S 50 AS 10/21 ER

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Lüneburg (NSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Lüneburg (NSB)
Aktenzeichen
S 50 AS 10/21 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Im Anwendungsbericht der Niedersächsischen Corona-Verordnung steht Leistungsempfängern nach dem SGB II kein Anspruch auf Zuschuss für den Erwerb von FFP2-Masken zu.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die 1965 geborene Antragstellerin begehrt im Eilrechtsschutz die Gewährung von weiteren Leistungen für den Kauf von FFP2-Masken zum Schutz vor dem SARS-CoV-2 Virus (Corona-Virus) einschließlich etwaiger auftretender Virusmutationen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die Antragstellerin befindet sich laufend im Leistungsbezug. Ihr Ehemann hat als Rentner im Rahmen der Corona-Pandemie-Bekämpfung einen Gutschein von der Bundesregierung für 12 FFP2-Masken gegen Zahlung einer Selbstbeteiligung erhalten. Diese Masken hat er sich mit der Antragstellerin geteilt und sind nunmehr aufgebraucht.

Die Antragstellerin beantragte nach eigenen Angaben am 28.01.2021 beim Antragsgegner die Übernahme der Kosten für den Kauf von FFP2-Masken. Mit Schreiben vom 01.02.2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er beabsichtige, den Antrag abzulehnen, da nicht von einer außergewöhnlichen finanziellen Belastung auszugehen sei (Bl. 4 der Gerichtsakte).

Die Antragstellerin hat am 03.02.2021 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.

Mit der neuen Corona-Verordnung werde unter anderem das Tragen von medizinischen Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften zur Pflicht. Darüber hinaus werde dazu geraten, insbesondere in geschlossenen Räumen bei längerem oder engem Kontakt zu anderen Personen medizinische Masken zu tragen. Zu den medizinischen Masken zählten sowohl die einfacheren OP-Masken als auch die einen höheren Schutz bietenden FFP2-Masken. Diese hochwertigeren Masken unterschieden sich jedoch nicht nur in der Funktion, sondern auch im Preis von den übrigen Masken. Pro FFP2-Maske würden online ca. 2-3 Euro, in Apotheken sogar bis zu sechs Euro anfallen. Es werde empfohlen, die Masken täglich zu wechseln. Die Anschaffung ausreichender Masken sei daher für Leistungsberechtigte der Grundsicherung nicht möglich. Der Regelbedarf eines Haushaltsvorstands beinhalte ca. 17,- € pro Monat für Hygieneartikel. Die Regelbedarfe böten somit keinen Spielraum für eine regelmäßige Anschaffung der vorgeschriebenen Masken.

Leistungsberechtigte hätten auch ohne gesetzliche Maskenpflicht Anspruch auf die sie vor dem Virus stärker schützenden FFP2-Masken solange die Pandemie andauere, da sie in die Lage versetzt werden müssten, ebenso ihren Leib und Leben zu schützen wie die übrige Bevölkerung. Würden der Antragstellerin ihre verfassungsrechtlich garantierten Leistungen des Existenzminimums zu Unrecht vorenthalten, so entstünden ihr Nachteile, die nachträglich durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, denn der elementare Lebensbedarf eines Menschen (hier Schutz von Leib und Leben) könne grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entstünde. Die Antragstellerin lebe mit ihrem berenteten Ehemann zusammen, der einer Risikogruppe angehöre. Sie habe sich und ihren Ehemann sowie die Allgemeinheit vor einer Ansteckung mit Covid 19 oder den mutierten lebensgefährlichen Viren zu schützen.

Das SG Karlsruhe habe in seiner Entscheidung vom 11.2.2021, Az. S 12 AS 213/21 ER, dargetan, dass die Jobcenter entweder wöchentlich 20 FFP2-Masken kostenlos zur Verfügung zu stellen oder die jeweiligen Antragsteller mit Geldbeträgen in Höhe von monatlich 129,- € zum Kauf der Masken auszustatten hätten. Auf Alltagsmasken oder OP-Masken müssten sich die Leistungsberechtigten nicht verweisen lassen. Die Antragstellerin habe inzwischen einmalig zehn Masken zur Verfügung gestellt bekommen. Diese deckten jedoch nach der Rechtsprechung des SG Karlsruhe nur eine halbe Woche ab.

