relevanten) individuellen Auslastungsgrades aber zwingend erforderlich sei. Zudem schreibe der Beschluss des EBewA vor, dass der Strukturzuschlag ausschließlich von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄV) im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung ermittelt und zugesetzt werde. Demgegenüber bestehe bei der unmittelbaren Abrechnung der Leistungen der Ausbildungsstätten gegenüber den Krankenkassen gar keine Möglichkeit zur unabhängigen Ermittlung der individuellen kassenübergreifenden Leistungsmengen. Die Ermittlung der auf den in Ausbildung befindlichen Therapeuten bezogenen Auslastung je Quartal und damit auch die Höhe der Strukturzuschläge wäre nur dem jeweiligen Institut möglich; das widerspreche dem Beschluss des EBewA. Da dieser Beschluss keine Übertragungsregelungen für die Abrechnung von Strukturzuschlägen auf andere Stellen als die KÄV enthalte, könne er nur so verstanden werden, dass die Anwendung der Strukturzuschläge auf die direkt abrechnenden psychotherapeutischen Ausbildungsstätten nicht gewollt sei. Bei den Ausbildungsstätten liege zudem eine andere Struktur vor, die mit einer psychotherapeutischen Einzelpraxis nicht vergleichbar sei. Damit sei eine Übertragung der Strukturzuschläge auf die Ausbildungsstätten auch gar nicht notwendig.

 

Mit Urteil vom 15. November 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit die Klage die Vergütung von Leistungen aus dem Zeitraum der Quartale I/2012 - III/2015 betreffe, könne sie bereits wegen Überschreitung der in § 7 Nr 5 der Vereinbarung niedergelegten Abrechnungsfrist keinen Erfolg haben. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung hätten zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung am 14. November 2016 allenfalls noch Leistungen aus dem Quartal IV/2015 in Rechnung gestellt werden können; für Leistungen in früheren Leistungsquartalen bestehe hingegen kein Vergütungsanspruch mehr. Der eindeutige Wortlaut lasse es nicht zu, die Regelung im Wege der Auslegung auf bestimmte Fallkonstellationen („vergessene Rechnungen“) zu beschränken. Die Klage sei auch insoweit unbegründet, als damit Nachvergütungsansprüche wegen der eingeführten Strukturzuschläge für die Quartale IV/2015 - III/2016 geltend gemacht würden. Zwar hätten die Vertragsparteien grundsätzlich die Geltung des EBM in der jeweils gültigen Fassung vereinbart. Daraus könne aber keine Abrechnungsfähigkeit der Strukturzuschlagsziffern abgeleitet werden. Die Abrechnung dieser Ziffern scheitere daran, dass diese nicht ohne weiteres vom Leistungserbringer selbst angesetzt werden könnten, sondern nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut „durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung zugesetzt und gemäß Nummer 4 der Präambel zum Abschnitt 35.2 bewertet“ würden. Damit werde der Anwendungsbereich der Zuschlagsziffern auf solche Leistungserbringer beschränkt, die gegenüber einer KÄV abrechneten. Die Vertragspartner der Vereinbarung hätten auch keine Regelung getroffen, die den Anwendungsbereich einzelner EBM-Ziffern über deren Wortlaut hinaus erweitert; damit bestehe eine Bindung an den Wortlaut des EBM.

 

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 22. November 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Dezember 2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt, mit der er zunächst in vollem Umfang an seinem erstinstanzlichen Begehren festgehalten und dazu seine bisherige Argumentation wiederholt und ergänzt hat.

 

Das SG habe verkannt, dass der Begriff der „Abrechnung“ in § 7 Nr 5 der Vereinbarung nicht eindeutig und damit auslegungsbedürftig sei. Darunter könne in einem engeren Sinne die Inrechnungstellung bestimmter Leistungen dem Grunde nach verstanden werden. Für ein solches Verständnis spreche, dass der Begriff der Abrechnung im System der GKV-Versorgung in diesem Sinne verwendet werde; so gehe es bei der Quartalsabrechnung im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung um die Abrechnung der im Quartal erbrachten Leistungen. Eine Nachberechnung hinsichtlich der Höhe der Vergütung werde demgegenüber gemeinhin nicht als geänderte oder ergänzte Abrechnung, sondern als Nachvergütungsverlangen bezeichnet. Dieses Verständnis werde durch eine systematische Auslegung der Klausel im Kontext der übrigen Regelungen des § 7 sowie durch eine entstehungsgeschichtliche Auslegung bestätigt. Dagegen spreche auch nicht die vom SG angeführte Rechts- und Kalkulationssicherheit. Der EBewA habe nach verstärkter Kritik an der Bewertung psychotherapeutischer Leistungen seit dem Jahr 2009 bereits am 18. Dezember 2013 eine Überprüfung der angemessenen Höhe der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen beschlossen. Dabei sei den Trägern des Ausschusses von Anfang an klar gewesen, dass es zu Höherbewertungen kommen würde. Die Krankenkassen hätten somit genügend Zeit für die Bildung von Rückstellungen für die zu erwartende Höherbewertung ab dem 1. Januar 2012 gehabt.

 

Die Interpretation des SG sei darüber hinaus in Bezug auf die Abrechenbarkeit der Strukturzuschläge rechtsfehlerhaft. Dazu verweist der Kläger auf das obiter dictum in einem im Lauf des Berufungsverfahrens ergangenen Urteil des Bundessozialgerichts (<BSG> vom 12. Dezember 2018 - B 6 KA 41/17 R, SozR 4-2500 § 117 Nr 7), mit dem seine Rechtsauffassung im Grundsatz bestätigt worden sei. Lediglich hinsichtlich der Höhe des Vergütungsanspruchs habe das BSG eine Einschränkung vorgenommen; danach dürfe der Strukturzuschlag je erbrachter Leistung für die Ausbildungsstätten nicht höher als bei einem voll ausgelasteten Psychotherapeuten festgesetzt werden. Daraus ergebe sich ein Zuschlag pro Leistung in Höhe des 0,5-fachen Punktwerts der jeweiligen Zuschlags-GOP. Soweit mit dem Beschluss des BewA vom 11. März 2016 für die Niederlassungspraxis ab dem 1. Juli 2016 eine Obergrenze für die Gewährung der Zuschlagspositionen eingeführt worden sei, greife diese „Deckelung“ im Rahmen der entsprechenden Anwendung der EBM-Regelungen auf die Ausbildungsstätten nicht.

 

Auf der Grundlage dieser Auffassung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 5. November 2019 aktualisierte Berechnungen der geltend gemachten Nachvergütungsansprüche (im Folgenden: Nachberechnungen 2019) vorgelegt und die Klageforderung unter teilweiser Klagerücknahme im Übrigen auf insgesamt 132.209,36 Euro beschränkt. Dabei macht er nunmehr für sämtliche streitbefangenen Quartale auch Nachforderungen aufgrund des in der 436. Sitzung des BewA (am 23. April 2019) gefassten Beschlusses geltend, aus dem sich ua abermals erhöhte Punktzahlen der antragspflichtigen Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM ergeben. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlagen zum Schriftsatz vom 5. November 2019 verwiesen (Anlagenkonvolut BK 5 <Bl 407 - 427 der Gerichtsakte>).

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. November 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 132.209,36 Euro nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

 

hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen,

 

1. an ihn 26.454,09 Euro nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen und

 

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die von ihm erbrachten genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen in den Quartalen I/2012 - III/2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts mit dem Strukturzuschlag (GOP 35251 und 35252 EBM) zu vergüten.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis für zutreffend.

