L 11 AS 234/18

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Braunschweig (NSB)
Aktenzeichen
S 28 AS 2080/16
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 11 AS 234/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 Der Streitwert wird endgültig auf 1.946,67 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als ehemaliger Vermieter der Beigeladenen die Auszahlung von insgesamt 100,00 Euro monatlich aus den der Beigeladenen vom Beklagten gewährten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) aus abgetretenem Recht. Er beruft sich auf ein sog „wohlverstandenes Interesse“ iS von § 53 Abs 2 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) bezogen auf Nebenkostennachforderungen für 2013 iHv 1.100,34 Euro und für 2014 iHv 846,33 Euro.

 

Die Beigeladene steht im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten. Sie war jedenfalls in der Zeit von 2013 bis August 2017 Mieterin einer Wohnung in „M. 1, N.“. Vermieter war der Kläger. Er machte Nebenkostennachforderungen iHv 1.100,34 Euro für das Jahr 2013 geltend. Diesen hatte die Beigeladene (jedenfalls zunächst) widersprochen. Der Kläger machte außerdem Nebenkostennachforderungen für das Jahr 2014 iHv 846,33 Euro geltend, denen die Beigeladene (ebenfalls jedenfalls zunächst) widersprochen hatte und die deshalb von dem Beklagten nicht übernommen wurden. Die laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) wurden jedenfalls für die Zeit ab April 2016 iHv 580,00 Euro direkt an den Kläger überwiesen (Bl 1947R, Bl 2013 Verwaltungsakten - VA -).

 

Mit Schreiben vom 3. März 2016 (Bl 1930R VA), eingegangen per Fax am 2. März 2016, legte der Kläger beim Beklagten eine Vereinbarung vom 3. Februar 2016 vor und begehrte, monatliche Raten iHv 50,00 Euro ab April 2016 an ihn zu überweisen. In der per Fax vorgelegten Kopie der Vereinbarung heißt es, dass die Beigeladene einen Restbetrag von Nebenkosten 2013 iHv 1.100,34 Euro selbst zu tragen habe. Unter 2. steht: „Es wird vereinbart, dass dieser Betrag in monatlichen Raten von 50,00 Euro von der Regelleistung gezahlt wird, beginnend ab März 2016. Dieser Betrag wird unwiderruflich an Herrn C. abgetreten. Dieser Betrag wird von dem Jobcenter O. P. 1, Q., BG-Nr: R. direkt an Herrn C. gezahlt.“ Die Vereinbarung enthält außerdem noch die Bankverbindung des Klägers sowie zwei Unterschriften zwischen der Datumszeile 3. Februar 2016 und den Namen B. C. und E. F..

Am 7. März 2016 ging ein weiteres Schreiben des Klägers per Fax ein (Bl 1931 VA). Er benannte hier im Betreff eine Vereinbarung über die Zahlung von 846,33 Euro in monatlichen Raten von 50,00 Euro ab März 2016 und bat um Überweisung. Eine Kopie einer entsprechenden Vereinbarung vom 12. Oktober 2015 ging erstmals am 1. April 2016 per Fax ein (Bl 1964 VA), nun mit einem auf den „3.02.2016“ datierten, ansonsten inhaltsgleichen Anschreiben wie dasjenige vom 7. März 2016 (Bl 1963R VA). Darin wurde vereinbart, dass die Beigeladene die Nebenkosten 2014 iHv 846,33 Euro selbst zu tragen habe. Im Übrigen wurde wortgleich wie in der Vereinbarung vom 3. Februar 2016 vereinbart, dass dieser Betrag in monatlichen Raten von 50,00 Euro von der Regelleistung gezahlt wird, beginnend ab November 2015, dieser Betrag unwiderruflich an Herrn C. abgetreten wird und vom Jobcenter O. direkt an Herrn C. gezahlt wird.

Anlässlich einer Vorsprache am 24. März 2016 erklärte die Beigeladene, sie habe keine Einverständniserklärung zur Abzweigung der Betriebskosten 2013 und 2014 unterzeichnet und bat, nichts abzuzweigen (Bl 1951 VA).  

