1. Eine Fortschreibung der Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. für die Zeit ab 2017 gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylbLG a.F. kommt im Wege der Gesetzesauslegung nicht in Betracht. 2. Die für das Jahr 2018 festgesetzten Geldleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. (Bedarfsstufen 1 und 5) sind trotz beachtlicher Unterschiede zu den Regelbedarfsstufen nach § 28 SGB XII nicht evident unzureichend (gewesen), ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. 3. Die für das Jahr 2018 festgesetzten Geldleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. (Bedarfsstufen 1 und 5) sind mit Art 1 Abs 1 GG i.V.m. Art 20 Abs 1 GG nicht vereinbar, weil sie nicht nachvollziehbar und sachlich differenziert, also nicht bedarfsgerecht berechnet worden sind. a) Bei der Bestimmung der Leistungen zur Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums (sog. notwendiger persönlicher Bedarf) nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG a.F. ist nicht hinreichend belegt, dass sich die Aufenthaltsdauer konkret auf existenzsichernde Bedarfe auswirkt und inwiefern dies die gesetzlich festgestellte Höhe der Geldleistungen tragen könnte. Die vom allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) abweichende Leistungsbemessung ist intransparent und berücksichtigt nur einseitig Minder- und nicht Mehrbedarfe, die typischerweise gerade unter den Bedingungen eines nur vorübergehenden Aufenthalts anfallen können. Es ist nicht gewährleistet, dass durch die pauschalen Bedarfssätze existenzsichernde Bedarfe insgesamt tatsächlich gedeckt werden. b) Es ist nicht sichergestellt, dass die gesetzliche Umschreibung der Personengruppe der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG, bei der aufgrund einer "Kurzfristigkeit des Aufenthalts" in Deutschland spezifische Minderbedarfe bestehen sollen, hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten. Dies betrifft insbesondere die Gruppe von Leistungsberechtigten, die wegen einer rechtsmissbräuchlichen Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer in Deutschland gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. über einen Zeitraum von 15 Monaten hinaus Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. beziehen. c) Die Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. sind für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.08.2019 ohne sachlichen Grund nicht fortwährend überprüft und weiterentwickelt worden. 4. Die Ermessensvorschrift des § 6 AsylbLG ist als Ausnahmebestimmung für den atypischen Bedarfsfall konzipiert und daher von vornherein nicht geeignet, strukturelle Leistungsdefizite im Regelbereich des § 3 AsylbLG zu kompensieren (Anschluss an BVerfG v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 89). 5. Bei der Gewährung von sowohl Sach- als auch Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs i.S. des § 3 AsylbLG a.F. (sog. Mischform der Leistungsgewährung) ist eine wertmäßige Kürzung der Bedarfssätze durch eine analoge Anwendung des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB XII möglich. Zur Bestimmung der Kürzungsbeträge kann orientierend auf die Einzelbeträge der Abteilungen der EVS für die jeweilige Regelbedarfsstufe nach dem SGB XII zurückgegriffen werden (vgl. Bayerisches LSG v. 15.11.2019 - L 8 AY 43/19 B ER - juris Rn. 39). Auf der Grundlage dieser Beträge sind die Abzüge realistisch zu schätzen (§ 287 ZPO in entsprechender Anwendung). Eine Kürzung der Geldleistungen ist der Höhe nach auf denjenigen Anteil des Bedarfes begrenzt, der auf die konkrete Sachleistung entfällt.
Das Verfahren wird nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz ausgesetzt.
Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 5 und 8 AsylbLG in der 2018 geltenden Fassung der Bekanntmachungen vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I 1722) und 11. März 2016 (BGBl. I 390) sowie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 26. Oktober 2015 (BGBl. I 1793) mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
A.
Im Streit sind höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Monat September 2018.
Die 1970 geborene Klägerin zu 1 ist die allein erziehende Mutter der im Februar 2011 geborenen Klägerin zu 2. Sie sind eritreische Staatsangehörige, reisten am 5.8.2017 nach Deutschland ein und beantragten Asyl. Nach einem Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung wurden sie Anfang 2018 der im Kreisgebiet des Beklagten liegenden Samtgemeinde M. (im Weiteren Samtgemeinde) zugewiesen (Bescheid der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen - Standort Braunschweig - vom 17.1.2018). Nach erfolglosem Ausgang des Asylverfahrens (Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.5.2018) verfügten sie - auch im streitgegenständlichen Zeitraum - über Duldungen.
Leistungen nach dem AsylbLG erhielten die einkommens- und vermögenslosen Klägerinnen vom Beklagten, bewilligt durch die von ihm insoweit herangezogene Samtgemeinde, u.a. durch Bescheide vom 19.2.2018 (für die Zeit von Februar bis August 2018) und 16.8.2018 (für die Zeit von September bis November 2018) jeweils in monatlicher Höhe von 1.096,00 €, wobei auf die Klägerin zu 1 ein Betrag von 604,00 € und auf die Klägerin zu 2 ein Betrag von 492,00 € entfiel. Von den Bedarfssätzen nach § 3 AsylbLG (in der 2018 geltenden Fassung vom 10. und 23.12.2014, BGBl. I 2187 und 2439, geändert durch Gesetze vom 20.10.2015, BGBl. I 1722, und 11.3.2016, BGBl. I 390; im Weiteren a.F.) von 354,00 € (Bedarfsstufe 1 für Alleinstehende) und 242,00 € (Bedarfsstufe 5 für Kinder im Alter von sieben bis 14 Jahren) wurde unter der Position „abzgl. Pauschal Gesamt (aus Nebenkosten)“ jeweils ein Betrag von 50,00 € wegen der in der Inklusivmiete enthaltenen Stromkosten abgezogen. Hintergrund war die Unterbringung der Klägerinnen in einer von der Samtgemeinde (privat) gemieteten Zweizimmerwohnung, für die eine Kaltmiete von 300,00 € zzgl. Neben-, Heiz- und Stromkosten von jeweils 100,00 € je Monat zu entrichten war (monatliche Gesamtmiete einschließlich Strom: 600,00 €). Obwohl die Samtgemeinde die Unterkunftskosten als Mieterin zu bestreiten hatte, wurden den Klägerinnen als monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils 300,00 € „bewilligt“; Zahlungsempfänger war insoweit der Vermieter der Wohnung.
Am 22.11.2018 beantragten die Klägerinnen die Überprüfung u.a. des Bescheides vom 16.8.2018 (Zeitraum: September bis November 2018) mit der Begründung, die Bargeldleistungen seien seit Ende 2016 nicht an die Teuerung angepasst worden (§ 3 Abs. 4 AsylbLG a.F.). Der Beklagte hatte seiner Leistungsbewilligung die zuletzt für das Jahr 2016 bekannt gemachten Bedarfssätze nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. (BGBl. I 2016, 390) und § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. (BGBl. I 2015, 1793) zu Grunde gelegt, weil die ursprünglich für 2017 vorgesehene Neufestsetzung der Bedarfssätze nach den Ergebnissen der neuen bundesweiten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013 nach § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. nicht erfolgt war. Die mit einem Dritten Gesetz zur Änderung des AsylbLG (vgl. BR-Drs. 713/16) beabsichtigte Neufestsetzung der Leistungen war mit dem Ende der 18. Legislaturperiode am Grundsatz der Diskontinuität gescheitert. Eine Bekanntmachung von neuen Bedarfssätzen für 2018 durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) nach § 3 Abs. 4 Satz 3 AsylbLG a.F. fand ebenfalls nicht statt. Erst in der 19. Legislaturperiode wurden die Bedarfssätze für die Zeit ab 1.9.2019 neu festgesetzt (nun § 3a Abs. 1 und 2 AsylbLG in der Fassung des Dritten Gesetzes zu Änderung des AsylbLG vom 13.8.2019, BGBl. I 1290), allerdings nicht rückwirkend für den Zeitraum vom 1.1.2017 bis zum 31.8.2019. Wegen der nicht stattgefundenen Neufestsetzung bzw. Fortschreibung der Bedarfssätze für das Jahr 2018 lehnte der Beklagte eine Korrektur des Bescheides vom 16.8.2018 und die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit von September bis November 2018 ab (Bescheid der Samtgemeinde vom 21.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 27.2.2019).
Auf die hiergegen am 11.3.2019 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Stade den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, den Bescheid der Samtgemeinde vom 16.8.2018 dahingehend abzuändern, dass den Klägerinnen weitere 351,00 € gewährt werden (Urteil vom 11.4.2019). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass die Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. für 2016 mit Veränderungsraten von 1,24 % (für 2017) und 1,63 % (für 2018) nach § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG a.F. fortzuschreiben seien, so dass sich für 2018 Leistungsbeträge von gerundet (§ 3 Abs. 4 Satz 2 AsylbLG a.F.) 364,00 € (Bedarfsstufe 1) bzw. 249,00 € (Bedarfsstufe 5) errechneten. Weder die fehlende Bekanntmachung durch das BMAS nach § 3 Abs. 4 Satz 3 AsylbLG a.F. noch die für 2017 unterbliebene Neufestsetzung der Bedarfssätze nach § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. stünden einer Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylbLG a.F. entgegen. Aus diesem Grund falle der monatliche Leistungsanspruch der Klägerinnen um 10,00 € bzw. 7,00 € höher aus. Im Übrigen sei der pauschale Abzug zur Abgeltung der Stromkosten in monatlicher Höhe von jeweils 50,00 € (insg. 100,00 € je Monat) rechtswidrig, weil unklar sei, ob und in welchem Umfang überhaupt Stromkosten in den Nebenkosten der Mietwohnung enthalten sind.
Hiergegen richtet sich die am 10.5.2019 eingelegte Berufung des Beklagten, der den Klägerinnen während des Rechtsmittelverfahrens wegen der vorzeitigen Leistungsberechtigung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ab dem 5.11.2018 (Ablauf der 15-Monatsfrist) Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von 1.288,47 € bewilligt hat (Bescheid der Samtgemeinde vom 11.9.2020). Im Wege eines Vergleichs haben die Klägerinnen den Gegenstand des Verfahrens auf die Überprüfung der Leistungsbewilligung nach dem AsylbLG für den Monat September 2018 (Bescheid der Samtgemeinde M. vom 16.8.2018) sowie inhaltlich auf den Anspruch auf höhere Geldleistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. und § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. begrenzt. Leistungen für Unterkunft, Heizung und Hausrat (§ 3 Abs. 2 Satz 4 a.F.) sowie nach § 6 Abs. 1 AsylbLG sind danach nicht mehr im Streit (gerichtlicher Vergleichsvorschlag vom 8.10.2020, angenommen durch Schriftsätze der Beteiligten vom 27.10. und 9.12.2020).
Der Beklagte macht geltend, dass die Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. in der für das Jahr 2016 geltenden Höhe auch für das Jahr 2018 heranzuziehen seien, weil der Gesetzgeber die Bedarfsstufen für das Jahr 2017 nicht nach § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. neu festgesetzt habe und die Bedarfssätze auch nicht - ohne Bekanntgabe durch das BMAS - gem. § 3 Abs. 4 AsylbLG a.F. fortgeschrieben werden könnten. Die Fortschreibung anhand der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV) erfolge jahresweise; wegen der an sich erforderlichen, aber unterbliebenen Neufestsetzung der Bedarfsstufen nach § 3 AsylbLG a.F. habe es aber keine für das Jahr 2017 geltende RBSFV gegeben. Auch dies stehe einer Fortschreibung der Geldbeträge entgegen. Diese Bedarfssätze seien gemessen an dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG auch nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen, weil der Gesetzgeber die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18.7.2012 (- 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11 -) umgesetzt habe, insbesondere betreffend die spezifischen Minderbedarfe für Personen mit einem kurzfristigen, nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt in Deutschland. Die Frage, ob die Bedarfssätze für Personen mit einem längeren Aufenthalt in Deutschland von mehr als 15 Monaten verfassungsgemäß bemessen sind, stelle sich bei den erst 2017 eingereisten und seit November 2018 im Leistungsbezug nach § 2 AsylbLG stehenden Klägerinnen nicht. Das Versäumnis des Gesetzgebers, die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums einer fortwährenden Überprüfung und Weiterentwicklung zu unterziehen, könne jedenfalls nicht zu Lasten des an die gesetzlichen Regelungen gebundenen Beklagten gehen. Ungeachtet dessen würden die ggf. vorzunehmenden Anpassungen einen so geringen Umfang ausmachen, dass eine Gefährdung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum noch nicht im Raum stehe.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 11.4.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des SG für zutreffend und führen ergänzend zu den verfassungsrechtlichen Fragestellungen aus, dass die Bedarfssätze des § 3 AsylbLG a.F. verfassungswidrig seien. Der Gesetzgeber habe entgegen dem Urteil des BVerfG vom 18.7.2012 (- 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11 -) durch § 1 i.V.m. § 3 AsylbLG a.F. nicht sichergestellt, dass die davon erfasste Personengruppe hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten. Die Personengruppe sei sehr heterogen. Es werde nicht nach Aufenthaltsstatus, Grund der Einreise oder Herkunftsland unterschieden und auch die erforderliche Differenzierung nach der im Einzelfall bestehenden Bleibeperspektive sei nicht erfolgt. Der Gesetzgeber sei auch nicht dem verfassungsrechtlichen Erfordernis nachgekommen, konkrete Minderbedarfe der nach §§ 1, 3 AsylbLG a.F. Leistungsberechtigten wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts gegenüber Hilfebedürftigen mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festzustellen und zu bemessen. Zudem habe er in seinen Erwägungen Mehrbedarfe, die typischerweise gerade unter den Bedingungen eines nur vorübergehenden Aufenthalts anfallen (insbesondere Kosten für Rechtsberatung und -vertretung), nicht berücksichtigt. Die Geldleistungen des § 3 AsylbLG a.F. seien auch deswegen verfassungswidrig zu niedrig, weil die Bedarfssätze entgegen § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. für die Zeit von 2017 bis zum 31.8.2019 nicht auf der Grundlage der EVS 2013 aktualisiert worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungs- und Ausländerakten des Beklagten verwiesen. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
B.
I.
Der Rechtsstreit ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) auszusetzen und es sind Entscheidungen des BVerfG darüber einzuholen, ob § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 5 und 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils in der 2018 geltenden Fassung vom 10. und 23.12.2014, BGBl. I 2187 und 2439, geändert durch Gesetze vom 20.10.2015, BGBl. I 1722, und 11.3.2016, BGBl. I 390, sowie der Bekanntmachung des BMAS vom 26.10.2015, BGBl. I 1793) mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sind. Gegenstand der Vorlagefrage sind nur die streitgegenständlichen Bedarfssätze für alleinstehende Leistungsberechtigte (Bedarfsstufe 1) und für ein leistungsberechtigtes Kind vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (Bedarfsstufe 5) gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.), weil der Rechtstreit allein diese den Klägerinnen zustehenden Leistungen betrifft. In diesem Sinn ist der nicht nach den einzelnen Geldbeträgen bzw. Bedarfsstufen differenzierende Tenor des Beschlusses zu verstehen.
Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG (konkrete Normenkontrolle) hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Diesem Begründungserfordernis genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 - 2 BvL 59/06 - BVerfGE 127, 335, juris Rn. 59).
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Regelungen der § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 5 und 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) in mehrfacher Hinsicht gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verstoßen. Der Gesetzgeber hat bei den Geldbeträgen nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums spezifische Minderbedarfe, die bei einem nur kurzfristigen, nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt gegenüber Hilfeempfängern mit Daueraufenthaltsrecht bestehen sollen, nicht nachvollziehbar festgestellt und bemessen (dazu B. III. 3. c) cc)). Die gesetzliche Umschreibung der Gruppe der Personen, deren Anspruch auf existenzsichernde Geldleistungen sich nach §§ 1, 3 AsylbLG a.F. beurteilt und bei denen spezifische Minderbedarfe bestehen sollen, erfasst nicht hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten (dazu B. III. 3. c) dd)). Zudem hat der Gesetzgeber durch die unterlassene Neufestsetzung der Leistungen nach § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. für die Zeit ab 2017 (bis 31.8.2019) gegen seine verfassungsrechtliche Pflicht verstoßen, die pauschalierten Ansprüche zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums fortwährend zu überprüfen und weiterzuentwickeln (dazu B. III. 3. c) ee)).