 

Das BSG habe in seinem obiter dictum vom 12. Dezember 2018 trotz der Begrenzung auf den Faktor 0,5 nicht ausreichend berücksichtigt, dass anstatt einer neutralen Abrechnungsstelle, die zudem eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, der Leistungserbringer selbst seine Gesamtpunktzahl ermitteln müsste. Zwar gehe der EBM generell davon aus, dass die Abrechnung durch die KÄV erfolge. Bei der hier vorliegenden Regelung komme der KÄV als neutraler Abrechnungsstelle durch die Ermittlung der abgerechneten Gesamtpunktzahl aber ein anderes Gewicht zu; sie fungiere insoweit als Kontrollorgan. Das sei bei der Ermittlung der Strukturzuschläge aufgrund von Aspekten der Nachvollziehbarkeit und Transparenz wichtig und würde ansonsten komplett entfallen. Jedenfalls aber sei bei einer Abrechnungsfähigkeit des Strukturzuschlags durch den Kläger auch die durch den Beschluss des BewA vom 11. März 2016 festgelegte Obergrenze anwendbar. Das ergebe sich aus dem obiter dictum des BSG, wonach der Strukturzuschlag für die Ausbildungsinstitute nicht höher als bei einem voll ausgelasteten Psychotherapeuten festgesetzt werden dürfe. Insoweit seien die vorgelegten Abrechnungen nicht nachvollziehbar bzw unvollständig, da sich aus den Berechnungen eindeutig ergebe, dass die Vollauslastungsgrenze überschritten worden sei.

 

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

A. Gemäß §§ 33 Abs 1 S 2, 12 Abs 3 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet der Senat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Vertragsärzte und der Krankenkassen. Die Zuordnung von Streitigkeiten über Vergütungen nach § 117 Abs 2 bzw Abs 3 iVm § 120 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V <zu den hier anwendbaren Fassungen vgl im Folgenden>) zu den Angelegenheiten des Vertragsarztrechts iSd § 10 Abs 2 SGG ergibt sich unmittelbar aus § 10 Abs 2 S 2 Nr 3 SGG.

 

B. Die Berufung des Klägers ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Soweit Gegenstand der Klageforderung Nachvergütungen für das Quartal IV/2014 aufgrund rückwirkender Anhebung der Punktzahlen der Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM sowie für die Quartale IV/2014 - III/2016 aufgrund der Einführung der Strukturzuschläge ist, hat das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die weitergehende Klage hat jedoch keinen Erfolg.

 

I. Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

 

1. Nach teilweiser Klagerücknahme im Berufungsverfahren (Schriftsatz vom 5. November 2019) ist Streitgegenstand noch ein Vergütungsanspruch für die ambulante psychotherapeutische Behandlung von Versicherten der Beklagten in der Ambulanz der anerkannten Ausbildungsstätte des Klägers in den Quartalen I/2012 - III/2016 iHv insgesamt 132.209,36 Euro. Dabei stehen sich der Kläger als Träger der Ausbildungsstätte und die beklagte Krankenkasse im Gleichordnungsverhältnis gegenüber, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl dazu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 54 Rn 41 und Anhang § 54 Rn 4 mwN). Insbesondere haben die anerkannten niedersächsischen Ausbildungsinstitute, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen als hierfür zuständige Vertragspartner nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Festsetzung der Vergütung der Ambulanzen nach § 120 Abs 2 SGB V durch Verwaltungsakt zu vereinbaren (zu dieser Möglichkeit vgl BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 aaO). Die von ihnen getroffene Vereinbarung und die dazugehörige, im Streitzeitraum wiederholt geänderte Anl 1 (idFv 28. Februar 2012, 11. Dezember 2012, 29. August 2013 und 16. Dezember 2013) sehen eine derartige Befugnis der Krankenkassen nicht vor. Ein möglicher Vergütungsanspruch der Klägerin kann deshalb nur durch eine Leistungsklage realisiert werden (vgl BSG aaO).

 

Dementsprechend bedurfte es weder der Durchführung eines Vorverfahrens vor Erhebung der Klage noch war eine Klagefrist einzuhalten.

 

2. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren Nachvergütungsansprüche wegen der erneuten Änderung der Bewertung der antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM aufgrund des Beschlusses aus der 436. Sitzung des BewA (vom 23. April 2019) geltend macht, liegt darin keine Klageänderung iSv § 99 Abs 1 SGG. Denn an den erbachten antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM in den Quartalen I/2012 - III/2016 als Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Ansprüche herleitet, hat sich nichts geändert, sodass keine Änderung des Klagegrundes vorliegt (vgl dazu B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO, § 99 Rn 2b f mwN). Mit der zur Begründung der Ansprüche angeführten Neuregelung durch den BewA hat der Kläger lediglich seine bisherigen rechtlichen Ausführungen iSd § 99 Abs 3 Nr 1 SGG ergänzt und damit verbunden den Klageantrag in der Hauptsache erweitert (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG), was jeweils nicht als Änderung der Klage anzusehen ist.

 

II. Die Klage ist auch teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Nachvergütung für das Quartal IV/2014 iHv 2.016,56 Euro wegen der vom (E)BewA beschlossenen Änderung der Bewertung der antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM (Punktzahlanhebungen) sowie für die Quartale IV/2014 - III/2016 iHv insgesamt 46.912,79 Euro wegen der Einführung des Strukturzuschlags nach den GOP 35251 und 35252 EBM; insoweit ist auch der geltend gemachte Zinsanspruch begründet. Die darüber hinausgehende Klage ist unbegründet.

 

1. Gesetzliche Grundlage des vom Kläger geltend gemachten (Nach-)Vergütungsanspruchs ist § 117 Abs 2 S 3 (in der bis 22. Juli 2015 anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Modernisierungsgesetz - GMG> vom 14. November 2003, BGBl I S 2190) iVm § 120 Abs 2 bis 4 SGB V bzw § 117 Abs 3 S 2 und 3 (id vom 23. Juli bis 31. Dezember 2015 anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG> vom 16. Juli 2015, BGBl I S 1211) iVm § 120 Abs 2 S 1, 2 und 5, Abs 3 S 3 und 4, Abs 4 S 1 SGB V bzw § 117 Abs 3 S 2 und 3 (id ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung <Krankenhausstrukturgesetz - KHSG> vom 10. Dezember 2015, BGBl I S 2229) iVm § 120 Abs 2 S 1 und 2, Abs 3 S 2 und 3, Abs 4 S 1 SGB V. Danach ist die Vergütung von Ambulanzen an Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG aF, die zur ambulanten psychotherapeutischen Behandlung der Versicherten und der in § 75 Abs 3 SGB V genannten Personen in vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nach § 92 Abs 6a SGB V anerkannten Behandlungsverfahren ermächtigt sind, von den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG aF oder den sie vertretenden Vereinigungen im Land zu vereinbaren.

 

Die in Niedersachsen auf dieser Grundlage geschlossene und rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft getretene Vereinbarung vom 28. Februar 2012 enthält auszugsweise die folgenden Regelungen:

 

„§ 3

Leistungsinhalt und -umfang

 

            1.

Die Beschreibung der Leistungen der Ambulanzen nach Art, Inhalt und Umfang erfolgt durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) in Verbindung mit den Vertragsgebührenordnungen, dem Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (BMÄ) und der Ersatzkassengebührenordnung (E-GO) gemäß § 87 SGB V in der jeweils gültigen Fassung. Die Berechnungsfähigkeit von Leistungen richtet sich nach den Allgemeinen Be-stimmungen A I. Ziff. 1 EBM. …

 

2.

Leistungen, die nicht gemäß Abs. 1 definiert sind, sind nicht Gegenstand der Vereinbarung und begründen keinen Vergütungsanspruch.

 

§ 4

Vergütung

 

Die Vergütung der erbrachten Leistungen erfolgt als Einzelleistungsvergütung gemäß EBM. Die Höhe des Punktwertes wird in Anlage 1 zu dieser Vereinbarung festgelegt.

 

 

§ 7

Abrechnung

 

1. Die Abrechnung der erbrachten Leistungen im Sinne dieser Vereinbarung erfolgt quartalsweise gemäß der Vereinbarung nach § 120 Abs. 3 SGB V über Form und Inhalt der Abrechnungsunterlagen für die Einrichtungen nach §§ 117 bis 119 SGB V zu dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft in der jeweils gültigen Fassung. …

 

3. Die Papierabrechnung erfolgt mittels Original-Abrechnungsschein (Muster 5/6 der Vordruckvereinbarung) und der jeweiligen Vordrucke der Psychotherapie-Vereinbarung. Die Daten der Krankenversichertenkarte sind auf den Abrechnungsschein zu übertragen, die erbrachten EBM-Leistungen und der Tag der Leistungserbringung sind zu dokumentieren…

 

5. Die Abrechnung ist längstens innerhalb der auf das Leistungsquartal folgenden vier Quartale möglich. Für nach dieser Frist eingehende Abrechnungen besteht kein Vergütungsanspruch.“

 

2. Nach diesen Vorgaben geht der Kläger im Grundsatz zu Recht davon aus, dass rückwirkende Änderungen des EBM Nachvergütungsansprüche der Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG aF (nunmehr: § 28 PsychThG) begründen können.

