1. OPS 8-981 "Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls": Zur Auslegung des Strukturmerkmals der "halbstündigen Transportentfernung" nach der rückwirkenden Neufassung des OPS 8-98b 2. Verfassungskonforme Auslegung des § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V in der Fassung ab 1. Januar 2019 - Klarstellungsrecht des DIMDI
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Beklagte ist Trägerin eines nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V zugelassenen Krankenhauses in Winsen sind. Sie ist Mitglied des Neurovaskulären Netzwerks N., einem Kooperationsverbund verschiedener Kliniken zur Behandlung neurologischer Erkrankungen, insbesondere zur Behandlung des akuten Schlaganfalls.
In der Zeit vom 29. Mai 2016 bis 1. Juni 2016 wurde in der Klinik der Beklagten der bei der Beklagten versicherte Patient N. O. vollstationär behandelt. Die Beklagte berechnete unter Kodierung des OPS 8-98b.01 (andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls: mindestens 24 bis höchstens 72 Stunden: mit Anwendung eines Telekonsildienstes) die DRG B69C (Transistorische ischämische Attacke <TIA> und extrakranielle Gefäßverschlüsse mit neurol. Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, bis 72 Stunden, ohne äuß. schw. CC oder mit anderer neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls oder mit äuß. schw. CC). Die Klägein zahlte den Rechnungsbetrag in Höhe von 3.318,68 €.
Am 7. November 2018 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie trägt vor, die Beklagte habe für den Aufenthalt des Patienten den OPS 8-98b kodiert, dies sei jedoch nicht zulässig. Aus diesem Grunde stehe ihr ein Erstattungsanspruch zu. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfe der OPS 8-98b nicht kodiert werden, wenn die Strukturvoraussetzung einer Zeitgrenze von einer halben Stunde nicht eingehalten werden könne. Sie verweise auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Juni 2018 (B1 KR 39/17 R). Die Beklagte könne in ihrem Haus keinen unmittelbaren Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen, zu gefäßchirurgischen bzw. interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen gewährleisten und müssen sich eines Kooperationspartners bedienen. Hierbei sei es jedoch nicht möglich, das vom OPS 8-98b geforderte Zeitlimit, innerhalb dessen der Transport des Patienten zum Kooperationspartner zu erfolgen habe und welches regelmäßig höchstens eine halbe Stunde betrage, grundsätzlich einzuhalten.
Bereits die reine Fahrzeit zwischen der Beklagten und dem AK Altona betrage 38 Minuten. Selbst wenn sich durch den Einsatz von Sondersignalen wenige Minuten einsparen ließen, reiche die verbleibende Zeit nicht aus, um den Rettungswagen anzufordern, ihn von der Rettungswache zum Haus der Beklagten anfahren zu lassen, den Patienten im Rettungswagen zu lagern und ihn dann an die weiterbehandelnde Einheit im AK Altona zu übergeben. Regelhaft könne die Beklagte das Zeitlimit auch durch den Rettungshubschrauber als schnellstes Transportmittel nicht erfüllen, da der nachtflugfähige Rettungshubschrauber mindestens 30 Minuten benötige, um zum Haus der Beklagten zu gelangen.
Um die Erkenntnisse zu dem hier streitigen OPS zu gewinnen, sei es nicht notwendig gewesen den MDK einzuschalten und es sei auch nicht erforderlich, dass der MDK beim Krankenhaus Daten erhebe. Dementsprechend komme auch § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) nicht zum Tragen, sodass auch nicht auf die Prüfverfahrens-Vereinbarung (PrüfvV) zurückgegriffen werden müsse. Ohnehin würde ein Verstoß gegen § 275 Abs. 1 c SGB V nur bewirken, dass sie nicht zur Sachverhaltsermittlung befugt wäre, die die Einschaltung des MDK erforderten. Ihr grundsätzliches Rech zur Rechnungsüberprüfung unter Inanspruchnahme anderer zulässiger Informationsquellen bleibe von § 275 Abs. 1c SGB V unberührt und werden durch diese Vorschrift nicht beschnitten.
