S 44 AY 77/19

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Osnabrück (NSB)
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Osnabrück (NSB)
Aktenzeichen
S 44 AY 77/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Die Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG nach Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Abweisung eines Asylantrags als unzulässig, wegen Zuständigkeit eines anderen Staats für die Durchführung des Asylverfahrens) ist dem Grunde nach nicht verfassungswidrig (Bestätigung von: SG Osnabrück, Beschluss vom 27.01.2020, S 44 AY 76/19 ER). 2. Eine Übertragung der Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zum fehlenden Nachweis der Eignung höherer Sanktionen zum Zweck der Wiedereingliederung in Arbeit im SGB II in seiner Entscheidung vom 05.11.2019 (1 BvL 7/16) auf § 1a AsylbLG ist nicht möglich, da eine Beschränkung der Höhe der Leistungsminderung auf 30% weder durch Auslegung noch durch Rechtsfortbildung möglich ist (Bestätigung von: SG Osnabrück, Beschluss vom 27.01.2020, S 44 AY 76/19 ER; andere Ansicht: Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.03.2021, L 8 AY 8/20 B ER). 3. Auch wegen der Höhe der Leistungsbeschränkungen i.H.v. ca. 50% der Regelleistungen ist eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht geboten (Bestätigung von: SG Osnabrück, Urteil vom 11.06.2019, S 44 AY 14/17). Etwas Anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des BVerfG vom 05.11.2019 (1 BvL 7/16).

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit dem vorliegenden Verfahren gegen eine Absenkung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nach § 1a AsylbLG für die Zeit vom 13.09.2019 bis 22.03.2020.

Der Kläger ist sudanesischer Staatsangehörigkeit. Er reiste nach seinen Angaben am 27.08.2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 28.08.2019 einen Antrag auf Asyl. In einer ersten Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger an, dass er den Sudan am 30.03.2017 verlassen habe. Er sei über Ägypten, Libyen, Italien und Frankreich nach Deutschland gekommen. In einer zweiten Anhörung beim Bundesamt bestätigte der Kläger auf Vorhalt, dass er in Frankreich bereits einen Asylantrag gestellt habe. Dieser datiert laut Bundesamt vom 23.06.2017. Mit Bescheid vom 27.09.2019 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Gewährung von Asyl als unzulässig ab. Zudem wurde festgestellt, dass Abschiebehindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht bestünden. Die Abschiebung nach Frankreich wurde angeordnet. Der Antrag auf Gewährung von Asyl sei nach § 29a Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) unzulässig, da Frankreich wegen des dort gestellten Asylantrags für das Asylverfahren zuständig sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück (5 A 903/19).

Mit Bescheid vom 04.09.2019 gewährte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach §§ 3, 3a i.V.m. § 1 AsylbLG für die Zeit „ab dem 28.08.2019“. Mit Bescheid vom gleichen Tag, dem 04.09.2019, änderte die Beklagte die Leistungsgewährung „für die Zeit vom 01.09.2019 bis 31.12.2019“ ab. Ein weiterer Änderungsbescheid für die gleiche Zeit erging am 27.09.2019.

Mit Bescheid vom 14.10.2019 änderte die Beklagte die Leistungsgewährung für die Zeit „ab dem 13.10.2019“ (bis zur tatsächlichen Ausreise) erneut ab und gewährte nunmehr lediglich Leistungen unter Berücksichtigung einer Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG auf die Leistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Körper- und Gesundheitspflege. Die Leistungseinschränkung stützte die Beklagte auf § 1a Abs. 7 AsylbLG. Der Kläger habe die Tatsache der Asylantragstellung in Frankreich nicht widerlegen können. Die Kürzung gelte zunächst für sechs Monate.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 14.11.2019 Widerspruch ein. Eine Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG sei nach Rechtsprechung des BSG nur bei individuellem Fehlverhalten möglich (Urteil vom 12.05.2017, B 7 AY 1/16 R). Es liege nicht in seiner Hand, wieder ungekürzte Leistungen zu erhalten. § 1a Abs. 7 AsylbLG knüpfe nicht an ein Fehlverhalten an, weshalb die Absenkung verfassungsrechtlich nicht in Betracht kommen dürfte. Die Vorschrift sei migrationspolitisch motiviert, was nach Rechtsprechung des BVerfG nicht hinnehmbar sei (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10 u.a.).

