Eine HVM-Regelung, die nur in Teilzeit tätige, nicht aber vollzeittätige Ärzte einer Honorarbegrenzung auf den Umfang ihres Versorgungsauftrags bzw Genehmigungsumfangs unterwirft, ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar (Anschluss an BSG, Urteil vom 15. Juli 2020 - B 6 KA 12/19 R, SozR 4-2500 § 87b Nr 26; Aufgabe der Senatsrechtsprechung, z.B. Urteil vom 26. Oktober 2016 - L 3 KA 1/14, juris).
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2018 mit der Maßgabe geändert, dass die Beklagte verpflichtet wird, über den Honoraranspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.372,34 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (noch) über eine im Quartal II/2013 vorgenommene Honorarkürzung für die Tätigkeit eines in Teilzeit bei der Klägerin angestellten Radiologen.
Die Klägerin betreibt ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Praxissitz in G., das an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. In den Quartalen IV/2012 bis I/2014 waren bei ihr drei Fachärzte für Diagnostische Radiologie angestellt, die jeweils teilzeitbeschäftigt waren (davon in den Quartalen I bis IV/2013: die Ärzte H. und Dr. I. mit Anteilen von jeweils 0,25 und Dr. J. mit einem Anteil von 0,5; im Quartal I/2014: Dr. I. mit einem Anteil von 0,25, Dr. J. mit einem Anteil von 0,75 und der Arzt K. mit einem Anteil von 0,5).
Ausweislich der Honorarbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) für die Quartale I und II/2013 wurden die auf den Arzt H. entfallenden Honoraranteile um 13.599,36 Euro (I/2013) bzw um 1.660,40 Euro (II/2013) reduziert, wobei Grundlage die Regelung in Teil B § 9 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) der Beklagten war, in der Leistungsbegrenzungen bei anteiligen Versorgungsaufträgen vorgesehen waren. Entsprechende Reduzierungen erfolgten in den Quartalen IV/2013 und I/2014 auch in Hinblick auf die auf Dr. I. entfallenden Honoraranteile (iHv 4.017,78 Euro im Quartal IV/2013 bzw 384,30 Euro im Quartal I/2014).
Die Klägerin legte gegen die Honorarbescheide der Beklagten zu den Quartalen IV/2012 bis II/2013 sowie IV/2013 und I/2014 Widersprüche ein. Diese begründete sie damit, dass in allen Quartalen zu Unrecht sachlich-rechnerische Berichtigungen zu drei Gebührenordnungspositionen erfolgt seien, die Regelleistungsvolumen (RLV) für die Quartale IV/2012 bis II/2013 auf falschen Berechnungsgrundlagen beruhten und das Honorar für das Quartal I/2014 in Hinblick auf zwei neu in die Praxis eingetretene Ärzte unzutreffend berechnet worden sei. Bezüglich der Quartale I bis IV/2013 und I/2014 rügte sie außerdem die Honorarkürzungen nach Teil B § 9 HVM. Diese Vorschrift sei rechtswidrig, weil es einen Verstoß gegen die Honorargerechtigkeit und insbesondere gegen Artikel 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) darstelle, wenn anteilsmäßig angestellte Ärzte anders behandelt würden als ganztags angestellte bzw zugelassene Ärzte.
Die Beklagte wies die Widersprüche - soweit sie nicht gegen die sachlich-rechnerischen Berichtigungen gerichtet waren - mit Teilwiderspruchsbescheid vom 18. Februar 2015 zurück. Insbesondere die Leistungsbegrenzung nach Teil B § 9 HVM sei rechtmäßig auf der Grundlage von § 87b Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ergangen. Ein Verstoß gegen die Honorarverteilungsgerechtigkeit und Artikel 3 GG liege nicht vor, weil es sachwidrig wäre, angestellte Ärzte zwar in die Bedarfsplanung und in die Honorarverteilung mit einzubeziehen und den damit niedergelassenen Vertragsärzten nahezu gleichzustellen, sie auf der anderen Seite von honorarbegrenzenden Maßnahmen jedoch auszunehmen. Hintergrund der Regelung in Teil B § 9 HVM sei es, dass mehrere Ärzte, die sich einen Vertragsarztsitz aufgrund anteiliger Zulassung teilten, grundsätzlich in der Lage seien, auch die Arbeitsleistung von mehreren Ärzten zu erbringen. Wenn ein Arzt jedoch einen alleinigen Sitz innehabe, könne er nur die Leistungsmenge eines einzigen Arztes erbringen.