Die Klarstellungen des DIMDI seien unbeachtlich, denn die Neuregelungen in § 109 Abs. 5 SGB V, § 325 SGB V sowie § 295 Abs. 1 Satz 6 SGB V und § 301 Abs. 1 Satz 4 SGB V seien verfassungswidrig. Sie verstießen in wesentlichen Punkten gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden und unabhängig von einer Grundrechtsträgerschaft allgemein geltenden Grundsätze zur Rechtssicherheit und zum Vertrauensschutz. Insbesondere stellten diese Normen einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot dar. Sie habe zusammen mit anderen Krankenkassen bei Prof. Dr. P. ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das die Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschriften belege. In dem Gutachten werde dargelegt, dass die DIMDI- Klarstellungen ohne gesetzliche „Ermächtigungsgrundlage“ ergangen seien. Unabhängig davon seien die Klarstellungen auch deshalb rechtswidrig, weil das DIMDI sie vor Inkrafttreten des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes erlassen habe.
Hinzuweisen sei auch darauf, dass das Sozialgericht München am 25. Juni 2020 einen Vorlagebeschluss zum Aktenzeichen S zwölf KR 1865/18 erlassen habe. In diesem werde nochmals eindrucksvoll gezeigt, dass § 301 Abs. 2 Satz vier SGB V verfassungswidrig sei aufgrund einer Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips und eines massiven Eingriffs in die richterliche Prüfungskompetenz. In dem Vorlagebeschluss werde auch noch mal ausdrücklich das Begriffsverständnis des BSG zur halbstündigen Transportentfernung als Zeitintervall zwischen dem Ingangsetzen der Rettungskette durch die Entscheidung, ein Transportmittel anzufordern, und dem Rettungstransportende, der Übergabe des Patienten an die behandelnde Einheit im Kooperationskrankenhaus, bestätigt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 878,97 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass der Klägerin der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nicht zustehe. Sie habe den OPS-8-98.b zurecht kodiert. Die Klägerin müsse zum Beweis des Gegenteils zunächst ein MDK-Gutachten vorlegen, das innerhalb der in der PrüfvV geregelten Fristen eingeholt worden sein müsse. Zudem müssten ihr innerhalb der dort geregelten Fristen die leistungsrechtliche Entscheidung mitgeteilt werden. Verwiesen werde auf die Klarstellung des DIMDI vom 3. Dezember 2018, wonach rückwirkend klargestellt werde, dass die 30-minütige Zeitspanne sich auf die Zeit beziehe, die der Patient im Transportmittel verbringe. Daher erfahre die Rechtsprechung des BSG insoweit eine klarstellende Korrektur. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin an den Vorschriften des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes würden nicht geteilt.
Soweit die Klägerin meine, dass die Transportzeit von 30 Minuten nicht einzuhalten sei, sei dies falsch. Ihre Klinik sei sowohl langjährig eine zertifizierte Struck-Unit als auch ein zertifiziertes regionales Traumazentrum. Eine Zertifizierung könne nur mit einem neurochirurgischen Kooperationspartner erfolgen. Das Krankenhaus Winsen habe eine langjährige Kooperation mit dem AK Altona Hamburg. Die reine Fahrzeit von ihrem Krankenhaus zur zentralen Notaufnahme des AK Altona ohne Sonderrechte betrage 38 Minuten, mit Sonderrechten sei dies deutlich schneller möglich. Die Flugzeit zum AK Altona betrage bei der Nutzung eines Rettungshubschraubers bei einer angenommenen durchschnittlichen Geschwindigkeit von 250 km/h 6:25 Minuten. Der zuständige Rettungshubschrauber sei in Hannover stationiert, nachtflugtauglich und für Intensivtransporte qualifiziert. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschriften werde auf das Gutachten von Prof. Dr. Q. verwiesen. Im Übrigen habe sie im Rahmen der Budgetvereinbarung 2014 erklärt, die strukturellen Voraussetzungen für den OPS 8-98b zu erfüllen. Zweifel seien nicht geäußert worden und die Klägerin sei an die Budgetvereinbarung gebunden. Aus der vom niedersächsischen Sozialminister genehmigten Budgetvereinbarung sei ein entsprechender Vertrauensschutz erwachsen.
Die Verwaltungsakten der Klägerin haben vorgelegen und sind Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozess- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig aber nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu.