II.
Die Zuständigkeit des BVerfG ist gegeben, weil das vorlegende Gericht Vorschriften eines Bundesgesetzes für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar hält (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG). Die als verfassungswidrig gerügten Regelungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 5 und 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG in der 2018 geltenden Fassung der Bekanntmachungen vom 20.10.2015 (BGBl. I 1722) und 11.3.2016 (BGBl. I 390) sowie des BMAS vom 26.10.2015 (BGBl. I 1793) sind vorlagefähig; es handelt sich um Vorschiften eines formellen, nachkonstitutionellen Bundesgesetzes. Der Umstand, dass sie seit dem 1.9.2019 nicht mehr in Kraft sind, berührt die Vorlagefähigkeit nicht.
III.
1.
Die Vorlagefrage ist für die Entscheidung im vorliegenden Klageverfahren entscheidungserheblich.
a)
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere wegen der Zulassung durch das SG statthafte (§§ 143, 144 Abs. 3 SGG) Berufung des Beklagten ist möglicherweise (zum Teil) begründet. Der Anspruch der Klägerinnen gegen den Beklagten auf (höhere) Leistungen nach dem AsylbLG für den Monat September 2018 ist davon abhängig, ob die Geldbeträge nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs und des notwendigen Bedarfs in verfassungswidriger Weise fehlerhaft bestimmt worden sind.
b)
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 11.4.2019, durch das der Beklagte auf die form- und fristgerecht (§§ 87, 92 SGG) erhobene und auch im Übrigen zulässige (kombinierte) Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4, § 56 SGG; zur statthaften Klageart bei einem sog. Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X vgl. etwa BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - juris Rn. 9 m.w.N.) unter Aufhebung des Bescheides der Samtgemeinde vom 21.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 27.2.2019 (§ 95 SGG) verurteilt worden ist, „den Bescheid vom 16.8.2018 dahingehend abzuändern, dass den Klägern weitere 351,00 € gewährt werden“.
Da der Tenor der Entscheidung keine Aussage darüber zulässt, welche Leistungen den Klägerinnen für welchen Zeitraum jeweils der Höhe nach zustehen sollen, ist er durch Heranziehung des sonstigen Inhalts der Entscheidung auszulegen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 136 Rn. 5c m.w.N.). Danach hat der Beklagte aufgrund des Urteils im Rahmen des Verfahrens nach § 44 SGB X (dazu gleich) der Klägerin zu 1 zusätzlich zu den für die Zeit von September bis November 2018 bereits durch Bescheid vom 16.8.2018 bewilligten Leistungen (in monatlicher Höhe von 604,00 €) einen Betrag von 60,00 € je Monat (insgesamt 664,00 € je Monat) und der Klägerin zu 2 für die gleiche Zeit einen über die bewilligten Leistungen (in monatlicher Höhe von 492,00 €) hinausgehenden Betrag von 57,00 € je Monat (insgesamt 549,00 € je Monat) zu gewähren. Die monatlichen Beträge setzen sich zusammen aus den in der Summe um 10,00 € (für die Klägerin zu 1) bzw. 7,00 € (für die Klägerin zu 2) höheren Bedarfssätzen nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG (jeweils a.F.) entsprechend den Bedarfsstufen 1 und 5 sowie aus den für rechtswidrig befundenen Abzügen für Stromkosten in monatlicher Höhe von jeweils 50,00 € (vgl. S. 4 bis 6 des Urteils des SG).
Nach Begrenzung des Gegenstands des Verfahrens im Wege des Vergleichs (gerichtlicher Vergleichsvorschlag vom 8.10.2020, angenommen durch Schriftsätze der Beteiligten vom 27.10.2020 und 9.12.2020) ist allein die Überprüfung der Leistungsbewilligung nach dem AsylbLG für den Monat September 2018 (Bescheid der Samtgemeinde vom 16.8.2018) sowie inhaltlich der von den Klägerinnen geltend gemachte Anspruch auf höhere Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG (jeweils a.F.) streitig.
c)
aa) Rechtsgrundlage der angefochtenen Verwaltungsentscheidung ist § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG (i.d.F.v. 10.12.2014, BGBl. I 2187) i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
bb) Der Überprüfungsbescheid der Samtgemeinde vom 21.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 27.2.2019 ist formell rechtmäßig. Der Beklagte ist wegen der Zuweisung der Klägerinnen im Asylverfahren (Bescheid der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen - Standort Braunschweig - vom 17.1.2018) für die Durchführung des AsylbLG gemäß § 10 Satz 1 AsylbLG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des AsylbLG (Nds. AufnG vom 11.3.2004, Nds. GVBl. S. 100) sachlich und gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG örtlich zuständig und damit auch für das Überprüfungsverfahren nach § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 44 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB X. Er hat die Samtgemeinde gemäß § 1 Satz 1 der bis zum 31.12.2019 geltenden Heranziehungssatzung zur Durchführung der Aufgaben des AsylbLG vom 15.3.1994 (KRS-Nr. 4.14; für die Zeit ab 1.1.2020 durch Heranziehungssatzung vom 31.12.2019) herangezogen, die in seinem Namen die Aufgaben ausführt (§ 1 Satz 2 der Satzung) und entscheidet (§ 3 Satz 1 der Satzung). Die Satzung über die Übertragung der Aufgaben beruht auf §§ 10, 58 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) vom 17.12.2010 (Nds. GVBl. S. 576), § 10 Satz 2 AsylbLG sowie § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nds. AufnG und ist rechtmäßig ergangen.
cc) Der Bescheid der Samtgemeinde vom 21.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 27.2.2019 ist materiell rechtswidrig.
Bei Erlass des Bescheides der Samtgemeinde vom 16.8.2018 ist das Recht unrichtig angewandt worden und es sind den Klägerinnen deshalb Leistungen nach § 3 AsylbLG a.F. zu Unrecht nicht erbracht worden. Wegen der entsprechenden Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG ist es im Hinblick auf den Gegenstand des Überprüfungsverfahrens unerheblich, dass es sich bei den Leistungen nach dem AsylbLG nicht um Sozialleistungen im gesetzlichen Sinne (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 11 Satz 1 SGB I) handelt; das AsylbLG ist kein besonderer Teil des SGB (vgl. § 68 SGB I; zur Anwendbarkeit des § 44 SGB X im Asylbewerberleistungsrecht vgl. BSG, Urteil vom 9.6.2011 - B 8 AY 1/10 R - juris Rn. 10; BSG, Urteil vom 26.6.2013 - B 7 AY 6/12 R - juris Rn. 10 ff.).
(1) Die Klägerinnen sind im September 2018 als Inhaberinnen von Duldungen nach § 60a AufenthG leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG (zur Tatbestandswirkung des formalen Aufenthaltsstatus im Rahmen des § 1 Abs. 1 AsylbLG vgl. BSG, Urteil vom 28.5.2015 - B 7 AY 4/12 R - juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 2.12.2014 - B 14 AS 8/13 R - juris Rn. 10 ff.) und aus diesem Grund von existenzsichernden Leistungen nach dem allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) ausgeschlossen gewesen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II; § 23 Abs. 2 SGB XII).
(2) Der Anspruch der Klägerinnen auf pauschale Geldleistungen für September 2018 beurteilt sich nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 AsylbLG sowie § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.).
(a) Ein Anspruch auf sog. Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG (in der vom 6.8.2016 bis zum 20.8.2019 geltenden Fassung vom 31.7.2016, BGBl. I 1939; im Weiteren a.F.), nach dem abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden ist, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, steht ihnen für die o.g. Zeit nicht zu, weil sie am 5.8.2017 nach Deutschland eingereist sind und die Voraussetzung eines 15-monatigen Aufenthalts in Deutschland erst mit Ablauf des 4.11.2018 erfüllt ist. Die Frist i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist taggenau zu berechnen (zur Fristberechnung vgl. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB); die das Ende der Leistungsberechtigung regelnde Sondervorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG ist weder direkt noch analog anwendbar (so zutreffend LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.6.2020 - L 20 AY 40/19 - juris Rn. 32 ff. m.w.N.; Oppermann/Filges in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 AsylbLG Rn. 58; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 2 Rn. 19; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 29).
(b) Die sog. Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. setzen sich zusammen aus den Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG a.F. (notwendiger Bedarf), die bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen i.S. des § 44 Abs. 1 AsylG - wie hier - gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylbLG a.F. vorrangig als Geldleistungen zu gewähren sind (sog. Vorrang der Geldleistung). Für die Zeit ab 1.1.2016 (BGBl. I 2015, 1793) hat der notwendige Bedarf nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten (Bedarfsstufe 1) 219,00 € (Nr. 1) und für ein leistungsberechtigtes Kind vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (Bedarfsstufe 5) 159,00 € (Nr. 5) betragen. Die nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) zu erbringenden Geldleistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens (notwendiger persönlicher Bedarf) haben sich ab dem 17.3.2016 (BGBl. I 390) nach der Bedarfsstufe 1 auf 135,00 € (Nr. 1) und nach der Bedarfsstufe 5 auf 82,00 € (Nr. 5) belaufen (zu der im Wege der Gesetzesauslegung nicht möglichen Fortschreibung der Leistungen nach § 3 Abs. 4 AsylbLG a.F. gleich unter B. III. 1. c) cc) (2) (d)). Diese Geldleistungen sind den Klägerinnen vom Beklagten für den Monat September 2018 abzgl. eines Betrages von jeweils 50,00 € für die im Mietzins enthaltenen Kosten für Haushaltsstrom durch Bescheid der Samtgemeinde vom 16.8.2018 bewilligt worden.
Den Klägerinnen stehen bereits deswegen höhere Leistungen nach dem AsylbLG zu, weil die abweichende Festlegung der Bedarfssätze betreffend den notwendigen Bedarf nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. wegen der Überlassung von Haushaltsstrom als Sachleistung rechtswidrig zu ihrem Nachteil erfolgt ist. In welcher Höhe die abweichende Festlegung rechtmäßig ist und ob den Klägerinnen darüber hinaus noch höhere Leistungen nach dem AsylbLG zustehen, ist von der für das Jahr 2018 geltenden Höhe der Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) abhängig (dazu (aa)), insbesondere ob die Bemessung der Leistungen den prozeduralen Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG genügt (dazu (bb)).
(aa) Die abweichende Festsetzung der Bedarfssätze wegen der bereits in der für die Unterkunft der Klägerinnen zu entrichtenden (Inklusiv-)Miete enthaltenen Stromkosten ist nur dem Grunde nach rechtmäßig. Der Höhe nach (Kürzung um jeweils 50,00 €) ist sie rechtswidrig, weil sie nur in einem geringeren Maß hätte erfolgen dürfen.
Nach den Grundsätzen der sog. Mischform der Leistungsgewährung ist eine wertmäßige Kürzung der Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. in denjenigen Fällen zulässig, in denen der Leistungsträger zur Bedarfsdeckung sowohl Geld- als auch Sachleistungen und/oder Wertgutscheine gewährt. Diese alternative Bedarfsdeckung ermöglicht § 3 Abs. 2 Satz 3 AsylbLG a.F., nach dem anstelle der Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist (vgl. BT-Drs. 18/3144, S. 16). Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 3 AsylbLG a.F. liegen hier vor, weil den Klägerinnen aufgrund der Unterbringung - der durch die Samtgemeinde zur Verfügung gestellten Unterkunft - Haushaltsstrom und damit nach der bis zum 31.8.2019 geltenden Rechtslage ein Teil der Leistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs (Abteilung 4 der EVS 2008; zur Zusammensetzung der Leistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. vgl. BT-Drs. 18/2592, S. 21) als Sachleistung gewährt worden ist. Da die Samtgemeinde den Mietvertrag über die Unterkunft abgeschlossen hat, waren die Klägerinnen gegenüber dem Vermieter der Wohnung nicht zur Tragung der Stromkosten verpflichtet (zur Abgrenzung von Geld- und Sachleistung nach dem AsylbLG vgl. Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 149). Unter diesen Umständen war die Gewährung von Haushaltsstrom als Sachleistung auch erforderlich i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 3 AsylbLG a.F.
Methodisch ist die wertmäßige Kürzung der Geldbeträge durch eine analoge Anwendung des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB XII vorzunehmen, nach dem im Einzelfall eine abweichende Regelsatzfestsetzung erfolgt, wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat nachweisbar vollständig oder teilweise anderweitig gedeckt ist (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 15.11.2019 - L 8 AY 43/19 B ER - juris Rn. 39; SG Hamburg, Beschluss vom 7.10.2013 - S 20 AY 65/13 ER - juris Rn. 24; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 80 ff. m.w.N.). Die Voraussetzungen liegen hier dem Grunde nach vor, weil die Klägerinnen neben den Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F.) den Haushaltsstrom wegen der Begleichung der Kosten im Rahmen der Inklusivmiete durch die im Namen des Beklagten handelnde Samtgemeinde als Sachleistung erhalten haben. Dieser durch den notwendigen Bedarf i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG a.F. abgedeckte Bedarf (Verbrauchsgüter des Haushalts; Abteilung 4 der EVS 2008, s.o.) fällt bei den Klägerinnen daher dauerhaft nicht an.
Zur Bestimmung der Kürzungsbeträge kann orientierend auf die Einzelbeträge der Abteilungen der EVS für die jeweilige Regelbedarfsstufe nach dem SGB XII zurückgegriffen werden (Bayerisches LSG, Beschluss vom 15.11.2019 - L 8 AY 43/19 B ER - juris Rn. 39; Wrackmeyer-Schoene in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 27a Rn. 53; Schwabe, ZfF 2016, 25, 29 f.), auch wenn diese Werte für die (Einzel-)Bedarfe keine (konkreten) Berechnungspositionen darstellen, anhand derer die rechtmäßige Höhe des verbliebenen Teils der Geldleistungen exakt bestimmt werden könnte. Die regelbedarfsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge sind von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert, die nicht bei jedem Hilfebedürftigen exakt zutreffen müssen, sondern erst in ihrer Summe ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten sollen (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 205; BT-Drs. 17/3404, S. 51; BT-Drs. 17/6833, S. 4; BT-Drs. 18/9984, S. 27; BT-Drs. 19/22750, S. 68 ff.). Auf der Grundlage dieser Beträge sind die Abzüge realistisch zu schätzen (§ 287 ZPO in entsprechender Anwendung; SG Landshut, Urteil vom 16.12.2016 - S 11 AY 74/16 - juris Rn. 40; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3 Rn. 42; vgl. auch Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 83 m.w.N.). Eine Kürzung der Geldleistungen ist aber der Höhe nach auf denjenigen Anteil des Bedarfes begrenzt, der auf die konkrete Sachleistung entfällt (Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 3 Rn. 51; vgl. auch zur Berücksichtigung des Wertes eines Mittagessens bei einer abweichenden Regelsatzfestsetzung BSG, Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - juris Rn. 23; BSG, Urteil vom 14.12.2017 - B 8 SO 18/15 R - juris Rn. 18).
Nach diesen Maßgaben ist es hier sachgerecht, bei der abweichenden Festlegung der bei den Klägerinnen zu berücksichtigenden Bedarfssätze nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. die auf den (Einzel-)Bedarf für Haushaltsstrom entfallenden Beträge nach den Bedarfsstufen 1 und 5 heranzuziehen (vgl. etwa die von Schwabe, ZfF 2016, 25, 30, ermittelten Werte für die in den ab 1.1.2016 geltenden Bedarfssätzen 1 und 5 enthaltenen Energiekosten von 31,40 € bzw. 11,43 €). Die (maximale) Höhe der Absetzbeträge ist somit abhängig von der Höhe der 2018 geltenden Geldbeträge zur Deckung des notwendigen Bedarfs nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG a.F.