 

Der Beklagte vermerkte, dass ein Widerspruch zu den Nebenkosten 2013 von der Leistungsempfängerin gegenüber dem Vermieter eingelegt und bezüglich der Nebenkosten 2014 eine entsprechende Vorlage fehle bzw ebenfalls Widerspruch von der Leistungsempfängerin eingelegt worden sei. Der Beklagte wies mit Bescheid vom 1. April 2016 den Antrag auf Auszahlung ab, da Widerspruch gegen die Betriebskostenabrechnung 2013 eingelegt worden sei und nicht bekannt sei, ob die Betriebskostenabrechnung 2014 anerkannt worden sei. Somit sei eine Abzweigung des Betrags nicht möglich.

 

Hiergegen legte der Kläger am 12. April 2016 Widerspruch ein. Gegen die Nebenkostenabrechnungen 2013 und 2014 habe die Beigeladene keinen Widerspruch eingelegt. Sie habe vielmehr die Nebenkosten anerkannt. Er habe außerdem über den Fehlbetrag der Nebenkostenabrechnungen 2013 und 2014 einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts (AG) S. erwirkt. Er bezog sich auf Kopien (Bl 1956ff VA) über am 31. Juli 2014 und 3. Dezember 2015 zugestellte Bescheide. Die Mieterin habe gegen die Mahnbescheide keinen Widerspruch eingelegt und gegen die Vollstreckungsbescheide keinen Einspruch. Die Ratenvereinbarungen seien abgeschlossen worden, um der Mieterin entgegen zu kommen. Am 13. Mai 2016 (Bl 1967 VA) ging ein Schreiben des Klägers vom 4. Mai 2016 ein, in dem er erklärte, die Beigeladene habe ihm eine Kopie ihres Schreibens vom 7. April 2016 an das Jobcenter zugeleitet. Beigefügt ist ein Schreiben, in dem J. F. erklärt: „Den Widerspruch über die Nebenkostenabrechnung 2013 habe ich zurückgenommen. Die Nebenkostenabrechnung 2014 erkenne ich an.“ (Bl 1970 VA).

 

In der Folgezeit legte der Kläger weitere Abtretungen über jeweils 50,00 Euro monatlich vor und zwar vom 7. April 2016 wegen Mietrückständen aus der Zeit von Juli 2015 bis April 2016 iHv 1.000,00 Euro (Bl 1966 VA) und vom 13. Mai 2016 (Bl 2034 VA) betreffend die Nebenkostenabrechnung 2015 iHv 1.608,25 Euro. Außerdem übersandte er per Fax mehrfach die streitigen Abtretungserklärungen in Kopie. Originale liegen nicht vor.

 

Der Beklagte fragte im Juli 2016 die Beigeladene, ob sie mit der Auszahlung von Regelleistungsbeträgen an den Vermieter einverstanden sei (Bl 2038). Hierzu äußerte sich die Beigeladene nicht. Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2016 (Bl 2053) den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen einer wirksamen Abtretung gemäß § 53 Abs 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) seien nicht erfüllt. Die Abtretung liege nicht im wohlverstandenen Interesse der Beigeladenen. Daran ändere auch die behauptete Zustimmung zur Abtretung nichts. Denn es handele sich hier um die Begleichung von Schulden.

 

Die Beigeladene teilte anlässlich einer Vorsprache im November 2016 mit, dass sie keine Kenntnis von den vorgelegten Vereinbarungen habe und diese auch nicht unterzeichnet habe (Bl 2056/2058). Sie erklärte schriftlich am 21. November 2016, dass sie keine Kenntnis von der Abtretungserklärung vom 7. April 2016 habe (Abtretung ab Mai 2016 wegen Mietrückständen) und diese von ihr nicht unterzeichnet worden sei.

 

Der Kläger hat am 30. November 2016 Klage erhoben und vorgetragen, er habe den Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2016 erst am Mittwoch, den 30. Oktober 2016 erhalten. Er habe in N. weitere Mieter, die von dem Beklagten Leistungen bezögen und bei denen vergleichbare Abtretungen bedient würden.