 

a) Die Regelungen in § 3 Nr 1 und § 4 der Vereinbarung enthalten eine dynamische Verweisung auf den EBM in seiner jeweils geltenden Fassung. Für die erstgenannte, den Leistungsinhalt und -umfang betreffende Bestimmung ergibt sich dies bereits unmittelbar aus deren Wortlaut; für die Vergütungsregelung in § 4 der Vereinbarung kann im Ergebnis nichts anderes gelten.

 

Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG und der des erkennenden Senats in erster Linie auf den Wortlaut der vertraglichen Regelung abzustellen (vgl Senatsurteil vom 30. September 2020 - L 3 KA 39/17, juris mwN). Hintergrund ist, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten (bzw hier: an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG) und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe der Normgeber ist, ggf auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Die primäre Bindung an den Wortlaut folgt aber auch aus dem Gesamtkonzept des vertraglichen Regelwerks als eine abschließende Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung etwa durch einen Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse durch eine analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Regelungen ist nur dann, wenn der Wortlaut einer Regelung zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (vgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 - B 6 KA 39/15 R, SozR 4-5531 Nr 40100 Nr 1).

 

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann die Regelung in § 4 S 1 der Vereinbarung nur als dynamische Verweisung auf den EBM in seiner jeweils geltenden Fassung verstanden werden. Der Wortlaut der Regelung steht einem solchen Verständnis nicht entgegen; er schließt für sich genommen allerdings auch nicht aus, die Norm in dem Sinne zu interpretieren, dass lediglich eine zu einem bestimmten Zeitpunkt - insbesondere demjenigen der Normsetzung durch die Vertragsparteien im Februar 2012 - geltende Fassung des EBM Anwendung finden soll (sog statische Verweisung; vgl dazu auch BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 - B 6 KA 38/12 R, SozR 4-2500 § 135 Nr 20). Diese Auffassung vertritt sinngemäß die Beklagte, soweit sie annimmt, die Übertragung späterer Beschlüsse des BewA auf die Vergütung der Ausbildungsstätten bedürfe jeweils einer (gesonderten) vertraglichen Vereinbarung der Vertragspartner nach § 120 Abs 2 SGB V.

 

Schon der systematische Zusammenhang der Regelungen in §§ 3 und 4 S 1 der Vereinbarung spricht aber für eine Interpretation des § 4 S 1 im Sinne einer dynamischen Verweisung. Es ist kein Grund dafür ersichtlich und somit kaum anzunehmen, dass die Vertragspartner zwar - wie in § 3 ausdrücklich und unmissverständlich vereinbart - eine automatische Anpassung des Inhalts der Vereinbarung an spätere Änderungen des EBM hinsichtlich Art, Inhalt und Umfang der berechnungsfähigen Leistungen wollten, hinsichtlich der (Punktzahl-)Bewertung (§ 4 S 1) aber nicht. Gegen eine solche Absicht spricht schon der den Vertragspartnern bekannte Umstand, dass der EBM regelmäßig geänderten Verhältnissen angepasst wird (vgl BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 aaO). Gleichzeitig hatten die Vertragspartner die gesetzliche Soll-Vorgabe zu beachten, die Vergütung der Leistungen der Ambulanzen der Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG aF mit den Entgelten für vergleichbare Leistungen abzustimmen. Dies ergab sich zunächst aus der gemäß § 117 Abs 2 S 3 SGB V (idFd GMG) entsprechend anwendbaren Regelung zur Vergütung der Leistungen der Hochschulambulanzen in § 120 Abs 2 S 4 SGB V und ist mit dem GKV-VSG in § 117 Abs 3 S 2 SGB V unmittelbar für die Ausbildungsstätten normiert worden. Vor diesem Hintergrund zielt die von den Vertragspartnern in Niedersachsen getroffene Vereinbarung ersichtlich darauf ab, die in den Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG aF erbrachten Leistungen in etwa so zu vergüten wie vergleichbare Leistungen der niedergelassenen, zur Ausführung und Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen nach der Psychotherapie-Vereinbarung berechtigten Vertragsärzte und -therapeuten. Dieses Ziel konnte nur durch eine dynamische Verweisung auf den EBM in seiner jeweils geltenden Fassung erreicht werden (so auch BSG aaO zur wortgleichen Berliner Regelung).

 

Diesem Verständnis steht auch nicht entgegen, dass die Vertragspartner die Höhe des Punktwerts in der Anl 1 zur Vereinbarung zunächst befristet vereinbart und in der Folgezeit durch Neufassungen der Anl 1 wiederholt angepasst haben. Denn auch mit den Anpassungen sind sie letztlich den vom (E)BewA Anhebungen des Orientierungswertes gefolgt und haben schließlich in der letzten Neufassung der Anlage vom 16. Dezember 2013 auf die jeweils gültige regionale Euro-Gebührenordnung verwiesen. Diese Anpassungen haben sie nach dem Inhalt der Präambeln der Neufassungen vom 29. August 2013 und 16. Dezember 2013 jeweils unter Hinweis auf Beschlüsse des (E)BewA als „erforderlich“ angesehen. Damit belegt auch diese Entwicklung die Absicht der Vertragspartner, die Vergütung der Ausbildungsstätten der Höhe der Vergütung der niedergelassenen Vertragsärzte und -therapeuten entsprechend zu regeln.

 

Mit der danach vereinbarten dynamischen Verweisung sind mangels abweichender Regelung auch rückwirkende Änderungen des EBM in die Vereinbarung eingeschlossen. Daher können im Grundsatz auch die mit den Beschlüssen des (E)BewA vom 22. September 2015 (mit Wirkung zum 1. Januar 2012) und 23. April 2019 (mit Wirkung zum 1. Januar 2009) beschlossenen Änderungen der Bewertung der Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM (Punktzahlen) und - wie im Folgenden näher begründet - Regelungen zum Strukturzuschlag Anwendung finden.

 

b) Einem Anspruch des Klägers auf Nachvergütung steht für sich genommen auch nicht der Umstand entgegen, dass die in den streitbefangenen Quartalen erbrachten antragspflichtigen Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM ursprünglich anders, nämlich unter Zugrundelegung der zum jeweiligen Abrechnungszeitpunkt geltenden Fassung des EBM abgerechnet und bereits vergütet worden sind. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang anführt, sie habe die Rechnungen mit befreiender Wirkung beglichen, schließen diese Umstände allein keine nachträglich höhere Vergütung der Leistungen aus. Eine Rechtsgrundlage für einen solchen generellen Ausschluss einer Nachvergütung für bereits vergütete Leistungen haben die Vertragspartner in Niedersachsen nicht vereinbart, und dafür ist auch ansonsten keine Rechtsgrundlage ersichtlich.

 

3. Ein Nachvergütungsanspruch aufgrund der Änderung der Bewertung der antragspflichtigen Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM (Punktzahlerhöhung) steht dem Kläger aber lediglich für das Quartal IV/2014 zu. Für alle übrigen Quartale steht den in diesem Zusammenhang geltend gemachten Ansprüchen zwar nicht die Regelung in § 7 Nr 5 S 2 der Vereinbarung entgegen; die Ansprüche sind jedoch nach Treu und Glauben verwirkt.

 

a) Nach den oben bereits dargelegten Grundsätzen kommt es auch für die Auslegung von § 7 Nr 5 der Vereinbarung in erster Linie auf den Wortlaut der Vorschrift an. Entgegen der Ansicht des SG ist dieser Wortlaut aber nicht eindeutig, sondern er lässt für sich genommen mehrere Auslegungen zu.

 

Mit dem Wortlaut der Regelung wäre einerseits eine weite Auslegung der Vorschrift vereinbar: Mit „Abrechnung“ könnte jegliche Art der Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs (und damit auch eines Nachvergütungsanspruchs aufgrund rückwirkend geänderter Bewertung bereits vergüteter Leistungen) gemeint sein. Dem Kläger ist aber zuzustimmen, dass andererseits auch ein engeres Verständnis der Regelung vom Wortlaut der Norm gedeckt wäre, nämlich dahin, dass mit „Abrechnung“ nur die grundsätzliche (erstmalige) Abrechnung der einzelnen erbrachten Leistungen (idR im Rahmen der Quartalsabrechnung) gemeint ist, nicht aber auch spätere, allein die Höhe dieser bereits abgerechneten und ggf vergüteten Leistungen betreffende Nachberechnungen (sog Nachvergütungsverlangen).