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt u.a. voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 15, stRspr). Dies ist nicht der Fall, da die Beklagte zurecht den hier streitigen OPS-Kode in die Berechnung der DRG hat einfließen lassen.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistungen durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist. Die betroffene Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 S 3 SGB V iVm § 7 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Beklagten. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, FPVen) und von der InEK GmbH zertifizierte Groupierungsprogramme (vgl § 1 Abs 6 S 1 FPV 2009) konkretisiert.
Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, neben den Kodierrichtlinien und der deutschen Fassung der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM) zudem die Klassifikation des vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen OPS (hier in der Version 2016) Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2011, B 1 KR 8/11 R, juris, Rn 24).
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen einschließlich der hierzu vereinbarten Anwendungsregeln sind gleichwohl wegen ihrer Funktion, die zahlreichen Behandlungsfälle routinemäßig abzuwickeln, im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (stRspr.; u.a. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 19/17 R –, juris, Rn. 30 - 32). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 S 1 KHG) und damit „lernendes" System angelegt sei, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (u.a. BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 9/15 R –, juris, mwN).
Eine Ansteuerung der DRG B70B im Grouper durch die Beklagte war zulässig, da die Beklagte die Prozedur OPS 8-98b hat kodieren dürfen.
Eine Überprüfung des hier streitigen Abrechnungsfalls im Einzelnen scheidet aus, da die Klägerin kein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V a.F. iVm der PrüfvV eingeleitet hat. Die Besonderheiten des Einzelfalles müssen insofern unberücksichtigt bleiben. Die Klägerin stützt ihre Rückforderung zudem ausschließlich darauf, dass die Beklagte die strukturellen Voraussetzungen für die Abrechenbarkeit des OPS 8-98b nicht erfüllt. Dies trifft jedoch nicht zu.
Das Gericht bezweifelt nicht die grundsätzliche Berechtigung der Klägerin, einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen, auch wenn kein Prüfverfahren iSd § 275 Abs. 1c SGB V stattgefunden hat. Denn bei dem hier strittigen Merkmal handelt es sich um ein strukturelles Merkmal, dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen keiner Prüfung durch den MDK bedarf.
Das Vergütungsrecht für Krankenhäuser bezweckt, dass tatsächlich vom Krankenhaus der Krankenkasse Geleistete zu vergüten und Fehler, die dies verhindern, zu korrigieren. Krankenkassen haben grundsätzlich nur die Leistungen zu vergüten, die Krankenhäuser tatsächlich erbracht haben. Hierfür genügt es nicht, dass das Krankenhaus eine Leistung bloß abrechnet. Es muss sie tatsächlich bewirkt haben (stRspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 22/16 R –, juris).
Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 28. März 2017 (B 1 KR 23/16 R) noch einmal deutlich gemacht hat, dient eine Abrechnungsprüfung dazu, die Einhaltung der Abrechnungs- und Informationspflichten der Krankenhäuser zu überwachen. Sie beruhe – so das BSG - auf § 69 Abs. 1 S 3 SGB V iVm mit den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen der Rechnungslegung. Schon nach allgemeinen Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts diene eine Rechnung der textlichen Fixierung einer vom Gläubiger geltend gemachten Entgeltforderung und müsse erkennen lassen, in welcher Höhe der jeweilige Betrag für welche Leistung verlangt werde, um eine sachgerechte Überprüfung zu ermöglichen. Die Berechtigung des Schuldners, die Rechnung zu überprüfen und die Bezahlung von sachlich-rechnerisch Unrichtigem zu verweigern, sei der Rechtsordnung immanent und könne nur eingeschränkt werden, soweit dies ausdrücklich geregelt sei. Solche ausdrücklichen Regelungen fanden sich nach Auffassung des BSG bis zur Neuregelung des § 275 Abs. 1 c SGB V ab 1. Januar 2016 nicht. In welchem Umfang seitdem das Prüfungsrecht der Krankenkassen eingeschränkt ist, lässt das BSG in der genannten Entscheidung offen.
