1. Voraussetzung der Anspruchseinschränkung nach § 1a Nr 1 AsylbLG aF bzw § 1a Abs 2 AsylbLG ist, dass der Leistungsbezug das prägende Motiv für die Einreise nach Deutschland gewesen ist. Bei der Beurteilung der Motivationslage sind alle konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. 2. Ist das prägende Motiv der Einreise nach Deutschland, sich eine Lebensgrundlage durch Erwerbstätigkeit zu schaffen und unabhängig von staatlichen Leistungen zu leben, ist eine Einschränkung nach § 1a Nr 1 AsylbLG aF bzw § 1a Abs 2 AsylbLG nicht gerechtfertigt. 3. Bei der Ermessensentscheidung über die Gewährung von Sach- oder Geldleistungen für die Unterkunft nach § 3 Abs 2 Satz 4 AsylbLG aF bzw § 3 Abs 3 Satz 3 AsylbLG sind die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die bisherige und voraussichtliche Aufenthaltsdauer des Ausländers in Deutschland (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen vom 02.07.2020 - L 8 AY 37/20 B ER - juris Rn. 11 ff.). 4. Die Abschiebung eines Ausländers stellt regelmäßig eine wesentliche Unterbrechung seines Aufenthalts in Deutschland iS des § 2 Abs. 1 AsylbLG dar.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. April 2018 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit sind höhere Leistungen nach dem AsylbLG für Februar 2017, insbesondere die Rechtmäßigkeit einer Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG wegen des Vorwurfs der Einreise zum Zwecke des Leistungsbezugs (sog. Um-zu-Einreise).
Der 1993 geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger, wurde nach seiner Einreise nach Europa als erstes von Italien erkennungsdienstlich erfasst (EURODAC) und reiste im Mai 2013 erstmals nach Deutschland ein. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag des Klägers, der der Stadt Hildesheim (im Folgenden Stadt) zugewiesen war, als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet hatte (Bescheid vom 10.2.2014), ordnete das Verwaltungsgericht (VG) Hannover die aufschiebende Wirkung der hiergegen gerichteten Klage (- 4 A 2106/14 -) an (Beschluss des VG vom 9.4.2014 - 4 B 2107/14 -). Die Klage hatte letztlich keinen Erfolg (Urteil des VG vom 4.2.2016). Eine unmittelbar nach dem Gerichtsverfahren für die Zeit vom 15.2. bis zum 15.8.2016 begonnene Einstiegsqualifizierung zum Ausbildungsberuf des Elektronikers für Energie- und Gebäudemanagement brach der Kläger Mitte April 2016 ab. Stattdessen bemühte er sich um eine Anstellung als Zeitschriftenausträger (Stellenbeschreibung der H. GmbH & Co. KG vom 19.9.2016). Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit wurde nicht erteilt. Am 22.9.2016 wurde der Kläger nach Italien abgeschoben. Zuvor hatte die Stadt das Einreise- und Aufenthaltsverbot für Deutschland auf 18 Monate nach erfolgter Abschiebung befristet (Bescheid vom 19.9.2016).
Unmittelbar nach der Abschiebung nach Italien reiste der Kläger wieder nach Deutschland ein und beantragte beim BAMF, im Rahmen eines neuen Verfahrens über den bislang als unzulässig eingestuften Asylantrag nach nationalem Recht zu entscheiden. Gegen die erneute Anordnung der Abschiebung nach Italien (Bescheid des BAMF vom 29.3.2017) erhob der zu dieser Zeit geduldete Kläger (Duldung der Stadt vom 16.11.2016) beim VG Hannover Klage (- 4 A 3082/17 -), deren aufschiebende Wirkung angeordnet wurde (Beschluss vom 10.4.2017 - 4 B 3083/17 -). Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass die Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugs- und dem privaten Aussetzungsinteresse bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Vorlagefragen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Klärung von Fragen zur Sekundärmigration innerhalb der Europäischen Union und der Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich der Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in Italien (BVerwG, Beschluss vom 27.6.2017 - 1 C 26.16 -, beim EuGH anhängig - C-517/17 -), zugunsten des Klägers ausgehe. Die Klage wurde 2019 abgewiesen (Urteil des VG vom 11.4.2019), weil nach einer Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 4.4.2018 - 10 LB 96/17 -) die Lebensbedingungen von nach Italien zurückgekehrten Asylbewerbern (sog. Dublin-Rückkehrer) einer Abschiebung des Klägers nicht entgegenstünden.
