1. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit darf der Zufluss von Einkommen nicht unterstellt werden. Auch rechtfertigt allein der Umstand, dass das Lebensnotwendige auch ohne SGB II-Leistungen offenbar gesichert war, nicht die Annahme fehlender Hilfebedürftigkeit (Anschluss an BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 31/08 R). 2. Die Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwändigen Beweisaufnahme als Voraussetzung für eine Zurückweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht kann dann zu bejahen sein, wenn Bedarfe und Einkommen für eine Vielzahl von Leistungsmonaten festzustellen sind und das Sozialgericht überhaupt keine Ermittlungen, an die angeknüpft werden könnte, durchgeführt hat.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 7. Dezember 2020 wird aufgehoben, soweit er die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 17. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2019 betrifft.
Der Rechtsstreit wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Stade zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat.
Die 1985 geborene, alleinstehende und noch im elterlichen Haushalt lebende Klägerin stand zuletzt bis August 2017 bei dem Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II. Der Beklagte stellte die Leistungen zum 1. September 2017 nach einem Hausbesuch und Auswertung vorgelegter Kontoauszüge mit der Begründung ein, dass die Klägerin unter Berücksichtigung eigenen Einkommens aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis (Putzstelle) und der von den Eltern gewährten Hilfen in Form von Geldzuwendungen, kostenfreien Mahlzeiten und kostenfreiem Waschen nicht hilfebedürftig sei. Der entsprechende Bescheid ist Gegenstand des beim Senat anhängigen Parallelverfahrens L 13 AS 26/21.
Im Juni 2019 stellte die Klägerin einen Neuantrag, welcher Gegenstand des vorliegenden, von dem o. g. Verfahren abgetrennten Berufungsverfahrens ist. Sie hatte zwischenzeitlich ihre Putzstelle mit der Begründung gekündigt, ihren schwer erkrankten Vater versorgen zu müssen, und gab im Leistungsantrag an, neben kostenfreier Verpflegung durch den Vater, welcher eine monatliche Rente von rund 1.000 € beziehe, über keinerlei Einkommen zu verfügen. Einem vorgelegten, mit dem Vater geschlossenen Untermietvertrag war eine monatliche Miete von 200 € zu entnehmen. In dem Vordruck „Begründung zum Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)“ gab die Klägerin an, dass ihr Lebensunterhalt in den vergangenen Monaten von ihren Eltern sichergestellt worden sei. In der „Anlage HG – zur Feststellung der Bedürftigkeit bei einer Haushaltsgemeinschaft“ erklärte die Klägerin, dass sie von ihren Eltern „keine Leistungen (z. B. unentgeltliche Unterkunft, Taschengeld)“ erhalte. Auf Nachfrage des Beklagten teilte die Klägerin mit, dass Lebensmitteleinkäufe aus ihren Kontoauszügen nicht ersichtlich seien, da ihre Mutter immer einkaufen gehe. Diese sei „wie ich arm dran“. Sie hätten beide ihre Arbeit aufgeben müssen. Ihr Vater sei sehr schwer krank, seine Rente reiche nicht für drei Personen, sie müssten aber damit auskommen. Krankenversicherungsbeiträge habe sie nicht gezahlt, auch nicht die Miete, da sie zuvor zu wenig und jetzt überhaupt nichts mehr verdiene. In der ihr zwecks Vervollständigung zurückgesandten „Anlage VM – zur Feststellung der Vermögensverhältnisse“ trug sie die elterlichen Konten erneut nicht ein und vermerkte hierzu handschriftlich: „Ist nix mit schnüffeln“.