(bb) Für die Höhe der Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) in dem streitgegenständlichen Zeitraum sind nach der im Jahr 2018 geltenden Gesetzeslage die für die Zeit ab 1.1.2016 bzw. 17.3.2016 gemäß den Bekanntmachungen vom 11.3.2016 (BGBl. I 390) und 26.10.2015 (BGBl. I 1793) bestimmten Bedarfssätze maßgeblich.
Die Gewährung höherer Leistungen, insbesondere aufgrund einer Fortschreibung der Bedarfssätze für die Zeit ab 2017 gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylbLG a.F., kommt im Wege der Gesetzesauslegung nicht in Betracht (ebenso Bayerisches LSG, Urteil vom 11.12.2020 - L 8 AY 32/20 - juris Rn. 34; SG Nürnberg, Urteil vom 19.10.2020 - S 5 AY 137/20 - juris Rn. 23; SG Aachen, Urteil vom 18.8.2020 - S 20 AY 18/19 - juris Rn. 26; SG Hildesheim, Urteil vom 10.7.2020 - S 42 AY 112/19 - juris Rn. 31 ff.; SG Hamburg, Beschluss vom 8.7.2019 - S 28 AY 48/19 ER - juris Rn. 10; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a Rn. 31; Hohm, ZFSH/SGB 2019, S. 68 ff.; Korff in BeckOK SozR, 60. Ed., Stand 1.3.2021, § 3a AsylbLG Rn. 16-18; Birk in LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 26; Lange, jurisPR-SozR 19/2019 Anm. 1; a.A. noch in einem obiter dictum Senatsurteil vom 23.5.2019 - L 8 AY 49/18 - juris Rn. 21 ff.; SG Stade, Urteil vom 13.11.2018 - S 19 AY 15/18 - juris Rn. 7; SG Augsburg, Urteil vom 26.2.2020 - S 15 AY 33/19 - juris Rn. 23 ff.; SG Bremen, Urteil vom 29.1.2020 - S 39 AY 79/18 - juris Rn. 22 ff.; SG Bremen, Beschluss vom 15.4.2019 - S 40 AY 23/19 ER - juris Rn. 18 ff.; SG Oldenburg, Beschluss vom 12.7.2019 - S 26 AY 18/19 ER - juris Rn. 21 ff.; SG Dresden, Beschluss vom 2.8.2019 - S 20 AY 55/19 ER - juris Rn. 39 ff.; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 100 ff.; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII, 49. Lfg., Stand 6/2021, § 3a AsylbLG Rn. 24).
Nach § 3 Abs. 4 AsylbLG a.F. werden der Geldbetrag für alle notwendigen persönlichen Bedarfe nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. sowie der notwendige Bedarf nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. jeweils zum 1. Januar eines Jahres entsprechend der Veränderungsrate nach § 28a SGB XII i.V.m. der Verordnung nach § 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII fortgeschrieben (Satz 1). Die sich dabei ergebenden Beträge sind jeweils bis unter 0,50 € abzurunden sowie von 0,50 € an aufzurunden (Satz 2). Das BMAS gibt jeweils spätestens bis zum 1. November eines Kalenderjahres die Höhe der Bedarfe, die für das folgende Kalenderjahr maßgebend sind, im Bundesgesetzblatt bekannt (Satz 3).
Ungeachtet der Frage, wer Normadressat des § 3 Abs. 4 AsylbLG a.F. ist (nach Hohm, ZFSH SGB 2019, 68, 71 allein das BMAS), liegen die Voraussetzungen für eine Fortschreibung der Bedarfssätze für das Jahr 2017 nicht vor, weil es für dieses Jahr schon an einer Verordnung nach § 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII mangelt. Der Verordnungsgeber (das BMAS) hatte wegen des Inkrafttretens des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (RBEG 2017; BGBl. I 3159) zum 1.1.2017 keinen Anlass für den Erlass einer RBSFV betreffend das Jahr 2017, weil die Regelbedarfe nach § 28 SGB XII auf Grundlage der EVS 2013 neu festgesetzt worden sind.
Zur Fortschreibung der Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. kann und darf nicht auf die für das Jahr 2016 geltende RSBFV (BGBl. I 2015, 1788) zurückgegriffen werden (so aber SG Augsburg, Urteil vom 26.2.2020 - S 15 AY 33/19 - juris Rn. 27), auch nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung, die zwar insbesondere betreffend das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG höchstrichterlich anerkannt ist (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 116, 125, 132; BSG, Urteil vom 12.9.2018 - B 4 AS 33/17 R - juris Rn. 40; BSG, Urteil vom 8.5.2019 - B 14 AS 13/18 R - juris Rn. 22 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 26.9.2019 - L 8 AY 70/15 - juris Rn. 35), deren Grenzen sich aber grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden ergeben. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte. Anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen oder diese unterlaufen. Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren. Das gesetzgeberische Ziel darf nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (zum Vorstehenden statt vieler BVerfG, Urteil vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - juris Rn. 86 m.w.N.).
Der Fortschreibung der Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. anhand der RBSFV 2016 steht bereits der Wortlaut der Verordnung (Überschrift und § 1), nach der diese (nur) „für das Jahr 2016“ gilt und die Regelbedarfsstufen nach § 8 Abs. 1 RBEG „zum 1.1.2016“ um 1,24 % erhöht werden, entgegen (Hohm, ZFSH SGB 2019, S. 68, 70; Korff in BeckOK, Sozialrecht, 60. Ed., Stand 1.3.2021, § 3a AsylbLG Rn. 18), aber auch teleologische Gründe. Es widerspricht Sinn und Zweck der Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylbLG a.F., die Höhe der existenzsichernden Leistungen entsprechend der Vorgabe des BVerfG (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 140; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 72) „fortwährend zu überprüfen und weiterzuentwickeln“, hierzu auf eine RBSFV des Vorjahres abzustellen. Die für eine Fortschreibung maßgebliche Veränderungsrate erfolgt gemäß § 28a SGB XII aufgrund der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Mischindex), wobei jeweils die Veränderungsrate maßgeblich ist, die sich aus der Veränderung in dem Zwölfmonatszeitraum, der mit dem 1. Juli des Vorvorjahres beginnt und mit dem 30. Juni des Vorjahres endet, gegenüber dem davorliegenden Zwölfmonatszeitraum ergibt (Satz 2). Aus diesem Grund ist es nicht sachgerecht, die für das Vorjahr (2016) geltende Veränderungsrate auch für das Jahr 2017 heranzuziehen, selbst dann nicht, wenn die Erhöhung der Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 aufgrund des RBEG 2017 von 404,00 € auf 409,00 € (gerundet) der Veränderungsrate für das Jahr 2016 von 1,24% entsprechen sollte (so Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 103).
Eine Fortschreibung der Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. für das Jahr 2017 kann auch nicht aufgrund einer Veränderungsrate erfolgen, die aus der Neufestsetzung der Regelbedarfsstufen nach dem SGB XII aufgrund des RBEG 2017 hergeleitet wird (offen gelassen durch Senatsurteil vom 23.5.2019 - L 8 AY 49/18 - juris Rn. 27; vgl. auch Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 103). Dies widerspricht dem Wortlaut des § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG a.F., nach dem (nur) die - für das Jahr 2017 nicht erlassene - Verordnung nach § 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII für eine Fortschreibung maßgeblich ist. Eine Herleitung der Veränderungsrate aufgrund des RBEG 2017 entspräche zudem inhaltlich einer Neufestsetzung der Leistungen nach § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. und geht damit weit über die methodischen Grenzen der Gesetzesauslegung hinaus. Die Neufestsetzung der Bedarfssätze nach § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. ist nach dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip, nach dem der Gesetzgeber die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen hat, Aufgabe des Gesetzgebers (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 136) und kann nicht durch ein angerufenes Gericht erfolgen (vgl. auch Hohm, ZFSH SGB 2019, S. 68, 71). Jedenfalls seit Erlass des Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 13.8.2019 (BGBl. I 1290) ist eine Fortschreibung der Geldbeträge aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 3 Abs. 4 AsylbLG a.F. wegen des erkennbar entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers nicht möglich. Aus diesem Grund hält der Senat nicht mehr an der früher von ihm befürworteten Fortschreibung nach § 3 Abs. 4 AsylbLG a.F. fest (vgl. dazu Senatsurteil vom 23.5.2019 - L 8 AY 49/18 - juris Rn. 21 ff.). Dem Gesetzgeber ist die Thematik der unterbliebenen Neufestsetzung (für das Jahr 2017) bzw. Fortschreibung (für die Jahre 2018 und 2019) der Geldbeträge nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG und § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) vor Inkrafttreten der Neuregelungen zum 1.9.2019 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des AsylbLG sehr wohl bewusst gewesen, auch wenn auf sie weder in dem Gesetzentwurf vom 10.5.2019 (BT-Drs. 19/10052) noch in dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 5.6.2019 (BT-Drs. 19/10693) ausdrücklich eingegangen worden ist. Dies belegen etwa die Plenarberatungen (vgl. etwa BT-PlPr. 19/101, S. 12383D, 12384A) und die Sachverständigenanhörungen im Gesetzgebungsverfahren, in denen ausdrücklich auf die für die Zeit ab 2017 unterbliebene Neufestsetzung und Fortschreibung der Leistungen hingewiesen worden ist (vgl. die Stellungnahmen des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Sachverständigen Langer, des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes - Gesamtverband e.V., des Deutschen Anwaltvereins e.V., Ausschussdrucksache 19(11)363, S. 6, 17, 47, 72 f., abgerufen unter https://fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/sammelstellungnahme_asylblg.pdf, zuletzt am 17.6.2021). Zudem sind die neuen, für die Zeit ab 1.9.2019 geltenden Geldbeträge nach § 3a Abs. 1 und 2 AsylbLG (i.d.F.v. 13.8.2019, BGBl. I 1290) aufgrund einer Fortschreibung der bisherigen Geldbeträge nach dem Mischindex entsprechend § 7 Abs. 2 RBEG (zum 1.1.2017) bzw. nach der RBSFV 2018 und 2019 (BGBl. I 2017, 3767 und BGBl. I 2018, 1766) bestimmt worden (vgl. BT-Drs. 19/10052, S. 22). Gleichwohl hat der Gesetzgeber von einer rückwirkenden Festlegung der Geldbeträge nach § 3 AsylbLG a.F. für die Zeit vom 1.1.2017 bis 31.8.2019 abgesehen. Unter den gegebenen Umständen hat dies seiner Absicht entsprochen (vgl. auch Korff in BeckOK SozR, 60. Ed., Stand 1.3.2021, § 3a AsylbLG Rn. 18).
Aus diesem Grund haben die Klägerinnen auch keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach § 3 AsylbLG a.F. aufgrund einer Fortschreibung der für die Zeit ab dem 17.3.2016 festgelegten Geldbeträge (nur) für das Jahr 2018 aufgrund § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylbLG a.F. i.V.m. der RBSFV 2018 (BGBl. I 2017, 3767) mit einer Veränderungsrate von 1,63 %. Eine solche Fortschreibung entspricht ebenfalls nicht dem Willen des Gesetzgebers und würde zudem zu systematisch falschen Leistungssätzen führen, weil Grundlage der Fortschreibung die für das Jahr 2017 fehlerhaft ermittelten bzw. nicht weiterentwickelten Geldbeträge aus dem Jahr 2016 auf der Grundlage der EVS 2008 wären. Selbst wenn eine Fortschreibung der Geldbeträge nach einer am Wortlaut orientierten Auslegung des § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylbLG a.F. möglich wäre, ist die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage wegen der unterbliebenen Neufestsetzung der Geldleistungen für das Jahr 2017 nach § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. nicht berührt. Insoweit kann auch die Frage unbeantwortet bleiben, ob eine Bekanntgabe der Höhe der Bedarfe, die für das folgende Kalenderjahr maßgebend sind, durch das BMAS nach § 3 Abs. 4 Satz 3 AsylbLG a.F. (nun § 3a Abs. 4 Satz 3 AsylbLG) „als integrierender Bestandteil des Rechtssetzungsaktes“ (vergleichbar mit der nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG erforderlichen Verkündung von Bundesgesetzen) für die Gültigkeit bzw. Allgemeinverbindlichkeit der Leistungssätze erforderlich ist (so Hohm, ZFSH SGB 2019, S. 68, 71 f.; SG Hildesheim, Urteil vom 10.7.2020 - S 42 AY 112/19 - juris Rn. 42; wohl auch Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a Rn. 31 a.E.) oder einer solchen Bekanntmachung mangels wirksamer „Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen des Gesetzgebers an die Exekutive“ eine rein informatorische bzw. deklaratorische Bedeutung zukommt (so Senatsurteil vom 23.5.2019 - L 8 AY 49/18 - juris Rn. 26; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26.9.2019 - L 9 AY 3/19 B ER - juris Rn. 23; SG Bremen, Urteil vom 29.1.2020 - S 39 AY 79/18 - juris Rn. 28; SG Oldenburg, Beschluss vom 12.7.2019 - S 26 AY 18/19 ER - juris Rn. 24; mit ähnlicher Begründung Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 98; Cantzler, AsylblG, 1. Aufl. 2019, § 3 Rn. 98; in diese Richtung, aber offen gelassen Bayerisches LSG, Urteil vom 11.12.2020 - L 8 AY 32/20 - juris Rn. 36).
(3) Neben dem Anspruch auf pauschalierte Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG sowie § 3 Abs. 2 Satz 5 AsylbLG i.Vm. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) stehen den Klägerinnen im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F. zu, die der Beklagte bzw. die Samtgemeinde durch die Zurverfügungstellung der Mietwohnung, also durch Sachleistungen, erbracht hat. Diese Leistungen sind allerdings wegen der Begrenzung des Verfahrensgegenstandes durch Vergleich nicht streitig.
(4) Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG aus anderen Gründen, insbesondere nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, nach dem ausnahmsweise für atypische Bedarfsfälle Leistungen vorgesehen sind, die "im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich" oder "zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten" sind. Die Klägerinnen haben auch insoweit den Gegenstand des Verfahrens durch Vergleich in zulässiger Weise beschränkt (zur Zulässigkeit etwa betreffend einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung vgl. BSG, Urteil vom 25.10.2018 - B 7 AY 1/18 R - juris Rn. 11).
Diese Beschränkung berührt nicht die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage. Die Ermessensvorschrift des § 6 AsylbLG ist als Ausnahmebestimmung für den atypischen Bedarfsfall konzipiert und daher von vornherein nicht geeignet, strukturelle Leistungsdefizite im Regelbereich des § 3 AsylbLG zu kompensieren (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 89; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.7.2010 - L 20 AY 13/09 - juris Rn. 75; Senatsbeschluss vom 17.11.2011 - L 8 AY 80/11 B ER - juris Rn. 9; vgl. auch unten B. III. 3. c) cc) (5); anders nach h.M. im Bereich der Gesundheitsleistungen nach § 4 AsylbLG, insb. für Leistungen zur Behandlung von chronischen Erkrankungen, vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6.5.2013 - L 20 AY 145/11 - juris Rn. 53 ff.; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 4 AsylbLG Rn. 32 ff. und § 6 AsylbLG Rn. 36; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 4 Rn. 7 ff. und § 6 Rn. 39; Langer in GK-AsylbLG, Stand März 2021, § 6 Rn. 16 f.; a.A. Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 4 Rn. 23).