Nachdem der Kläger während seines Voraufenthalts in Deutschland zuletzt im Leistungsbezug nach § 2 AsylbLG gestanden und Anfang August 2016 mit Zustimmung der vom beklagten Kreis herangezogenen Stadt in eine eigene Wohnung zu einer Bruttowarmmiete von 388,00 € (Kaltmiete 258,00 €, Neben- und Heizkosten von 75,00 € bzw. 55,00 €) gezogen war, erhielt er seit seiner erneuten Einreise von der Stadt nach § 1a AsylbLG eingeschränkte Leistungen unter Übernahme der Wohnungskosten bis zum frühestmöglichen Kündigungstermin (für die Monate Oktober 2016 bis Januar 2017 bewilligt durch Bescheide vom 13.10. und 1.12.2016 sowie vom 5.1.2017 in monatlicher Höhe von 539,00 €). Gegen die Bewilligung von eingeschränkten Leistungen für Februar 2017 in monatlicher Höhe von 151,00 € (ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung) durch Bescheid der Stadt vom 10.1.2017 erhob der Kläger am gleichen Tag Widerspruch. Das Mietverhältnis wurde nach Kündigung durch den Kläger mit Ablauf des 30.4.2017 beendet. Bemühungen des Klägers um eine Anstellung, z.B. als Zeitschriftenausträger (Stellenbeschreibung der H. GmbH & Co. KG vom 16.11.2016) und als Lager- und Produktionswerker in Zeitarbeit (Stellenbeschreibung der I. GmbH & Co. KG vom 16.1.2017), blieben (zunächst) ohne Erfolg.
Unter dem 26.4.2017 hörte die Stadt den Kläger zu der beabsichtigten Zurückweisung seines Widerspruchs vom 10.1.2017 an. Die Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG sei nicht zu beanstanden. Er dürfe aufgrund seiner illegalen Einreise nicht besser gestellt sein als zum Zeitpunkt seiner Ausreisepflicht im September 2016. Er habe es selbst zu vertreten, dass er sich nicht entsprechend der Rechtsordnung verhalten habe, erneut hier lebe und voraussichtlich wieder vollziehbar ausreisepflichtig werde. Das Argument, der Kläger sei nur wieder nach Deutschland eingereist, weil sich die italienischen Behörden nicht um seine Belange gekümmert hätten, wurde zurückgewiesen. Er hätte auch dort Rechtsbeistand zur Verfolgung seiner Interessen annehmen können. Dieser vermeintliche Beratungsmangel rechtfertige keine wiederholte Einreise. Nach fruchtlosem Ablauf der Anhörungsfrist wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 6.6.2017 (dem Kläger bekanntgegeben am 8.6.2017) mit der Begründung zurück, die Einschränkung der Leistungen auf das unabweisbar Gebotene sei rechtmäßig, weil der Kläger nach Deutschland eingereist sei, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erlangen. Er selbst habe zur Rückkehr nach Deutschland ausgeführt, die italienischen Behörden hätten sich um ihn nicht gekümmert.