Grundlage habe der Anspruch auf Übernahme dieser Kosten in § 21 Abs. 6 SGB II. Die FFP2-Masken würden laufend benötigt, wo deren Tragen Pflicht sei. Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien laufend benötigte Bedarfe ein Härtefallmehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II (Bundessozialgericht, Urteile v. 08.05.2019, Az. B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R). 

Der Bedarf für die genannten Masken sei unabweisbar, da ansonsten nicht mehr eingekauft, öffentliche Nahverkehrsmittel benutzt oder Ärzte und Banken aufgesucht werden könnten. Der Bedarf sei laufend, da die Pflicht zur Zeit bestünde und ein Ende der verschärften Maskenpflicht nicht absehbar sei. Nach Empfehlungen von Experten sollten die Masken alle 1-2 Tage gewechselt werden, sodass der Antrag den Maskenbedarf bis Ende April für eine Person abdecke. Die Antragstellerin habe die Kosten der Masken in einer Apotheke erfragt. Diese würden sich auf 3,95 € pro Stück belaufen. Ein 20er-Pack Masken koste 50,- €, ein 10er-Pack koste 27,- €. Für den Zeitraum von drei Monaten ergäbe sich der Betrag von 150,- €. Die Antragstellerin verfüge nicht über die Möglichkeit, sich diese über das Internet zu bestellen.

Sie beantragt,

 1. den Antragsgegner zu verpflichten, ihr einen Mehrbedarf für FFP2-Masken ab sofort (Eingang des Antrags bei Gericht) bis Ende April 2021 in Höhe von 150,- Euro zu gewähren.

2. den Antragsgegner zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der geltend gemachte Anspruch auf Mehrbedarf sei nicht festzustellen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vertrete aktuell die Rechtsauffassung, dass eine Übernahme der Kosten für Schutzmasken nicht erforderlich sei, da von einer außergewöhnlichen finanziellen Belastung nicht auszugehen sei. Dies gelte auch für Beziehende von existenzsichernden Leistungen. Beim Regelbedarf handele es sich um einen Pauschalbetrag, bei dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden könnten und müssten. Hierzu gehöre auch, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich mit niedrigeren Ausgaben in einem anderen auszugleichen. Berücksichtige man dabei, dass durch den Lockdown gewisse Ausgaben wegfielen, die im Regelsatz aber berücksichtigt seien, sei eine Übernahme der entstehenden Kosten für Schutzmasken nicht erforderlich.

Die Empfehlung, täglich eine neue Maske zu verwenden, dürfte sich auf Personen beziehen, die diese Masken den ganzen Tag oder zumindest über längere Zeiträume pro Tag zu tragen hätten. Würden die Masken nur beim Einkauf, beim Arzt oder bei der Bank getragen, dürften gegen eine längere Nutzung der Masken keine Bedenken bestehen. Diese könnten über Nacht ausreichend durchtrocknen oder gegebenenfalls im Backofen desinfiziert werden.

Es sei auf den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 10.2.2021, Aktenzeichen S 23 AS 13/21 ER, zu verweisen, nach dem kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Beschaffung von Schutzmasken bestünde. Der Beschluss des Sozialgerichtes Karlsruhe überzeuge in weiten Teilen nicht. Niemand bzw. kein Normalverdiener benötige 20 FFP2-Masken pro Woche oder gebe 129,- € pro Monat für solche Masken aus, außer bei der Arbeit könnten fortwährend die notwendigen Abstände nicht eingehalten werden oder es werde mit infizierten Personen gearbeitet sowie in weiteren Ausnahmefällen. Einen solchen Ausnahmefall stelle die Antragstellerin hier jedoch nicht dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

 

II.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie des Anordnungsgrunds - die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung - sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 3 Zivilprozessordnung - ZPO -).