(5) Die weiteren Voraussetzungen für eine Bescheidkorrektur und Nachzahlung von Leistungen im sog. Zugunstenverfahren nach § 9 Abs. 4 AsylbLG i.V.m. § 44 SGB X liegen vor. Der Antrag vom 22.11.2018 ist nach Maßgabe des § 9 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AsylbLG i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X fristgerecht beim Beklagten eingegangen. Danach werden (Sozial-)Leistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu einem Jahr vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Einer Nachzahlung von Leistungen steht auch nicht ein dauerhafter oder temporärer Wegfall der Bedürftigkeit der Klägerinnen entgegen (zu dieser Voraussetzung BSG, Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R - juris und BSG, Urteil vom 26.6.2013 - B 7 AY 3/12 R - juris Rn. 13); sie sind durchgehend nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch eigenes Einkommen oder Vermögen zu sichern und beziehen bis heute vom Beklagten laufende Leistungen nach dem AsylbLG.
2.
Eine Sachentscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG sowie § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) liegt bislang nicht vor. Das BVerfG hat sich mit der Existenzsicherung durch den Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F., wie sie auf die Verpflichtung des BVerfG vom 18.7.2012 (- 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -) vom Gesetzgeber ab 1.3.2015 neu bestimmt worden sind, anlässlich einer Verfassungsbeschwerde betreffend einen Anspruch einer schwerbehinderten und in ihrer Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigten Empfängerin von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr nur mittelbar auseinandergesetzt (BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018 - 1 BvR 2926/14 - juris Rn. 22-24).
3.
Der Senat ist von der Verfassungswidrigkeit der durch § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 5 und 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG in der 2018 geltenden Fassung der Bekanntmachungen vom 20.10.2015 (BGBl. I 1722) und 11.3.2016 (BGBl. I 390) sowie des BMAS vom 26.10.2015 (BGBl. I 1793) für das Jahr 2018 festgesetzten Geldbeträge zur Deckung des notwendigen Bedarfs und des notwendigen persönlichen Bedarfs überzeugt. Die Vorschriften verstoßen gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des BVerfG zu dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (dazu a)) sind die (auch) für das Jahr 2018 festgesetzten Leistungen zwar nicht evident unzureichend (gewesen), ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten (dazu b)). Sie sind aber nicht nachvollziehbar und sachlich differenziert, also nicht bedarfsgerecht berechnet, insbesondere nicht fortwährend überprüft und weiterentwickelt worden (dazu c)).
a)
Nach der Rechtsprechung des BVerfG (grundlegend sog. Regelsatzurteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34; BVerfG, Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353; BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68) erwächst aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ein verfassungsrechtlich garantierter Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, der das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie gewährleistet, die sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris Rn. 119). Der Leistungsanspruch bedarf der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 138; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 62; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 74). Dabei ist er auch durch völkerrechtliche Verpflichtungen gebunden (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 68).
Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 135; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 64). Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit- und realitätsgerecht erfassen. Ihm kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er hat einen Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichtet (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 138; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 67) und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs tragfähig begründet werden können (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 139; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 69; zum Vorstehenden und im Einzelnen zu den Anforderungen an die methodisch sachgerechte Bestimmung grundrechtlich garantierter Leistungen BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 76 ff.).
Die Ergebnisse eines sachgerechten Verfahrens zur Bestimmung grundrechtlich garantierter, pauschalierter Ansprüche sind fortwährend zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Der elementare Lebensbedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur, er muss aber auch in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entsteht. Auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie auf Preissteigerungen oder auf die Erhöhung von Verbrauchsteuern muss daher auch in der Normsetzung zeitnah reagiert werden, um sicherzustellen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 140; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 72; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 79).
Falls der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, darf er bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Eine Differenzierung ist nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 73). Der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen für Menschen mit befristetem Aufenthaltsrecht kann nur dann abweichend vom Regelbedarf gesetzlich bestimmt werden, wenn nachvollziehbar festgestellt werden kann, dass infolge eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht bestehen (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 74). Ist dies der Fall und möchte der Gesetzgeber daher Leistungen für eine Personengruppe gesondert bestimmen, so muss er hinreichend sicherstellen, dass die gesetzliche Umschreibung dieser Gruppe tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 75). Die menschenwürdige Existenz einschließlich des soziokulturellen Minimums muss ab Beginn des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland realisiert werden. Auch eine kurze Aufenthaltsdauer oder -perspektive rechtfertigt nicht, den Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum auf die Sicherung der physischen Existenz zu beschränken (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn 94). Migrationspolitische Erwägungen können eine geringere Bemessung der Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge nicht rechtfertigen. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 95).
Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende gerichtliche Kontrolle. Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 141; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 77; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 81; Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353; BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris Rn. 41, 47).
Jenseits dieser Evidenzkontrolle ist verfassungsrechtlich zu überprüfen, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis tragfähig zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 143; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 82). Die Art und die Höhe der Leistungen müssen sich mit einer Methode erklären lassen, nach der die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt werden und nach der sich alle Berechnungsschritte mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegen. Zudem muss der Pflicht zur Aktualisierung von Leistungsbeträgen nachgekommen werden, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs erforderlich geworden ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 140). Lassen sich diese nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stehen sie mit Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 82 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353, juris Rn. 42).
b)
Die Bedarfssätze nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG sowie § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) nach der Bedarfsstufe 1 und 5 (für alleinstehende Erwachsene und Kinder von Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres) für das Jahr 2018 sind nicht evident unzureichend (gewesen), ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten.
Die Evidenzkontrolle zielt allein auf die offenkundige Unterschreitung der insgesamt notwendigen Höhe existenzsichernder Leistungen und grundsätzlich nicht auf einzelne Positionen der Berechnung (BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 87). Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfG, Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353, juris Rn. 47).
Für diese Evidenzkontrolle setzt der Senat die Geldleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. (nach den Bedarfsstufen 1 und 5) - bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum - ins Verhältnis zu den Leistungen nach dem allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) bzw. den Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 SGB XII (so auch BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 86 ff.). Ein Vergleich der Leistungen mit den für die Zeit ab 1.9.2019 auf Grundlage des RBEG 2017 und der Sonderauswertungen der EVS 2013 festgesetzten Geldbeträge nach § 3a Abs. 1 und 2 AsylbLG (BGBl. I 2019, 1290) ist im Rahmen der Evidenzprüfung ungeeignet (so aber Bayerisches LSG, Urteil vom 11.12.2020 - L 8 AY 32/20 - juris Rn. 35; krit. dazu auch Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 102.2), weil die neu festgesetzten Leistungen eine andere Zusammensetzung aufweisen (z.B. ist der Bedarf der Abteilung 4 der EVS, also an Wohnungsinstandsetzung und Haushaltsenergie, nicht in den Pauschalleistungen enthalten, weil auch dieser Bedarf gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG gesondert erbracht wird, vgl. BT-Drs. 19/10052, S. 26) und selbst (noch) nicht abschließend auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG überprüft worden sind.
Bei der Evidenzkontrolle berücksichtigt der Senat strukturelle Unterschiede der Leistungen nach dem AsylbLG und dem allgemeinen Grundsicherungsrecht (dazu aa)) bei dem direkten Vergleich der Höhe nach (dazu bb)). Trotz beachtlicher Leistungsunterschiede, insbesondere betreffend die existenzsichernden Leistungen für Minderjährige nach der Bedarfsstufe 5, liegt eine Evidenz unzureichender Leistungen nicht vor (dazu cc)).
aa) Strukturelle Unterschiede bestehen zum einen bei den Leistungen für Hausrat bei einer Unterbringung außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung. Anders als im allgemeinen Grundsicherungsrecht wird dieser Bedarf im Asylbewerberleistungsrecht nicht pauschal durch den Regelsatz, sondern gesondert durch Sach- oder Geldleistungen gedeckt (§ 3 Abs. 2 Satz 4 a.F.; seit 1.9.2019 auch der Bedarf an Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie, vgl. § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG i.d.F.v. 13.8.2019, BGBl. I 1290), mit der Folge, dass die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände) der jeweils maßgeblichen EVS bei der Bemessung der pauschalen Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. (nun § 3a Abs. 1 und 2 AsylbLG) nicht berücksichtigt werden (vgl. BT-Drs. 18/2592, S. 24; BT-Drs. 19/10052, S. 26; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 87, 104). Deswegen ist diese Position bei einem Vergleich der unterschiedlichen Leistungen nicht einzubeziehen.
Allerdings wird der Begriff des Hausrats i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F. in der Praxis inhaltlich nicht in der Weise ausgelegt, dass er sämtliche durch die Abteilung 5 der jeweiligen EVS abgebildeten Bedarfe betrifft (vgl. zu dieser Problematik die schriftlichen Stellungnahmen des Flüchtlingsrats Berlin e.V. zur AsylbLG-Novelle 2015 vom 22.10.2014 und des Deutschen Anwaltsvereins vom 17.7.2014, Ausschussdrucksache 18(11)220, S. 23, 97, abgerufen unter http://www.sozialpolitik-aktuell.de, zuletzt am 20.5.2021; Janda, SGb 2013, 175, 179; Voigt, info also 2016, S. 99, 100; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 58). Insbesondere bei dezentral in Wohnungen untergebrachten Personen mit eigener Haushaltsführung - wie den Klägerinnen - werden zur Deckung des Bedarfs an Verbrauchsgütern des Haushalts (also Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel etc., für die Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 31 der Abteilung 5 der EVS 2008, vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 56, bzw. lfd. Nr. 33 der Abteilung 5 der EVS 2013, vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 37, 40) in aller Regel - wie auch hier - keine gesonderten Leistungen erbracht, weil unter den Begriff des Hausrats i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F. (bzw. nun § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG) nach seinem Wortsinn vornehmlich Gebrauchsgüter, insbesondere mit höherem Anschaffungswert (Möbel, Kühlschrank usw.), gefasst werden (für die Praxis vgl. etwa Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vom 4.1.2013 zum Referentenentwurf des BMAS für ein Drittes Gesetz zur Änderung des AsylbLG, S. 4 f., abgerufen unter www.fluechtlingsinfo-berlin.de, zuletzt am 20.5.2021). Die in der Literatur vertretene Auffassung, der Begriff des Hausrats müsse wegen seiner inhaltlichen Entsprechung mit den Bedarfspositionen der Abteilung 5 der jeweiligen EVS weit ausgelegt werden (vgl. dazu Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 58, 173; Wahrendorf, AsylbLG, 2017, § 3 Rn. 61; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. § 3 Rn. 82; Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 33; Birk in LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 22; Korff in BeckOK SozR, 60. Ed., Stand 1.3.2021, § 3 AsylbLG Rn. 27), hat sich in der Bewilligungspraxis der Leistungsträger (gerichtsbekannt jedenfalls für die Länder Niedersachsen und Bremen) und der (veröffentlichten) sozialgerichtlichen Rechtsprechung (noch) nicht durchgesetzt. Ein Grund hierfür kann darin liegen, dass es unpraktikabel und mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden ist, wenn der wiederkehrende Bedarf an Hausrat jeweils gesondert geltend zu machen ist (vgl. schriftliche Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Ausländer- und Asylrecht vom 17.7.2014 zur AsylbLG-Novelle 2015, Ausschussdrucksache 18(11)220, S. 92, 97, abgerufen unter http://www.sozialpolitik-aktuell.de, zuletzt am 15.6.2021). Wegen dieser faktischen bzw. (rechts-)tatsächlichen Minderung der Grundleistungen ist es sachgerecht, die Position der Verbrauchsgüter des Haushalts im Rahmen der Evidenzprüfung entsprechend zu berücksichtigen.
Zum anderen werden seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des AsylbLG und des SGG vom 10.12.2014 (BGBl. I 2187) zum 1.3.2015 weitere regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben der EVS bei den Bedarfssätzen nach dem AsylbLG nicht berücksichtigt. Dies betrifft einen Teil der Ausgaben der Abteilung 6 (Gesundheitspflege), weil Leistungsberechtigte nach §§ 1, 3 AsylbLG aufgrund ihres Status keinen Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung haben, sondern zu Gesundheitsdienstleistungen und den zur Behandlung erforderlichen Medikamenten nach den §§ 4, 6 AsylbLG. Weil Ausgaben, die lediglich von in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen zu zahlen sind (Rezeptgebühren, Eigenanteile), bei Grundleistungsberechtigten daher grundsätzlich nicht anfallen, werden die entsprechenden regelbedarfsrelevanten Verbrauchspositionen der Abteilung 6 (für Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 37, 39, 41, 42, vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 58 bzw. für die Zeit ab 2017 die lfd. Nr. 36, 38, 40, vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 41) nicht bei der Bemessung der Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. (bzw. nun § 3a AsylbLG) berücksichtigt (BT-Drs. 18/2592, S. 24 und BT-Drs. 19/10052, S. 26).
Zudem wird in den Geldleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. (nun § 3a AsylbLG) ein Teil der Verbrauchsausgaben der Abteilung 12 (Andere Waren und Dienstleistungen) nicht berücksichtigt und zwar die Kosten für einen Personalausweis (für Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 81, BT-Drs. 18/9984, S. 49). Diese Position kann aber bei dem Vergleich der Leistungen nach dem allgemeinen Grundsicherungsrecht und dem AsylbLG wegen ihrer geringen Höhe vernachlässigt werden; bezogen auf das Jahr 2013 hat sie nur einen Betrag von 0,25 € ausgemacht (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 49).
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zum 17.3.2016 (BGBl. I 390) werden in den Geldbeträgen betreffend die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. bestimmte regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben der Abteilungen 9 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur) und 10 (Bildung) anknüpfend an „die mangelnde Aufenthaltsverfestigung in den ersten 15 Monaten“ in Deutschland bewusst nicht mehr in die Bemessung der Grundleistungen einbezogen (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 21-23 und BT-Drs. 19/10052, S. 22 zu der Neufassung des § 3a AsylbLG), im Einzelnen die Verbrauchsausgaben für
· Fernseh- und Videogeräte, TV-Antennen,
· Datenverarbeitungsgeräte sowie System- und Anwendungssoftware, einschl. Downloads und Apps,
· langlebige Gebrauchsgüter und Ausrüstung für Kultur, Sport, Camping und Erholung,
· Reparaturen und Installation von langlebigen Gebrauchsgütern und Ausrüstung für Kultur, Sport, Camping und Erholung,
· außerschulischer Unterricht und Hobbykurse.
Die Einstufung als nicht bedarfsrelevant fußt auf der wertenden Einschätzung des Gesetzgebers, dass die betreffenden Ausgaben nicht als existenznotwendiger Grundbedarf anzuerkennen seien, solange die Bleibeperspektive der Leistungsberechtigten ungesichert und deshalb von einem nur kurzfristigen Aufenthalt auszugehen sei (so BT-Drs. 18/7538, S. 21). Ob sich diese „wertenden Herausnahmen“ innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Festlegung des Existenzminimums für bestimmte Personengruppen bewegen, ist nicht unumstritten (dazu ausführlich unter B. III. 3. c) cc) (1)). Im Rahmen der Prüfung, ob die Geldleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. für das Jahr 2018 evident unzureichend zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sind, berücksichtigt der Senat allerdings diese Leistungsunterschiede. Das vom Gesetzgeber angeführte Differenzierungskriterium für eine abweichende Bemessung des existenznotwendigen Bedarfs von Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG ist nicht offensichtlich als unsachlich oder ungeeignet zu bewerten. Ein nicht unbedeutender Teil des Schrifttums erachtet die dafür vom Gesetzgeber genannte Begründung (BT-Drs. 18/2592, S. 21-23) als nachvollziehbar und tragfähig (vgl. Cantzler, AsylbLG, § 3 AsylbLG Rn. 44; Hohm in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 3 Rn. 40, 123; Deibel in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 2 Rn. 36; Rixen, Der Landkreis 2016, S. 268, 269 f.; Schwabe, ZfF 2016, S. 73, 75; Thym, NVwZ 2016, S. 409, 411 f.; Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, 116. Lfg., Stand 1/2021, § 3a Rn. 9 ff.; Decker in Oestreicher SGB II/SGB XII, 92. Lfg. Stand 2/2021, § 3 AsylbLG Rn. 44 allerdings mit der Einschränkung, dass ein entsprechender Leistungsbezug über eine Dauer von höchstens sechs Monaten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne). In der (veröffentlichten) sozialgerichtlichen Rechtsprechung sind die durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (BGBl. I 2016, 390) zum 17.3.2016 vorgenommenen Kürzungen unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) nur vereinzelt thematisiert worden (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.7.2017 - L 20 AY 4/17 B - juris Rn. 28; Senatsurteil vom 23.5.2019 - L 8 AY 49/18 - juris Rn. 28).