An der grundsätzlichen Berechtigung, eine Krankenhausrechnung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, hat sich durch die Neureglung des § 275 Abs. 1c SGB V nichts geändert. Rege-lungen werden dort nur getroffen für die Einzelfallprüfung unter Hinzuziehung des MDK, die im hier zu beurteilenden Fall nicht stattgefunden hat. Die Neufassung des § 275 Abs. 1c SGB V zwingt jedoch nicht dazu, Erkenntnisse zu ignorieren, die aus anderen Quellen als die Abrechnungsprüfung im Einzelfall gewonnen werden können oder tatsächlich gewonnen wurden. Dies gilt z.B. für Grundsatzgutachten, die der MDK wegen Auffälligkeiten im Auftrag der Krankenkasse in Abrechnungsfällen erstellt hat (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 27/13 R –, juris).
Die Berechtigung, Abrechnungsmerkmale außerhalb eines Einzelfalls zu prüfen, hat das BSG in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2013 (B 3 KR 25/12 R) zum OPS 8-980 überzeugend begründet. Streitig zwischen den Beteiligten ist hinsichtlich des OPS 8-98b nur das Mindestmerkmal der „halbstündigen Transportentfernung“ und damit ein Merkmal, dessen Überprüfung auch ohne die Inanspruchnahme des MDK möglich ist.
Gemäß § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V in der ab 1. Januar 2019 geltenden Fassung (seit 1. Januar 2020 § 301 Abs. 2 Satz 6 SGB V) kann das DIMDI (nunmehr das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) bei Auslegungsfragen zu den Diagnosen- und Prozedurenschlüsseln Klarstellungen und Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen, soweit diese nicht zu erweiterten Anforderungen an die Verschlüsselung erbrachter Leistungen führen. Von dieser Ermächtigung hat das DIMDI Gebrauch gemacht und am 3. Dezember 2018 den Anhang zum OPS um eine Klarstellung ergänzt mit folgendem Wortlaut: „Die im OPS 2019 bei den Kodes 8-981 und 8-98b vorgenommenen und unten aufgeführten Änderungen der Mindestmerkmale entsprechen den mit der Einführung der bisherigen Formulierung in den OPS 2014 intendierten inhaltlichen Anforderungen. Die Textänderung ist daher rückwirkend gültig ab dem 01. Januar 2014.“
Die Version des OPS 8-98b für das Jahr 2016, die hier anwendbar ist, lautet danach:
„-98b Andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls
Hinw.: Mindestmerkmale: ...
„unmittelbarem Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen (Es gibt jeweils eine eigene Abteilung im Hause oder einen Kooperationspartner, der innerhalb einer halben Stunde zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende (das ist die Zeit, die der Patient im Transportmittel verbringt) erreichbar ist. Das Strukturmerkmal ist erfüllt, wenn der Transport unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels (z.B. Hubschrauber) grundsätzlich innerhalb einer halben Stunde möglich ist. Wenn der Transport eines Patienten erforderlich ist und das Zeitlimit nur mit dem schnellstmöglichen Transportmittel eingehalten werden kann, muss dieses auch tatsächlich verwendet werden. Wenn ein Patient transportiert wurde und die halbe Stunde nicht eingehalten werden konnte, darf der Kode nicht angegeben werden.).“
Ausgehend von dieser Definition erfüllt das Krankenhaus der Beklagten die Voraussetzungen des OPS 8-98b, auch wenn dort vor Ort keine neurochirurgischen Notfallmaßnahmen sowie gefäßchirurgische und interventionell-neuroradiologische Behandlungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Es bedient sich hierfür der Mittel des AK Altona oder des UKE, indem sie Versicherte in Fällen eines entsprechenden Interventionsbedarfes dorthin verlegt.
Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2018 (B 1 KR 39/17 R, juris, Rn 26) ausführt, setzt eine Kooperationspartnerschaft im Sinne des OPS eine rechtlich verfestigte Kooperationsbeziehung voraus, die etwa vertraglich, durch Verwaltungsakt oder normativ begründet ist und organisatorische Vorsorge für die Kooperation trifft. Nur eine solche rechtlich verfestigte Kooperation stellt sicher, dass verbindlich Ressourcen für die neurochirurgischen Notfalleingriffe sowie für interventionell-neuroradiologische Behandlungsmaßnahmen beim Kooperationspartner bereitstehen und abgerufen werden können. Auch genügt nur eine solche Kooperation dem Gebot der Rechtsklarheit.
Vom Vorliegen einer ausreichend belastbaren Kooperation zwischen der Beklagten und dem AK Altona bzw. dem UKE ist auszugehen.