Gegen diese am 23. Februar 2015 zur Post gegebene Entscheidung hat die Klägerin am 25. März 2015 Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, mit der sie beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, über ihre dem Teilwiderspruchsbescheid zugrunde liegenden Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden und das weitere vertragsärztliche Honorar an sie zu zahlen. Zur Begründung hat sie an den in ihren Widersprüchen geltend gemachten Einwänden festgehalten. Zur Honorarbegrenzung bei Teilzeitkräften hat sie ergänzend ausgeführt, die dafür maßgebliche Regelung in Teil B § 9 HVM sei zu unbestimmt und die Beklagte habe außerdem die Ausgleichsregelung in Teil B § 9 Abs 5 HVM unzutreffend angewandt. Die Regelung führe außerdem zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von in Teilzeit angestellten Ärzten. Außerdem sei sie unwirksam, weil der HVM keine Möglichkeit für die Festsetzung einer Sonderausnahme oder eines Härtefalls vorsehe. Einer ausufernden Mengenausweitung könne die KÄV schließlich im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung durch eine Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen entgegenwirken.
Die Beklagte hat während des Klageverfahrens mitgeteilt, dass die Honorarminderungen für in Teilzeit angestellte Ärzte in den Quartalen I und IV/2013 sowie I/2014 durch Nachvergütungen im Rahmen des Jahresausgleichs gemäß Teil B § 9 HVM vollständig weggefallen sind. Für das Quartal II/2013 hat sich die Reduzierung auf 1.372,34 Euro vermindert.
Mit Urteil vom 10. Oktober 2018 hat das SG den Honorarbescheid für das 2. Quartal 2013 in der Gestalt des Teilwiderspruchsbescheides vom 18. Februar 2015 abgeändert und die Beklagte verpflichtet, die Leistungen der Klägerin ohne Reduzierung des abrechenbaren Leistungsvolumens nach Teil B § 9 HVM zu vergüten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, nach dem vorgenommenen Jahresausgleich sei die Klägerin nur noch in Hinblick auf das Quartal II/2013 durch die Regelung in Teil B § 9 HVM beschwert. Diese Vorschrift (in den für die Quartale I/2013 bis I/2018 gültigen Fassungen) sei insoweit rechtswidrig, als damit bei angestellten Ärzten der gleichen Fachgruppe die Reduzierung allein arztindividuell ermittelt werde. Dies sei mit § 87b Abs 2 S 1 SGB V nicht vereinbar. Denn dieser verweise auf § 95 Abs 3 SGB V, der in S 2 auf den Versorgungsauftrag des MVZ abstelle. Unter Berücksichtigung des Versorgungsauftrags des MVZ der Klägerin (1,0 für das Fachgebiet Radiologie) lasse sich eine Überschreitung der fachgruppendurchschnittlichen Leistungsanforderung aber nicht feststellen, sodass hier auch keine Reduzierung in Betracht komme. Die übrigen Einwände, die von der Klägerin in Hinblick auf die angefochtenen Honorarbescheide geltend gemacht worden sind, seien dagegen unbegründet.
Gegen das ihr am 22. November 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Dezember 2018 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, ihr stehe nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in Bezug auf die Ausgestaltung von Honorarverteilungsregelungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dieser rechtfertige in Hinblick auf Teil B § 9 HVM auch den Verzicht auf eine Verrechnungsmöglichkeit innerhalb einer Praxis, wenn mehrere Leistungserbringer der dort vorgesehenen Leistungsbegrenzung unterfielen. Das SG lasse bei seiner Betrachtung außen vor, dass die angestellten Ärzte nur über einen begrenzten Zulassungsstatus verfügten und insoweit auch nur anteilig zur Erbringung von Leistungen verpflichtet und berechtigt seien. Zielsetzung von Teil B § 9 HVM sei es gerade, Anreize zur Aufteilung eines Versorgungsauftrags mit rein wirtschaftlichen Hintergründen zu minimieren. Mit der Vorschrift solle verhindert werden, dass die vom Zulassungsausschuss vorgenommene Begrenzung des Versorgungsauftrags honorartechnisch unterlaufen und damit die Bedarfsplanung umgangen werde. Vor diesem Hintergrund sei auch den Ausführungen des BSG im zwischenzeitlich ergangenen Urteil vom 15. Juli 2020 (B 6 KA 4/20 R) zu widersprechen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2018 bezüglich der Abänderung des Honorarbescheids für das 2. Quartal 2013 und der daraus resultierenden Nachvergütung aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf das BSG-Urteil vom 15. Juli 2020, in dem das BSG ihrer Ansicht nach zutreffend festgestellt habe, dass allein der anteilige Versorgungsauftrag grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung geeignet sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die für das Quartal II/2013 von der Beklagten vorgenommene Honorarreduzierung in Hinblick auf die Teilzeittätigkeit des Arztes H. rechtswidrig ist und der entsprechende Honorarbescheid insoweit deshalb abzuändern war. Zu Unrecht hat es die Beklagte aber verpflichtet, die Leistungen der Klägerin ohne Reduzierung des abrechenbaren Leistungsvolumens nach Teil B § 9 HVM zu vergüten; stattdessen hätte es die Beklagte lediglich zur Neubescheidung verurteilen dürfen.