 

Das SG hat mit Urteil vom 7. Februar 2018 die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 53 Abs 2 Nr 2 SGB I lägen nicht vor. Denn es liege nicht im wohlverstandenen Interesse der Beigeladenen, dass ein Teil ihrer laufenden Leistungen an ihren Vermieter zur ratenweise Begleichung von Schulden der noch offenen Nebenkostennachforderungen für die Jahre 2013 und 2014 abgeführt würden. Ein solches Interesse könne zB in Bezug auf laufende Mietzahlungen angenommen werden, wenn der Berechtigte mit der Direktzahlung an den Vermieter einverstanden sei.  Hier gehe es jedoch um Abzweigung von Teilen der Regelbedarfsleistungen, die der Deckung des notwendigen Lebensunterhalts dienten. Die Abführung von Schulden aus Teilen der Regelbedarfsleistungen liege nicht im wohlverstanden Interesse, zumal die Beigeladene mit Schreiben vom 21. November 2016 deutlich gemacht habe, dass sie nicht mehr mit einer solchen Auszahlung einverstanden sei. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihm im Rahmen von § 53 SGB I Vollstreckungshilfe leiste. Das SG hat den Streitwert mit Beschluss vom 19. Februar 2018 auf 1.946,67 Euro festgesetzt.

 

Gegen das ihm am 21. Februar 2018 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 21. März 2018 eingegangenen Berufung. Er ist weiterhin der Auffassung, dass ein wohlverstandenes Interesse iSd § 53 Abs 2 SGB II vorliegt. Denn Nebenkosten und Nebenkostennachzahlungen gehörten zu den Kosten der Unterkunft. Es sei schon nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte nicht bereit sei diese zu begleichen. Durch die direkte Zahlung an ihn würde die Sicherung des ansonsten durch Kündigung gefährdeten Wohnraums gewährleistet. Es sei weiterhin unklar, ob das Jobcenter nun endlich die Nebenkostenabrechnungen bearbeitet habe und die Fehlbeträge überwiesen seien. Hierzu habe sich das SG nicht geäußert. Die Abtretungen habe die Beigeladene im Beisein seines Beauftragten T. unterschrieben.

 

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 7. Februar 2018 sowie den Bescheid des Beklagten vom 1. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Antrag auf Auszahlung gemäß den Abtretungserklärungen vom 3. Februar 2016 stattzugeben.

 

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 53 SGB I nicht vorliegen und die Auszahlung nicht im wohlverstandenen Interesse der Beigeladenen liegt. Es gehe nicht um Abtretungen der laufenden Unterkunftskosten, sondern um eine Schuldentilgung bestehender Betriebskostennachforderungen, für die der Kläger bereits Vollstreckungstitel erwirkt habe. Die Alg II-Leistungen dienten der Existenzsicherung. Eine Schuldentilgung solle mit ihnen nicht erfolgen. Durch die Durchführung der Abtretung würde die Existenzsicherung der Leistungsberechtigten und ihrer Bedarfsgemeinschaftsmitglieder gefährdet. Außerdem bestünden erhebliche Zweifel an den durch den Kläger vorgelegten Abtretungserklärungen.

 

Die Mieterin E. F. wurde mit Beschluss vom 10. Dezember 2020 zum Verfahren beigeladen. Sie hat sich in dem Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

 

Außer den Gerichtsakten haben die die Beigeladene betreffenden Verwaltungsakten Bl 1926 bis 2074 vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ergänzend Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des wohlverstandenen Interesses bzw. Auszahlung eines Teils des Regelbedarfs der Beigeladenen.