Die Beklagte gehört dem Neurovaskulären Netzwerks Nordelbe an, die auf Initiative der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (PDF-Datei) als Pilotprojekt initiiert wurde. Nach den Informationen auf der Web-Seite des Netzwerks wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen des Netzwerkes die Behandlung der allermeisten Patienten unverändert zuerst in der nächstgelegenen Stroke Unit erfolgt. Nur wenn dort eine spezielle Therapie, zum Beispiel mit einem Mikrokatheter oder eine Operation am Gehirn nicht möglich sei, werde der Patient innerhalb dieses Netzwerks an die Asklepios Klinik Altona verlegt. Eine Kooperation zwischen den verschiedenen Kliniken bestehe schon seit vielen Jahren (https://www.nvn-nordelbe.de/).
Das Gericht bezweifelt angesichts der auf der Web-Seite dargebotenen Informationen nicht, dass innerhalb des Netzwerks ausreichend verfestigte Kooperationsbeziehungen bestehen ungeachtet dessen, welche schriftlichen Vereinbarungen im Einzelnen vorliegen.
Der Kooperationspartner der klägerischen Klinik befindet sich in einer höchstens halbstündigen Transportentfernung iSd der Neufassung des OPS.
Nach Angaben der Beklagten beträgt die übliche Fahrtzeit zwischen dem Krankenhaus in T. und dem AK Altona 38 Minuten. Streitig ist, ob mithilfe eines Rettungstransportwagens mit Sonderrechten die Distanz innerhalb von 30 Minuten bewältigt werden kann. Diese Frage kann jedoch offenbleiben, da zumindest durch den Transport mit einem Hubschrauber eine Verlegung innerhalb von 30 Minuten erreicht werden kann. Da die Beklagte Zugriff auf einen Rettungshubschrauber hat, der auch nachtflugtauglich ist, ist die halbstündige Transportentfernung rund um die Uhr sichergestellt.
Die Zweifel an der rechtlichen Wirksamkeit der DIMDI-Klarstellung teilt das Gericht nicht. Spätestens mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung wurde das DIMDI ermächtigt, eine solche Klarstellung vorzunehmen. Auch wenn es diese bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung formuliert hat, hat sie diese nach Inkrafttreten nicht revidiert und insofern den Willen manifestiert, an dieser Neuregelung festzuhalten. Spätestens mit Inkrafttreten der Ermächtigungsnorm konnte daher auch dieser Neuregelung in Kraft treten.
Ungeachtet der Klarstellung durch das DIMDI dürfte auch die bis Ende 2018 geltende Fassung des OPS 8-98b entgegen der Entscheidung des BSG vom 19. Juni 2018 (B 1 KR 39/17 R) die Auslegung rechtfertigen, dass mit der halbstündigen Transportentfernung die Fahrt im Transportfahrzeug und nicht die Transportkette gemeint war. Dafür spricht nicht nur die bis zur Entscheidung des BSG gelebte Abrechnungspraxis und die konsensuale Erledigung der meisten zu dieser Streitfrage geführten Rechtsstreite, die in der Regel durch Klagerücknahme durch die Krankenkassen bzw. Anerkenntnis der streitigen Forderungen erledigt wurden. Dies entsprach auch der Empfehlung des Bundesministeriums der Gesundheit, der Spitzenverbänden der Krankenkasse und der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom 6.Dezember 2018, die „zur Herstellung von Rechtsfrieden und Planungssicherheit sowie zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit“ vereinbart worden war.