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2019 zurück.

Am 10.12.2019 hat sich der Kläger mit dem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz an das Gericht gewandt (S 44 AY 76/19 ER) und Klage erhoben. Leistungskürzungen oberhalb von 30% seien verfassungsrechtlich nicht zulässig. Insoweit beruft sich der Kläger ergänzend auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 04.12.2019, L 8 AY 36/19 B ER), wonach unklar sei, ob § 1a AsylbLG mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sei. Außerdem könne ihm kein Vorwurf gemacht werden, da er bei der Einreise nach Deutschland von den europarechtlichen Zuständigkeitsregelungen keine Kenntnis gehabt habe. Hierüber sei er erst bei Antragstellung informiert worden. Zunächst hat der Kläger vorgetragen, dass Bundesamt habe eine Abschiebung nach Frankreich angeordnet, nun trägt er vor, es sei eine Abschiebung nach Italien angeordnet worden, so dass der Bescheid des Bundesamtes bereits deshalb rechtswidrig sei. Entgegen dieser Anordnung solle er nun nach Ansicht der Beklagten freiwillig nach Frankreich ausreisen.

Mit Beschluss vom 27.01.2020 hat die Kammer den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt (S 44 AY 76/19 ER). Dagegen hat die Klägerseite Beschwerde zum LSG Niedersachsen-Bremen erhoben (L 8 AY 17/20 B ER).

Mit Bescheid vom 03.04.2020 hat die Beklagte die Leistungseinschränkung für die Zeit ab dem 23.03.2020 aufgehoben und mit Bescheid vom 02.04.2020 bereits erneut ungekürzte Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG gewährt (für die Zeit vom 23.03.2020 bis 31.12.2020). Die Entscheidung erfolge nicht aufgrund des Widerspruchs des Klägers oder seine Beschwerde gegen den Beschluss im Eilrechtsschutzverfahrens, sondern weil wegen der Corona-Pandemie die Überstellungen im Dublin-Verfahren derzeit ausgesetzt seien.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

1.     den Bescheid vom 14.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2019 in der Form des Aufhebungsbescheids vom 03.04.2020 und des Bewilligungsbescheids vom 02.04.2020 aufzuheben,

2.     die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 01.01.2020 bis 22.03.2020 ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren.

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide für rechtmäßig. Sie hat im einstweiligen Rechtsschutz wie folgt vorgetragen: Die Regelung des § 1a Abs. 7 AsylbLG sei nicht verfassungswidrig. Die Vorschrift sei mit § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG vergleichbar, in dem der Person bereits in einem anderen Land der Europäischen Union internationaler Schutz gewährt worden sei. Bei dieser Vorschrift bestünden nach Entscheidungen des Bayrischen LSG vom 08.07.2019 (L 8 AY 21/19 B ER) und des LSG Baden-Württemberg vom 14.05.2019 (L 7 AY 116/19) keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese Überlegungen seien auf den neu eingeführten § 1a Abs. 7 AsylbLG übertragbar.

Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.

Ergänzend wird auf die Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt in dem für die Entscheidung notwendigen Umfang hinreichend geklärt ist und die Beteiligten zu dieser Vorgehensweise angehört worden sind, § 105 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die angegriffenen Bescheide erweisen sich nicht als rechtswidrig und beschweren den Kläger damit nicht. Die Voraussetzungen des § 1a AsylbLG lagen für die Zeit vom 13.10.2019 bis 22.03.2020 vor (dazu unter 1). Etwas Anderes ergibt sich nicht aus verfassungsrechtlichen Überlegungen (dazu unter 2). Eine Vorlage nach Art. 100 Grundgesetz (GG) war nicht geboten (dazu unter 3).

1.
Die Voraussetzungen des § 1a AsylbLG liegen hier vor.

Nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG in der Fassung vom 15.08.2019 (gültig ab 01.09.2019) erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Verbindung mit § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde und für die eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative AsylG angeordnet wurde, nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist. Nach Satz 2 gilt Satz 1 nicht, sofern ein Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet hat. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG haben Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, für die ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen, ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG, es sei denn, die Ausreise konnte aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden. Ihnen werden bis zu ihrer Ausreise oder der Durchführung ihrer Abschiebung nach Satz 2 der Vorschrift nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt. Nur soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, können ihnen nach Satz 3 auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gewährt werden.