Auf die hiergegen am 7.7.2017 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hildesheim - nach Anhörung des Klägers in mündlicher Verhandlung - den Beklagten antragsgemäß unter Abänderung seiner Entscheidung verurteilt, dem Kläger für den Monat Februar 2017 Grundleistungen nach §§ 3 bis 7 AsylbLG zu gewähren (Urteil vom 13.4.2018). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, das prägende Motiv für die Wiedereinreise nach Deutschland sei nicht der Bezug von staatlichen Leistungen gewesen, sondern die selbstständige Lebensunterhaltssicherung durch Arbeit, belegt durch die Anhörung des Klägers und mehrfach von ihm eingegangene Arbeitsverhältnisse, ab Mai 2018 voraussichtlich mit einem Einkommen in bedarfsdeckender Höhe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten vom 4.5.2018. Er macht geltend, die Beurteilung des Einreisemotivs erfordere eine Einzelfallbetrachtung, wobei für eine Einreise zum Zweck des Sozialhilfebezuges Indizien wie fehlende Sprachkenntnisse, fehlende eigene Mittel zur Lebensunterhaltssicherung, eine geringe Schulbildung und/oder keine abgeschlossene Ausbildung sprechen würden. Bei Vorliegen dieser Indizien sei die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel naheliegend. In diesem Einzelfall komme hinzu, dass die bereits erfolgte Abschiebung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot dem Kläger verdeutlichen hätten müssen, dass er in Deutschland nicht erwerbstätig sein könne. Zudem habe er wirtschaftliche Gründe für das Verlassen Italiens angegeben. Vor diesem Hintergrund sei seine Erklärung, er habe in Deutschland arbeiten wollen, nicht glaubhaft; immerhin habe er während seines Voraufenthalts eine Qualifizierungsmaßnahme abgebrochen. Das SG habe diese Umstände nicht hinreichend bzw. überhaupt nicht gewürdigt.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des SG Hildesheim vom 13.4.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 5.8.2020 und 8.4.2021).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungs- und Ausländerakten (ein Band und zwei Hefter) Bezug genommen. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über die Berufung mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere wegen der Zulassung durch das SG statthafte (§§ 143, 144 Abs. 3 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) ist der Bescheid der Stadt vom 10.1.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 6.6.2017 (§ 95 SGG). Da das SG entsprechend dem Antrag des Klägers in erster Instanz Grundleistungen nach den §§ 3 bis 7 AsylbLG (nur) für den Monat Februar 2017 im Wege eines Grundurteils i.S. des § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG (zur Zulässigkeit BSG, Urteil vom 26.6.2013 - B 7 AY 6/11 R - juris Rn. 11 und Urteil vom 12.5.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris Rn. 10) zugesprochen und allein der Beklagte hiergegen Berufung eingelegt hat, stellt sich nicht die Frage der Einbeziehung von zeitlich nach dem angefochtenen Ausgangsbescheid und bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides ausdrücklich bzw. konkludent ergangenen Bewilligungsentscheidungen in das Vorverfahren in analoger Anwendung des § 86 SGG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - juris Rn. 10). Es ist auch nicht darüber zu entscheiden, ob dem Kläger für Februar 2017 höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG (hier i.d.F.v. 31.7.2016, BGBl. I 1939) i.V.m. SGB XII zustehen.
Der Beklagte ist wegen der Zuweisung des Klägers zu der Stadt als örtlicher Träger zur Durchführung des AsylbLG nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des AsylbLG (Nds. AufnG) vom 11.3.2004 (Nds. GVBl. S. 100; vor 2017 zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.9.2016, Nds. GVBl. S. 190) und § 10 Satz 1 AsylbLG sachlich für die Entscheidung über den Leistungsanspruch des Klägers für Februar 2017 zuständig (gewesen). Die Stadt ist insoweit zur Durchführung des AsylbLG herangezogen gewesen. Die örtliche Zuständigkeit nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ergibt sich ebenfalls aufgrund der Zuweisung im Asylverfahren.
Der Kläger ist im streitgegenständlichen Zeitraum (Februar 2017) leistungsberechtigt nach dem AsylbLG gewesen, wobei dahinstehen kann, ob sich seine Leistungsberechtigung als Inhaber einer Duldung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG) oder wegen des Antrags beim BAMF auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland als Asylfolgeantragsteller (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG) ergeben hat. Zur Sicherung seines Lebensunterhalts hat er weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt, das vor dem Einsetzen von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG vorrangig einzusetzen gewesen wäre (§ 7 AsylbLG).