Nach einem erneuten Hausbesuch lehnte der Beklagte den Leistungsantrag mit Bescheid vom 17. September 2019 mit der Begründung ab, dass die Klägerin von ihren Eltern unterstützt werde und daher nicht hilfebedürftig sei. Hiergegen legte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein und machte geltend, dass sie von ihren Eltern, die selbst kaum Einkommen hätten, nur im Wege der Nothilfe unterstützt worden sei. Nur durch diese Notunterstützung und extrem sparsame eigene Lebensführung sei sie über die Runden gekommen. Auch wenn sie noch im elterlichen Haushalt lebe, führe sie „einen eigenen Hausstand“ und unterstütze ihre Mutter und ihren schwerkranken Vater im Haushalt. Der Vater habe mittlerweile Pflegegrad 2 und sei ständig behandlungsbedürftig. Sie selbst sei ebenfalls gesundheitlich eingeschränkt und ihre Mutter könne nicht arbeiten, weil sie ihren schwerkranken Mann betreuen müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2019 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe ihre Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen. Sie habe widersprüchliche Angaben zu ihrer Einkommenssituation gemacht und die Herkunft von Bareinzahlungen auf ihr Girokonto nicht mitgeteilt, so dass davon auszugehen sei, dass sie über nicht angegebenes Einkommen verfüge. Zudem sei eine Mietzahlungsverpflichtung gegenüber dem Vater nicht glaubhaft und die fehlende Mitwirkung bei der Feststellung des Leistungsanspruchs (unvollständige Angaben in der Anlage VM) lasse darauf schließen, dass die Klägerin auf die Leistungen nicht unbedingt angewiesen sei. „Mindestens merkwürdig“ sei, dass die J. unter dem 4. Juni 2019 eine laufende Krankenversicherung bescheinige, obwohl die Klägerin von ihrem Arbeitgeber bereits im April 2019 abgemeldet worden sei. Mittlerweile seien seit dem Antrag fünf Monate vergangen, in denen die Klägerin in der Lage gewesen sei, ihren Lebensunterhalt ohne steuerfinanzierte Leistungen sicherzustellen.
Die Klägerin hat am 2. Januar 2020 Klage erhoben und vorgetragen, da sie entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid nicht über verschwiegene Einnahmequellen verfüge. Sie kümmere sich um ihren schwerkranken Vater und sei deshalb auch nicht länger in der Lage gewesen, ihre bisherige Beschäftigung auszuüben. Sie habe sich nur durch Nothilfeleistungen ihrer Eltern, die sie zurückzahlen müsse, über Wasser halten können. Die Rente ihres Vaters reiche gerade aus, den Lebensunterhalt der Eltern sicherzustellen. Gleichwohl versuchten die Eltern, ihre in Not geratene Tochter – die Klägerin – mit geringen Geldleistungen zu unterstützen. Wegen der spärlichen Verpflegung sei ihr Gewicht schon auf 45 kg abgesunken und sie sei durch die Pflege ihres fast blinden Vaters und ihre Existenzängste psychisch extrem belastet.
Der Beklagte hat an seiner Einschätzung festgehalten, dass der Lebensunterhalt der Klägerin anderweitig, möglicherweise durch Zuwendungen der Eltern oder aber bislang nicht angegebenes Einkommen und Vermögen, sichergestellt sei.
Das Sozialgericht (SG) Stade hat das Verfahren mit zwei weiteren Klageverfahren der Klägerin, welche die Bewilligungszeiträume von Mai bis Oktober 2016 und Mai bis Oktober 2017 betreffen, verbunden und die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 7. Dezember 2020 abgewiesen. Hinsichtlich der vorliegenden Klage hat es ausgeführt, die Leistungsablehnung ab Juli 2019 sei „mangels Hilfebedürftigkeit rechtmäßig“. Die Klägerin lebe, wie sich anlässlich des Hausbesuchs ergeben habe, weiterhin in Haushaltsgemeinschaft mit ihren Eltern, so dass die Bedarfsdeckung gemäß § 9 Abs. 5 SGB II vermutet werde. Die Klägerin habe diese Vermutung nicht widerlegt. Der vorgelegte Mietvertrag werde offensichtlich nicht vollzogen, es seien keinerlei Mietzahlungen erfolgt. Im Übrigen hat das SG auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Gegen den ihr am 8. Dezember 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. Januar 2021 Berufung eingelegt.