 

Streitgegenstand sind gemäß dem Bescheid vom 1. April 2016 die Abtretungen, die sich auf die Betriebskostenabrechnungen 2013 und 2014 beziehen (Abtretungsvereinbarung Nebenkosten 2013 iHv 1.100,34 Euro vom 3. Februar 2016 und Abtretungsvereinbarung Nebenkosten 2014 iHv 846,33 Euro vom 12. Oktober 2015). Diese waren auch Gegenstand des Widerspruchsbescheides. Die weiteren Abtretungen, die rückständige Mietzahlungen und die Nebenkostenabrechnung 2015 betreffen, sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Soweit der Kläger sich im Berufungsantrag vom 21. März 2018 auf die Abtretungserklärungen vom 3. Februar 2016 bezieht, ist hierin unter Berücksichtigung seiner Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sowie der von ihm auch im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht von einer Berufungsbeschränkung auszugehen. 

 

Der Kläger macht ein Recht aus Abtretung der der Beigeladenen zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs nach dem SGB II in Höhe von 50 bzw. 100 Euro monatlich geltend. Gemäß § 53 Abs 2 SGB I können Ansprüche auf Geldleistungen übertragen und verpfändet werden,

1.    

2.     wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt.

Seit 1. August 2016 ist § 42 Abs 4 Satz 2 SGB II, wonach die Abtretung und Übertragung nach § 53 Abs 2 SGB I unberührt bleibt, iVm § 53 Abs 2 Nr 2 SGB II anzuwenden.

 

Die zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, da der Beklagte durch Verwaltungsakt abgelehnt hat, das wohlverstandene Interesse iSd § 53 Abs 2 N. 2 SGB I festzustellen und dementsprechend die begehrten Leistungen zu zahlen (vgl zur Klageart: BSG, Urteil vom 14. August 1984 – 10 RKg 19/81 – juris, Rn 12; Siefert in KassKomm, Stand Dezember 2020, § 53 SGB I Rn 33).

 

Der Beklagte hat hier durch den angefochtenen Bescheid vom 1. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2016 das wohlverstandene Interesse der Beigeladene an der Durchführung der Abtretung verneint. Eine solche Feststellung ist jedoch Voraussetzung für die Wirksamkeit der Abtretung. Ohne sie ist die Abtretung schwebend unwirksam. Sie kann nach herrschender Meinung rückwirkend nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn die Leistung in vollem Umfang bereits an den Berechtigten selbst erbracht worden ist (vgl BSG, Urteil vom 6. April 2000 – B 11 AL 47/99 R -). Die in den vom Kläger in Kopie vorgelegten Abtretungserklärungen vom 3. Februar 2016 in Bezug genommene Abtretung der Regelleistung, beginnend ab März 2016 ist somit rückwirkend nicht mehr möglich, da der Beklagte der Beigeladenen die Leistungen in vollem Umfang ausgezahlt hat (vgl Bescheide vom 24. März 2016 und 22. September 2016).

 

Es ist jedoch anerkannt, dass von der Abtretung auch künftige Leistungen erfasst werden können, wenn die Abtretung hinreichend bestimmt ist.

Unterstellt, die vom Kläger in Kopie vorgelegte Abtretungserklärung vom 3. Februar 2016 wurde, wie der Kläger vorträgt, von der Beigeladenen unterschrieben, ist das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit erfüllt. Denn sie bezieht sich auf die der Beigeladenen gewährten Regelbedarfe. Die weitere Auslegung ergibt, dass es sich um die der Beigeladenen vom Beklagten zu zahlenden Regelbedarfe handelt.

Dasselbe gilt auch für die Erklärung vom 12. Oktober 2015, die sich als Eingang vom 1. April 2016 in den Verwaltungsakten findet. Diese wird offensichtlich vom Kläger ebenfalls als Erklärung vom 3. Februar 2016 bezeichnet, da er sie, wie sich aus von ihm per Fax übersandten Unterlagen ergibt, erstmals per Faxanschreiben mit diesem Datum übersandt haben will.