Die Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG liegen hier vor. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt und sich dabei vorrangig auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gestützt. Ein Asylantrag ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der EUVO 604/2013 oder auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Vorschrift hat das Bundesamt im Bescheid vom 27.09.2019 als erfüllt angesehen. Die Entscheidung des Bundesamts hat im Hinblick auf die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG Tatbestandswirkung.

Die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts bindet grundsätzlich alle staatlichen Behörden und Gerichte. Die Bindung bezieht sich darauf, dass es einen Verwaltungsakt gibt und auf den Tenor, also die Regelung des § 31 SGB X bzw. § 35 VwVfG (siehe dazu etwa: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 23.11.2015, 1 ZB 15.1978, Rn. 4; von Alemann/Scheffczyk in: BeckOK VwVfG, § 35 Rn. 66; so im Ergebnis auch: Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.02.2004, XII ZR 301/01; daran anschließend: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24.06.2008, B 12 KR 29/07 R, Rn. 11). Diese Regelung geht nach Ansicht der Kammer hier über die explizite Angabe im Tenor des Bescheids des Bundesamts hinaus. Das Bundesamt hat den Bescheid zwar explizit nur als unzulässig und nicht als „unzulässig i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG“ abgelehnt. Insoweit kann aber auf die Entscheidungsgründe zurückgegriffen werden. Die Begründung eines Bescheides kann zur Auslegung des Tenors herangezogen werden (BSG, Urteil vom 29.01.1997, 11 RAr 43/96, Rn. 15 zur Bestimmtheit nach § 33 SGB X).

Dementsprechend ist für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „deren Asylantrag durch eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde“ keine Feststellungswirkung des Bescheids des Bundesamts notwendig. Im Fall der Feststellungswirkung werden andere staatliche Stellen auch an die tatsächlichen Feststellungen zu den der eigentlichen Entscheidung vorausliegende Elemente gebunden (Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.11.2015, 1 ZB 15.1978, Rn. 4), hier also etwa die Antragstellung in Frankreich. Eine solche Feststellungswirkung muss aber im materiellen Recht angeordnet sein. Sie muss sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ergeben (BVerwG, Urteil vom 27.06.1984, 6 C 78/82, Rn. 16). Dies ist hier nicht der Fall. Da sich die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unter Heranziehung der Entscheidungsgründe des Bescheids aber schon aus dem Tenor der Entscheidung ergibt, bedarf es einer solchen Feststellungswirkung hier nicht.

Darüber hinaus ist Frankreich im vorliegenden Fall für die Durchführung des Asylverfahrens auch tatsächlich zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 EUVO 604/2013. Selbst wenn keine Tatbestandswirkung vorläge, wäre die entsprechende Voraussetzung des § 1a Abs. 7 AsylbLG also erfüllt. Die Abschiebung nach Frankreich wurde im Bescheid vom 27.09.2019 angeordnet. Eine Abschiebung nach Italien ist nicht genannt. Der französische Staat hat Überstellung zugestimmt, Bl. 54 der VA. Die Überstellungsfrist lief bis zum 26.03.2020 (Bl. 49 der VA).

Nach der Vorschrift des § 1a Abs. 7 AsylbLG ist zudem nicht entscheidend, dass gegen diesen Bescheid noch ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geführt wird/wurde. Die Vorschrift setzt nach ihrem Tatbestand zudem kein Fehlverhalten voraus.

2.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht aus verfassungsrechtlichen Überlegungen.

Das „Ob“ der Leistungskürzung ist nach Ansicht der Kammer nicht verfassungswidrig (dazu unter a). Bezüglich der Höhe der Leistungskürzung sieht die Kammer den Wortlaut als eindeutig an, so dass eine verfassungskonforme Auslegung ausscheidet. Auch darüber hinaus ist eine Übertragung der Überlegungen des BVerfG aus der Entscheidung des BVerfG vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16 nach Ansicht der Kammer nicht möglich (dazu unter b).

a)
Die Kammer sieht die Leistungskürzung dem Grunde nach nicht als verfassungswidrig an.