 

Dementsprechend bedarf es einer Klarstellung des Inhalts der Regelung, die allerdings nicht anhand einer entstehungsgeschichtlichen Auslegung erfolgen kann. In diesem Zusammenhang führt der vom Kläger angeführte Verweis auf Regelungen in anderen regionalen Vergütungsvereinbarungen, im Arzt-/Ersatzkassen-Vertrag, im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beigeladenen zu 6. und in den Abrechnungsrichtlinien der KÄV Bremen nicht weiter, weil die historische Auslegung nur anhand von Dokumenten erfolgen kann, in denen die Urheber der Bestimmungen - hier also die Vertragspartner der niedersächsischen Vereinbarung - diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (vgl insoweit nochmals BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 aaO). Die Existenz derartiger Dokumente ist von den Beteiligten aber nicht dargelegt worden und für den Senat auch nicht ersichtlich.

 

Unter Berücksichtigung ihrer systematischen Stellung im Kontext der übrigen Regelungen des § 7 der Vereinbarung kann § 7 Nr 5 aber nur in dem vom Kläger favorisierten Sinne verstanden werden. Nach § 7 Nr 1 der Vereinbarung erfolgt die Abrechnung der erbrachten Leistungen iSd Vereinbarung quartalsweise mit dem dort (bzw in der in Bezug genommenen Vereinbarung des Beigeladenen zu 8. und der Deutschen Krankenhausgesellschaft nach § 120 Abs 3 SGB V über Form und Inhalt der Abrechnungsunterlagen für die Einrichtungen nach §§ 117 bis 119 SGB V) bestimmten Inhalt und in der dort bestimmten Form. § 7 Nr 3 der Vereinbarung enthält ergänzende Vorgaben über die Papierabrechnung mittels Original-Abrechnungsschein und Vordrucken der Psychotherapie-Vereinbarung; dabei sind ua erbrachte EBM-Leistungen und der Tag der Leistungserbringung zu dokumentieren.

 

Es liegt auf der Hand, dass diese Bestimmungen nur die erstmalige, regelmäßig in der Quartalsabrechnung erfolgende Abrechnung der erbrachten Leistungen betreffen. Mit dieser Abrechnung werden die erbrachten Leistungen mit den notwendigen (vor allem versichertenbezogenen) inhaltlichen Angaben abgerechnet und die erforderlichen Nachweise in der vereinbarten Form erbracht. Liegt eine diesen inhaltlichen und formellen Erfordernissen entsprechende Abrechnung bereits vor, so bedarf es im Rahmen eines Nachvergütungsverlangens in Bezug auf die abgerechneten Leistungen (etwa aufgrund eines Rechenfehlers, einer nachträglichen rückwirkenden Vereinbarung eines höheren Punktwerts oder einer rückwirkenden Anhebung der Bewertung der Leistungen durch den BewA) nicht erneut der vollständigen Angaben und Nachweise für die einzelnen Leistungen; etwa erforderliche Originalunterlagen („Original-Abrechnungsscheine“) könnten gar nicht vorgelegt werden, wenn sie bereits bei der Quartalsabrechnung eingereicht und nicht wieder zurückgegeben worden sind. Auf Nachvergütungsverlangen finden die in § 7 Nr 1 und 3 der Vereinbarung geregelten formellen und inhaltlichen Erfordernisse daher keine Anwendung. Dementsprechend wendet die Beklagte auch selbst nicht ein, dass die Rechnungen vom 14. November 2016 oder die Nachberechnungen 2019 nicht den nach diesen Bestimmungen erforderlichen Inhalt aufwiesen oder nicht der erforderlichen Form entsprächen.

 

Beschränken sich die Regelungen in § 7 Nr 1 und 3 der Vereinbarung danach eindeutig auf die erstmalige quartalsweise Abrechnung der erbrachten Leistungen (und nicht auch auf Nachvergütungsverlangen für dieselben, bereits abgerechneten Leistungen), kann Nr 5 der Vorschrift ebenfalls nur in diesem Sinne verstanden werden. Insoweit übereinstimmend mit dem Kläger hat die Beklagte hierzu selbst vorgetragen, dass die Regelung selbstverständlich den Sinn habe, „vergessene Rechnungen noch nachzumelden“. Wenn sie gleichzeitig einwendet, für einen länger als vier Quartale zurückliegenden Zeitraum könnten Forderungen wegen des Zeitablaufs ohnehin kaum noch überprüft werden, greift dieser Einwand jedenfalls nicht für den hier betroffenen Fall. Der Kläger weist insoweit zutreffend darauf hin, dass der Krankenkasse die Abrechnungsunterlagen bereits aufgrund der ursprünglichen Quartalsabrechnung innerhalb der Frist des § 7 Nr 5 der Vereinbarung zugegangen sind und vorliegen, sodass eine Prüfung der Richtigkeit der abgerechneten Leistungen dem Grunde nach innerhalb des genannten Zeitraums möglich war.

 

Bei einer Gesamtschau der Regelungen ist der Begriff der Abrechnung damit auch in § 7 Nr 5 der Vereinbarung so zu verstehen, dass damit allein die (nach Form und Inhalt ordnungsgemäße) erstmalige Abrechnung der erbrachten Leistungen - idR im Rahmen der Quartalsabrechnung - zu verstehen ist. Auf Nachvergütungsverlangen etwa infolge von Rechenfehlern oder rechtlichen Änderungen mit Auswirkung auf bereits abgerechnete und ggf vergütete Leistungen findet die Regelung demgegenüber von vornherein keine Anwendung.

 

b) Die Nachvergütungsansprüche des Klägers wegen der Punktzahlanhebungen für die Quartale I/2012 - III/2014 und I/2015 - III/2016 sind aber verwirkt.

 

Das im bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung ist grundsätzlich auch im Sozialrecht anerkannt (vgl dazu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 11. September 2019 - B 6 KA 13/18 R, SozR 4-2500 § 812 Nr 9; Urteil vom 10. Mai 2017 - B 6 KA 10/16 R, SozR 4-2500 § 120 Nr 5 jeweils mwN). Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.

 

Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf die Rechtsbeziehungen zwischen Ausbildungsstätte und Krankenkasse, auf die über § 69 Abs 1 S 3 SGB V auch der Rechtsgedanke des § 242 BGB einwirkt, ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Ihnen sind die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig, und in diesem Rahmen ist von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten. Insofern unterscheidet sich die vorliegende Konstellation nicht wesentlich von dem Fall eines Krankenhauses, das im Rahmen der stationären Behandlung der Versicherten auf vergleichbare Weise mit den Krankenkassen zusammenarbeitet (vgl dazu BSG, Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 10/19 R, SozR 4-2500 § 109 Nr 80 mwN).

 

Vor diesem Hintergrund wird in der Rechtsprechung des BSG die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses für die stationäre Behandlung eines Versicherten regelmäßig als Verwirkungsverhalten gewertet (vgl BSG aaO). Grundlage dafür ist der den Krankenhäusern bekannte Umstand, dass die Krankenkassen aufgrund des laufenden Ausgabenvolumens die Höhe ihrer Beiträge - grundsätzlich bezogen auf das Kalenderjahr - kalkulieren müssen. Weil sie dabei auf tragfähige Berechnungsgrundlagen angewiesen sind, müssen sie sich grundsätzlich auf die „Schlussrechnung“ eines Krankenhauses verlassen können. Das Krankenhaus verfügt für die Erteilung einer ordnungsgemäßen und verlässlichen Abrechnung umfassend über alle Informationen, die die stationäre Behandlung der Versicherten betreffen; es ist regelmäßig in der Lage, professionell korrekt abzurechnen und sich ggf stellende Abrechnungsprobleme zu erkennen (vgl zu alledem BSG aaO sowie BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 11/09 R, SozR 4-2500 § 109 Nr 19). Auch insoweit ist die vorliegende Konstellation mit derjenigen bei der Abrechnung stationärer Krankenhausleistungen vergleichbar, sodass es gerechtfertigt ist, die vom BSG entwickelten Grundsätze auf die Rechtsbeziehungen ermächtigter Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG aF (nunmehr § 28 PsychThG) zu übertragen (vgl im Übrigen auch BSG, Urteil vom 10. Mai 2017 aaO für den vertragsarztrechtlichen Bereich der ambulanten Krankenhausbehandlung).