 

Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, hat der Antragsteller Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Dabei ist die Sach- und Rechtslage nicht summarisch, sondern abschließend zu prüfen und die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller sind nicht zu überspannen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (s. Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 22.11.2002, Az. 1 BvR 1586/02; Beschluss v. 29.07.2003, Az. 2 BvR 311/03; insbesondere für sozialrechtliche Ansprüche Beschluss v. 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05 - jeweils juris).

Es kann dahinstehen, inwieweit die Antragstellerin durch den Bezug auf den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe ihren Antrag erweitern (dann wohl auf Zahlung von 129,- € monatlich bzw. auf Zurverfügungstellung von 80 FFP2-Masken monatlich), oder ihn durch den Hinweis auf kostenlosen Bezug von 10 FFP2-Masken verringern wollte (dann wohl nur noch 50 Masken für insgesamt drei Monate bzw. Zahlung von 127,- € statt 150,- Euro), denn der Anspruch war insgesamt abzulehnen (so dass die Frage auch keine Auswirkungen auf die Beschwerdemöglichkeit hat, s.u. 7.). Der Antragstellerin steht kein Mehrbedarf für FFP2-Masken zu.

2.

Die Antragstellerin kann den geltend gemachten Anspruch nicht aus § 21 Abs. 6 SGB II - der einzig in Frage kommenden Anspruchsgrundlage - herleiten. Hiernach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

 

Der auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Urteil v. 09.02.2010, Az. 1 BvL 1, 3, 4/09) beruhenden Anspruch aus § 21 Abs. 6 SGB II setzt voraus, dass der besondere Bedarf über den durchschnittlichen, durch den Regelbedarf abgesicherten Bedarf hinausgeht (s. zum Folgenden von Boetticher in: Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Auflage, § 21, Rn. 39ff.). Mit dem Begriff des Einzelfalls ist klargestellt, dass eine möglicherweise nicht ausreichende Abdeckung des Regelbedarfs nicht einen besonderen Bedarf im Einzelfall auslöst, denn der unzureichende Regelbedarf trifft alle Leistungsberechtigten gleichmäßig.

 

Die Besonderheit des Bedarfs im Einzelfall ist immer dann gegeben, wenn im Vergleich zu den durch den Regelbedarf abgedeckten „Durchschnittsfällen“ die Lebenssituation und damit die Bedarfslage des individuellen Leistungsberechtigten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht anders geprägt ist.

 

Unabweisbarkeit soll immer dann vorliegen, wenn es sich um einen unaufschiebbaren Bedarf handelt, dessen Deckung erforderlich ist, um im konkreten Einzelfall das menschenwürdige, sozio-kulturelle Existenzminimum sicherzustellen. Dabei stellt nicht jeder quantitative Mehrbedarf gegenüber einer einzelnen in den Regelbedarf eingeschlossenen Position bzw. geringfügige qualitative Mehrbedarf zugleich einen atypischen, besonderen Bedarf dar. Es ist dem Leistungsberechtigten zuzumuten, sein im Vergleich zum statistisch ermittelten Durchschnittsregelbedarf höheren Bedarf in einem Lebensbereich bzw. seinen geringfügig, nicht im Regelbedarf berücksichtigten zusätzlichen Bedarf durch geringere Ausgaben in anderen Lebensbereichen auszugleichen. Dabei kann der Leistungsberechtigte jedoch nicht pauschal darauf verwiesen werden, Leistungen zur Deckung sozio-kultureller Bedarfe als Ausgleichsmasse für andere Bedarfspositionen einzusetzen (Bundesverfassungsgericht, Urteil v. 23.07.2014, Az. 1 BvL 10/12).