Schließlich bestehen strukturelle Unterschiede bei den Leistungen zur Deckung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung, die die Klägerin zu 1 wegen der alleinigen Betreuung ihrer siebenjährigen Tochter, der Klägerin zu 2, bei einem Bezug von Leistungen nach dem allgemeinen Grundsicherungsrecht in pauschaler Höhe von 12 % der Regelbedarfsstufe 1 (im Jahr 2018 in monatlicher Höhe von 49,92 €) beanspruchen könnte (vgl. § 30 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII und § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II). Diese Leistungen bezieht der Senat nicht in den Vergleich der Bedarfssätze nach dem AsylbLG und der Regelbedarfsstufen ein, weil sie in den jeweiligen Existenzsicherungssystemen als eigenständige Mehrbedarfsleistungen ausgestaltet sind. Sie betreffen abtrennbare Streitgegenstände (allgemein BSG, Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 8/08 R - juris Rn. 13; vgl. auch BSG, Urteil vom 25.4.2018 - B 8 SO 25/16 R - juris Rn. 12; zum AsylbLG BSG, Urteil vom 25.10.2018 - B 7 AY 1/18 R - juris Rn. 11) und sind hier wegen der entsprechenden Beschränkung des Verfahrensgegenstandes auch nicht streitig (s.o.). Zudem ist fachgerichtlich und im Schrifttum geklärt, dass bei einer Leistungsberechtigung nach §§ 3 ff. AsylbLG insoweit kein Anspruch auf pauschale (prozentual vom Regelbedarf abgeleitete) Leistungen besteht, sondern nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylbLG der konkret-individuelle Bedarf maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.2018 - B 7 AY 1/18 R - juris Rn. 16-18; Bayerisches LSG, Urteil vom 18.7.2017 - L 8 AY 18/15 - juris Rn. 26 f.; Sächsisches LSG, Urteil vom 6.12.2017 - L 8 AY 9/17 - juris Rn. 21; Senatsbeschluss vom 27.11.2014 - L 8 AY 57/14 B ER - juris Rn. 10 ff.; Frerichs in jurisPK-SGB XII, § 6 AsylbLG Rn. 56; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rn. 27; Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 6 AsylbLG Rn. 11; Decker in Oestreicher/Decker, SGB II/XII, 92. Lfg., Stand 2/2021, § 6 AsylbLG Rn. 17). Dieser ist im Einzelfall durch Sachleistungen bzw. bei Vorliegen besonderer Umstände durch Geldleistungen zu decken (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG).
bb) Der Höhe nach haben sich die Grundleistungen nach den Bedarfsstufen 1 und 5 gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG a.F. i.V.m. der Bekanntmachung des BMAS vom 26.10.2015 (BGBl. I 1793) sowie § 3 Abs. 2 Satz 5 AsylbLG a.F. i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG a.F. (BGBl. I 2016, 390) für das Jahr 2018 in der Summe auf 354,00 € und 242,00 € belaufen. Demgegenüber haben die Regelbedarfsstufen 1 und 5 nach der Anlage zu § 28 SGB XII im Jahr 2018 416,00 € bzw. 296,00 € betragen.
Für einen sachgerechten Vergleich der Leistungen ist von den Regelbedarfsstufen - bezogen auf das Jahr 2018 - der oben dargestellte Teil der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Abteilungen 5, 6, 9 und 10 abzuziehen. Da die Höhe der durch das RBEG 2017 berücksichtigten (Einzel-)Verbrauchsausgaben aus den Sonderauswertungen der EVS 2013 stammen und betragsmäßig nicht für die Jahre 2017 und 2018 ausgewiesen sind (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 36 ff.), ist deren (jeweilige) Höhe bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum auf der Grundlage einer selbstständig zu ermittelnden Steigerungsrate zu ermitteln (vgl. Schwabe, ZfF 2018, S. 1; krit. dazu BT-Drs. 18/9984, S. 27). Für die Regelbedarfsstufe 1 ist hierzu die in § 5 Abs. 2 RBEG (i.d.F.v. 22.12.2016, BGBl. I 3159) ausgewiesene Summe der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte (für das Jahr 2013) von 394,84 € ins Verhältnis zu der Höhe der für das Jahr 2018 geltenden Regelbedarfsstufe 1 von 416,00 € (vgl. Anlage zu § 28 SGB XII) zu setzen; insoweit ergibt sich für die (Einzel-) Verbrauchsausgaben eine Steigerungsrate von 1,0536 (vgl. auch Schwabe, ZfF 2018, S. 1). Für die Regelbedarfsstufe 5 ergibt sich danach bei einer Summe der Verbrauchsausgaben (für das Jahr 2013) von 281,64 € (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 RBEG i.d.F.v. 22.12.2016, BGBl. I 3159) und einer Regelbedarfsstufe 5 für das Jahr 2018 von 296,00 € eine Steigerungsrate von 1,0510 (vgl. auch Schwabe, ZfF 2018, S. 1).
Übertragen auf die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung) ergibt sich Folgendes: die Ausgaben haben sich bezogen auf das Jahr 2013 für alleinstehende Erwachsene (Regelbedarfsstufe 1) auf 24,34 € und für Kinder von Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (Regelbedarfsstufe 5) auf 9,24 € belaufen (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 40, 63 f.), für das Jahr 2018 betragen sie - fortgeschrieben mit einer Veränderungsrate von 1,0536 bzw. 1,0510 - 25,64 € bzw. 9,71 € (so auch Schwabe, ZfF 2018, 1, 2 und 8). Diese Werte sind allerdings wegen der in der Praxis nicht erbrachten Leistungen für Verbrauchsgüter des Haushalts um die entsprechenden Verbrauchsausgaben (für die Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 33 und für die Regelbedarfsstufe 5 lfd. Nr. 32) zu bereinigen (s.o. B. III. 3. b) aa)). Diese Ausgaben haben sich für das Jahr 2013 insoweit auf 3,63 € und 1,66 € belaufen (BT-Drs. 18/9984, a.a.O.) und für das Jahr 2018 - fortgeschrieben mit einer Veränderungsrate von 1,0536 bzw. 1,0510 - auf 3,82 € bzw. 1,74 €. Die Abzugsposten für die gesondert zu erbringenden Leistungen für Hausrat i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 4 a.F. (seit 1.9.2019 § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG) betragen damit 21,82 € (Regelbedarfsstufe 1) und 7,97 € (Regelbedarfsstufe 5).
Die in den Bedarfssätzen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG a.F. nicht berücksichtigten, aber regelbedarfsrelevanten Verbrauchspositionen der Abteilung 6 (Gesundheitspflege) haben für das Jahr 2013 in der Summe für die Regelbedarfsstufe 1 6,78 € ausgemacht (lfd. Nrn. 36, 38, 40, vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 41) bzw. für die Regelbedarfsstufe 5 1,64 € (nur lfd. Nr. 35, vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 64). Für das Jahr 2018 ergeben sich damit nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. nicht bedarfsrelevante Positionen - fortgeschrieben mit einer Veränderungsrate von 1,0536 bzw. 1,0510 - von 7,14 € (Regelbedarfsstufe 1) bzw. 1,72 € (Regelbedarfsstufe 5).
Die Kürzungen um einen Teil der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur) und 10 (Bildung) haben mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zum 17.3.2016 (BGBl. I 2016, 390) für die Regelbedarfsstufe 1 die lfd. Nrn. 53, 54, 56, 69, 70, 71 der Sonderauswertungen der EVS 2008 betroffen (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 21 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 17/3404, S. 61 f.). Zur Bereinigung der für das Jahr 2018 geltenden Regelbedarfsstufen ist aber auf die durch das RBEG 2017 berücksichtigten Verbrauchsausgaben abzustellen und damit auf die Verbrauchsausgaben der Sonderauswertungen der EVS 2013 nach den lfd. Nrn. 50, 51, 53, 56, 68, 69 (vgl. BT-Drs. 19/10052, S. 22 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/9984, S. 44 f., 47). Diese belaufen sich in der Summe (für das Jahr 2013) auf 6,19 € bzw. fortgeschrieben für das Jahr 2018 mit einer Steigerungsrate von 1,0536 auf 6,52 €. Für die Regelbedarfsstufe 5 sind die Verbrauchsausgaben der Sonderauswertungen der EVS 2013 nach den lfd. Nrn. 48, 49, 51, 64 und 65 zu berücksichtigen (BT-Drs. 18/9984, S. 66-68); die Ausgaben für außerschulischen Unterricht und Hobbykurse sind insoweit nicht regelbedarfsrelevant, weil sie im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets gezahlt werden (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 67 a.E.). Die zu berücksichtigenden Ausgaben belaufen sich in der Summe (für das Jahr 2013) auf 3,38 € bzw. fortgeschrieben für das Jahr 2018 mit einer Steigerungsrate von 1,0510 auf 3,55 €.
Die um die maßgeblichen Verbrauchsausgaben der Abteilungen 5, 6, 9 und 10 bereinigte Regelbedarfsstufe 1 beläuft sich danach für das Jahr 2018 auf 380,52 € (416,00 € - 21,82 € - 7,14 € - 6,52 €) und die entsprechend bereinigte Regelbedarfsstufe 5 auf 282,76 € (296,00 € - 7,97 € - 1,72 € - 3,55 €). Zu dem Gesamtbetrag der für das Jahr 2018 geltenden Geldleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. ergibt sich damit bezogen auf die Bedarfsstufe 1 (354,00 €) eine Differenz von 26,52 €, also von etwa 7 % im Verhältnis zu den (bereinigten) Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII (380,52 €). Für die Bedarfsstufe 5 fällt die Differenz der Leistungen nach dem AsylbLG (242,00 €) und den regulären (bereinigten) Leistungen (282,76 €) höher aus; sie beträgt 40,76 € bzw. verhältnismäßig etwa 14,5 %.
cc) Trotz der beachtlichen Leistungsunterschiede, insbesondere betreffend die existenzsichernden Leistungen für Minderjährige nach der (Regel-)Bedarfsstufe 5, ist es nicht offensichtlich, dass die Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. betreffend die Bedarfsstufen 1 und 5 für das Jahr 2018 in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist.
Der Abstand der Leistungen der Höhe nach liegt prozentual deutlich unter einer Differenz von 35 %, bei der die Evidenz unzureichender Leistungen vom BVerfG in der AsylbLG-Entscheidung aus dem Jahr 2012 bejaht worden ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 87). Er liegt auch noch deutlich unter einer Leistungsminderung von 30 %, die vom BVerfG - jedenfalls vorübergehend zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten - unter strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung als vereinbar mit der Verfassung (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) angesehen worden ist (BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris Rn. 158 ff.; zur Aufrechnung wegen Erstattungsforderungen bei sozialwidrigem Verhalten in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren vgl. auch BSG, Urteil vom 9.3.2016 - B 14 AS 20/15 R - juris, nachfolgend BVerfG, Beschluss vom 10.8.2017 - 1 BvR 1412/16 - juris; vgl. auch Guttenberger, NZS 2021, S. 201 ff.). Des Weiteren hat das BVerfG das Erfordernis einer gerichtlichen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG bei einer Differenz der nach dem AsylbLG (im Jahr 2020) gewährten Geldleistungen zu den Leistungen des allgemeinen Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII) von etwa 10 % nicht erkannt, wenn nicht nachvollziehbar aufgezeigt wird, dass aufgrund der konkret-individuellen Lebensumstände wesentliche Nachteile eintreten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1.10.2020 - 1 BvR 1106/20 - juris Rn. 17 ff.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 9.7.2020 - L 8 AY 52/20 B ER - juris Rn. 32 f.). Nach der Rechtsprechung des BSG begegnet auch eine Aufrechnung mit lebensunterhaltssichernden Leistungen (nach dem SGB II) in Höhe von 10 % des jeweils maßgebenden Regelbedarfs keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2018 - B 14 AS 31/17 R - juris Rn. 39 ff.). Selbst in Anbetracht dessen, dass schon die Regelbedarfe nach § 28 SGB XII auf einer knappen Berechnung beruhen, die nur in der Gesamtschau für noch verfassungsgemäß befunden worden ist, weil nur dann und nur unter Berücksichtigung von Auslegungsspielräumen für Härtefälle davon ausgegangen werden konnte, dass die menschenwürdige Existenz der Hilfebedürftigen tatsächlich realistisch gesichert ist (BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris Rn. 190 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 86, 120, 144), und es an stichfesten Kriterien fehlen dürfte, ab wann die Höhe von existenzsichernden Leistungen „offensichtlich nicht mehr tragbar“ ist (so etwa Lenze, ZFSH SGB 2014, S. 745, 746), ist nach Maßgabe der o.g. Entscheidungen, die in gewisser Weise die mögliche Deckung konkreter Bedarfe durch existenzsichernde Leistungen betreffen, die der Gesetzgeber als Pauschalbetrag berechnet, von einer Evidenz unzureichender Leistungen nicht auszugehen. Dieses Ergebnis stimmt auch mit der hierzu veröffentlichten Rechtsprechung und Literatur überein. Dass die Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. aus dem Jahr 2016 offensichtlich unzureichend (gewesen) sind, ein menschenwürdiges Existenzminimum im Jahr 2018 zu gewährleisten, wird - soweit ersichtlich - nicht vertreten (vgl. etwa Bayerisches LSG, Urteil vom 11.12.2020 - L 8 AY 32/20 - juris Rn. 35; SG Hildesheim, Urteil vom 10.7.2020 - S 42 AY 112/19 - juris Rn. 50; Hohm, ZFSH SGB 2019, S. 68, 72).
c)
Die Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) sind allerdings nicht nachvollziehbar und sachlich differenziert, also nicht bedarfsgerecht berechnet worden. Nach den Vorgaben des BVerfG (dazu aa)) hat der Senat zwar keine grundsätzlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bemessung der Geldleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. (dazu bb)). Dies gilt jedoch nicht für die Bestimmung spezifischer Minderbedarfe im Rahmen der Bedarfssätze zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 2 Satz 5 AsylbLG a.F. i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. (dazu cc)) und die gesetzliche Umschreibung der insoweit betroffenen Personengruppe der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG (dazu dd)). Zudem ist das ermittelte Ergebnis - bezogen auf das Jahr 2018 - ohne sachlichen Grund nicht fortwährend überprüft und weiterentwickelt worden, obwohl dies erforderlich gewesen ist (dazu ee)).
aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist eine Differenzierung bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums nach Besonderheiten bestimmter Personengruppen nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 73). Ob und in welchem Umfang der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen für Menschen mit nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht in Deutschland gesetzlich abweichend von dem gesetzlich bestimmten Bedarf anderer Hilfebedürftiger bestimmt werden kann, hängt allein davon ab, ob wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob durch die Kürze des Aufenthalts Minderbedarfe durch Mehrbedarfe kompensiert werden, die typischerweise gerade unter den Bedingungen eines nur vorübergehenden Aufenthalts anfallen. Auch hier kommt dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse dieser Personengruppe wie auch die wertende Einschätzung ihres notwendigen Bedarfs umfasst, aber nicht davon entbindet, das Existenzminimum hinsichtlich der konkreten Bedarfe zeit- und realitätsgerecht zu bestimmen (BVerfG, a.a.O, Rn. 74 m.w.N.).
bb) Der Senat hat gemessen an dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG keine grundsätzlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bemessung der Geldleistungen nach § 3 AsylbLG a.F., insbesondere betreffend die vom Gesetzgeber genutzte Datengrundlage (1), die konzeptionelle Trennung von Leistungen zur Deckung des physischen und des soziokulturellen Existenzminimums (2) und die Herausnahme bestimmter Verbrauchsausgaben der EVS wegen struktureller Besonderheiten der Leistungen nach dem AsylbLG (3).