 

Zur Überzeugung des Senats haben der Beklagte und das SG im Ergebnis zutreffend verneint, dass die Abtretung von Bestandteilen der Regelbedarfsleistungen im wohlverstandenen Interesse der Beigeladenen lag. Der Begriff des wohlverstandenen Interesses des Berechtigten ist als unbestimmter Rechtsbegriff in vollem Umfang gerichtlich zu überprüfen. Es setzt voraus, dass der abtretende Leistungsberechtigte für den übertragenen Leistungsanspruch als Gegenwert einen zumindest gleichwertigen Vermögensvorteil erwirkt und der Zweck der Sozialleistungen die Abtretung rechtfertigt (vgl. Siefert, aaO Rn 30 mwN). Diesem Interesse steht grundsätzlich nicht entgegen, wenn die Abtretung in weiterem Umfang als nach § 53 Abs 3 SGB I vorgenommen wird, also den nicht pfändbaren Mindestbetrag erfasst. Denn dies lässt § 53 Abs 2 SGB I ausdrücklich zu (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 17. Februar 2009 - L 11 AL 305/05 -, juris Rn 30 mwN). Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass bereits die vom Beklagten übernommenen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) direkt an den Kläger überwiesen wurden. Die für die Begleichung der Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen 2013/2014 geltend gemachten Beträge und die hierauf bezogenen Abtretungen waren Abtretungen aus den Regelbedarfsleistungen. Diese dienen jedoch zur Deckung des Lebensunterhalts iSd § 20 Abs 1 SGB II, der durch die Abtretung geschmälert würde. Die Abtretung in Höhe von zweimal 50 Euro, mithin 100 Euro monatlich übersteigt dabei sogar den Betrag, der gemäß § 42a Abs. 2 Satz 2 (10% des maßgebenden Regelbedarfs) vom Beklagten zur Tilgung von gewährten Darlehen einbehalten werden könnte. Dies belegt, dass hier die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beigeladenen durch die Bejahung des wohlverstandenen Interesses erheblich beeinträchtigt würden und ihr nicht mehr ausreichend Mittel zur Sicherung des lebensnotwendigen Bedarfs zur Verfügung stünden.

 

Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass die Beigeladene bereits in Bezug auf die Direktüberweisung der laufenden KdUH einer teilweisen Überweisung aus den Regelbedarfsleistungen zugestimmt hat, betrifft dies die zu diesem Zeitpunkt aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft und die Anrechnung von Kindesunterhalt und Kindergeld für zwei in der Bedarfsgemeinschaft lebende Kinder, die dazu führte, dass ein höherer als vom Beklagten festgestellter Leistungsanspruch an den Kläger direkt zur Begleichung der KdUH überwiesen wurden (vgl Bescheide vom 24. März 2016 und 22. September 2016 – Bl. 2018 ff) bzw die nach Durchführung der Kostensenkungsaufforderung ab 1. Juli 2016 übersteigenden Beträge. Von daher war – ungeachtet, dass eine rückwirkende Feststellung nicht mehr durchgeführt werden kann – die seinerzeitige Entscheidung zutreffend.

 

Auch wenn grundsätzlich bei Abtretungen zur Begleichung von Mietzinsforderungen einschließlich Nebenkosten(nach)forderungen die Annahme eines wohlverstandenen Interesses in Betracht kommen kann, weil der gleichwertige Vermögensvorteil in der Sicherung der Unterkunft gesehen werden kann (vgl. zur Bejahung des wohlverstandenen Interesses eines Obdachlosen im Hinblick auf die angemessene Nutzungsentschädigung für die Unterbringung in einem Obdachlosenheim BSG Urteil vom 6. April 2000 – B 11 AL 47/99 R – und Urteil des erkennenden Senats, aaO), bestehen hier auch deshalb Bedenken im Hinblick auf die Bejahung des wohlverstandenen Interesses, weil schon die laufenden Wohnkosten nicht vollständig vom Beklagten übernommen wurden und die tatsächlichen KdU gemäß der Kostensenkungsaufforderungen zu hoch waren. Die Sicherung einer nicht angemessenen Wohnung, für die der Betroffene mehr als nur geringfügige Beträge selbst aufbringen muss, rechtfertigt auch im Rahmen der Prüfung, ob gemäß § 22 Abs 8 SGB II auf Antrag des Leistungsempfängers ein Darlehen zur Übernahme von Schulden erbracht werden soll, regelmäßig nicht die Erbringung eines Darlehens. Denn die dauerhafte Sicherung einer kostenunangemessenen Wohnung rechtfertigt im Regelfall – und ein solcher liegt hier erkennbar nach den für das Jahr 2016/2017 vorliegenden Bescheiden vor – nicht die Übernahme von Schulden.