1. Gegenstand der Klage (§ 95 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) waren ursprünglich die Honorarbescheide für die Quartale IV/2012 bis II/2013 bzw IV/2013 und I/2014 (in Gestalt des Teilwiderspruchsbescheids vom 18. Februar 2015), soweit diese Berechnungspositionen für die Vergütungsansprüche der Klägerin in Hinblick auf die RLV, die Honorarreduzierung für in Teilzeit angestellte Ärzte und die Honorarberechnung für die im Quartal I/2014 neu angestellten Ärzte enthielten (zur Möglichkeit der Teilanfechtung von Honorarbescheiden vgl BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 77/03 R, SozR 4-1500 § 92 Nr 2). Nachdem das SG der Klage nur in Hinblick auf die teilzeitbedingte Honorarminderung für den Arzt H. im 2. Quartal 2013 stattgegeben, sie im Übrigen aber abgewiesen hatte, hat hiergegen nur die Beklagte, nicht aber die Klägerin Berufung eingelegt. Dies hat zur Folge, dass das Urteil im Umfang der Klagabweisung gemäß § 141 Abs 1 Nr 1 SGG rechtskräftig geworden ist und nur noch in Hinblick auf das Quartal II/2013 und die dort vorgenommene Teilzeitreduzierung vom Senat zu überprüfen ist.
2. Die hierauf bezogene Klage ist als Anfechtungs- und Bescheidungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm § 131 Abs 3 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nicht statthaft ist demgegenüber die Leistungsklage, die die Klägerin mit ihrem in der mündlichen Verhandlung außerdem gestellten Antrag, „das weitere vertragsärztliche Honorar an die Klägerin zu zahlen“, erhoben hat. Denn eine kombinierte Bescheidungs- und Leistungsklage ist weder in § 54 noch in § 131 SGG vorgesehen. Wird im Klagewege ein höheres vertragsärztliches Honorar geltend gemacht, ist deshalb entweder eine Anfechtungs- und Leistungsklage zu erheben - wenn insoweit eine gebundene Entscheidung zu treffen ist - oder eine Anfechtungs- und Bescheidungsklage, wenn Ermessens- oder Beurteilungsspielräume bestehen oder die Sache aus sonstigen Gründen noch nicht spruchreif ist (vgl BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 77/03 R, SozR 4-1500 § 92 Nr 2; Urteil vom 10. Dezember 2008 - B 6 KA 45/07 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 5).
3. Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Honorarbescheid für das Quartal II/2013 in Gestalt des Teilwiderspruchsbescheids vom 18. Februar 2015 war in Hinblick auf die Reduzierung der auf den Arzt H. entfallenden Honoraranteile rechtswidrig. Der Beklagten war es verwehrt, den Umstand, dass dieser Arzt nur im Umfang eines viertel Versorgungsauftrags angestellt war, in der hier vorliegenden Weise honorarmindernd zu berücksichtigen.
a) Rechtsgrundlage hierfür war Teil B § 9 des ab 1. Juli 2012 geltenden HVM der Beklagten vom 18. April 2012 (in der Fassung des 3. Nachtrags vom 17. November 2012). Nach dessen Abs 1 unterliegen Ärzte mit hälftigem Versorgungsauftrag bzw viertel-, halb- oder dreivierteltägiger Anstellung einer Leistungsmengenbegrenzung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4. Nach § 9 Abs 2 reduziert sich das abrechenbare Leistungsvolumen eines Arztes, der einen reduzierten Versorgungsauftrag oder eine reduzierte Anstellung besitzt, um den Anteil der Reduzierung bezogen auf das im selben Quartal vor Reduzierung abgerechnete Leistungsvolumen, jedoch nicht auf weniger als 25 vH, 50 vH bzw 75 vH des Fachgruppendurchschnitts. Liegen entsprechende Daten für den Basiszeitraum nicht vor, wird als Leistungsgrenze gemäß Teil B § 9 Abs 3 S 1 25 vH, 50 vH bzw 75 vH des durchschnittlichen Leistungsvolumens je Arzt der jeweiligen Fachgruppe im Basiszeitraum zugrunde gelegt. Überschreitet die (nach Teil B § 5 Abs 3 HVM festgestellte) Leistungsanforderung der Praxis die Leistungsgrenze des jeweiligen Quartals, sieht Teil B § 9 Abs 5 HVM vor, dass eine gleichmäßige Reduzierung der Punktzahlanforderung über alle Leistungen auf die Leistungsgrenze erfolgt.