Die vom Beklagten verfügte Einschränkung der Leistungen für Februar 2017 nach § 1a AsylbLG auf das unabweisbar Gebotene ist nicht rechtmäßig (gewesen).
Die Leistungseinschränkung ist bereits formell rechtswidrig, weil der Kläger nicht ordnungsgemäß angehört worden ist (zum Erfordernis mindestens einer Anhörung in diesen Fällen BSG, Urteil vom 12.5.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris Rn. 19 m.w.N.). Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Nds. VwVfG (im Weiteren wird bei der Angabe von Vorschriften des VwVfG auf die zusätzliche Nennung der Landesnorm verzichtet) ist ein Beteiligter, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von Art und Inhalt der beabsichtigten Entscheidung ist maßgeblich abhängig, um welche konkreten Tatsachen es sich dabei im Einzelfall handelt. Maßstab ist dabei die Sichtweise der Behörde hinsichtlich der materiellen Rechtslage (BSG, Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - juris Rn. 12 zu § 24 SGB X).
Nachdem die Stadt den Kläger seit Wiedereinreise zunächst überhaupt nicht zu der Einschränkung der Leistungen nach § 1a AsylbLG angehört hatte, ist dies auch nicht im Rahmen des Vorverfahrens i.S. des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nachgeholt worden. Mit dem Anhörungsschreiben vom 26.4.2017 hat die Stadt dem Kläger nicht alle entscheidungserheblichen Haupttatsachen mitgeteilt, auf die die Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG gestützt sein sollte. Zusammengefasst ist ihm (zunächst) ein Handlungsunwert der illegalen Wiedereinreise vorgeworfen worden, nach der er nicht besser gestellt sein dürfe als zum Zeitpunkt seiner Ausreisepflicht im September 2016 (zu diesem Zeitpunkt bezog er allerdings sog. Analog-Leistungen nach § 2 AsylbLG). Der Umstand, dass sich die italienischen Behörden nicht um seine Belange gekümmert hätten, rechtfertige die wiederholte Einreise ebenfalls nicht, weil er in Italien sich eines Rechtsbeistandes hätte bedienen können. Diese Ausführungen haben keinen hinreichenden Zusammenhang mit der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 6.6.2017, in dem der Beklagte die Leistungseinschränkung maßgeblich auf den Vorwurf der Einreise zum Zweck des Leistungsbezugs nach § 1a Abs. 1 AsylbLG (i.d.F.v. 20.10.2015, BGBl. I 1722, im Weiteren a.F.; seit dem 21.8.2019 § 1a Abs. 2 AsylbLG i.d.F.v. 15.8.2019, BGBl. I 1294) gestützt hat, weil der Kläger den Leistungsbezug nicht nur beiläufig verfolgt oder einem anderen Einreisezweck untergeordnet und billigend in Kauf genommen habe, sondern ein klarer Zusammenhang zwischen der Wiedereinreise und der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG als prägendes Einreisemotiv bestehe. Aufgrund der Anhörung ist es dem Kläger nicht ermöglicht worden, sich zu diesem Vorwurf sachgerecht zu äußern.
Die Leistungseinschränkung nach dem hier allein in Betracht kommenden § 1a Abs. 1 AsylbLG a.F. ist aber auch materiell rechtswidrig.
Auch insoweit kann es dahingestellt bleiben, ob sich die Leistungsberechtigung des Klägers aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG oder § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG ergibt. Im letzteren Fall wäre eine Einschränkung der Leistungen nach § 1a Abs. 1 AsylbLG a.F. allerdings bereits wegen des auf Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG bzw. Familienangehörige nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG eingeschränkten personellen Anwendungsbereichs der Norm nicht möglich.