 

Vorliegend steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass der Kläger die in den streitbefangenen Quartalen erbrachten Leistungen zunächst (idR unmittelbar nach Quartalsende) vorbehaltlos im Rahmen der regelmäßigen Quartalsabrechnungen abgerechnet hatte. Bei dieser Sachlage entsteht in der Regel im Anschluss an die vorbehaltlose Abrechnung der Ausbildungsstätte eine Vertrauensgrundlage, wenn die Ausbildungsstätte weder im gerade laufenden noch im nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse einen Nachvergütungsanspruch geltend macht (vgl BSG, Urteil vom 19. November 2019 aaO zur vorbehaltlosen Abrechnung eines Krankenhauses). Der Vertrauenstatbestand erwächst daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraut, dass die ermächtigte Ausbildungsstätte insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt. Hieran richtet sie ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nimmt, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und - im Kontext sonstiger streitiger Forderungen - dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen, insbesondere Rückstellungen zu bilden (vgl BSG aaO mwN).

 

Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt auch nicht entgegen, dass die späteren rückwirkenden Änderungen des EBM nicht seinem eigenen Verantwortungsbereich entstammen, weil sie zum Zeitpunkt der ursprünglichen Abrechnungen noch nicht bekannt waren und er - anders als die Krankenkassen - auch keinen Einfluss auf diese Änderungen hatte. Als Vertragspartner der niedersächsischen Vereinbarung war dem Kläger die Geltung des EBM für seine Vergütungsansprüche bekannt. Damit lag es in seinem unmittelbaren Interesse und war ihm auch möglich, die Diskussion in Fachkreisen sowie die Entwicklung der Rechtsprechung zur Angemessenheit der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen zu verfolgen. Der Kläger trägt auch selbst vor, dass der BewA nach verstärkter Kritik an der Bewertung psychotherapeutischer Leistungen seit dem Jahr 2009 bereits im Dezember 2013 eine Überprüfung der angemessenen Höhe der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen beschlossen habe. Die grundsätzliche Problematik war aber bereits Jahre zuvor bekannt, was sich etwa aus der Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 (B 6 Ka 9/07 R) in den vom Kläger selbst vorgelegten Entscheidungserheblichen Gründen zum Beschluss des EBewA vom 18. Dezember 2013 (Anlage BK 4) ergibt. Dass und ggf warum es ihm aber nicht möglich gewesen sein sollte, in der Folgezeit bis zur Beschlussfassung des (E)BewA Nachvergütungsansprüche zunächst einmal dem Grunde nach geltend zu machen oder sich solche im Hinblick darauf vorzubehalten, ist nicht ersichtlich und von ihm auch nicht dargelegt worden. Insoweit lag es gerade in seiner Hand, das Entstehen eines Vertrauenstatbestandes auf Seiten der Beklagten rechtzeitig zu verhindern. Das musste nicht in einer bestimmten Form geschehen, sodass es auch unschädlich wäre, wenn bei der elektronischen Abrechnung von Leistungen die Anbringung eines Vorbehalts gar nicht vorgesehen sein sollte. Ein Vorbehalt muss auch nicht zeitgleich mit der Abrechnung erfolgen, sondern ist noch nachträglich innerhalb des vorgenannten Zeitraums, mithin bis zum Ablauf des auf das Jahr der Abrechnung folgenden vollen Haushaltsjahrs möglich.

 

Für den Ausnahmefall eines ins Auge springenden Korrekturbedarfs hinsichtlich der ursprünglichen Abrechnungen des Klägers, der eine Berufung der Beklagten auf das Fehlen eines Vorbehalts in den Rechnungen des Klägers ausschließen und somit der Annahme einer Verwirkung entgegenstehen könnte (vgl dazu BSG, Urteil vom 19. November 2019 aaO), liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Kläger sieht seine ursprünglichen Rechnungen selbst nicht als von vornherein fehlerhaft an; alleiniger Gegenstand der von ihm geltend gemachten Nachvergütungsansprüche ist die Anhebung der Punktzahlen der erbrachten Leistungen und die nachträgliche Einführung des Strukturzuschlags.

 

Nach alledem steht dem Kläger lediglich für das Quartal IV/2014 ein Nachvergütungsanspruch wegen der Anhebung der Punktzahlen der erbrachten Leistungen des Abschnitts 35.2 EBM zu. Insoweit legt der Senat eine ursprünglich vorbehaltlose Abrechnung jeweils unmittelbar nach Quartalsende, mithin im Lauf des jeweiligen Folgequartals zugrunde; dem Hinweis einer solchen Annahme (Verfügung des Berichterstatters vom 2. Februar 2021) sind die Beteiligten nicht entgegengetreten. Bezogen auf das Quartal IV/2014 ist danach von einer vorbehaltlosen Abrechnung im Quartal I/2015 auszugehen, sodass die Beklagte noch bis zum Ende des nachfolgenden Haushaltsjahrs (2016) mit Nachforderungen rechnen musste. Demgegenüber waren die Ansprüche für sämtlich vorangegangenen Quartale bereits mit Ablauf der Jahre 2013 (Quartale I - III/2012), 2014 (Quartale IV/2012 - III/2013) bzw 2015 (Quartale IV/2013 - III/2014) und damit schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 5. Dezember 2016 verwirkt. Dasselbe gilt für die erst im November 2019 erfolgte Klageerweiterung hinsichtlich der Quartale I/2015 - III/2016; insoweit war Verwirkung bereits mit Ablauf der Jahre 2016 (Quartale I - III/2015) bzw 2017 (Quartale IV/2015 - III/2016) eingetreten.

 

c) Die Höhe des Nachvergütungsanspruchs für das Quartal IV/2014 ergibt sich aus der diesbezüglichen Nachberechnung 2019. Insoweit hat die Beklagte gegen die dortige Berechnung keine Einwendungen erhoben; eine Fehlerhaftigkeit der Berechnung, die der Senat sachlich und rechnerisch nachvollzogen hat, ist auch von Amts wegen nicht erkennbar.

 

4. Soweit die Klage auf eine Zahlung der Strukturzuschläge gerichtet ist, hat sie lediglich hinsichtlich der Quartale IV/2014 - III/2016 Erfolg; hinsichtlich der Quartale I/2012 - III/2014 ist sie demgegenüber unbegründet.

 

a) Der Kläger geht zutreffend davon aus, dass die dynamische Verweisung in § 4 der Vereinbarung auch den rückwirkend eingeführten Strukturzuschlag erfasst.

 

Hierfür spricht schon der Umstand, dass die im Strukturzuschlag enthaltenen Vergütungsbestandteile vor dessen Einführung in der Vergütung für die psychotherapeutischen Leistungen enthalten waren (vgl BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 aaO). Seit der Einführung des Strukturzuschlags fließen in die Bewertung der Leistungen nach den GOP 35200 ff EBM nur noch empirisch ermittelte Personalkosten ein. Den darüber hinausgehenden „fiktiven“ Personalkosten einer sozialversicherungspflichtigen Halbtagskraft wird in Form der Strukturzuschläge Rechnung getragen (vgl dazu im Einzelnen BSG, Urteil vom 11. Oktober 2017 - B 6 KA 37/17 R, SozR 4-2500 § 87 Nr 35, Rn 55 ff). Anspruch auf den Strukturzuschlag haben dabei nicht alle Psychotherapeuten (und Vertragsärzte), die Leistungen nach den GOP 35200 ff EBM erbringen, sondern nur solche, die bezogen auf diese GOP mehr als die Hälfte der in der Rechtsprechung des BSG definierten Vollauslastung (36 Therapieeinheiten à 50 Minuten an 43 Wochen im Jahr) erreichen. Dabei steigt die Höhe des Zuschlags je Leistung mit dem Grad der Auslastung des Leistungserbringers an. Eine volle Berücksichtigung der Kosten einer sozialversicherungspflichtigen Halbtagskraft erfolgt deshalb nur noch bei Psychotherapeuten, die die Vollauslastungsgrenze erreichen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 aaO).