Bei Umsetzung dieser Regelung ist die Beklagte in Hinblick auf den im Umfang einer vierteltägigen Anstellung bei der Klägerin tätigen Arzt H. von einem Fallgruppendurchschnitt (für Fachärzte für Diagnostische Radiologie) iHv 122.374,74 und dem Anpassungsfaktor 0,25 ausgegangen. Der sich daraus errechnete Betrag von 30.593,69 Euro liegt unterhalb der tatsächlichen Honoraranforderung des Arztes iHv 32.254,09 Euro, sodass eine Honorarminderung in Höhe der Differenz von 1.660,40 Euro vorgenommen worden ist. Diese ist im weiteren Verlauf auf der Grundlage der Ausgleichsregelung in Teil B § 9 Abs 5 HVM um 288,06 Euro reduziert worden.
Die Vorgehensweise der Beklagten verletzt allerdings Teil B § 9 Abs 3 S 1 HVM insoweit, als sie im angefochtenen Honorarbescheid nicht den Fachgruppendurchschnitt des Basiszeitraums, sondern des aktuellen Abrechnungsquartals zugrunde gelegt hat. Ob die Klägerin hierdurch beschwert oder uU sogar bessergestellt worden ist, bedarf im vorliegenden Fall aber keiner weitergehenden Prüfung. Denn die Regelung des Teil B § 9 HVM steht mit höherrangigem Recht nicht in Übereinstimmung und ist deshalb nichtig.
b) Nach den Urteilen des BSG vom 15. Juli 2020 (B 6 KA 12/19 R, SozR 4-2500 § 87b Nr 26 und B 6 KA 4/20 R, juris) verletzt es den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nach Artikel 12 iVm Artikel 3 Abs 1 GG, wenn allein für Ärzte mit eingeschränktem Versorgungsumfang - nicht aber für vollzeittätige Ärzte - eine besondere Regelung eingeführt wird, die das Honorar entsprechend dem Umfang des Versorgungsauftrags beschränkt. Zur Begründung hat das BSG überzeugend dargelegt, dass auch ansonsten für Vertragsärzte grundsätzlich alle Rechte und Pflichten gleichermaßen gelten, unabhängig davon, ob sie in Vollzeit oder in Teilzeit tätig sind. Dies betrifft etwa die Pflicht zum Abhalten von Sprechstunden oder zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst oder Regelungen zur Festsetzung der Honoraransprüche. Auch Honorarbegrenzungsregelungen (wie die RLV, Fallzahlzuwachs- oder Abstaffelungsvorschriften) gelten sowohl für Vertragsärzte mit vollem als auch mit anteiligem Versorgungsumfang. Der Beschränkung des Versorgungsauftrags wird in diesem Zusammenhang dadurch Rechnung getragen, dass bei der Berechnung der Honorarbegrenzung für in Teilzeit praktizierende Ärzte je nach Tätigkeitsumfang entsprechend verminderte Zahlen in Ansatz zu bringen sind (BSG aaO); dies hat auch die Beklagte ausweislich Teil A Nr 3 oder Nr 21 Abs 4 des vorliegend maßgeblichen HVM berücksichtigt.
Damit hat das BSG auch die Vorgaben weiterentwickelt, die sich aus seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2019 (B 6 KA 9/18 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 25) zur Plausibilitätsprüfung bei angestellten Ärzten und Vertragsärzten mit zeitlich eingeschränkter Tätigkeit ergeben. Dabei hatte es aus § 106a Abs 2 S 2 Halbs 2 SGB V (idF des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes <GKV-VSG> vom 16. Juli 2015 <BGBl I 1211>) - wonach angestellte Ärzte und Vertragsärzte „entsprechend des jeweiligen Versorgungsauftrags“ gleich zu behandeln sind - abgeleitet, dass für eingeschränkt tätige Ärzte keine eigenständigen Zeitprofile zu bilden, sondern die Zeitgrenzen für vollzeitig tätige Ärzte nur anteilig zu vermindern sind. Für Regelungen, die auf eine ins Honorarfestsetzungsverfahren vorverlagerte Zeitprüfung hinauslaufen - wie Teil B § 9 HVM (vgl hierzu schon Senatsurteil vom 26. Oktober 2016 - L 3 KA 1/14, juris) -, kann aber nichts anderes gelten, sodass auch hier von einer grundsätzlichen Gleichbehandlung aller Ärzte auszugehen ist.