Nach Ansicht der Kammer ist es nicht grundsätzlich verfassungswidrig, Anreize zur (freiwilligen) Ausreise auch während des noch laufenden Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht zu setzen (SG Osnabrück, Beschluss vom 03.12.2019, S 44 AY 62/19 ER; SG Osnabrück, Beschluss vom 13.01.2019, S 44 AY 64/19 ER). Eine unterlassene freiwillige Ausreise stellt zwar nach bisheriger Rechtsprechung des BSG kein rechtsmissbräuchliches Verhalten i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG dar (dazu: BSG, Urteil vom 17.06.2008, B 8/9b AY 1/07 R, Rn. 35). Der Gesetzgeber ist aber grundsätzlich frei darin, dies zukünftig anders zu bewerten. Dabei hat er nur die Grenzen der Verfassung zu beachten, hier insbesondere das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

Diese Überlegungen sind nach Ansicht der Kammer mit der Entscheidung des BVerfG vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10 u.a.) vereinbar. Nach dieser Entscheidung können migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, Rn. 95). In der zitierten Entscheidung ging es um die allgemeine Bemessung des Regelbedarfs. Nur für diesen Bereich sind diese Aussagen des Bundesverfassungsgerichts nach Ansicht der Kammer entscheidend. Bei der Leistungsgewährung unter Berücksichtigung einer Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG handelt es sich aber gerade nicht um eine regelhafte Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG. Die Regelsätze werden also nicht allgemein niedrig gehalten, um Wanderbewegungen zu verhindern, sondern es wird auf eine konkret-individuelle Sachverhalte reagiert (siehe dazu auch: Janda in: info also 2020, 103, 107). Dabei hat die Vorschrift sicherlich die Verhinderung und Minimierung von Sekundärmigration im Blick. Ein Gegensteuern gegen Sekundärmigration, also eine leistungsrechtliche Flankierung der ausländerrechtlichen Regelungen und der daraus resultierenden Entscheidung, hält die Kammer – zumindest bei einem vorwerfbaren Verhalten des Leistungsempfängers – aber für verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen (insoweit andere Ansicht: Janda in: info also 2020, 103, 107).

Dem Kläger wäre es nach Ansicht der Kammer bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie möglich und zumutbar gewesen, nach Frankreich zurückzukehren. Insoweit ist – im Gegensatz zur Lage in Griechenland – auch kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu befürchten (dazu: SG Osnabrück, Beschluss vom 03.12.2019, S 44 AY 62/19 ER). Die fehlende Ausreise ist dem Kläger auch grundsätzlich vorwerfbar. Er gibt selbst an, dass er von der fehlenden Zuständigkeit der Bundesrepublik bei der Asylantragstellung erfahren hat. Für sein Asylverfahren ist nach der sog. Dublin-III-VO ein anderer Staat zuständig. Es handelt sich zudem um einen Zustand, den der Kläger ändern könnte (darauf abstellend: Siefert in: Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1a, Rn. 8).

b)
Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht aus der Entscheidung des BVerfG vom 05.11.2019 (1 BvL 7/16).

Mit der zitierten Entscheidung (Urteil vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16) hat das BVerfG die Vorschriften des SGB II, die für Personen nach Vollendung des 25. Lebensjahres Sanktionen in Höhe von mehr als 30% des Regelsatzes anordneten (§ 31a Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB II) für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Diese Entscheidung kann das Gericht wegen des Verwerfungsmonopols des Art. 100 GG nicht auf § 1a AsylbLG übertragen. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 1a AsylbLG scheitert am eindeutigen Wortlaut der Vorschrift (dazu unter aa). Eine anderweitige Übertragung der verfassungsrechtlichen Wertungen des BVerfG ist ebenfalls nicht möglich. Eine analoge Anwendung der vom BVerfG angeordneten Übergangsregelung scheidet ebenso aus, wie eine Erweiterung der Wirkungen der Entscheidung des BVerfG nach § 31 Abs. 2 BVerfGG auf den vorliegenden Fall. Auch eine teleologische Reduktion des § 1a AsylbLG ist nicht möglich (zu alledem unter bb).

aa)
Einer verfassungskonformen Auslegung steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen.