Gemäß § 1a Abs. 1 AsylbLG a.F. haben u.a. Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG, also Geduldete, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, Leistungen nach diesem Gesetz nur erhalten, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten gewesen ist. Ungeachtet der grundsätzlichen Frage, ob eine nicht auf dem Nachranggrundsatz beruhende Leistungseinschränkung mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) überhaupt vereinbar sein kann (vgl. dazu Hessisches LSG, Beschluss vom 31.3.2020 - L 4 AY 4/20 B ER - juris Rn. 37 ff. „repressiver Sanktionstatbestand“; vgl. auch Senatsbeschluss vom 4.12.2019 - L 8 AY 36/19 B ER - juris Rn. 5; zu Sanktionen im Recht der Grundsicherung nach dem SGB II grundlegend BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - juris Rn. 123 ff.), muss bei der sog. „Um-zu-Einreise“ i.S. des § 1a AsylbLG der Leistungsbezug das prägende Motiv zum Zeitpunkt der Einreise gewesen sein (Oppermann in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 1a AsylbLG Rn. 51 m.w.N.); ein billigendes Inkaufnehmen reicht nicht aus. Allein aus einer bindenden Ablehnung des Asylantrags kann nicht ohne weiteres auf die Absicht geschlossen werden, dass die Einreise nur zum Zwecke des Leistungsbezugs erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.6.1992 - 5 C 22/87 - juris Rn. 11 ff. zu § 120 BSHG). Anhaltspunkt für den Missbrauchstatbestand kann die Ablehnung als offensichtlich unbegründet sein, wenn die Begründung der Entscheidung deutliche Anzeichen für den Missbrauch enthält. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG restriktiv auszulegen ist: so müssen weitere Indizien hinzutreten, die einen sicheren Schluss auf die prägende Einreisemotivation zulassen, wozu auch die Schaffung einer Lebensgrundlage durch Erwerbstätigkeit gehört (Senatsurteil vom 24.5.2018 - L 8 AY 7/17 - juris Rn. 31 sowie Senatsbeschluss vom 9.4.2020 - L 8 AY 4/20 B ER - juris Rn. 28; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.3.2018 - L 15 AY 15/14 - juris Rn. 43 f.; SG München, Beschluss vom 31.1.2017 - S 51 AY 122/16 ER -). Für jedes einzelne erwachsene Familienmitglied ist die Motivationslage im Einzelnen zu untersuchen. Dabei sind alle konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich (Oppermann in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 1a AsylbLG Rn. 63), auch die Umstände im Herkunftsland (so schon Senatsurteil vom 24.5.2018 - L 8 AY 7/17 - juris Rn. 31; Senatsbeschluss vom 9.4.2020 - L 8 AY 4/20 B ER - juris Rn. 28; offen gelassen durch Senatsbeschluss vom 4.12.2019 - L 8 AY 36/19 B ER - juris Rn. 5). Erfolgt die Einreise nach Deutschland, um eine im vorherigen Aufenthaltsland unabweisbare materielle Notlage zu beenden, ist das ggf. weitere Einreisemotiv der Lebensunterhaltssicherung durch staatliche Leistungen unter Umständen nicht in der Weise als prägend anzusehen, dass eine Einschränkung nach § 1a Abs. 1 AsylbLG a.F. gerechtfertigt ist. Dies ist in aller Regel anzunehmen, wenn die leistungsberechtigte Person vor der Einreise einer extremen materiellen Notlage ausgesetzt gewesen ist, die der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. des Art. 4 GRCh/Art. 3 EMRK gleichkommt (jüngst Senatsurteil vom 25.3.2021 - L 8 AY 33/16 - juris Rn. 22 m.w.N.).