Somit ist im Ergebnis die Feststellung des Beklagten und des SG zutreffend, dass der Bejahung des wohlverstandenen Interesses der Abtretung zur Begleichung von Schulden entgegensteht, dass hier ein gleichwertiger Vermögensvorteil nicht erlangt wird.

In diesem Zusammenhang kommt es deshalb auch nicht mehr darauf an, ob die Nebenkostennachforderungen für die Jahre 2013/2014 von der Beigeladenen weiter bestritten oder von ihr anerkannt werden.

 

Auch im Hinblick auf die derzeit nur noch mögliche Bejahung des wohlverstandenen Interesses für aktuelle Zahlungen sieht der Senat die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht als gegeben an. Denn durch den Auszug der Beigeladenen aus der Wohnung des Klägers im Sommer 2017 kann durch die Begleichung der Schulden das Mietverhältnis nicht mehr gesichert werden. Die Übernahme von Schulden und die Verwendung der gewährten Regelbedarfsleistungen zur Begleichung von Schulden ist dem Gedanken der aktuellen Sicherung des Lebensnotwendigen im Rahmen des SGB II fremd. In einem Fall wie dem Vorliegenden käme auch die Gewährung eines Darlehens durch den Beklagten an die Beigeladene in Höhe der geltend gemachten Nebenkostennachforderungen nicht mehr in Betracht.

 

Soweit der Kläger sich auf vom Beklagten akzeptierte Abtretungen anderer Mieter beruft und hier eine Ungleichbehandlung geltend macht, vermag dies nicht zu einer Bejahung des wohlverstandenen Interesses der Beigeladenen an der Abtretung führen. Denn die den anderweitigen durchgeführten Abtretungen zugrundeliegenden Lebensverhältnisse sind dem Senat nicht bekannt und eine gegebenenfalls rechtswidrige Bejahung kann nicht zur Verpflichtung im vorliegenden Fall führen.

 

Soweit der Kläger sich darauf beruft, es sei nicht nachvollziehbar, ob und inwieweit der Beklagte die von ihm gegenüber der Beigeladenen geltend gemachten Nebenkostennachforderungen für die Jahre 2013/2014, die diese nach seiner Darstellung nunmehr anerkannt hat, beglichen hat, betrifft dies nicht den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Soweit der Beklagte die Leistungen an die Beigeladene gezahlt hat, obliegt es dem Kläger, sich an diese direkt zu wenden. Es ist nicht Aufgabe des auf den Streitgegenstand der Prüfung der Entscheidung nach § 53 Abs 2 Nr 2 SGB I gerichteten gerichtlichen Verfahrens, hier weiteren Auskunftsbegehren des Klägers nachzukommen.

 

Soweit der Vortrag des Klägers darauf abzielen sollte, dass er die Begleichung der Nebenkostennachforderungen an sich begehrt, wäre eine hierauf gerichtete Klage bereits unzulässig gewesen und eine hierauf gerichtete Berufung zurückzuweisen.

 

Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die weiteren vorgelegten Abtretungserklärungen auch die Durchsetzung dieser Beträge gegenüber dem Beklagten im vorliegenden Verfahren geltend machen sollte, wäre auch dies unzulässig. Denn wie oben dargestellt ist Streitgegenstand ausschließlich die Entscheidung des Beklagten über die Abtretungen betreffend die Nebenkostennachforderungen 2013/2014.

 

Da der Kläger nicht zu den kostenrechtlich privilegierten Personen iSv § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehört, folgt die Kostenentscheidung aus den § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es waren Gerichtskosten zu erheben.

 

Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich gemäß § 197a SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1 und § 52 Abs 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG) nach dem Berufungsantrag des Klägers, der im Ergebnis auf die Durchsetzung der Forderungen in Höhe von 1.946,67 Euro gerichtet ist. In dieser Höhe war der Streitwert endgültig festzusetzen.

 

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
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