Eine solche Auslegung orientiert sich zudem am nächsten am Wortlaut des OPS-Merkmals, wie die 15. Kammer des SG München in mehreren Entscheidungen mit gewichtigen Argumenten darlegt (SG München, Gerichtsbescheide vom 27. April 2020 – S 15 KR 2443/18 –, S 15 KR 2343/18, Gerichtsbescheid vom 30. März 2020 – S 15 KR 2433/18 –, Rn. 43, juris). Auch die 12. Kammer des SG München führt in ihrem Vorlagebeschluss (S 12 KR 1865/18 –, Rn. 63 - 64, juris) aus, dass der Begriff des Transports ausgehend vom lateinischen „transportare“ eine Überführung oder Beförderung von Dingen bzw. Personen von einem Ort an einen anderen Ort bezeichnet. Der allgemeinen Wortbedeutung nach habe ein Transport spätestens in dem Augenblick begonnen habe, in dem das Transportobjekt in Richtung des Zielortes bewegt werde. Der Schritt von dem Begriff „Transport“, der einen Bewegungsablauf beschreibt, hin zu dem Begriff Rettungskette kann das SG München in Übereinstimmung mit dem BSG nur gehen, weil es eine Verknüpfung mit dem „unmittelbaren Zugang“ hergestellt, den das BSG in seiner Entscheidung als „Leitbild“ des OPS-Merkmals bezeichnet. Der Begriff Transportbeginn und Transportende erhält durch diese Verknüpfung eine vom eigentlichen Bewegungsablauf losgelöste zeitliche Dimension, die sich mit einer rein am Wortlaut orientieren Auslegung schwer vereinbaren lässt. Zutreffend weist das SG Saarland in seinem Urteil vom 24. Juni 2020 (S 1 KR 556/19, juris) darauf hin, dass das BSG hier eine Normauslegung nach Sinn und Zweck, mithin eine teleologische Argumentation vornimmt und seine eigene Rechtsprechung verlässt, die eine strenge am Wortlaut orientierte Auslegung verlangt, die gegebenenfalls durch systematische Erwägungen ergänzt werden kann (SG Saarland, a.a.O., Rn. 39, juris).
Gegen die vom BSG gefundene Auslegung spricht auch die weitere Erläuterung im OPS Kode: „Das Strukturmerkmal ist erfüllt, wenn die halbstündige Transportentfernung unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels (z.B. Hubschrauber) grundsätzlich erfüllbar ist.“ Hier wird recht eindeutig eine Verknüpfung zwischen der Transportentfernung und dem Transportmittel hergestellt. Dies stützt die Wortlautauslegung, dass es allein auf die auf die Zeit ankommt, die der Patient im Transportmittel verbringt (SG Saarland, Urteil vom 24. Juni 2020 – S 1 KR 556/19 –, Rn. 42 - 43, juris).
Geht man davon aus, dass bereits die ursprüngliche Fassung des OPS mit Transportentfernung die Liegezeit im Transportmittel meinte, kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit des § 301 Abs. 2 Satz SGB V nicht an.
Doch auch wenn man auf die Neufassung des OPS-Kodes abstellt und damit die Berechtigung des DIMDI, eine solche rückwirkende Änderung vorzunehmen, voraussetzt, kommt eine Aussetzung des Rechtsstreits und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht.
Es besteht nur dann ein Zwang zur Vorlage, wenn die verfassungsrechtlichen Bedenken dazu nötigen, die entscheidungserhebliche Gesetzesvorschrift für nichtig zu erklären. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in der Auslegung der Verfassung und in der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Rechtsnormen das letzte Wort. Ausschließlich vorbehalten ist ihm aus dem schon genannten Grunde aber nur das „Verwerfungsmonopol" in Bezug auf Gesetze. Deren Beurteilung als verfassungskonform einschließlich der Aufgabe einer verfassungskonformen Auslegung obliegt hingegen auch jedem anderen Richter, der das fragliche Gesetz im Einzelfall in Bindung an die Verfassung auslegen und anwenden muss.
Eine solche verfassungskonforme Auslegung kommt dann in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen, während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen; solange eine Norm verfassungskonform ausgelegt werden kann und in dieser Auslegung sinnvoll bleibt, darf sie nicht für nichtig erklärt werden. Im Normprüfungsverfahren ermöglicht diese in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannte Auslegungsmethode, von der Absicht des Gesetzgebers das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was nach der Verfassung aufrechterhalten werden. Wenn und soweit auf dem Wege über eine verfassungskonforme Auslegung die Nichtigkeitserklärung einer Norm vermieden werden kann, erübrigt sich eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 01. März 1978 – 1 BvL 20/77 –, juris, Rn. 17 - 18).
Eine solche verfassungskonforme Auslegung des § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG zur Verbindlichkeit des OPS möglich, zumindest, wenn man von der bis Ende 2020 geltenden Fassung des § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V ausgeht.