Wenn die Beklagte zur Begründung ihrer Berufung demgegenüber darauf hinweist, dass die ungehinderte Ausdehnung der ärztlichen Tätigkeit über einen bloß anteiligen Versorgungsauftrag bzw über eine anteilige Anstellung hinaus ihrerseits zu einer Verletzung der Honorarverteilungsgerechtigkeit führen würde, folgt daraus kein anderes Ergebnis. Denn das BSG hat aaO (B 6 KA 12/19 R: Rn 29; B 6 KA 4/20 R: Rn 28) klargestellt, dass die KÄVen auf entsprechende Tätigkeitsausweitungen in anderer Weise reagieren können, nämlich durch mengenbezogene Abstaffelungsregelungen deutlich unterhalb der Plausibilitätsgrenzen, allerdings nur dann, wenn entsprechende Vorschriften für in Vollzeit und in Teilzeit praktizierende Ärzte in gleicher Weise gelten.
Im Hinblick hierauf folgt der erkennende Senat den oa Entscheidungen, weil sie die Möglichkeit einer Honorarreduzierung bei Teilzeittätigkeit mit dem grundsätzlichen Anspruch aller Vertragsärzte auf Gleichbehandlung harmonisieren; er gibt seine bisher anders lautende Rechtsprechung (vgl erstmals Senatsurteil vom 26. Oktober 2016 aaO) - auch zur Wahrung der Rechtseinheit - auf.
4. a) Der Umstand, dass eine Honorarminderung auf der Grundlage von Teil B § 9 HVM somit rechtswidrig gewesen ist, führt entgegen der Auffassung des SG allerdings nicht dazu, dass die Beklagte nunmehr ohne weiteres verpflichtet ist, die Leistungen der Klägerin im Quartal II/2013 ohne Reduzierung des abrechenbaren Leistungsvolumens nach § 9 HVM zu vergüten. Denn mit seinem entsprechenden Verpflichtungsausspruch ist das erstinstanzliche Gericht über den Antrag der Klägerin hinausgegangen, der auf eine bloße Neubescheidung gerichtet gewesen ist. Damit hat es § 123 SGG bzw den Grundsatz des „ne ultra petita“ (vgl hierzu BSG, Urteil vom 17. September 2020 - B 4 AS 13/20 R, SozR 4-1500 § 88 Nr 3 mwN) verletzt. Schon deshalb war das erstinstanzliche Urteil zu korrigieren und die Beklagte - entsprechend dem Bescheidungsantrag der Klägerin - nur zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu verurteilen.
Dies gilt umso mehr, als auch im vorliegenden Fall der Spielraum der beklagten KÄV bei der Ausgestaltung ihres HVM zu beachten ist. Da nach der oa BSG-Rechtsprechung eine Honorarminderung bei in Teilzeit tätigen Ärzten grundsätzlich möglich ist, ist der Beklagten deshalb zunächst die Möglichkeit einzuräumen, die vorliegende nichtige Vorschrift in Teil B § 9 HVM durch eine rechtskonforme Regelung zu ersetzen (vgl BSG, Urteil vom 29. September 1993 - 6 RKa 65/91, SozR 3-2500 § 85 Nr 4). Dementsprechend hat auch das BSG in seinen Urteilen vom 15. Juli 2020 (aaO) zur Neubescheidung verpflichtende Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG bestätigt.
b) Nach alledem wird die Beklagte zunächst entscheiden müssen, ob sie anstelle der Regelung in Teil B § 9 HVM eine Honorarbegrenzung einführt, die den Vorgaben des BSG aaO (mengenbezogene Abstaffelungsregelung deutlich unterhalb der Plausibilitätsgrenzen, die für in Vollzeit und Teilzeit tätige Ärzte gelten) oder ob sie es bei den im Übrigen ohnehin geltenden Honorarbegrenzungsregelungen belässt. Im Anschluss hat sie die Klägerin für das Quartal II/2013 insoweit neu zu bescheiden und ggf Honorar nachzuvergüten.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm §§ 154 Abs 1, 155 Abs 1 S 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ergibt sich aus der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).