 

Dies gilt nach Ansicht der Kammer auch für diejenigen Bedarfe, die wegen der derzeitigen pandemiebedingten Einschränkungen gar nicht anfallen können (etwa Kosten für kulturelle Veranstaltungen - so offenbar SG Lüneburg, Beschluss v. 10.02.2021, Az. S 23 AS 13/21 ER, zum Anordnungsgrund im sozialgerichtlichen Eilverfahren). Einzelne Positionen aus dem Bereich „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“ mögen derzeit faktisch nicht ausgegeben werden können. Insbesondere die Freizeitgestaltung fällt jedoch nicht gänzlich weg, sondern verändert sich und verlangt weiterhin finanziellen Einsatz. Zudem können Leistungsempfänger auch bei anderweitiger (objektiver oder subjektiver) Unmöglichkeit der Verwendung von finanziellen Mitteln für eine bestimmte Position nicht darauf verwiesen werden, diese Mittel für andere Bedarfe zu verwenden, sodass ein Mehrbedarf bereits aus diesem Grund ausgeschlossen werden kann, denn der Regelbedarf aus § 20 SGB II wird nicht jeweils im Einzelfall gewährt, sondern orientiert sich an dem typischen Bedarf zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Bundesverfassungsgericht, Urteil v. 09.02.2010, Az. 1 BvL 1, 3, 4/09). Ansonsten müsste der Regelsatz für jeden einzelnen Leistungsempfänger nach dessen tatsächlichen Möglichkeiten und den jeweiligen sich ändernden faktischen Rahmenbedingungen berechnet werden.

Das Kriterium des laufenden Bedarfs stellt klar, dass einmalige Bedarfe nicht abzudecken sind. Einmalige Bedarfsspitzen, die nicht regelmäßig auftreten, werden in den § 24 Abs. 3 Nr. 1-3 SGB II speziell genannten Fällen zusätzlich als Zuschuss erbracht.

 

Aus gesundheitlichen Gründen kann sich im Einzelfall ein besonderer Bedarf ergeben bei Pflege-und Hygieneartikeln bei entsprechenden Hauterkrankungen, einer HIV-Infektion oder bei nicht erstattungsfähigen Medikamenten.

 

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der Antrag der Antragstellerin abzulehnen.

 

3.

Die Niedersächsische Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 in der Fassung vom 12. Februar 2021 bestimmt hinsichtlich einer Mund-Nasen-Bedeckung Folgendes:

§ 3 Abs. 1 Satz 1:

Jede Person hat, unbeschadet der Regelungen dieser Verordnung über

Beschränkungen und Verbote von Veranstaltungen, Dienstleistungen und des Betriebs von

Einrichtungen, in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs oder

Kundenverkehrs zugänglich sind, und in den vor diesen Räumen gelegenen

Eingangsbereichen sowie auf den zugehörigen Parkplätzen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu

tragen.

 

§ 3 Abs. 3:

Eine Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der Absätze 1 und 2 ist jede geeignete

textile oder textilähnliche Barriere, die aufgrund ihrer Beschaffenheit eine Ausbreitung von

übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln durch Husten, Niesen und Aussprache verringert,

unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie. Die Mund-Nasen-

Bedeckung ist nur geeignet, wenn sie eng anliegt.

 

Abweichend von Satz 1 ist für eine

Person, die

1. sich in einem geschlossenen Raum eines Betriebs oder einer Einrichtung jeweils im

Sinne des § 10 Abs. 1 b Satz 1 Nrn. 1 bis 23 und Satz 2, in dem vor dem Raum

gelegenen Eingangsbereich, auf einem zugehörigen Parkplatz oder während der

jeweiligen Marktöffnungszeiten auf einem Wochenmarkt aufhält,

2. nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs oder eine

dazugehörige Einrichtung nutzt, ausgenommen Fahrzeugführerinnen und

Fahrzeugführer,

3. nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 zulässige Tätigkeiten im Bereich der körpernahen