Da es sich auch bei der verfassungskonformen Auslegung um eine Auslegung handelt, muss der mögliche Wortsinn hier die Grenze sein (ebenso: Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, 161; zur Auslegung allgemein: Larenz/Canaris, 163 f.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, 39; zur verfassungskonformen Auslegung des § 31a SGB II in vergleichbarem Zusammenhang: Greiser/Šušnjar in: NJW 2019, 3683, 3686). Die Rechtsprechung des BVerfG ist nicht einheitlich (ebenso: Sauer, Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung?, 2006, 1, 3 f. abrufbar im Internet unter: http://www.jura.uni-freiburg.de/de/institute/ioeffr3/forschung/papers/sauer/IOER_Verfassungs-konformeAuslegung.pdf).

So heißt es in einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 zum Beispiel: „Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet […] dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte“ (BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014, 1 BvR 2142/11, Rn. 86). Dies dürfte so zu verstehen sein, dass die verfassungskonforme Auslegung erst dort endet, wo sie neben dem Wortlaut auch mit dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch tritt. Allerdings heißt es in der gleichen Entscheidung wiederum: „Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss […] nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren“ (BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014, 1 BvR 2142/11, Rn.86). Letztlich lässt das BVerfG die Frage in der zitierten Entscheidung offen, wenn es formuliert, dass „allein der Wortlaut einer Vorschrift nicht in jedem Fall eine unüberwindliche Grenze für die verfassungskonforme Auslegung bilden“ möge (BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014, 1 BvR 2142/11, Rn. 93). In früheren Entscheidungen hatten das BVerfG unter anderem ausgeführten, dass der Richter „am Wortlaut einer Norm […] nicht haltzumachen“ brauche (BVerfG, Beschluss vom 19.06.1973, 1 BvL 39/69, Rn. 49). Eine Auslegung gegen den Wortlaut einer Norm sei nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn andere Indizien deutlich belegen, dass ihr Sinn im Text unzureichend Ausdruck gefunden habe (BVerfG, Beschluss vom 27.01.1998, 1 BvL 22/93, Rn. 34). Anderseits hat das BVerfG mehrfach eine verfassungskonforme Auslegung wegen des „klaren Wortlauts“ abgelehnt (BVerfG, Beschluss vom 11.04.1967, 1 BvL 25/64, Rn. 40; unter Bezugnahme auf den „eindeutigen Wortlaut“: BVerfG, Beschluss vom 08.02.1983, 1 BvL 20/81, Rn. 38). Zumindest über Letzteres dürfte Einigkeit herrschen (dazu: Lembke, Einheit aus Erkenntnis?, 121 mit weiteren Nachweisen: Fn. 513).

Ein solch eindeutiger Wortlaut liegt hier vorm (siehe dazu auch: Lange in: jurisPR-SozR 3/2020, Anm. 1; andere Ansicht: Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.03.2021, L 8 AY 8/20 B ER). Die Vorschrift ist, was die Höhe der Kürzung angeht, einer Auslegung nicht zugänglich.

bb)
Auch darüber hinaus ist eine Übertragung der Entscheidung des BVerfG vom 05.11.2019 (1 BvL 7/16) auf den vorliegenden Fall nicht möglich.

Weder eine analoge Anwendung der Übergangsregelung des BVerfG, noch eine erweiternde Auslegung des § 31 Abs. 2 BVerfGG, noch eine teleologische Reduktion des § 1a Abs. 1 AsylbLG lassen sich nach Ansicht der Kammer methodengerecht begründen.

(1)
Eine Analogie zur Übergangsregelung des BVerfG in seiner Entscheidung 1 BvL 7/16 scheidet aus.

Dies ergibt sich aus allgemeinen Erwägungen. Der Tenor der Entscheidung des BVerfG hat nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Dementsprechend kann er wohl auch wie ein Gesetz ausgelegt werden. Das bedeutet aber nicht, dass auch eine Rechtfortbildung in Anlehnung an den Tenor der Entscheidung möglich ist. Die Entscheidung wird nicht zum Gesetz, sondern sie erlangt Gesetzeskraft. Eine Ausweitung der Anwendbarkeit der Übergangsregelung stellt damit keine Frage der Rechtsfortbildung im Hinblick auf den Tenor der Entscheidung, sondern eine Frage der Bindungs- und Gesetzeskraftwirkung der Entscheidung selbst dar (insoweit offen gelassen: Greiser/Šušnjar in: NJW 2019, 3683, 3686). Unter diesem Punkt, der Gesetzeskraftwirkung, wird dementsprechend eine Erweiterung der Wirkungen derartiger Entscheidungen auch in der Literatur diskutiert (siehe dazu etwa: Baethke in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Baethke, BVerfGG, § 31, Rn. 162 ff., Stand: 02/2019).