Nach diesen Maßgaben ist die Bewertung des Sachverhaltes durch das SG nicht zu beanstanden. Der Bezug von lebensunterhaltssichernden Leistungen nach dem AsylbLG ist nicht das prägende Motiv des Klägers für seine Wiedereinreise nach Deutschland 2016 gewesen. Ihm musste zwar durch die Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig (Bescheid des BAMF vom 10.2.2014) und das erfolglose Klageverfahren beim VG Hannover (Urteil vom 4.2.2016 - 4 A 2106/14 -) klar gewesen sein, dass Italien für die Entscheidung über seinen Antrag auf Internationalen Schutz zuständig ist. Die weiteren Umstände der Wiedereinreise sprechen aber entscheidend gegen die Annahme, der Kläger habe es in erster Linie auf den Bezug von staatlichen Leistungen abgesehen. Seine Hoffnung, wegen der schwierigen Lebensverhältnisse für Antragsteller auf Internationalen Schutz in Italien, das Asylverfahren (ausnahmsweise) doch in Deutschland führen zu können - eine Sachentscheidung über seinen Schutzstatus war noch nicht erfolgt -, ist nach dem Ablauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht offensichtlich unberechtigt gewesen (vgl. den Eilbeschluss des VG Hannover vom 11.8.2017 - 4 B 3083/17 -).
Aufgrund seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung beim SG und der in den Akten enthaltenen Unterlagen über die Versuche, eine Beschäftigung aufzunehmen, hat der Senat auch die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger eine Lebensgrundlage in Deutschland durch Erwerbstätigkeit schaffen und unabhängig von staatlichen Leistungen leben wollte. In diesem Zusammenhang fallen die vom Beklagten genannten Indizien von fehlenden Sprachkenntnissen, fehlenden eigenen Mittel zur Lebensunterhaltssicherung, einer geringen Schulbildung und/oder einer fehlenden abgeschlossenen Ausbildung nicht entscheidend ins Gewicht, weil die Bemühungen des Klägers zur Beschäftigungsaufnahme durchaus erfolgversprechend gewesen sind (dazu gleich); ob diese „Indizien“ hier tatsächlich vorgelegen haben, ist ohnehin nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahren gewesen (s.o.). Der Abbruch der Qualifizierungsmaßnahme zum Elektroniker für Energie- und Gebäudemanagement während des Voraufenthaltes in Deutschland im April 2016 spricht ebenfalls nicht entscheidend gegen die obige Bewertung des Einreisemotivs. Auch wenn die genauen Umstände der Maßnahmebeendigung nach Aktenlage nicht ersichtlich sind, ist es gut möglich, dass der Kläger die Maßnahme wegen der relativ niedrigen Entlohnung von 216,00 € je Monat abgebrochen hat, um mit einer anderen Beschäftigung ein höheres Gehalt zu erzielen, z.B. als Zeitschriftenausträger (vgl. Stellenbeschreibung der H. GmbH & Co. KG vom 19.9.2016). Ein solches Verhalten mag perspektivisch unvernünftig sein, ändert jedoch nichts an der Einstellung, den Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherstellen zu wollen. Um eine Anstellung als Zeitschriftenausträger hat der Kläger sich auch nach seiner Wiedereinreise bemüht (Stellenbeschreibung der H. GmbH & Co. KG vom 16.11.2016). Im Januar 2017 hat die Bundesagentur für Arbeit einer Erwerbstätigkeit als Lager- und Produktionswerker in Zeitarbeit zugestimmt (Stellenbeschreibung der I. GmbH & Co. KG vom 16.1.2017).
Bei der Umsetzung des Grundurteils des SG, also bei der Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG (zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.3.2016, BGBl. I 390, im Weiteren a.F.) für den Monat Februar 2017, wird der Beklagte dem Kläger die Bedarfssätze für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 AsylbLG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) unter Anrechnung des bereits ausgezahlten Betrags von 151,00 € zu gewähren haben, wobei - nach einer ggf. erst vorläufigen Leistungsgewährung - die Entscheidung des BVerfG über den (noch nicht veröffentlichten) Vorlagebeschluss des Senats vom 26.1.2021 (- L 8 AY 21/19 -) über die Verfassungswidrigkeit der seit 2017 nicht neu festgesetzten bzw. fortgeschriebenen Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. zu berücksichtigen sein dürfte.