Nach der Rechtsprechung des BSG beruht die Verbindlichkeit des OPS (wie auch der anderen in dem jeweiligen Vertragswerk über die Krankenhausvergütung angesprochenen Klassifikationssysteme) nicht auf ihrer Veröffentlichung durch das DIMDI, sondern allein auf dem Umstand, dass sie durch Vertragsrecht in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (u.a. BSG, Urteil vom 19. Juni 2018 – B 1 KR 39/17 R, juris, Rn 13). Die Frage nach der demokratischen Legitimation des DIMDI für die Wirksamkeit des OPS als Rezeptionsgegenstand der Fallpauschalenvereinbarung und für einen Rechtsgrund für die Vergütung, die verfassungsrechtlich problematisiert wird, stellt sich dem BSG daher nicht (s.a. Beschluss vom 30. Juli 2018 – B 1 KR 90/18 B, juris, Rn 15).
Durch die Neuregelung in § 301 Abs. 2 Abs. 4 SGB V wird das DIMDI/BfArM lediglich zur rückwirkenden Änderung der Klassifikationssysteme ermächtigt. Welche Auswirkungen derartige Änderungen auf bestehende Normenverträge für vergangene Zeiträume haben, regelt das Gesetz dagegen nicht. Die Frage dürfte durch eine Auslegung dieser Verträge zu beantworten sein (dazu Bockholdt, jurisPR-SozR 21/2020 Anm. 1). In den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) 2016 heißt es in der Vorbemerkung zu den Allgemeinen Kodierrichtlinien für Prozeduren (vor P001f): „Diese Kodierrichtlinien beziehen sich auf den amtlichen Operationen- und Prozedurenschlüssel - OPS Version 2016.“ In der Einleitung zu den DKR 2016 wird ausgeführt: „Es kann bei Redaktionsschluss nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Nachgang noch weitere Änderungen aus der Verabschiedung des G-DRG-Systems, der ICD-10-GM oder des OPS jeweils in den Versionen 2016 ergeben. Gegebenenfalls nachträglich notwendige Änderungen der DKR werden gesondert bekannt gegeben.“
Die Kodierrichtlinien nehmen Bezug auf die für das jeweilige Jahr verabschiedete Fassung des OPS. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BSG, nach der das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickeln und damit „lernendes System“ angelegt ist. Bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen sind danach in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (u.a. BSG, Urteil vom 19. Juni 2018, B1 KR 39/17 R, juris, Rn 17). Eine rückwirkende Änderung, wie sie die Neuregelung in § 301Abs. 2 SGB V ermöglich, ist mit dieser Vorstellung schwerlich zu vereinbaren. Denn eine rückwirkende Änderung kann naturgemäß vom Parteiwillen der Vertragsparteien zum damaligen Zeitpunkt nicht umfasst gewesen sein. Bedeutsam wird hier jedoch der Umstand, dass durch die vereinbarte Übertragung der Definitionskriterien für den vertraglich einbezogenen OPS-Katalog auf das DIMDI ein Dritter in ein Vertragssystem einbezogen ist vergleichbar mit der sog. Drittleistungsbestimmung nach § 317 BGB.
Gegenstand von Vereinbarungen wird die sog. Drittleistungsbestimmung gem. § 317 BGB regelmäßig in Fällen, in denen sich die Parteien selbst nicht dazu in der Lage sehen, die für die Leistungsbestimmung maßgeblichen Umstände zu beurteilen. Der Zugriff auf vertragsexternen Sachverstand kann dann zu einer schnellen und effektiven Konfliktlösung beitragen. Der Rückgriff auf einen am Vertrag nicht beteiligten, neutralen Dritten bietet zudem bei Streitigkeiten eine größere Gewähr für eine den Interessen beider Parteien gleichmäßig Rechnung tragende Leistungsbestimmung (Völzmann-Stickelbrock in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 317 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 7). Die Drittleistungsbestimmung ist u.a. für alle klassischen Leistungsbestimmungsfälle relevant, sowohl zur Beseitigung anfänglicher Ungewissheit als auch bei nachträglicher Ungewissheit, insbesondere für die praktisch häufigen Fälle der Vertragsanpassung in Dauerschuldverhältnissen (Völzmann-Stickelbrock a.a.O. Rn. 10). Die Möglichkeit zur Beseitigung von nachträglichen Ungewissheiten ist demnach dem Leistungsbestimmungsrecht nach § 317 BSG immanent, wenn es denn nicht vertraglich ausgeschlossen ist.