(2)
Eine Erweiterung der Gesetzeskraftwirkung der Entscheidung des BVerfG auf den vorliegenden Fall scheidet aus.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG die Vorlagefrage nach § 78 Satz 2 BVerfGG auf weitere Vorschriften des gleichen Gesetzes erweitern kann. Diese Möglichkeit besteht nach Ansicht des BVerfG auch für inhaltsgleiche Vorschriften eines anderen Gesetzes des gleichen Normgebers (BVerfG, Beschluss vom 12.03.1996, 1 BvR 609/90, Rn. 66; offen gelassen: Baethke, a. a. O.; Rn. 164). Eine solche Erweiterung hat das BVerfG für § 1a AsylbLG in der relevanten Entscheidung aber nicht vorgenommen. Danach scheidet eine direkte (originäre) Anwendung der Gesetzeskraftwirkung des § 31 Abs. 2 BVerfGG.

Ggf. ließe sich eine solche Erweiterung – auf inhaltsgleiche Vorschriften des gleichen Normgebers – über eine weite Auslegung des § 31 Abs. 2 BVerfGG rechtfertigen, wenn das BVerfG von seiner Möglichkeit der Erweiterung der Vorlagefrage keinen Gebracht gemacht hat. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da es sich bei § 1a AsylbLG nicht um eine inhaltsgleiche Vorschrift zu §§ 31 ff. SGB II handelt. Eine erweiternde Auslegung des § 31 Abs. 2 BVerfGG auf nur ähnliche (aber nicht inhaltsgleiche) Vorschriften anderer Gesetze ist mit der Bindung des Richters an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar.

(3)
Auch eine teleologische Reduktion kommt nicht in Betracht.

Eine solche darf nicht dazu führen, dass die eigentlich angeordnete Rechtsfolge in keinem Fall mehr zur Geltung kommt (dazu zum SGB II: Greiser/Šušnjar in: NJW 2019, 3683, 3687). Würde die Rechtsfolge des § 1a AsylbLG etwa stets auf eine Sanktion in Höhe von 30% reduziert (oder ganz aufgehoben), bliebe für die eigentlich angeordnete Rechtsfolge kein Anwendungsfall. Damit handelt es sich nicht um eine Reduktion des Anwendungsbereichs, sondern um die Schaffung einer neuen oder die Abschaffung der Vorschrift. Dies ist von der Argumentationsfigur der teleologischen Reduktion nicht gedeckt.

3.
Die Kammer hatte die Sache auch nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, da sie von einer Verfassungswidrigkeit nicht überzeugt ist.

Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist eine Richtervorlage nur zulässig, wenn das Gericht das betreffende Gesetz für verfassungswidrig „hält“. Das vorlegende Gericht kann nur dann geltend machen, dass es ein Gesetz für verfassungswidrig „hält“, wenn es von dessen Verfassungswidrigkeit überzeugt ist (Dederer in: Maunz/Dürig, GG, Art. 100, Rn. 128, Stand: 12/2013). Bloße Zweifel oder Bedenken des Gerichts an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes genügen nicht. Dafür spricht der Wortlaut des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG („hält“), und zwar gerade im Umkehrschluss zu Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, wo ausdrücklich „Zweifel“ an der Verfassungsmäßigkeit der Norm genügen (Dederer in: Maunz/Dürig, GG, Art. 100, Rn. 129, Stand: 12/2013).

Die Kammer hat bereits in der Vergangenheit entschieden, dass sie den Umfang der Sanktionierung nach § 1a AsylbLG, auch wenn dieser an die Grenze des verfassungsrechtlich Vertretbaren geht, nicht als verfassungswidrig ansieht (ausführlich: SG Osnabrück, Urteil vom 11.06.2019, S 44 AY 14/17). An dieser Einschätzung hält die Kammer – unter Berücksichtigung der zitierten Maßgabe, dass Zweifel an der Verfassungswidrigkeit allein nicht hinreichend für eine Vorlage sind – auch nach der Entscheidung des BVerfG vom 05.11.2019 (1 BvL 7/16) fest.