Mit Beschluss vom 6. April 2021 hat der Senat das vorliegende Verfahren abgetrennt.
Die Klägerin, die im Februar 2021 einen von dem Beklagten ebenfalls abgelehnten erneuten Leistungsantrag gestellt hat, beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des SG Stade vom 7. Dezember 2020 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 17. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2019 zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juni 2019 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Prozessakten verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung, über die der Senat gemäß § 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen Ausbleibens der Beteiligten im Verhandlungstermin nach Lage der Akten entscheiden konnte, ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Der angefochtene Gerichtsbescheid leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, so dass der Senat von der durch § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG eröffneten Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch macht.
Nach der genannten Vorschrift kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, da das SG Stade gegen seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts aus § 103 SGG eklatant verstoßen hat. Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (st. Rspr. des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. z. B. Beschluss vom 26. Mai 2020 – B 2 U 214/19 B – juris Rn. 7 m. w. N.). Der Untersuchungsgrundsatz hat zur Folge, dass die Beteiligten grundsätzlich keine Beweisführungslast haben, sofern das Gesetz nichts Abweichendes regelt. Eine Entscheidung nach der objektiven Beweislast kann nur getroffen werden, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht aufklären kann (BSG, Urteil vom 22. April 2015 – B 3 P 8/13 R – juris Rn. 36).
Nach seiner für die Beurteilung des wesentlichen Verfahrensmangels maßgeblichen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 159 Rn. 3a) Rechtsansicht konnte das SG nicht auf Ermittlungen gänzlich verzichten. Das SG hat die – allerdings unzutreffende (s. unten) – Rechtsauffassung vertreten, dass im Falle einer Haushaltsgemeinschaft die Bedarfsdeckung gemäß § 9 Abs. 5 SGB II vermutet werde, diese Vermutung aber widerlegt werden könne. Seine Würdigung des Sachverhalts dahingehend, dass der vorgelegte Mietvertrag nicht vollzogen werde, trägt nicht die rechtliche Schlussfolgerung, dass die Klägerin die Vermutung der Bedarfsdeckung nicht widerlegt habe. Nach § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II umfassen die Leistungen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Das SG hat lediglich festgestellt, dass ein Bedarf für Unterkunft und Heizung im Falle der Klägerin nicht anfiel. Inwieweit der Regelbedarf und etwaige Mehrbedarfe gedeckt waren, hat es demgegenüber nicht festgestellt. Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Die Klägerin hat in ihrer Klagebegründung geltend gemacht, dass die Rente des Vaters für drei Personen nicht reiche, sie von ihren Eltern nur mit dem Nötigsten versorgt werde und wegen unzureichender Verpflegung schon abgemagert sei. Sollte diese Darstellung zutreffen, wäre das Existenzminimum der Klägerin offenkundig nicht gesichert. Vor diesem Hintergrund erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen Gründen das SG den Behauptungen der Klägerin, etwa durch deren persönliche Anhörung und Vernehmung der Eltern, nicht nachgegangen ist. Jedenfalls würde allein der Umstand, dass das SG die Darstellung der Klägerin womöglich für wenig plausibel gehalten hat, ein Absehen von jeglichen Ermittlungen nicht rechtfertigen.