(1) Der Gesetzgeber durfte bei der Neubestimmung der Grundleistungen zum 1.3.2015 durch das Gesetz zur Änderung des AsylbLG und des SGG (BGBl. I 2014, 2187) im Wege einer 1:1-Umsetzung der Übergangsregelung des BVerfG (Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 98 ff.) mangels anderweitiger Erkenntnisse auf die nach § 28 SGB XII vorgenommene Sonderauswertung der EVS 2008 zurückgreifen und damit für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG und nach dem SGB XII und SGB II grundsätzlich dieselbe Datengrundlage verwenden (vgl. dazu den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22.9.2014, BT-Drs. 18/2592, S. 20 f.; zustimmend u.a. Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, 116. Lfg., Stand 1/2021, § 3a AsylbLG Rn. 72c; krit. Deibel, ZFSH SGB 2012, 582, 590; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 51 f.).
Die Orientierung an der EVS ist als statistisches Berechnungsmodell ein im Grundsatz geeignetes Verfahren, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen realitätsgerecht zu bemessen (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 159 ff.; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 93). Die Begründung für den Rückgriff auf dieses Modell, dass eine eigene Erhebung der Verbrauchsausgaben von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG unmittelbar zu Zirkelschlüssen geführt und daher aus methodischen Gründen ebenso zu unterbleiben hätte wie die Einführung einer speziellen Statistik (Haushaltsbudgeterhebung) nur für Ausländerhaushalte (BT-Drs. 18/2592, S. 20), ist nachvollziehbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auch in der Literatur wird eine solche eigenständige Datenerhebung in einem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren wegen der sehr heterogenen Zusammensetzung dieses Personenkreises - leistungsberechtigt sind nicht nur Personen, deren Aufenthalt wegen eines Asylverfahrens gestattet ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG), sondern auch Aufenthaltsberechtigte (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG) oder Geduldete (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG; vgl. dazu bereits BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 93) - und deren mitunter sehr unterschiedlichen Lebenssituationen in Deutschland (z.B. wegen der bisherigen und voraussichtlichen Aufenthaltsdauer, der Unterbringung in einer Einrichtung oder Wohnung oder aufgrund unterschiedlicher aufenthaltsrechtlicher Beschränkungen) als nicht möglich erachtet (vgl. etwa Janda, ZAR 2013, 175, 180; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 54; Wahrendorf, AsylbLG, 2017, § 3 Rn. 7, 41; so schon Fahlbusch, NDV 2011, S. 145, 146). Zirkelschlüsse drohen durch die Ermittlung der existenznotwendigen Leistungen auf Grundlage der Sonderauswertungen der EVS nicht. Die Personen im Leistungsbezug nach dem AsylbLG sind nicht - jedenfalls nicht repräsentativ - in die Erfassung des Ausgabeverhaltens nach der EVS einbezogen (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 88; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 107; BSG, Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R - juris Rn. 49; Gutzler in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 RBEG, 1. Überarbeitung, Rn. 17 m.w.N.; Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, 116. Lfg., Stand 1/2021, § 3a AsylbLG Rn. 72e).
Bedient sich der Gesetzgeber dieser allgemeinen Datengrundlage, haben bei der verfassungsrechtlichen Prüfung aber die Ausführungen des BVerfG zu der Geeignetheit der Normen des RBEG als einzig verfügbare (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 51), durch den Gesetzgeber vorgenommene und angesichts seines Gestaltungsspielraums wertende Bestimmung der Höhe von Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums weiterhin Bestand (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 100): es ist nicht gesichert, ob damit auch die möglicherweise abweichenden Bedarfe derjenigen realitätsgerecht abgebildet werden, auf die das AsylbLG Anwendung findet. Ebenso wenig kann eine Aussage darüber erfolgen, ob auf dieser Grundlage ermittelte Leistungen an Berechtigte in anderen Fürsorgesystemen einer verfassungsrechtlichen Kontrolle Stand halten können (BVerfG, a.a.O.). Die Legitimität des AsylbLG als eigenständiges Sicherungssystem wird dadurch aber nicht grundlegend in Frage gestellt (krit. dagegen u.a. Janda, SGb 2013, 175, 180; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 Rn. 51; Deibel, ZFSH SGB 2012, 582, 591; vgl. auch die Initiativen zur Aufhebung des AsylbLG etwa BR-Drs. 576/12; BT-Drs. 16/10837; BT-Drs. 17/1428; BT-Drs. 17/4424). Allerdings ist eine vom allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) abweichende Bewertung des existentiellen Bedarfs von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG nur dann gerechtfertigt, wenn gesicherte Erkenntnisse über eine signifikante Abweichung des Bedarfs gerade dieser Personengruppe vorliegen (dazu im Einzelnen unter B. III. 3. c) cc) (1)).
(2) Im Grundsatz nicht zu beanstanden ist auch die durch die Bedarfssätze nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 AsylbLG sowie § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) angelegte Trennung der Leistungen zur Gewährleistung des physischen und des soziokulturellen Existenzminimums i.S. einer nicht einheitlichen Bedarfsfestsetzung bzw. eines teilbaren Budgets für die Bedarfsdeckung (so BT-Drs. 18/2592, S. 20).
Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich auf die unbedingt erforderlichen Mittel als einheitliche Gewährleistung zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 135; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 64; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 75; BVerfG, Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353, juris Rn. 37; BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris Rn. 119). Die Gewährung von Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Festbetrag ist grundsätzlich zulässig. Allerdings verlangt Art. 1 Abs. 1 GG, der die Menschenwürde jedes einzelnen Individuums ohne Ausnahme schützt, dass das Existenzminimum in jedem Einzelfall sichergestellt wird. Der Hilfebedürftige, dem ein pauschaler Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird, kann über seine Verwendung im Einzelnen selbst bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen. Dies ist ihm auch zumutbar. Dass sich der Gesamtbetrag aus statistisch erfassten Ausgaben in den einzelnen Abteilungen der EVS zusammensetzt, bedeutet nicht, dass jedem Hilfebedürftigen die einzelnen Ausgabenpositionen und -beträge stets uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssen. Es ist vielmehr dem Statistikmodell eigen, dass der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen vom statistischen Durchschnittsfall abweichen kann. Die regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge sind von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert, die nicht bei jedem Hilfebedürftigen exakt zutreffen müssen, sondern erst in ihrer Summe ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten sollen. Wenn das Statistikmodell entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben angewandt und der Pauschalbetrag insbesondere so bestimmt worden ist, dass ein Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen möglich ist, kann die hilfebedürftige Person in der Regel sein individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskommt (zum Vorstehenden BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 205; zum Budgetcharakter der Regelleistung vgl. auch BT-Drs. 17/3404, S. 51; BT-Drs. 17/6833, S. 4; BT-Drs. 18/9984, S. 27; BT-Drs. 19/22750, S. 66).
Nach diesen Maßgaben begegnet es jedenfalls bezogen auf außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung i.S. des § 44 AsylG untergebrachte Leistungsberechtigte nach §§ 1, 3 AsylbLG - wie die Klägerinnen - keinen durchgreifenden Bedenken, dass diesen Personen Geldleistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in Form von zwei Geldbeträgen zur Deckung des notwendigen Bedarfs bzw. des physischen Existenzminimums (§ 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG a.F.) einerseits und zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs bzw. des soziokulturellen Existenzminimums (§ 3 Abs. 2 Satz 5 AsylbLG a.F. i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG a.F.) andererseits erbracht werden. Dies steht nicht im Widerspruch mit der Rechtsprechung des BVerfG (zuletzt Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris Rn. 119 m.w.N.), nach der die physische und soziokulturelle Existenz als einheitliche Gewährleistung gesichert werden muss (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 102 ff.). Auch unter Berücksichtigung der strukturellen Besonderheiten des Leistungsrechts nach den §§ 3 ff. AsylbLG, insbesondere der gesonderten Erbringung von Leistungen für Hausrat nach § 3 Abs. 2 Satz 4 a.F. (seit 1.9.2019 auch der Bedarf an Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie, vgl. § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG i.d.F.v. 13.8.2019, BGBl. I 1290), verfügen jedenfalls Personen, die diese Bedarfssätze jeweils als Geldleistungen beziehen, in der Gesamtsumme über ein monatliches Budget, das den einheitlichen Schutz der physischen und soziokulturellen Existenz und den Charakter als Pauschalbetrag der Leistungen nicht grundlegend in Frage stellt (im Ergebnis ebenso SG Landshut, Urteil vom 16.12.2016 - S 11 AY 74/16 - juris Rn. 34; SG Bayreuth, Urteil vom 13.9.2018 - S 5 AY 28/18 - juris Rn. 40; SG Berlin, Beschluss vom 19.5.2020 - S 90 AY 57/20 ER - juris Rn. 64; vgl. auch Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 3 Rn. 52; BVerfG, Beschluss vom 1.10.2020 - 1 BvR 1106/20 - juris Rn. 18; krit. Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a Rn. 10 sowie Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 56 f. m.w.N.).
(3) Die Herausnahme bestimmter Verbrauchsausgaben der EVS (2008) bei der Bemessung der Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F., die im allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) an sich als regelbedarfsrelevant bewertet werden, verstößt grundsätzlich nicht gegen die Verfassung (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG), soweit die betreffenden Bedarfe nicht Bestandteil der Bedarfssätze sind, weil sie wegen struktureller Unterschiede der Leistungen nach dem AsylbLG gesondert erbracht werden, oder bei Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG (in der Regel) nicht anfallen.
Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, aus der grundsätzlich zulässigen statistischen Berechnung der Höhe existenzsichernder Leistungen nachträglich in Orientierung am Warenkorbmodell einzelne Positionen herauszunehmen. Der existenzsichernde Regelbedarf muss jedoch entweder insgesamt so bemessen sein, dass Unterdeckungen intern ausgeglichen oder durch Ansparen gedeckt werden können, oder ist durch zusätzliche Leistungsansprüche zu sichern (BVerfG, Urteil vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 84, 109; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 172; BSG, Urteil vom 28.3.2013 - B 4 AS 47/12 R - juris Rn. 18).
Namentlich die Herausnahme der Verbrauchsausgaben nach Abteilung 5 der EVS (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände) ist vom BVerfG im Rahmen der 2012 angeordneten Übergangsregelung zum AsylbLG als zulässig erachtet worden, weil nach § 3 AsylbLG - nach wie vor - nur Gebrauchsgüter des Haushalts, aber nicht der Hausrat zu den Grundleistungen gerechnet werden (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 104) und der Bedarf an Hausrat nach § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F. (bzw. nun § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG) gesondert gedeckt wird (vgl. zu den strukturellen Besonderheiten des AsylbLG auch oben B. III. 3. b) aa)). Dabei ist es verfassungsrechtlich (noch) vertretbar, dass auch die Verbrauchausgaben für Verbrauchsgüter des Haushalts (Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel etc., lfd. Nr. 31 der Abteilung 5; diese Position hat sich im Jahr 2013 auf 3,63 € belaufen, vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 40) bei der Bemessung der Bedarfssätze nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG a.F. nicht berücksichtigt worden sind, solange durch eine - aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene - weite Auslegung des Begriffs Hausrats i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F. (bzw. nun § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG) gesonderte Leistungen zur Deckung dieses laufenden Bedarfs erbracht werden können (vgl. Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 58; s. dazu auch oben a.a.O.).
Auch die Herausnahme bestimmter - an sich regelbedarfsrelevanter - Verbrauchsausgaben der Abteilung 6 der EVS (Gesundheitspflege) bei der Bemessung der Bedarfs- sätze nach § 3 AsylbLG a.F. (Bedarfsstufen 1 und 5) ist tragfähig begründet, weil Leistungsberechtigte nach §§ 1, 3 AsylbLG im Krankheitsfall grundsätzlich nicht als Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung abgesichert sind, sondern Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG bzw. unerlässliche Leistungen zur Sicherung der Gesundheit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG beanspruchen können. Bestimmte Ausgaben, die von in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen zu zahlen sind (Rezeptgebühren, Eigenanteile) fallen bei Grundleistungsberechtigten grundsätzlich nicht an. Es begegnet daher keinen durchgreifenden Bedenken, dass die entsprechenden regelbedarfsrelevanten Verbrauchspositionen der Abteilung 6 (für die Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 37, 39, 41, 42, vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 58 bzw. für die Zeit ab 2017 die lfd. Nr. 36, 38, 40, vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 41) nicht als bedarfsrelevant beurteilt werden (krit. aber wegen der Gefahr einer Unterdeckung bei einmaligen, aus dem Bedarfssatz zu deckenden Bedarfen, Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rn. 42 m.w.N.; krit. auch Janda, SGb 2013, 175, 179). Nach den Gesetzesmaterialien haben Leistungsberechtigte, die gleichwohl gesetzlich krankenversichert sind (z.B. wegen Erwerbstätigkeit), wegen dieser Verbrauchspositionen Anspruch auf eine ergänzende Bedarfsdeckung über § 6 AsylbLG (BT-Drs. 18/2592, S. 24; Deibel, ZFSH SGB 2014, S. 475, 477; vgl. auch Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 6 AsylbLG Rn. 80 und § 3a AsylbLG Rn. 24; Voigt, info also 2016, S. 99, 100). Auch wenn § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG seinem Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet ist (vgl. zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch im Ermessen stehende Leistungen BVerfG, Urteil vom 4.12.2019 - 1 BvL 4/16 - juris Rn. 18 und die Anmerkung zu dieser Entscheidung von Stotz, jurisPR-SozR 6/2020 Anm. 1; zudem Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rn. 18 ff.) und im Grundsatz nicht geeignet ist, strukturelle Leistungsdefizite im Regelbereich des § 3 AsylbLG zu kompensieren (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BverfGE 132, 134, juris Rn. 89 und oben B. III. 1. b) cc) (4) sowie unten B. III. 3. c) cc) (5)), genügt in diesem Zusammenhang die danach mögliche Bedarfsdeckung wegen des begrenzten Anwendungsbereichs und der eindeutigen gesetzgeberischen Vorgabe zur Normauslegung verfassungsrechtlichen Anforderungen (so auch Deibel, ZFSH SGB 2015, S. 117, 119 f.).
Auch die Herausnahme der Verbrauchsausgaben für einen Personalausweis (Abteilung 12; Regelbedarfsstufe 1, lfd. Nr. 82) ist tragfähig begründbar, weil diese Ausgaben bei - ausländischen - Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG nicht anfallen und Kosten für die Beschaffung ausländischer Dokumente im Einzelfall nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 4 AsylbLG übernommen werden können (vgl. BT-Drs. 18/ 2592, S. 22; krit dazu die schriftliche Stellungnahme des Flüchtlingsrates Berlin e.V. vom 22.10.2014, Ausschussdrucksache 18(11)220, S. 26, abgerufen unter http://www.sozialpolitik-aktuell.de, zuletzt am 15.6.2021).
cc) Der Gesetzgeber hat bei der Bestimmung der Leistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bezogen auf das soziokulturelle Existenzminimum (sog. notwendiger persönlicher Bedarf) nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) allerdings nicht hinreichend belegt, dass sich die Aufenthaltsdauer konkret auf existenzsichernde Bedarfe auswirkt und inwiefern dies die gesetzlich festgestellte Höhe der Geldleistungen tragen könnte. Insbesondere ist ein signifikant abweichender Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger nicht anhand des tatsächlichen Bedarfs von Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG belegt (1) und auch nicht durch allgemeine Erwägungen tragfähig zu begründen (2). Die abweichende Leistungsbemessung ist intransparent (3) und berücksichtigt nur einseitig Minder- und nicht Mehrbedarfe, die typischerweise gerade unter den Bedingungen eines nur vorübergehenden Aufenthalts anfallen können (4). Es ist nicht gewährleistet, dass durch die pauschalen Bedarfssätze existenzsichernde Bedarfe insgesamt tatsächlich gedeckt werden (5).