Zwar hat das BVerfG die Einschränkung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in der genannten Entscheidung allein auf den Nachrangigkeitsgrundsatz gestützt (Rn. 117 ff. der Entscheidung), was im Zusammenhang mit § 1a AsylbLG problematisch sein könnte (dazu: Lange in: jurisPR-SozR 3/2020, Anm. 1; siehe dazu im Zusammenhang mit dem Ausschluss von EU-Bürgern auch: Greiser/Ascher in: VSSR 2016, 61, 108 f.). Allerdings ist die dogmatische Konstruktion des BVerfG über den Nachrangigkeitsgrundsatz zu kritisieren, da von einem Mitwirkungsverstoß nicht auf eine Bedarfsdeckung geschlossen werden kann (dazu: Greiser/Šušnjar in: NJW 2019, 3683, 3684). Die Kammer hält insoweit an ihrer Rechtsprechung fest, dass es sich bei der Sanktionierung um eine Beschränkung des Grundrechts wegen missbräuchlichem Verhaltens handelt (ausführlich: SG Osnabrück, Urteil vom 11.06.2019, S 44 AY 14/17; ausführlich dazu: Šušnjar/Greiser in: DVBl. 2018, 1329, 1334 f.).

Die inhaltlichen Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts können auf die Sanktionsregelung des § 1a AsylbLG nicht eins zu eins übertragen werden (Lange in: jurisPR-SozR 3/2020, Anm. 1; siehe auch: BT-Druck. 19/16190, 55; wohl anderer Ansicht: Siefert in: Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1a, Rn. 9; Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 1a AsylbLG, Rn. 207). Die Sanktionierung nach § 1a AsylbLG erfolgt nicht zur Eingliederung in Arbeit (wie es bei §§ 31 ff. SGB II der Fall ist), sondern zur Durchsetzung ausländerrechtlicher Pflichten. Hierzu hat sich das BVerfG nicht verhalten. Vergleichbar ist allein, dass, soweit ersichtlich, auch bezüglich der Wirksamkeit der Sanktionen im Asylbewerberleistungsrecht keine (hinreichenden) Studien vorliegen dürften, die eine Wirksamkeit belegen (siehe dazu zum SGB II: BVerfG, Urteil vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16, Rn. 199, 206; dazu zu § 1a AsylbLG: Janda in: info also 2020, 103, 110). Im Gegensatz zum SGB II, wo insgesamt zumindest Studien vorliegen (siehe dazu: BVerfG, Urteil vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16, Rn. 58 ff.), bei denen allerdings häufig nicht nach der Höhe der Leistungseinschränkung unterschieden wurde (Rn. 60, Rn. 200 der Entscheidung) und zumindest bei höheren Sanktionen ein Wirknachweis vom Bundesverfassungsgericht als nicht geführt angesehen wurde (Rn. 199 der Entscheidung), dürfte es im AsylbLG wohl bereits keine vergleichbare Studienlage geben (zu den – fehlenden – Erkenntnissen des Bundes hierzu: BT-Druck. 19/16190, 55; dies aufgreifend: Siefert in: Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1a, Rn. 9). Dies allein macht die ca. 50% des Regelsatzes umfassende Sanktion nach Ansicht der Kammer aber nicht zwingend verfassungswidrig. Für die Sanktionen im Umfang von 30% der Regelleistung hat das BVerfG plausible Gründe auch ohne einen belastbaren Wirkungsnachweis zur Rechtfertigung der Kürzung ausreichen lassen (Rn. 180 der Entscheidung). Erst ab 60%iger Kürzung der Regelleistung hat das Gericht den fehlenden Nachweis als problematisch angesehen und das eben – wie bereits dargelegt – in einem anderen Zusammenhang. Ob sich höhere Sanktionierungen im Hinblick auf die durchzusetzende Ausreisepflicht ebenso negativ auswirken, wie das Bundesverfassungsgericht dies unter Rückgriff auf die Studienlage für die Aufnahme von Arbeit angenommen hat (Rn. 194 der Entscheidung), erscheint nach Ansicht der Kammer durchaus fraglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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