Auch die zweite Voraussetzung für die Zurückverweisung, die Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwändigen Beweisaufnahme aufgrund des Verfahrensmangels, liegt vor. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass entgegen der Rechtsauffassung des SG § 9 Abs. 5 SGB II nicht vorsieht, dass im Falle einer Haushaltsgemeinschaft eine Bedarfsdeckung vermutet wird. Der vollständige Wortlaut der Norm lautet vielmehr:
„Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.“
Ab welcher Einkommenshöhe und in welchem Umfang Leistungen des Verwandten oder Verschwägerten erwartet werden können und inwieweit Vermögen zu berücksichtigen ist, regeln die – vom SG ebenfalls nicht berücksichtigten - §§ 1 Abs. 2, 7 Abs. 2 Arbeitslosengeld II-/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V). Die Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II knüpft damit tatbestandlich an das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten an, ohne dass eine Bedarfsgemeinschaft zwischen den Angehörigen vorliegt. Darüber hinaus setzt der Eintritt der Rechtsvermutung voraus, dass die Unterstützung des Hilfebedürftigen nach dem Einkommen und Vermögen des Angehörigen erwartet werden kann. Diesem Tatbestandsmerkmal kommt eine Doppelfunktion zu. Einerseits bestimmt es, wann die Annahme der Vermutung gerechtfertigt ist, andererseits bestimmt es den Umfang der vermuteten Unterstützungsleistungen (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 55/19 R – juris Rn. 23).
Davon ausgehend kann nach derzeitigem Sach- und Streitstand aufgrund der eigenen Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren und den Erkenntnissen aus dem Hausbesuch lediglich als gesichert gelten, dass die Klägerin und ihre Eltern eine Haushaltsgemeinschaft i. S. eines Wirtschaftens „aus einem Topf“ (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 – B 14 AS 6/08 R – juris Rn. 15) führen. Weder der Beklagte noch das SG haben aber festgestellt, ob überhaupt und ggf. in welchem Umfang auf der Grundlage des § 9 Abs. 5 SGB II i. V. m. §§ 1 Abs. 2, 7 Abs. 2 Alg II-V eine Unterstützung der Klägerin durch ihre Eltern erwartet werden kann bzw. konnte. Sollten die Angaben der Klägerin, wonach die Mutter über kein Einkommen und der Vater neben dem anrechnungsfreien Pflegegeld lediglich über eine Rente in Höhe von 1.000 € verfügen, zutreffen, dürfte auf der Grundlage der nach § 1 Abs. 2 Alg II-V vorzunehmenden Berechnung kein Raum für die Rechtsvermutung einer Unterstützung durch die Eltern sein. Insoweit wird mit Blick auf § 1 Abs. 2 Alg II-V für jeden Monat des streitbefangenen Zeitraums, welcher sich bei einer vollständigen Leistungsablehnung – wie hier – grundsätzlich bis zur letzten mündlichen Verhandlung erstreckt, aber im Sinne einer zeitlichen Zäsur durch einen erneuten, von dem Beklagten beschiedenen Leistungsantrag begrenzt wird (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 29/12 R – juris Rn. 11 m. w. N.), zu klären sein, über welches Einkommen die Eltern verfügten und in welcher Höhe Kosten für Unterkunft und Heizung anfielen. Ferner wird zu prüfen sein, ob das selbst genutzte Hausgrundstück der Eltern eine angemessene Größe hat und damit von einer möglichen Verwertung nach § 7 Abs. 2 Alg II-V i. V. m. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II ausgeschlossen ist. Ob und ggf. welcher Einsatz weiterer Vermögensgegenstände der Eltern zur Abwendung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin erwartet werden kann, ist bislang ebenfalls offen.