Im Zuge der Umsetzung des Urteils ist auch eine erneute Entscheidung über die Leistungen der Unterkunft und Heizung erforderlich, die für Februar 2017 zunächst im Rahmen der Leistungsgewährung nach § 1a AsylbLG als nicht unabweisbar geboten abgelehnt worden sind. Der entsprechende Anspruch des Klägers beurteilt sich gemäß dem Grundurteil des SG nach § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F. (seit 1.9.2019 § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG i.d.F.v. 13.8.2019, BGBl. I 1290), nach dem der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht wird. Bei dieser Ermessensentscheidung über die Art und Weise der Bedarfsdeckung (vgl. dazu etwa Senatsbeschlüsse vom 2.7.2020 - L 8 AY 37/20 B ER - juris Rn. 11 ff. und vom 2.10.2015 – L 8 AY 40/15 B ER - juris Rn. 11) wird der Beklagte die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen haben (zu den möglichen Kriterien ausführlich Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 Rn. 159 ff. m.w.N.), z.B. einerseits den bisherigen Aufenthalt des Klägers in Deutschland von mehr als drei Jahren (dazu auch gleich), andererseits aber die bei Wiedereinreise wegen der vorherigen Abschiebung und des verhängten Einreiseverbotes für den Kläger eher ungünstige Prognose für einen weiteren Aufenthalt. Zudem ist in die Ermessensentscheidung einzubeziehen, dass der Kläger die auch nach seiner Wiedereinreise bewohnte Wohnung während seines Voraufenthalts mit Zustimmung der Stadt bezogen hatte. Nach Aktenlage ist allerdings die Übernahme der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten ab Wiedereinreise über einen Zeitraum von vier Monaten (bis zum 31.1.2017) erfolgt, um dem Kläger die Beendigung des Mietverhältnisses unter Wahrung der Kündigungsfrist zu ermöglichen (vgl. den Aktenvermerk der zuständigen Mitarbeiterin der Stadt vom 24.1.2017, Bl. 8 des Widerspruchsvorgangs; zu diesem Aspekt vgl. auch Frerichs, a.a.O. Rn. 154). Eine Leistungsberechtigung des Klägers nach §§ 1, 3 AsylbLG unterstellt, ist es insgesamt nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass sich die Ablehnung der Übernahme der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten auch nach § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F. als rechtmäßig (ermessensgerecht) erweist.
Sollte allerdings eine weitere Prüfung ergeben, dass dem Kläger - abweichend von dem antragsgemäß ergangenen Grundurteil des SG - eigentlich ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG zusteht, dürfte allein eine Übernahme der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten (vgl. § 35 SGB XII) ermessensgerecht sein (Ermessensreduzierung auf Null). Allerdings spricht gegen eine entsprechende Leistungsberechtigung des Klägers, dass die Abschiebung eines Ausländers regelmäßig eine wesentliche Unterbrechung seines Aufenthalts in Deutschland i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG darstellt, auch wenn die Unterbrechung zeitlich sehr kurz sein mag. Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Unterbrechung des Aufenthalts i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG vorliegt, ist nämlich neben der Dauer des Aufenthalts auch der Grund der Unterbrechung zu berücksichtigen (wie familiäre oder schulische Gründe) und welches Gewicht diese Gründe für den Betroffenen haben (vgl. BT-Drs. 18/2592, S. 20; Oppermann/Filges in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 Rn. 62). Der Kläger hat sich zwar bis September 2016 mehr als drei Jahre in Deutschland aufgehalten. Sein Aufenthalt ist aber durchweg asylverfahrensrechtlich geprägt gewesen und zwangsweise unter Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für 18 Monate beendet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Fragen zur Auslegung des § 1a Abs. 1 AsylbLG a.F. (seit dem 21.8.2019 § 1a Abs. 2 AsylbLG i.d.F.v. 15.8.2019, BGBl. I 1294) sind wegen der bereits aus formellen Gründen rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung nicht allein streitentscheidend.