 

Der Anwendbarkeit der Regelungen über den Strukturzuschlag auf die staatlich anerkannten Ausbildungsstätten für Psychotherapie steht nicht entgegen, dass der Ermächtigung dieser Einrichtungen überhaupt kein Versorgungsauftrag zugeordnet und folglich auch nicht definiert werden kann, in welchem Grad die jeweilige Ausbildungsstätte ihren Versorgungsauftrag ausschöpft. Der Umstand, dass die heute über den Strukturzuschlag gezahlten Vergütungsbestandteile vor der Einführung dieses Zuschlags noch in den GOP 35200 ff EBM enthalten und damit Teil der den Ausbildungsstätten zu leistenden Vergütung waren, spricht aber dafür, die Verweisung in § 4 der Vereinbarung auch auf den Zuschlag zu beziehen. Denn anderenfalls wäre das Ziel der Vertragspartner, die Leistungen der Ausbildungsstätten in etwa in der Höhe zu vergüten wie die Leistungen der Vertragsärzte und -therapeuten, nicht zu erreichen. Dass die mit der Verlagerung von Vergütungsbestandteilen in den Strukturzuschlag beabsichtigte Steuerungswirkung bei psychotherapeutischen Ausbildungsstätten nicht sinnvoll zu erreichen ist, spricht ebenfalls nicht dafür, die Ausbildungsstätten generell von dem Zuschlag auszunehmen, sondern dafür, ihnen diesen Vergütungsbestandteil auch weiterhin zukommen zu lassen (vgl auch insoweit BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 aaO).

 

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem nicht entgegen, dass der Zuschlag nach dem Wortlaut der Nr 4 der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM durch die KÄV „zugesetzt“ wird. Diesem Einwand hat das BSG im obiter dictum seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2018 (aaO) entgegengehalten, dass die jenem Verfahren zugrunde liegende wortgleiche Regelung in § 4 der Berliner Vereinbarung über die Vergütung der Leistungen der Ambulanzen an den Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG jedenfalls insoweit ganz offensichtlich nicht die unmittelbare, sondern nur eine entsprechende Anwendung des EBM regele. Der EBM gehe insgesamt davon aus, dass die dort bewerteten Leistungen durch die KÄV vergütet werden. Dem Umstand, dass Vertragspartner auf Landesebene auf Bestimmungen des EBM auch für Vergütungen Bezug nähmen, die direkt von den Krankenkassen an Leistungserbringer zu zahlen seien, habe der BewA bei der Formulierung des EBM erkennbar nicht Rechnung getragen und auch nicht Rechnung tragen können. Wenn die Verweisung in § 4 der Vereinbarung allein auf die nach dem EBM unmittelbar durch die Krankenkassen an Ärzte (bzw Ambulanzen der Ausbildungsstätten) zu zahlende Vergütung zu beziehen wäre, hätte die Regelung keinen Anwendungsbereich. Diesen überzeugenden Ausführungen, die gleichermaßen für die hier anwendbare niedersächsische Vereinbarung zutreffen, schließt sich der erkennende Senat an.

 

Der Senat teilt auch nicht die dagegen von der Beklagten noch erhobenen Bedenken, das BSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass anstelle einer neutralen Abrechnungsstelle - die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei und hinsichtlich des zu ermittelnden Wertes der abgerechneten Gesamtpunktzahl als Kontrollorgan fungiere - der Leistungserbringer selbst seine Gesamtpunktzahl ermitteln müsste. Die Überprüfbarkeit der Abrechnung kann insoweit ohne Weiteres dadurch gewährleistet werden, dass das Ausbildungsinstitut in der Abrechnung gegenüber der einzelnen Kasse jeweils auch die Anzahl der erbrachten Leistungen und daraus resultierenden Punktzahlen für alle anderen Kassen angibt. Dass das ohne unzumutbaren Aufwand möglich ist, belegen die Abrechnungen des Klägers vom 14. November 2016. Hierdurch wird es der Krankenkasse ermöglicht, im Bedarfsfall das Erreichen der Mindestpunktzahl und die Richtigkeit der Gesamtpunktzahl durch Rückfrage bei den übrigen Kassen zu überprüfen. Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht, weil es dafür keiner Übermittlung versichertenbezogener Daten bedarf. Es liegt zudem im Interesse aller betroffenen Kassen, die ihnen jeweils gestellte Abrechnung in Bezug auf die erreichte Gesamtpunktzahl überprüfen zu können und dafür die auf die einzelnen Kassen entfallenden Punktzahlen gegenseitig abzugleichen. Die sachliche Richtigkeit der Abrechnung in Bezug auf einzelne Behandlungsfälle kann jede Kasse für die eigenen Versicherten prüfen.

 

b) Der Kläger hat die Strukturzuschläge auch der Höhe nach zutreffend berechnet. Insoweit maßgebend sind die Nachberechnungen 2019, mit denen er seine ursprüngliche Berechnung infolge des obiter dictum des BSG im Urteil vom 12. Dezember 2018 (aaO) korrigiert hat.

 

aa) Der Kläger hat jeweils die Mindestpunktzahl gemäß Nr 2 der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM (ab dem Quartal IV/2013: 163.701 Punkte, vgl dazu Teil B Ziff 2 des Beschlusses des BewA in seiner 436. Sitzung vom 23. April 2019) abgerechnet.

 

Dabei kommt es nach der zutreffenden Auffassung des Klägers allein auf die Ambulanz seiner Ausbildungsstätte als solche und nicht auf den jeweiligen Anteil der dort unter Supervision tätig gewordenen Ausbildungsteilnehmer an. Denn nach Nr 2 der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM ist Voraussetzung für die Berechnung der Zuschlags-GOP die Abrechnung der genannten Mindestpunktzahl „je Vertragsarzt bzw. -therapeut“. Nach Nr 1.1 der Allgemeinen Bestimmungen (I.) des EBM gilt diese Regelung gleichermaßen ua für „weitere Leistungserbringer, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen“ und damit auch für die ermächtigten Ambulanzen der Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG (§§ 95 Abs 1 S 1 und Abs 4 S 1, 117 Abs 2 S 1 <idFd GMG> bzw § 117 Abs 3 S 1 SGB V <idFd GKV-VSG>). Die Ausbildungsteilnehmer sind demgegenüber keine Vertragsärzte bzw -therapeuten iSd Nr 2 der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM und auch keine anderen Leistungserbringer, auf die die Regelung Anwendung finden könnte.

 

bb) Bei der Berechnung des Strukturzuschlags hat der Kläger ferner zutreffend die Punktzahl der jeweils anwendbaren Zuschlags-GOP mit dem Faktor 0,5 multipliziert und die sich daraus ergebende Punktzahl als Zuschlag pro erbrachter Leistung in Ansatz gebracht.

 

Diese Berechnungsweise ergibt sich im Ansatz bereits aus dem obiter dictum des BSG im Urteil vom 12. Dezember 2018 (aaO), dem auch die Beklagte eine in der Entscheidung allerdings nicht ausdrücklich formulierte Begrenzung auf den Faktor 0,5 entnimmt. Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, dass der Strukturzuschlag im Rahmen der allein möglichen entsprechenden Anwendung der Regelungen des EBM auf Ausbildungsstätten pro erbrachter Leistung nicht höher als bei einem voll ausgelasteten Psychotherapeuten sein darf. Bereits ein Zuschlag in dieser Höhe gewährleistet, dass die Differenz zwischen den empirisch ermittelten, schon in der Bewertung der GOP 35200 - 35225 EBM berücksichtigten Personalkosten zu den „fiktiven“ Personalkosten, die bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einer Halbtagskraft entstehen, in vollem Umfang ausgeglichen werden (vgl BSG aaO, Rn 23).