Sollten die Ermittlungen – was derzeit als eher wahrscheinlich erscheint – ergeben, dass die Rechtsvermutung einer Unterstützungsleistung nach § 9 Abs. 5 SGB II nicht eingreift, sind zwar gleichwohl gewährte Unterstützungsleistungen der Eltern als Einkommen i. S. des § 11 SGB II zu berücksichtigen. Der Zufluss solcher Geldleistungen muss aber konkret nachgewiesen sein. Die den Antragsteller hinsichtlich seiner Hilfebedürftigkeit treffende Beweislast erlaubt es – wie das BSG für eine ähnliche Sachverhaltskonstellation unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits entschieden hat (Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 31/08 R – juris Rn. 18 f.) – nicht, den Zufluss von Einkommen zu unterstellen. Die Angabe der Klägerin, von ihren Eltern mit Geldbeträgen unterstützt worden zu sein, rechtfertigt es danach nicht, von einer vollständigen Bedarfsdeckung durch den Zufluss von Einkommen auszugehen. Auch lässt entgegen den Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid allein die Tatsache, dass auch ohne SGB II-Leistungen jedenfalls das Lebensnotwendige offenbar gesichert war, eine Hilfebedürftigkeit nicht (nachträglich) entfallen (vgl. BSG a. a. O. Rn. 19). Soweit der Beklagte ausweislich seines Widerspruchsbescheides die von der Klägerin vorgelegte Mitgliedsbescheinigung der J. vom 4. Juni 2019 für merkwürdig hält und diese als Indiz für ein verschwiegenes (sozialversicherungspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis wertet, übersieht er, dass die J. eine seit dem 14. Oktober 2010 bestehende laufende Mitgliedschaft auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i. V. m. § 20 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), mithin als Bezieherin von Arbeitslosengeld II bescheinigt. Aus der Bescheinigung ergibt sich danach allenfalls, dass der Beklagte bei Einstellung der Leistungen eine Abmeldung der Klägerin bei der Krankenversicherung versäumt hat, keinesfalls aber eine Versicherungspflicht der Klägerin aufgrund einer ausgeübten Beschäftigung.
Davon auszugehend ist für jeden einzelnen streitbefangenen Leistungsmonat unter Heranziehung der Klägerin (§ 103 S. 1 Hs. 2 SGG) zu ermitteln, welches Einkommen ihr tatsächlich zur Verfügung stand. Insoweit werden zumindest die Kontoauszüge anzufordern und auszuwerten sein, aus denen sich sodann die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen hinsichtlich der Kontobewegungen (Bareinzahlungen/Gutschriften) ergeben kann. Hinsichtlich der Unterstützungsleistungen der Eltern ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand deren zeugenschaftliche Vernehmung zu Grund und Höhe der erbrachten Leistungen erforderlich. Die danach nachzuholende Beweisaufnahme stellt sich als umfangreich und aufwändig dar, zumal bislang Ermittlungen zur Hilfebedürftigkeit der Klägerin gänzlich unterblieben sind.
Der Senat macht von der in seinem Ermessen stehenden Zurückverweisung Gebrauch. Die erneute Befassung des SG mit der Streitsache erscheint bei Abwägung zwischen dem Interesse der Beteiligten, namentlich der Klägerin, an einer schnellen Sachentscheidung einerseits und den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits geboten. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass das SG überhaupt keine Ermittlungen, an die der Senat anknüpfen könnte, durchgeführt hat – es hat noch nicht einmal den streitbefangenen Zeitraum geklärt – und damit der Verlust einer Tatsacheninstanz besonders ins Gewicht fällt. Die durch die Zurückverweisung entstehende Verzögerung des Rechtsstreits wird dadurch relativiert, dass der Rechtsstreit erst seit Januar 2020 anhängig ist und bislang noch keine überlange Verfahrensdauer aufweist sowie die Zurückverweisung zeitnah nach Einlegung der Berufung im Januar 2021 erfolgt. Zudem handelt es sich aufgrund der durch den neuerlichen Leistungsantrag eingetretenen zeitlichen Zäsur um einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit, so dass nicht die Sicherung des aktuellen Lebensunterhalts der Klägerin im Streit steht. Diese hat schließlich ihre im Januar 2021 eingelegte Berufung trotz entsprechender Ankündigung und Aufforderung durch das Gericht nicht zeitnah begründet, sondern vielmehr zuletzt noch Schriftsatznachlass bis Mitte Juni 2021 beantragt, und damit ein Interesse an einer zeitnahen Erledigung des Rechtstreits nicht zum Ausdruck gebracht. Unter diesen Umständen erscheint es sachgerecht, dass zunächst das SG die bislang vollständig unterbliebenen Ermittlungen nachholt und auf diese Weise der Klägerin die im SGG vorgesehenen zwei Tatsacheninstanzen zur Verfügung gestellt werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).