(1) Die Geldbeträge zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) dienen der Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums und ergeben sich aus den Abteilungen 7 (Verkehr), 8 (Nachrichtenübermittlung), 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur), 11 (Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen) und 12 (Andere Waren und Dienstleistungen) der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der EVS 2008 (vgl. BT-Drs. 18/2592, S. 20 f., in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AsylbLG und des SGG und in der bis zum 23.10.2015 geltenden Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 5 AsylbLG, BGBl. I 2014, 2187, noch Bargeldbedarf genannt).
Wie bereits dargelegt (B. III. 3. b) aa)) werden seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zum 17.3.2016 (BGBl. I 390) in den Geldbeträgen bestimmte regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben der Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur) nicht mehr berücksichtigt (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 21-23 und BT-Drs. 19/10052, S. 22 zu der Neufassung des § 3a AsylbLG), im Einzelnen die Verbrauchsausgaben der Regelbedarfsstufe 1 nach den lfd. Nrn. 53, 54, 56, 69, 70 (BT-Drs. 18/7538, S. 21 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 17/3404, S. 61, 140 f.; nach der ab 1.9.2019 geltenden Rechtslage sind die Verbrauchsausgaben der Regelbedarfsstufe 1 nach den lfd. Nrn. 50, 51, 53, 56, 68 betroffen, vgl. BT-Drs. 19/10052, S. 22 und BT-Drs. 18/9984, S. 44 f.) für
· Fernseh- und Videogeräte, TV-Antennen,
· Datenverarbeitungsgeräte sowie System- und Anwendungssoftware, einschl. Downloads und Apps,
· langlebige Gebrauchsgüter und Ausrüstung für Kultur, Sport, Camping und Erholung,
· Reparaturen und Installation von langlebigen Gebrauchsgütern und Ausrüstung für Kultur, Sport, Camping und Erholung,
· außerschulischer Unterricht und Hobbykurse.
Verbrauchsausgaben der Abteilung 10 (Bildungswesen), also für „Gebühren für Kurse u.Ä.“ (Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 71, vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 21 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 17/3404, S. 62, 146; nach der ab 1.9.2019 geltenden Rechtslage sind die Verbrauchsausgaben der Regelbedarfsstufe 1 nach der lfd. Nr. 69 betroffen, vgl. BT-Drs. 19/10052, S. 22 und BT-Drs. 18/9984, S. 47), sind bei der Bemessung der Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. seit dem 17.03.2016 ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Die Leistungen der Bedarfsstufe 1 und 5 sind hierdurch - verglichen mit dem bis zum 16.3.2016 geltenden Geldbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG i.V.m. der Bekanntmachung des BMAS über die Höhe der Leistungssätze nach § 3 Abs. 4 AsylbLG vom 26.10.2015 (BGBl. I 1793) für die Zeit ab dem 1.1.2016 - um jeweils 10,00 € abgesenkt worden.
Im Gesetzentwurf wird hierzu u.a. ausgeführt (BT-Drs. 18/7538, S. 21 f.):
„Die Herausnahme der genannten Positionen knüpft dabei in allen Fällen an die mangelnde Aufenthaltsverfestigung in den ersten 15 Monaten an. Die Einstufung als nicht bedarfsrelevant fußt auf der wertenden Einschätzung des Gesetzgebers, dass die betreffenden Ausgaben nicht als existenznotwendiger Grundbedarf anzuerkennen sind, solange die Bleibeperspektive der Leistungsberechtigten ungesichert und deshalb von einem nur kurzfristigen Aufenthalt auszugehen ist. Erst mit einer längeren Verweildauer im Inland, die mit einer entsprechenden „Integrationstiefe“ bzw. einer Einbindung in die Gesellschaft einhergeht, sollen diese Ausgaben - wie bei den Beziehern von Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) - als bedarfsrelevant anerkannt werden. Erst dann ist davon auszugehen, dass die mit den Regelbedarfen verbundene Budget- und Ansparfunktion ihre volle Wirkung entfalten kann. Hiervon ist frühestens nach Ablauf der „Wartefrist“ nach § 2 Absatz 1 AsylbLG und dem damit verbundenen Übergang zu Leistungen nach dem SGB XII auszugehen.
Mit diesen wertenden Herausnahmen macht der Gesetzgeber von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch, der ihm bei der Festlegung des Existenzminimums für bestimmte Personengruppen zukommt. In seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 (BvL 1/10, BvL 2/11) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass dieser Gestaltungsspielraum die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse dieser Personengruppe wie auch die wertende Einschätzung ihres notwendigen Bedarfs“ umfasst (Absatz-Nr. 121).
Hiernach kommt dem Gesetzgeber zum einen die Befugnis zu, die konkrete Bedarfslage der Betroffenen „gruppenspezifisch“ zu erfassen, also gezielt zu entscheiden, inwieweit sich aus der Kurzfristigkeit des Aufenthalts konkrete Mehr- oder Minderbedarfe ergeben. Zum anderen umfasst sein Gestaltungsspielraum aber auch die Befugnis zur normativen Bewertung, welche Bedarfe er als regelbedarfsrelevant anerkennt. Auch bei dieser wertenden Entscheidung kann der Gesetzgeber somit eine gruppenspezifische Betrachtung anstellen, sofern er an das zulässige Differenzierungskriterium der Kurzfristigkeit des Aufenthaltes anknüpft und die von ihm getroffenen Drucksache 18/7538 - 22 - Deutscher Bundestag - 18. Wahlperiode Wertungen nicht migrationspolitisch motiviert sind. Sein Gestaltungsspielraum ist dabei weiter gefasst, wenn - wie hier - innerhalb des soziokulturellen Existenzminimums Bedarfe der sozialen Teilhabe betroffen sind.“
Es folgen weitere Ausführungen, insbesondere zu den einzelnen Verbrauchsausgaben, die als „in der ersten Zeit des Aufenthalts nicht existenznotwendig“ bewertet worden sind (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 22 f.; dazu im Einzelnen gleich unter B. III. 3. c) cc) (2)).
Anders als es die Ausführungen zu dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der abweichenden Feststellung eines existentiellen Bedarfs suggerieren, stehen die Befugnisse zur Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse einerseits und zu einer wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs einer bestimmten Personengruppe andererseits nicht selbstständig nebeneinander, sondern in einem notwendigen Zusammenhang. Falls der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, ist eine Differenzierung nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 73). Die Kenntnis (und Beurteilung) der tatsächlichen Verhältnisse - empirisch belegt - ist die erforderliche Grundlage für die wertende Einschätzung des Gesetzgebers, einen im allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) als existentiell anerkannten Bedarf bei einer bestimmten Personengruppe anders bzw. in einem geringeren oder höheren Umfang zu bewerten (so auch Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a Rn. 10; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 61; Janda, SGb 2013, S. 175, 180; Brings/Oehl, ZAR 2016, 22, 27 f.; Steffen, FD-SozVR 2012, 337581; Rothkegel, ZAR 2012, S. 357, 359 f.; Pelzer, Solidarität 2013, S. 342, 345; Pfersich, ZAR 2012, S. 343; Höft-Dzemski, NDV 2013, S. 97 ff.; Gerloff, HFR 2014, S. 24, 28; so schon Fahlbusch, NDV 2011, S. 145, 146; Eichenhofer, ZAR 2013, S. 169, 174 zu den Gesundheitsleistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG; offen gelassen durch Rixen, Der Landkreis 2016, S. 268, 270 und Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 12). Die Auffassung, eine realitätsgerechte Leistungsbemessung in einem besonderen Sicherungssystem bedürfe bei sehr heterogenen und statistisch nur schwer fassbaren Gruppen lediglich allgemeiner Erwägungen zum Bedarfsfall, soweit diese widerspruchsfrei und nachvollziehbar erscheinen (vgl. etwa Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 1 Rn. 15), überzeugt nicht. Eine heterogene Zusammensetzung der Gruppe der Leistungsberechtigten und wesentliche Unterschiede bei deren existentiellen Bedarfen sprechen im Grundsatz schon gegen (eigenständige) Pauschalierungen von Geldleistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. dazu Janda, SGb 2013, S. 175, 180; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 54), erst recht aufgrund bloß allgemeiner Erwägungen. Eine solche Vorgehensweise wird den Anforderungen an eine vom allgemeinen Grundsicherungsrecht abweichende Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums für bestimmte Personengruppen (dazu BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 73, 92) nicht gerecht.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben beruht die Herausnahme der Positionen aus den Abteilungen 9 und 10 der Sonderauswertungen der EVS 2008 aus den Bedarfssätzen nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. auf einer - wie in den Gesetzesmaterialien ausgeführt (BT-Drs. 18/7538, S. 21) - bloß „wertenden Einschätzung“, ohne dass die tatsächlichen Verhältnisse bzw. Bedarfe der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG ermittelt worden sind. Die Feststellung der (angeblichen) Minderbedarfe geht offensichtlich nicht auf Ergebnisse empirischer Untersuchungen über das Verbrauchsverhalten von Geflüchteten während der ersten Zeit im Aufnahmeland aufgrund ihrer tatsächlichen Lebensverhältnisse zurück (so auch Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1 „freihändige Einschätzung“; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a Rn. 10, 7 f. „freihändige Absenkung“; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 61; Rixen, Der Landkreis 2016, S. 268, 270). Über von denjenigen anderer Bedürftiger abweichende, tatsächlich bestehende Bedarfe dieser Personengruppe - z.B. aufgrund des asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Status, der bisherigen oder voraussichtlichen Aufenthaltsdauer oder der Unterbringungssituation, die in der Praxis der Länder und Kommunen sehr uneinheitlich ist (vgl. Wendel, Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland, 2014; abgerufen unter www.proasyl.de, zuletzt am 16.6.2021; Ritgen, Der Landkreis 2015, S. 633 ff.) - hat der (Bundes-) Gesetzgeber keine belastbaren Erkenntnisse. Dies verdeutlicht auch die Gesetzesbegründung der Neuregelung des § 3 AsylbLG zum 1.3.2015 durch das Gesetz zur Änderung des AsylbLG und des SGG (BGBl. I 2014, 2187), in der ausdrücklich darauf abgestellt wurde, dass verlässliche Daten zur Ermittlung eines abweichenden Verbrauchsverhaltens von Personen mit unsicherer Aufenthaltsperspektive nicht vorliegen und nicht ermittelbar sein sollen (vgl. auch Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 Rn. 61). Abweichende Mehr- oder Minderbedarfe zur EVS 2008 hatten sich bei der AsylbLG-Novelle 2015 in den die Bedarfe betreffend das soziokulturelle Existenzminimum abbildenden Abteilungen 7 bis 12 für die Leistungsberechtigten mit Ausnahme der in Abteilung 12 (lfd. Nr. 82) enthaltenen regelbedarfsrelevanten Ausgabenposition zur Anschaffung eines Personalausweises nicht feststellen lassen (BT-Drs. 18/2592, S. 22). Von einer Berücksichtigung von Mehr- oder Minderbedarfen (dazu auch unten B. III. 3. c) cc) (4)), die lediglich vermutet werden, aber weder statistisch nachweisbar noch offenkundig sind, ist ausdrücklich abgesehen worden (BT-Drs. 18/2592, S. 21). Ohne Kenntnis der tatsächlichen Bedarfe dieser Personengruppe beruht deren (vom allgemeinen Grundsicherungsrecht abweichende) Bewertung als nicht existenznotwendig bloß auf einer gesetzgeberischen Unterstellung, bei einem kurzfristigen Aufenthalt in Deutschland bestehe ein Minderbedarf insbesondere im Bereich der sozialen Teilhabe (so auch Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 10, 7 f.; Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 Rn. 61). Nach wie vor existiert keine hinreichend verlässliche Grundlage dafür, dass sich die Aufenthaltsdauer konkret auf existenzsichernde Bedarfe auswirkt und inwiefern dies die gesetzlich festgestellte Höhe der Geldleistungen tragen könnte (so schon zu § 3 AsylbLG in der ab 1993 geltenden Fassung BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 92).
(2) Ungeachtet dessen lässt sich die Feststellung der (angeblichen) Minderbedarfe von Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG betreffend die Verbrauchsausgaben der Abteilungen 9 und 10 wegen einer „Kurzfristigkeit des Aufenthalts“ bzw. eines „ungesicherten Verbleibs“ in Deutschland selbst aufgrund allgemeiner Erwägungen nicht tragfähig begründen, auch wenn im Schrifttum teilweise vertreten wird, die gesetzgeberische Einschätzung dieser Bedarfe als nicht existenznotwendig könne auf Grundlage der Ausführungen in den Gesetzesmaterialien hinreichend nachvollzogen werden (vgl. etwa Cantzler, AsylbLG, § 3 AsylbLG Rn. 44; Schwabe, ZfF 2016, S. 73, 75; Hohm in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 3 Rn. 40, 123, 158; Deibel in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 2 Rn. 36; Rixen, Der Landkreis 2016, S. 268, 269 f.; Thym, NVwZ 2016, S. 409, 411 f.; Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, 116. Lfg., Stand 1/2021, § 3a AsylbLG Rn. 8 ff.; einschränkend auf einen Anfangsaufenthalt von bis zu sechs Monaten Decker in Oestreicher SGB II/SGB XII, 92. Lfg., Stand 2/2021, § 3 AsylbLG Rn. 44). Hiergegen sprechen schon allgemein Anhaltspunkte auf die Lebenswirklichkeit Geflüchteter (a), aber auch die Betrachtung der im Einzelnen betroffenen Verbrauchsausgaben, vgl. (b) bis (g). Insgesamt dürften in erster Linie fiskalische Erwägungen für die Gesetzesänderung leitend gewesen sein, die die Leistungsabsenkung allerdings nicht rechtfertigen können (h).
(a) Allgemein ist schon zweifelhaft, ob die Annahme, eine „ungesicherte Bleibeperspektive“ von Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG spreche grundsätzlich für einen nur kurzfristigen Aufenthalt in Deutschland, realitätsgerecht ist (dazu auch unten B. III. 3. c) dd)). Zweifel bestehen auch wegen der wertenden Einschätzung des Gesetzgebers, die betreffenden Verbrauchsausgaben der Abteilung 9 und 10 der EVS seien aus diesem Grund nicht als existenznotwendiger Grundbedarf anzuerkennen, sondern erst mit einer längeren Verweildauer im Inland, die mit einer entsprechenden „Integrationstiefe“ bzw. einer Einbindung in die Gesellschaft einhergehe. Zudem ist schon zweifelhaft, ob und inwiefern eine geringere Bindung an die deutsche Hoheitsgewalt geringere Standards der Existenzsicherung verfassungsrechtlich rechtfertigen kann (in diese Richtung aber Thym, NVwZ 2016, S. 409, 412; vgl. auch Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 1 Rn. 15). Es gibt vielmehr gewichtige Hinweise darauf, dass sich Geflüchtete, die erst vor kurzer Zeit in das Hoheitsgebiet eines Aufnahmestaates eingereist sind, in einer objektiv prekären Lage befinden (vgl. etwa BT-Drs. 18/2592, S. 20: „Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG kommen häufig, unabhängig davon, ob sie ein Asylverfahren durchlaufen, ohne Hab und Gut in das Bundesgebiet und haben im Gegensatz zu Hilfeempfängern nach dem SGB II und XII daher in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle weder einen Hausstand noch ausreichend Kleidung. Auch fehlen ihnen in der Anfangszeit Kenntnisse darüber, wo sie sich preisgünstig mit Lebensmitteln oder Gütern des täglichen Lebens versorgen können“), auch im Vergleich zu solchen Geflüchteten, die sich dort schon länger aufhalten (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 21.11.2018 - C-713/17 - juris Rn. 30; Oppermann/Filges in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 AsylbLG Rn. 38).