 

In diesem Zusammenhang ist in den Entscheidungserheblichen Gründen zum Beschluss des (E)BewA vom 22. September 2015 (dort S 6) ausgeführt, dass die Zuschlags-GOP auf der Basis eines jährlichen Strukturzuschlages von 11.045 Euro vereinbart werden. Der Betrag ergibt sich aus der Differenz des (a) zum Zeitpunkt der Beschlussfassung angenommenen Betrages von 14.993 Euro für die Personalaufwendungen für eine Halbtagskraft gemäß Gehaltstarifvertrag für Medizinische Fachangestellte (Tätigkeitsgruppe II, 11. - 16. Berufsjahr, 13 Monatsgehälter) einschließlich Lohnnebenkosten und (b) der bereits in der Bewertung der GOP 35200 - 35225 EBM enthaltenen empirisch festgestellten Personalaufwendungen, deren Höhe der (E)BewA seinerzeit mit 3.948 Euro angenommen hat (vgl S 5 aE der Entscheidungserheblichen Gründe). Mit dieser Vergütungssystematik könne eine voll ausgelastete Praxis einen Honorarumsatz erzielen, der dem von Fachärzten im unteren Einkommensbereich entspreche und ihr zugleich die Beschäftigung einer Halbtagskraft gestatte.

 

Nach diesen Ausführungen des (E)BewA kann ein iSd sog Vollauslastungshypothese des BSG (vgl dazu etwa Urteil vom 11. Oktober 2017 aaO) voll ausgelasteter Vertragspsychotherapeut mit dem Strukturzuschlag einen Umsatz erzielen, der ungefähr der genannten Differenz entspricht. Liegen in seinem Fall die Grundvoraussetzungen für eine „Zusetzung“ vor (insbesondere: Erreichen der Mindestpunktzahl mit den GOP 35200 - 35225 EBM), hängt die exakte Höhe des Zuschlags im Einzelfall von der Art und Anzahl der Leistungen ab. Ein Vertragspsychotherapeut, der in 43 Wochen im Jahr jeweils 36 Therapiestunden von 50-minütiger Dauer (dh 1.548 Therapiestunden pro Jahr bzw 387 Therapiestunden pro Quartal) ausschließlich in Form von Einzeltherapien erbringt, wird einen Strukturzuschlag nicht exakt, aber dennoch ungefähr in derselben Höhe erhalten wie sein Kollege, der die Vollauslastung durch eine Mischung von Einzel- und Gruppentherapien erreicht. Das folgt bereits aus der unterschiedlichen Bewertung der Leistungen, die bei abweichender Zusammensetzung der Leistungen im genannten zeitlichen Gesamtumfang zu einer unterschiedlichen Gesamtpunktzahl führen kann. Von der Gesamtpunktzahl der GOP 35200 - 35225 EBM hängt aber wiederum die nach Nr 4 der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM zu bildende Quote ab, mit der die Bewertung der Zuschlags-GOP zu multiplizieren ist; diese Quote entspricht dem Faktor, den der Kläger mit 0,5 ansetzt.

 

Vor diesem Hintergrund kann die Begrenzung des Strukturzuschlags auf die Höhe des einem voll ausgelasteten Psychotherapeuten zu gewährenden Zuschlags im Rahmen der entsprechenden Anwendung bei der Vergütung der Ambulanzen der Ausbildungsstätten gemäß § 4 der Vereinbarung nur pauschalierend und typisierend in der Weise umgesetzt werden, dass die Berechnung auf der Basis der Bewertung der GOP 35200 EBM erfolgt. Diese Berechnungsweise entspricht auch dem Modell des (E)BewA zur Bewertung der antragspflichtigen Leistungen (vgl dazu etwa die Entscheidungserheblichen Gründe zum Beschluss vom 22. September 2015, S 5). Danach ergibt sich für die hier maßgebenden Quartale IV/2014 - III/2016 eine Gesamtpunktzahl von jeweils 327.402 Punkten (387 Therapiestunden x 846 Punkte).

 

Nach Nr 4 der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM in der bis einschließlich dem Quartal I/2016 geltenden Fassung ist die Bewertung der GOP 35251 und 35252 (und ab dem Quartal I/2015: 35253) EBM mit einer Quote zu multiplizieren, die sich aus (a) der Differenz der abgerechneten Gesamtpunktzahl der GOP 35200 - 35225 EBM des Vertragsarztes bzw -therapeuten zur Mindestpunktzahl gemäß Nr 2 im Verhältnis zur (b) abgerechneten Gesamtpunktzahl der GOP 35200 - 35225 des Vertragsarztes bzw -therapeuten ergibt und mindestens den Wert 0 annimmt. Für die Quartale IV/2014 - I/2016 ergibt sich danach exakt die Quote 0,5 (<327.402 Punkte - 163.701 Punkte> ./. 327.402). Dasselbe Ergebnis wird bei (entsprechender) Anwendung von Nr 4 Ziff 1 der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM in der ab dem Quartal II/2016 geltenden Fassung erzielt; dort ist die zuvor geltende Regelung für den vollausgelasteten Psychotherapeuten fortgeschrieben worden.

 

Mit dieser pauschalierten Berechnung wäre bei einem voll ausgelasteten Psychotherapeuten die Differenz zwischen den empirisch ermittelten Personalkosten und den „fiktiven“ Kosten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einer Halbtagskraft in vollem Umfang - aber auch nicht mehr - ausgeglichen, sodass es sachgerecht ist, diese Quote auch im Rahmen der entsprechenden Anwendung des Strukturzuschlags auf die Vergütung der Ausbildungsstätten anzuwenden. Demgegenüber ist die Regelung in Nr 4 Ziff 2 der Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM in der ab dem Quartal II/2016 geltenden Fassung im Rahmen der entsprechenden Anwendung nach § 4 der Vereinbarung nicht von Bedeutung, weil dort lediglich eine Obergrenze des Zuschlags für den (seltenen Sonderfall eines) Therapeuten normiert ist, der das Doppelte der Mindestpunktzahl - und damit im Ergebnis die Grenze der Vollauslastung - überschreitet. Für die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Strukturzuschlag auf die anerkannten Ausbildungsstätten für Psychotherapie maßgebend ist hingegen allein der typische Fall des voll ausgelasteten Psychotherapeuten, der das Doppelte der Mindestpunktzahl nach den vorstehenden Gründen gerade nicht überschreitet, sondern mehr oder weniger exakt erreicht.

 

Der Umstand, dass Psychotherapeuten bis zum Quartal I/2016 (und danach nur noch in geringem Umfang) theoretisch eine höhere Quote und damit einen höheren Strukturzuschlag je abgerechneter Leistung erreichen konnten, wenn sie die Vollauslastungsgrenze überschritten, steht der Begrenzung der Zuschlagsberechnung durch den Faktor 0,5 im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung der Regelungen des EBM nicht entgegen. In diesem Zusammenhang hat schon das BSG zu Recht darauf abgestellt, dass nur ein ganz geringer Anteil der niedergelassenen Therapeuten die Grenze der Vollauslastung überschreitet (Urteil vom 12. Dezember 2018 aaO). Dementsprechend ist schon nicht erkennbar, dass die Ausbildungsstätten aufgrund dieser Pauschalierung gegenüber den niedergelassenen Therapeuten in relevantem Umfang schlechter gestellt wären; das macht der Kläger auch selbst nicht geltend. Eine wortlautgetreue Übernahme der Berechnungsweise wäre auch insoweit nicht möglich, weil der Ermächtigung der Ambulanz einer Ausbildungsstätte kein voller oder halber Versorgungsauftrag zugeordnet und damit auch keine Überschreitung der Vollauslastungsgrenze festgestellt werden kann. Ohnehin muss die Vergütung der Ambulanzen der Ausbildungsstätten nicht exakt der Vergütung der zugelassenen Psychotherapeuten entsprechen; es soll nur eine Abstimmung mit Entgelten für vergleichbare Leistungen erfolgen, was durch die pauschalierte Berechnungsweise ausreichend gewährleistet ist.