Dienstleistungen oder Körperpflege ausübt oder als Kundin oder Kunde

entgegennimmt oder im Bereich der Gesundheitsversorgung oder der Pflege von

Personen Kontakt zu den zu versorgenden oder zu pflegenden Personen hat,

4. an einer Veranstaltung nach § 9 Abs. 1 oder 2 teilnimmt,

5. ein Heim nach § 2 Abs. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende

Wohnformen (NuWG), eine unterstützende Wohnform nach § 2 Abs. 3 und 4 NuWG,

eine Tagespflegeeinrichtung nach § 2 Abs. 7 NuWG, eine ambulant betreute

Wohngemeinschaft zum Zweck der Intensivpflege, die nicht in den Geltungsbereich

des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende Wohnformen fällt, zu

Besuchszwecken, zur erweiterten Grundversorgung, zur Erbringung von

Dienstleistungen oder zu anderen Zwecken betritt oder

6. an einer beruflichen Fahrgemeinschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 teilnimmt,

nur eine medizinische Maske zulässig; Atemschutzmasken mit Ausatemventil sind nicht

zulässig.

§ 10 Abs. 1b:

Für den Kundenverkehr und Besuche sind alle Verkaufsstellen des

Einzelhandels, einschließlich der Outlet-Center und der Verkaufsstellen in Einkaufscentern,

geschlossen, ausgenommen die Verkaufsstellen für die Versorgung mit Lebensmitteln oder

mit Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in den Betrieben und Einrichtungen

1. des Lebensmittelhandels,

2. der Wochenmärkte in Bezug auf den Handel mit Lebensmitteln und mit Schnittblumen,

Topfblumen und Topfpflanzen sowie Blumengestecken und Grabschmuck,

3. des landwirtschaftlichen Direktverkaufs und der Hofläden in Bezug auf den Handel mit

Lebensmitteln und mit Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen sowie

Blumengestecken und Grabschmuck,

4. des Getränkehandels,

5. der Abhol- und Lieferdienste,

6. der Reformhäuser,

7. der Babyfachgeschäfte,

8. der Apotheken, Sanitätshäuser und Drogerien,

9. der Optikerinnen, Optiker, Hörgeräteakustikerinnen und Hörgeräteakustiker,

10. der Tankstellen und Autowaschanlagen,

10 a. des Kraftfahrzeughandels und des Zweiradhandels, allerdings jeweils beschränkt auf

die Durchführung von Probefahrten,

11. der Kraftfahrzeug- oder Fahrrad-Werkstätten und der Reparaturwerkstätten für

Elektronikgeräte,

12. der Banken und Sparkassen,

13. der Poststellen,

14. der Reinigungen,

15. der Waschsalons,

16. der Zeitungsverkaufsstellen,

17. des Tierbedarfshandels,

18. des Futtermittelhandels,

19. der Verkaufsstellen für Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen sowie für

Blumengestecke und Grabschmuck sowie des gärtnerischen Facheinzelhandels wie

Gärtnereien, Gartencenter und Gartenmärkte,

20. des Großhandels und der Baumärkte, jeweils nur für gewerbliche Kundinnen und

Kunden,

21. des Brenn- und Heizstoffhandels,

22. des Brief- und Versandhandels,

23. der Verkaufsstellen von Fahrkarten für den Personenverkehr.

§ 19 Abs. 1:

Verstöße gegen die §§ 2 bis 10 und 14 bis 16 stellen Ordnungswidrigkeiten nach

§ 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG dar und werden mit Geldbuße bis zu 25 000 Euro geahndet.

Ersichtlicherweise wird in vielen Lebensbereichen gefordert, dass die Bürgerinnen und Bürger Mund-Nasen-Bedeckungen tragen, und bei einigen wichtigen Verrichtungen des täglichen Lebens müssen dies auch medizinische Masken sein (s. § 3 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung) und die Nichtbeachtung dieser Vorschriften stellt auch eine Ordnungswidrigkeit dar. Das Tragen von medizinischen Masken (wie z.B. sog. „OP-Masken“) ist aber auch ausreichend, das Tragen von FFP2-Masken wird nicht gefordert.