Die gesetzliche Neuregelung in § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V a.F. erweitert die Kompetenz des DIMDI, die diesem von den Vertragspartnern eingeräumt wurde, nunmehr ausdrücklich auch auf die nachträgliche Klarstellung der vertraglich vereinbarten OPS-Merkmale. Sie geht sogar darüber hinaus, indem sie bei Auslegungsfragen zu einer nachträglichen Änderung ermächtigt. Dieses Änderungsrecht ist verfassungsrechtlich kritischer zu beurteilen als das Recht zu Klarstellung. Denn eine Klarstellung setzt voraus, dass im Grunde eine konsentierte Regelung vorliegt, diese jedoch in ihrer konkreten Ausformulierung Fragen aufwirft und zu Auslegungen führt, die dem ursprünglich Gewollten nicht entsprechen.
Beschränkte man in verfassungskonformer Auslegung die Ermächtigung des DIMDI in § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V auf die Klarstellung, könnte immer noch das gesetzgeberische Ziel erreicht werden, bei Auslegungsstreitigkeiten für kurzfristigen Rechtsfrieden zwischen den Vertragspartner zu sorgen, insbesondere in Fällen, in denen in der Vergangenheit weitgehend Konsens über die Auslegung von Regelungen bestanden hat.
Die Voraussetzungen für eine Klarstellung im Sinne des § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V sind hier zu bejahen. Die Entscheidung des BSG hat nicht die erhoffte befriedende Wirkung gehabt, wie nicht nur die späteren abweichenden gerichtlichen Entscheidungen deutlich gemacht haben und machen. Eine unmittelbare Bindungswirkung für die Instanzgerichte entfalten Entscheidungen des BSG nicht, wenn auch eine Orientierung an höchstrichterliche Entscheidungen zur Herstellung des Rechtsfriedens sinnvoll ist und erwartet wird. Der Umstand, dass in der Vergangenheit die Abrechnung des OPS weit überwiegend unbeanstandet erfolgt ist, spricht für einen weitgehenden Konsens bei der Auslegung der halbstündigen Transportentfernung iSd Neufassung. Insofern dürfte es sich hier tatsächlich um eine Klarstellung und nicht um eine Änderung handeln.
Eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung ist möglicherweise vorzunehmen für die Neuregelungen in § 301 Abs. 2 SGB durch das MDK-Reformgesetz, die zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten sind. In dem neu eingefügten Satz 5 hießt es, dass vom Zeitpunkt der Inkraftsetzung der jeweiligen Fassung an der Diagnoseschlüssel sowie der Operationen- und Prozedurenschlüssel verbindlich und für die Abrechnung der erbrachten Leistungen zu verwenden sind. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu:
„Es wird klargestellt, dass die ICD und der OPS von Krankenhäusern für die Abrechnung erbrachten Leistungen zu verwenden sind. Mit den Zeitpunkte Inkraftsetzung durch das BMG werden die ICD und der OPS damit als Bestandteil des Krankenhausfinanzierung, des Entgeltrechts, unmittelbar verbindlich. Eines Normenvertrag der Vertragsparteien auf Bundesebene für die ICD und den OPS in Gestalt der jährlich abzuschließenden Fallpauschalenvereinbarung, der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorausgesetzt wird, damit der OPS Bestandteil des Entgeltrechts wird, bedarf es damit nicht mehr. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn das DMDI die auf der Grundlage der mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz geschaffenen rückwirkenden Klarstellung-sowie Änderungsmöglichkeit unterjährig Anpassungen des OPS vornehmen. Diese Änderungen sind unabhängig von einer Vereinbarung der Vertragsparteien auf Bundesebene für die Abrechnung erbrachter Leistungen verbindlich.“ (BT-Drs. 19/13397, S. 81)
Der Gesetzgeber stellt sich damit eindeutig gegen die Auffassung des BSG von der vertraglichen Grundlage für die Einbeziehung der OPS und verschafft dem ICD- und OPS-Katalog einen normgleichen Charakter. Wie für Zeiten ab 2020 die Möglichkeit permanenter Eingriffe in die Abrechnungsmodalitäten verfassungsrechtlich zu bewerten ist, ist für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ohne Bedeutung und bedarf daher keiner Entscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.