 

Schließlich trifft auch die Auffassung des Klägers zu, dass der Strukturzuschlag je abgerechneter Leistung nach den GOP 35200 - 35225 EBM in Ansatz zu bringen ist. Auch insoweit ist die zum Quartal II/2016 eingeführte Obergrenze nicht von Bedeutung. Hieraus folgt gerade keine Besserstellung der Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG gegenüber den zugelassenen und vollausgelasteten Vertragsärzten und -therapeuten. In diesem Zusammenhang weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass bei der entsprechenden Anwendung der Strukturzuschlagsziffern von dem Vergleich der Vergütung pro erbrachter Leistung auszugehen ist. Dazu hat das BSG in seinem obiter dictum (aaO, Rn 22 f) ausgeführt, dass die Regelungen nicht in einer Weise auf die Ausbildungsstätten übertragen werden könnten, die den Ausbildungsstätten eine für niedergelassene (und voll ausgelastete) Psychotherapeuten nicht erreichbare Vergütung pro erbrachter Leistung vermitteln würde. Wie oben ausgeführt haben die Vertragspartner in Niedersachsen mit der Regelung in § 4 der Vereinbarung erkennbar das Ziel verfolgt, der gesetzgeberischen Vorgabe entsprechend den Ausbildungsstätten eine Vergütung in etwa in der Höhe zukommen zu lassen, wie sie auch sonst im ambulanten Bereich für entsprechende Leistungen bezahlt wird. Maßgebend ist damit nicht der absolute Betrag in Euro, den ein voll ausgelasteter Psychotherapeut durch den Strukturzuschlag erreichen kann; dieser wäre aus den oben dargelegten Gründen auch gar nicht einheitlich zu ermitteln. Entscheidend ist vielmehr die Höhe des Strukturzuschlags je abgerechneter Leistung, was auch in dem vom BSG (aaO) gezogenen Vergleich zum Ausdruck kommt.

 

Dieses Ergebnis ist ebenfalls aus dem bereits genannten Grunde sachgerecht, dass mit der Einführung des Strukturzuschlages die Herausnahme bestimmter Vergütungsbestandteile aus der Bewertung der GOP 35200 - 35225 EBM (Differenz zwischen den weiterhin in der Bewertung dieser Leistungen enthaltenen empirisch ermittelten Personalkosten zu den „fiktiven“ Personalkosten einer Halbtagskraft) ausgeglichen werden sollte. Vorher konnten die Ausbildungsstätten - die eine ganz andere Struktur als eine psychotherapeutische Praxis haben - ihrer personellen Ausstattung und der daraus folgenden Leistungsfähigkeit entsprechend Leistungen nach den GOP 35200 ff EBM erbringen und abrechnen, ohne dass dies durch eine Obergrenze (etwa den durchschnittlichen Umsatz eines voll ausgelasteten Psychotherapeuten) begrenzt gewesen wäre. Die Verlagerung der genannten Vergütungsbestandteile in die Strukturzuschläge kann daher nicht dazu führen, dass die Vergütung der einzelnen Leistung der Ausbildungsstätte sinkt, denn dann wäre das Ziel, den Ausbildungsstätten eine Vergütung ihrer Leistungen in etwa in der Höhe zuzugestehen, die auch im vertragsärztlichen und vertragspsychotherapeutischen Bereich gezahlt werden, nicht mehr erreichbar. Ein Sinken der Vergütung der Ausbildungsstätte pro erbrachter Leistung wäre aber zwangsläufig, wenn man ihr den Strukturzuschlag nicht wie bei dem vollausgelasteten niedergelassenen Psychotherapeuten je Leistung zugestehen, sondern diesen unabhängig von dem Umfang der erbrachten Leistungen auf die in den GOP 35200 ff EBM noch nicht berücksichtigten fiktiven Kosten einer Halbtagskraft beschränken würde. Denn es liegt auf der Hand, dass Ausbildungsstätten im Normalfall - so wie hier - ein Mehrfaches an Leistungen erbringen und abrechnen, als es einem niedergelassenen und vollausgelasteten Psychotherapeuten überhaupt möglich ist.

 

c) Den geltend gemachten Nachvergütungsansprüchen wegen der Strukturzuschläge für die Quartale I/2012 - III/2014 steht aber die zum Zeitpunkt ihrer Geltendmachung im Dezember 2016 bereits eingetretene Verwirkung entgegen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu 3. verwiesen.

 

d) Hinsichtlich der Quartale IV/2014 - III/2016 besteht demgegenüber ein Nachvergütungsanspruch wegen der Strukturzuschläge in der vom Kläger in den Nachberechnungen 2019 geltend gemachten Höhe.

 

Soweit die Beklagte einwendet, die Berechnungen seien nicht nachvollziehbar bzw unvollständig, weil sich daraus eine Überschreitung der Vollauslastungsgrenze ergebe und die Obergrenze (Deckelung) anzuwenden sei, trifft dieser Einwand aus den oben genannten Gründen nicht zu. Im Übrigen hat die Beklagte weder gegen die Nachberechnungen 2019 noch gegen die Anlagen zu den Rechnungen vom 14. November 2016, in denen die Anzahl der Leistungen nach den einzelnen GOP quartalsbezogen und getrennt nach Kassen aufgeführt ist, Einwendungen erhoben, und der Senat vermag auch von Amts wegen keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Berechnung zu erkennen.

 

5. Über die vom Kläger hilfsweise gestellten Anträge hatte der Senat nicht zu befinden. Der Hilfsantrag zu 1. betrifft die geltend gemachten Nachvergütungsansprüche wegen der Punktzahlerhöhungen und ist als Minus bereits im Hauptantrag enthalten, über den der Senat entschieden hat. Der Hilfsantrag zu 2. ist nur vorsorglich für den Fall gestellt worden, dass das Gericht der Berechnungsweise des Klägers in Bezug auf den Strukturzuschlag nicht folgen würde (vgl dazu Klagebegründung vom 5. Dezember 2016, S 12); dieser Fall ist aber nicht eingetreten.

 

6. Dem Kläger steht schließlich auch ein Anspruch auf Verzinsung der Nachvergütungsforderung zu, jedoch nicht - wie geltend gemacht - ab Rechtshängigkeit, sondern erst ab dem 15. Dezember 2016.

 

Für Nachzahlungen von Honorar an einer Ausbildungsstätte nach § 6 PsychThG aF besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Verzugs- bzw Prozesszinsen gemäß § 288 Abs 2, 291 BGB. Die Partner von Verträgen nach § 120 Abs 2 SGB V haben aber die Möglichkeit, Zinszahlungen zu vereinbaren (vgl BSG aaO). Von dieser Möglichkeit haben die Vertragspartner in Niedersachsen mit der Regelung in § 1 Abs 2 der Anl 1 zur Vereinbarung Gebrauch gemacht. In den im streitbefangenen Zeitraum gültigen Fassungen der Anlage hatte diese Vorschrift folgenden Wortlaut:

 

„Gemäß § 7 Abs. 3 der zugrundeliegenden Vereinbarung sind gestellte Rechnungen binnen 30 Tagen nach Eingang der Abrechnungsunterlagen zu begleichen. Beginnend mit dem 31. Tag ist die offenstehende Forderung mit 5% Zinsen über dem Basiszinssatz zu verzinsen.“

 

Dabei enthält S 1 dieser Regelung insofern eine offenbare Unrichtigkeit, als sich die dort wiedergegebene (Fälligkeits-)Regelung nicht in § 7 Abs 3 (bzw Nr 3), sondern tatsächlich in § 7 Nr 4 der Vereinbarung findet. Im Gegensatz zu den Regelungen in § 7 Nr 1, 3 und 5 der Vereinbarung ist der Anwendungsbereich der Vorschrift in § 1 Abs 2 der Anl 1 zur Vereinbarung auch nicht auf eine Verzinsung offener (bzw fälliger) Forderungen aus der erstmaligen Abrechnung erbrachter Leistungen beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf Forderungen aus jeglichen „gestellten Rechnungen“, mithin auch aus Nachvergütungsverlangen.

 

Bei einem von der Beklagten mitgeteilten Eingang der Rechnungen am 14. November 2016 sind Zinsen ab dem 15. Dezember 2016 (und nicht bereits ab Rechtshängigkeit) zu zahlen. Daran ändert die spätere Vorlage der Nachberechnungen 2019 nichts, weil damit keine höheren, sondern im Ergebnis geringere Nachvergütungsansprüche geltend gemacht worden sind.

 

Angesichts der üblichen Regelungen zur Verzinsung von Geldforderungen haben die Vertragspartner die Höhe der Zinsen allerdings offenbar unrichtig bezeichnet. Gemeint sind 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, wie es der Kläger geltend macht und wogegen die Beklagte auch keine Einwendungen erhoben hat.

 

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm §§ 155 Abs 1 S 1 und Abs 2, 154 Abs 3, 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen.

 

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 3 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Maßgebend bleibt insoweit die bei Einlegung der Berufung noch geltend gemachte (ursprüngliche) Höhe der Klageforderung.

Rechtskraft
Aus
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