FFP2-Masken stellen damit jedenfalls im Anwendungsbereich der derzeit geltenden Niedersächsischen Corona-Verordnung keinen im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II dar.

a)

Es ist schon zweifelhaft, ob es sich überhaupt um einen Bedarf „im Einzelfall“ handelt. Von der Corona-Pandemie sind sämtliche Teile der Bevölkerung betroffen. Mund-Nasen-Bedeckungen müssen in vielen Bereichen des täglichen Lebens alle Teile der Bevölkerung, die das sechste Lebensjahr überschritten haben, tragen, sodass nicht nur die Antragstellerin oder mit dieser vergleichbare Personengruppen betroffen sind, sondern viele weitere Bürgerinnen und Bürger. Es mag richtig sein, dass FFP2-Masken einen wirksameren Schutz vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus vermitteln und es wäre sicherlich wünschenswert, wenn sämtliche Teile der Bevölkerung sich und andere bestmöglich vor einer Ansteckung schützen würden. Eine Pflicht zum Tragen derartiger Masken besteht jedoch nicht.

In der Lebenswirklichkeit wird die Antragstellerin auch faktisch nicht beeinträchtigt, da nur relativ wenige Bürgerinnen und Bürger derzeit FFP2-Masken verwenden. Die Antragstellerin wird dadurch daher entgegen ihrer Auffassung auch faktisch nicht diskriminiert. Im Gegenteil hat die Bundesregierung in der Zwischenzeit beschlossen, hilfebedürftigen Bürgerinnen und Bürgern kostenlos FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen, gerade um etwaigen Ungerechtigkeiten aufgrund der möglicherweise bestehenden schlechteren gesundheitlichen Lage von Hilfebedürftigen entgegenzuwirken.

b)

Selbst wenn man davon ausginge, dass die derzeit vorherrschende, in dieser Heftigkeit im Industriezeitalter noch nicht vorgekommenen Pandemie eine besondere Bedarfslage entstehen lässt, ist der Bedarf für FFP2-Masken jedenfalls nicht unabweisbar. Um die Vorgaben aus der niedersächsischen Corona-Verordnung zu erfüllen, ist es entgegen der Meinung der Antragstellerin ausreichend, herkömmliche medizinische Masken zu verwenden. Diese sind im Onlinehandel für ca. 0,16 € das Stück zu erwerben, und selbst wenn die Antragstellerin, wie sie vorträgt, keine Möglichkeit hat, derartige Produkte online zu bestellen (was zweifelhaft ist), dürften die Kosten für eine derartige Maske 0,40 € nicht übersteigen. Da davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin nicht jeden Tag einen der in der Corona-Verordnung aufgeführten Plätze oder Orte, an denen das Tragen von medizinischen Masken Pflicht ist, aufsuchen muss, ist der Bedarf an medizinischen Masken von demjenigen Teil der Regelleistung, der gesundheitliche Produkte umfasst, gedeckt.

4.

Die Kammer folgt nicht der von der Antragstellerin ins Feld geführten Rechtsprechung des SG Karlsruhe (Beschluss vom 11.02.2021, Az. S 12 AS 213/21 ER), wonach Arbeitssuchenden ein Recht auf die Bereitstellung von 20 FFP2-Masken wöchentlich oder monatlich 129,- Euro zustünden. Dieser Anspruch wird im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen abgeleitet:

Rechtsgrundlage sei § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II. Ein Bedarf im Sinne dieser Vorschrift bestünde unter anderem für solche dritt- oder allgemeingültigen Aufwendungen, welche dem Arbeitssuchenden aufgrund der Einführung eines neuen rechtsverbindlichen Gebotes in nicht unerheblicher Höhe durch gebotskonformes Verhalten durchschnittlich entstünden, solange und soweit der Sozialgesetzgeber weder eine spezielle Anspruchsgrundlage geschaffen noch die Regelbedarfshöhe angepasst habe. Das SGB II erkenne die Notwendigkeit fremdnütziger Aufwendungen zugunsten der Bedarfsgemeinschaft nicht zugehöriger Personen oder der Allgemeinheit regelmäßig dann als anspruchserhöhend an, wenn das uneigennützige, kostenaufwändige Verhalten des Arbeitssuchenden der Erfüllung ihm unveräußerlicher Rechtspflichten diene. Eine ebensolche Auslegung des diesbezüglich erklärten Willens des Sozialgesetzgebers zur Drittschutzpflichtbezogenheit des grundsicherungsrechtlichen Bedarfsbegriffs zeige sich unter anderem in den bereits bestehenden Regelungen zur Absetzbarkeit dritt- oder allgemeinheitsbezogener Aufwendungen vom leistungsmindernden Einkommen in § 11b Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der Anwendungsbereich der Norm sei auch eröffnet in Fällen der Notwendigkeit besonderer Hygieneartikel zum Schutze Dritter vor der Ansteckung mit einem gefährlichen Virus.

Ein uneingeschränkter Verweis auf OP-Masken würde gegen Recht und Gesetz verstoßen. Zwar müssten auch in Baden-Württemberg an den meisten genannten Örtlichkeiten nur OP-Masken getragen werden, der Verzicht des Verordnungsgebers auf eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken könne jedoch nicht dann als Erlaubnis verstanden werden, soweit das Tragen dieser Masken gegen das vorrangige Verbot von Gesundheitsschädigungen nach den §§ 223 ff. StGB verstoße. Der grundsicherungsrechtliche Bedarf richte sich auch nach den bundesgesetzlichen Maßstäben in §§ 223 ff. StGB. Aus den verfügbaren epidemiologischen Erkenntnismitteln folge, dass der bloße Gebrauch von OP-Masken weder die eigene Gesundheit von Arbeitssuchenden noch die ihrer Mitmenschen ausreichend vor einer Infektion mit dem SARS-COV-2-Virus schütze. Die Mehrbedarfsanerkennung folge damit einem infektionsschutzspezifischen Schutzzweck, nämlich der Abwendung einer allgemeinen epidemischen Gefahr.

Arbeitssuchende müssten auch keine Einsparungen vornehmen, um den Mehrbedarf an FFP2-Masken anderweitig auszugleichen, da sie die ihnen zur eigenverantwortlichen Verwendung für sich selbst und ihre Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft in lediglich existenzsichernder Höhe überlassenen Mittel nicht zugunsten der Allgemeinheit in fremdverantwortlicher Weise einsetzen müssten.

Hinsichtlich der Größenordnung des Bedarfes sei es unter Zugrundelegung der zahlreichen, schweren und bereits über drei Monate andauernden Eingriffe zur Wahrung der Grundfreiheiten sowie zur Beförderung der körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit verfassungsrechtlich geboten, die bis auf weiteres andauernde infektionsschutzbedingte Notwendigkeit zur sozialen Distanzierung im größtmöglichen Ausmaß durch geeignete, auch kostspielige Maßnahmen abzumildern, um einen größtmöglichen Freiraum für soziale Kontakte aufrechtzuerhalten.

a)

Nicht schlüssig sind bereits die Ausführungen zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf. Soweit dort auf die Rechtsprechung zu einem Mehrbedarf aufgrund einer HIV-Infektion abgestellt wird, wird verkannt, dass in dem dort zugrundeliegenden Fall (s. erstinstanzlich SG Berlin, Urteil v. 10.11.2009, Az. S 94 AS 2311/08 und nachgehend Bundessozialgericht, Urteil v. 19.08.2010, Az. B 14 AS 13/10 R – jeweils juris) der Kläger einen eigenen erhöhten Hygienebedarf aufgrund von bestimmten Nebenerkrankungen (rezidivierender Durchfall, Übelkeit, Erbrechen etc.) wegen einer fortgeschrittenen HIV-Erkrankung begehrte. Es erschließt sich nicht, warum diese Rechtsprechung auf Bedarfe aufgrund einer „Drittschutzpflichtbezogenheit“ herangezogen werden kann. Auch die Argumentation hinsichtlich der Absetzung von auf Einkommen zu entrichtenden Steuern und gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen überzeugt nicht, sind diese Regelungen doch bereits dem Umstand geschuldet, dass nur bereite Mittel auf existenzsichernde Leistungen angerechnet werden können, da ansonsten das Existenzminimum unterschritten würde.

b)

Wenig überzeugend sind auch die Ausführungen zur angeblich aus dem Strafgesetzbuch abzuleitenden Pflicht, FFP2-Masken und keine (einfachen) OP-Masken zu tragen. Es ist bereits unklar, inwieweit eine derartige Argumentation aus den derzeit „verfügbaren epidemiologischen Erkenntnismitteln“ abgeleitet werden kann. Die Forschungen zum Corona-Virus stehen weiterhin eher am Anfang, und aufgrund der neu auftretenden Mutation kann man nicht von einer sicher feststehenden medizinischen Grundlage ausgehen. Hinsichtlich der Ausführungen zum StGB sei angemerkt, dass der Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts nicht möglich ist und also offenbar argumentiert werden soll, dass jeder OP-Masken-Träger vorsätzlich unmittelbar zu einer gefährlichen Körperverletzung ansetzt, wenn er einen Supermarkt betritt. Eine Argumentation mittels Inkriminierung von ca. 60 Millionen Bürgern, die auch während der Corona-Pandemie regelmäßig Supermärkte besuchen (s. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/172078/umfrage/haeufigkeit-lebensmittel-fuer-den-haushalt-einkaufen), erscheint wenig plausibel. 

 

c)

Selbst wenn ein Anspruch auf FFP2-Masken gegeben wäre, ist auch dessen Größenordnung nicht einleuchtend. Es ist nicht ersichtlich, dass ein Bedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II das „größtmögliche Ausmaß“ annehmen muss. Grundrechtliche Freiheiten werden durch das Grundgesetz garantiert, allerdings dürfte es keinen Anspruch des Bürgers - auch nicht während infektionsschutzrechtlich gebotenen anderweitigen Einschränkungen dieser Rechte - geben, dass er diese immer in größtmöglichen Ausmaß ausüben kann, und jedenfalls soll die Grundsicherung für Arbeitssuchende aus dem SGB II gerade nicht größtmögliche Freiheiten, sondern im Gegenteil gerade (nur) das menschenwürdige sozio-kulturelle Existenzminimum sichern (vgl. § 1 Abs. 1 SGB II).

 

5.

Die Kammer verkennt nicht, dass die Antragstellerin verständlicherweise sich, ihren Partner und andere vor einer Infektion mit dem SARS-CoV2-Virus schützen möchte. Zum Zeitpunkt der Entscheidung hat jedoch der niedersächsische Verordnungsgeber auch einfache OP-Masken für diesen – individuellen und kollektiven – Schutz für ausreichend erachtet und die Bundesregierung hat durch die Zurverfügungstellung von kostenlosen Masken ebenfalls dazu beigetragen, den Schutz des Einzelnen und der Gesellschaft insgesamt zu verbessern. Sollten sich diese Anforderungen durch Verschlimmerung des Infektionsgeschehens oder Auftreten von noch aggressiveren Mutationen ändern, bleibt es der Antragstellerin unbenommen, einen weiteren Antrag zu stellen. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht jedoch kein Anspruch auf die begehrten FFP2-Masken.

6.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung von § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

7.

Die fehlende Beschwerdemöglichkeit folgt aus § 172 Abs. 1, 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG (die begehrte Zahlung übersteigt 750,00 Euro und damit die Berufungssumme nicht). Eine von der Antragstellerin begehrte Zulassung der Beschwerde ist nicht möglich (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Auflage, V. Kapitel Rn. 48 (S. 179) unter Bezugnahme auf Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 11. März 2011, Az. L 13 AS 52/11 B ER).

Rechtskraft
Aus
Saved