(b) Im Besonderen ist die wertende Einschätzung, die Anschaffung eines Fernseh- oder Videogeräts sowie der zugehörigen TV-Antennenanlage sei in der ersten Zeit des Aufenthalts nicht existenznotwendig, nicht plausibel. Durch die Bewertung als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben (Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 53, BT-Drs. 17/3404, S. 61; vgl. auch BT-Drs. 18/9984, S. 44) hat der Gesetzgeber selbst den entsprechenden Bedarf grundsätzlich als existenznotwendig anerkannt. Dies ist auch sachgerecht, weil ein Fernsehgerät und die zum Betrieb technisch erforderlichen Vorrichtungen der Informationsbeschaffung, Bildung sowie Unterhaltung dienen und dem Einzelnen ermöglichen, seine Umwelt zu erfahren sowie am kulturellen Leben teilzuhaben; Fernsehen gehört zu den in allen Gesellschaftsschichten standardmäßig genutzten Informationsquellen (vgl. BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - juris Rn. 18 m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/7538, S. 22) angeführte Entscheidung des BSG (vom 24.2.2011 - B 14 AS 75/10 R -) ist fehlerhaft interpretiert worden und zur Begründung vorgeschoben. Das BSG hat für den Bereich des SGB II nämlich nicht entschieden, dass ein Fernsehgerät nicht zu den unabweisbaren Bedarfen nach § 24 Abs. 1 SGB II (bzw. § 23 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.7.2006, BGBl. I 1706, a.F.) gehört, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Wohnens gesondert zu erbringen sind, sondern lediglich einen entsprechenden Leistungsanspruch im Rahmen einer Wohnungserstausstattung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II (bzw. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 SGB II a.F.) verneint; eine Aussage über einen Anspruch auf ein solches Gerät nach § 24 Abs. 1 SGB II (bzw. § 23 Abs. 1 SGB II a.F.) als Darlehen (vgl. dazu etwa die Fachlichen Hinweise des Jobcenters im Landkreis Celle zu den kommunalen Leistungen nach § 24 SGB II, Stand 1.10.2020, Rn. 24.12, abgerufen unter https://www.jobcenter-ge.de/Jobcenter/Celle/, zuletzt am 11.6.2021) hat es gerade nicht getroffen (vgl. BSG, Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 75/10 R - juris Rn. 18 ff., 22).
Bezogen auf den Kreis der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG ist es gut möglich, dass gerade Personen, die sich zur Begründung eines Aufenthaltsrechts auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Bleibegründe berufen, zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland sogar einen besonderen bzw. erhöhten Bedarf an Informationen, Bildung und Unterhaltung haben, etwa weil sie sich über die Verhältnisse in ihrem Herkunftsland auf dem Laufenden halten, aber auch über die hiesige Sprache und Kultur sowie Lebensgewohnheiten informieren möchten. Es ist auch naheliegend, dass sie zu diesen Zwecken während der Anfangsphase ihres wohl regelmäßig asylverfahrensmäßig geprägten Aufenthalts mehr Zeit zur Verfügung haben als andere Bedürftige, weil sie in die deutsche Gesellschaft (noch) nicht sozial eingebunden und (noch) nicht erwerbstätig sind. Unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung des Fernsehens für Informationsbeschaffung, Bildung sowie Unterhaltung ist der Verweis auf die Befriedigung dieser Bedürfnisse auf eine andere Weise, etwa mittels Zeitschriften, Radiokonsum oder den Besuch von Kulturveranstaltungen (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 22), nicht überzeugend, auch wegen möglicher (ggf. bildungsbedingter) Sprachbarrieren und der nicht geklärten Frage, ob den Leistungsberechtigten vor Ort ausreichend andere, in gleicher Weise geeignete Informationsquellen überhaupt zur Verfügung stehen. Ob die Verbrauchsausgaben für die Anschaffung eines Fernseh- oder Videogeräts sowie der zugehörigen TV-Antennenanlage wegen in Aufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften vorgehaltener Fernsehgeräte zur gemeinschaftlichen Nutzung unter Umständen geringer ausfallen (vgl. dazu etwa Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 61), ist nicht belastbar evaluiert. Für den Kreis der dezentral in Wohnungen untergebrachten Leistungsberechtigten, die einen eigenen Haushalt führen - wie die Klägerinnen -, stellt sich die Frage indes nicht.
(c) Die obigen Ausführungen zu den bedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für die Anschaffung eines Fernsehgeräts gelten entsprechend für die - insoweit ebenfalls nicht tragfähig zu begründende - Herausnahme der Verbrauchsausgaben für Datenverarbeitungsgeräte und Software (Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 54, BT-Drs. 17/3404, S. 61; vgl. auch BT-Drs. 18/9984, S. 44). Die Gütergruppe umfasst u.a. Computer, Computerprogramme, PC-Zubehör, Lehr- und Lernprogramme für Computer, Taschenrechner, Scanner, Schreibmaschinen etc., also Gegenstände (bzw. Programme), die in ähnlicher Weise wie ein Fernsehgerät bzw. noch besser der Informationsbeschaffung, Bildung sowie Unterhaltung dienen können. Im Übrigen enthalten die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/7538, S. 21 f.) keine sachliche Begründung dafür, warum die Anschaffung eines Computers sowie von Computer-Zubehör und Software in der ersten Zeit des Aufenthalts nicht existenznotwendig sein soll.
(d) Ebenfalls ohne sachliche Begründung werden die Verbrauchsausgaben für langlebige Gebrauchsgüter und Ausrüstung für Kultur, Sport, Camping und Erholung für den Kreis der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG als nicht existenznotwendig erklärt (Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 56, BT-Drs. 17/3404, S. 61; vgl. auch BT-Drs. 18/9984, S. 44). Die in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7538, S. 22) namentlich genannten Gebrauchsgüter „Musikinstrumente, Motorboote, Pferde etc.“ legen zwar nahe, dass die entsprechenden Verbrauchsausgaben besonders hoch sind (allgemein als regelbedarfsrelevant berücksichtigt sind nach der EVS 2008 allerdings nur 18 Cent, vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 61) und bei Personen während der Anfangsphase ihres Aufenthalts in Deutschland geringer ausfallen können. Belegt ist diese Annahme allerdings nicht, auch nicht inwiefern sich ein sog. „ungesicherter Verbleib in Deutschland“ konkret auf diesen Bedarf auswirken kann (vgl. auch die schriftliche Stellungnahme des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit vom 28.5.2019 zu dem Entwurf eines Dritten Gesetztes zur Änderung des AsylbLG, Ausschussdrucksache 19(11)363, S. 38, abgerufen unter https://fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/sammelstellungnahme_asylblg.pdf, zuletzt am 17.6.2021, nach der u.a. die Nichtberücksichtigung von Leistungen für Musikinstrumente als besonders kritisch angesehen worden ist, weil sich hierdurch die Integrationschancen verbessern könnten). Insbesondere bei einer längeren Aufenthaltsdauer in Deutschland, wenn die leistungsberechtigte Person nur deshalb Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bezieht, weil ihr eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer wegen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens vorzuwerfen ist (vgl. dazu auch unten B. III. 3. c) dd) (2)), überzeugt die vom allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) abweichende Bewertung des Bedarfs als nicht existenznotwendig nicht.
(e) Entsprechendes gilt auch für die Verbrauchsausgaben für die Reparatur und Installation dieser Gebrauchsgüter (Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 69, BT-Drs. 17/3404, S. 61; vgl. auch BT-Drs. 18/9984, S. 45), deren Herausnahme bei der Bemessung der Bedarfssätze zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs für außerhalb von Aufnahmeeinrichtung untergebrachten Leistungsberechtigten nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) ebenfalls nicht tragfähig zu begründen ist. Insoweit hat auch nach der Gesetzesbegründung die Bewertung sowohl von Anschaffungs-, als auch von Reparaturkosten für diese Gebrauchsgüter folgerichtig in der gleichen Weise („parallel“) zu erfolgen, um eine „konsistente Bedarfsermittlung“ zu sichern (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 23).
(f) Zudem ist es nicht tragfähig zu begründen, dass Verbrauchsausgaben für außerschulischen Unterricht und Hobbykurse (Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 70, BT-Drs. 17/3404, S. 61; vgl. auch BT-Drs. 18/9984, S. 45) in der Anfangsphase des Aufenthalts bzw. bei einem sog. „ungesicherten Verbleib“ in Deutschland abweichend vom allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/ SGB XII) nicht existenznotwendig sein sollen. Dass diese Verbrauchsausgaben (u. a. für Ballettunterricht, Gitarrenkurse, Musikunterricht, Reitunterricht, Töpferkurse) bei Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG tatsächlich in einem geringeren Maß anfallen als bei anderen Bedürftigen, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen, obwohl eine Nichtberücksichtigung gerade dieser Ausgaben einer besonderen Begründung bedarf (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 180). Die trotz des vorangestellten Wortes „Deshalb“ nicht sachlich begründete Annahme, es sei zumutbar, dass der Wunsch, ein Instrument zu erlernen oder einen Tanzkurs zu besuchen, zurückgestellt werden muss, bis sich der Aufenthalt verfestigt habe (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 23), wird dem Begründungserfordernis nicht gerecht. Ausländische Staatsangehörige verlieren den Geltungsanspruch als soziale Individuen nicht dadurch, dass sie ihre Heimat verlassen und sich in Deutschland nicht auf Dauer aufhalten (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 94).
(g) Diese Ausführungen gelten in ähnlicher Weise für die Nichtberücksichtigung der in der Abteilung 10 (Bildungswesen) der EVS 2008 erfassten Ausgaben für „Gebühren für Kurse u.Ä.“ (Regelbedarfsstufe 1 lfd. Nr. 71, BT-Drs. 17/3404, S. 62; vgl. auch BT-Drs. 18/9984, S. 47), die in erster Linie Sprachkurse betreffen sollen (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 23) und deren Bewertung als nicht existenznotwendig ebenfalls einer besonderen Begründung bedarf (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 180). Noch tragfähig ist die Begründung, dass dieser Bedarf von bestimmten Gruppen von Leistungsberechtigten, die über eine gute Bleibeperspektive verfügen (§ 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG), durch eine kostenfreie Teilnahme an einem Integrationskurs des BAMF nach § 43 AufenthG gedeckt werden könne (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 23; krit. aber wegen eines begrenzten Kursangebots in der Praxis u.a. Siefert, jM 2016, 329, 331). Die weitere Begründung, bei Personen ohne gute Bleibeperspektive sei von einem fehlenden oder nur geringen Integrationsbedarf auszugehen, so dass die Verbrauchsausgaben für den Besuch von Sprachkursen in den ersten Aufenthaltsmonaten nicht als notwendiger Grundbedarf anzuerkennen seien (BT-Drs. 18/7538, S. 23), überzeugt aber nicht. Es ist gut möglich, dass das Verbrauchsverhalten von Personen mit dem - im Ergebnis womöglich unerfüllten - Wunsch eines dauerhaften Aufenthalts in Deutschland insoweit von einer in rechtlicher Hinsicht nicht anerkannten Bleibeperspektive tatsächlich nicht beeinflusst wird.
(h) Zusammenfassend spricht ganz Überwiegendes dafür, dass für die vom allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) abweichende Leistungsbemessung leitend fiskalische Motive (gewesen) sind, das Niveau der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. durch eine vermeintlich objektiv begründbare Herausnahme einzelner Verbrauchsausgaben der Abteilungen 9 und 10 der EVS so niedrig wie möglich zu halten (so auch die schriftliche Stellungnahme des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit vom 28.5.2019 zu dem Entwurf eines Dritten Gesetztes zur Änderung des AsylbLG, Ausschussdrucksache 19(11)363, S. 38, abgerufen unter https://fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/sammelstellungnahme_asylblg.pdf, zuletzt am 17.6.2021; Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a Rn. 9; vgl. auch Voigt, info also 2016, S. 99, 101, der die Reduzierung der Leistungen der Bedarfsstufe 1 um 10,00 € mit dem im Ergebnis nicht eingeführten „Eigenbeitrag“ für die Teilnahme an einem Integrationskurs in gleicher Höhe in Verbindung bringt). Nach der Beschlussempfehlung des Innenausschusses (4. Ausschuss) vom 23.2.2016 (BT-Drs. 18/7645, S. 4) sollte die Absenkung der monatlichen Geldbeträge für den notwendigen persönlichen Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. um 10,00 € für alleinstehende (bzw. alleinerziehende) Leistungsberechtigte sowie um entsprechende Beträge für die Bedarfsstufen 2 bis 6 zu geschätzten Minderausgaben bei Ländern und Kommunen in Höhe von rund 70 Millionen € jährlich führen (vgl. auch Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1). Fiskalische Erwägungen (allein) werden aber den prozeduralen Anforderungen an die Bemessung von Leistungen zur Existenzsicherung (dazu BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 133-140; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 73, 95) nicht gerecht.
(3) Die abweichende Leistungsbemessung durch die Herausnahme bestimmter an sich regelbedarfsrelevanter Verbrauchsausgaben der Abteilungen 9 und 10 der EVS aus den Bedarfssätzen i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) ist (der Höhe nach) nicht in einem inhaltlich transparenten Verfahren erfolgt.
Im Ansatz gilt der Vorhalt mangelnder Transparenz schon für die Ermittlung der Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. durch das zum 1.3.2015 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des AsylbLG und des SGG vom 10.12.2014 (BGBl. I 2187). Den einschlägigen Gesetzesmaterialien (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22.9.2014, BT-Drs. 18/2592) ist eine genaue Darlegung, wie sich die Werte nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG und § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) errechnen, nicht zu entnehmen. Eine für das Asylbewerberleistungsrecht eigenständige Aufschlüsselung der bedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben nach Abteilungen und Bedarfsart ist (erst) im Rahmen der Neuermittlung der Bedarfssätze nach § 3a Abs. 1 und 2 AsylbLG durch das zum 1.1.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des SGB XII sowie weiterer Gesetze vom 9.12.2020 (BGBl I 2855, 2859) erfolgt (vgl. BT-Drs. 19/22750, S. 68 ff.). Die Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. lassen sich der Höhe nach wegen der Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien des RBEG 2011 (BT-Drs. 17/3404; vgl. BT-Drs. 18/2592, S. 20-22), durch das die Grundsatzentscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -) umgesetzt worden ist, aber in einer noch hinreichenden Weise begründen bzw. berechnen (vgl. etwa Schwabe, ZfF 2016, 25 ff.; krit. dazu etwa die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen Decker zur AsylbLG-Novelle 2015 vom 29.10.2014, Ausschussdrucksache 18(11)220, S. 60, abgerufen unter http://www.sozialpolitik-aktuell.de, zuletzt am 16.6.2021).
Bezogen auf den Bedarfssatz nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 AsylbLG (jeweils a.F.) für alleinstehende (bzw. alleinerziehende) Leistungsberechtigte nach der Bedarfsstufe 1 ist eine Reduzierung wegen der nicht berücksichtigten Verbrauchsausgaben der Abteilungen 9 und 10 der EVS von 145,00 € (BGBl. I 2015, 1793) auf 135,00 € (BGBl. I 2016, 390) um (gerundet) 10,00 € noch nachvollziehbar. Die insoweit betroffenen durchschnittlichen Verbrauchsausgaben nach den Sonderauswertungen der EVS 2008 (Regelbedarfsstufe 1, lfd. Nrn. 50, 51, 53, 56, 68, vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 60, 61) belaufen sich in der Summe auf 8,86 € (nach Schwabe, ZfF 2016, S. 73, 75 auf 9,16 €) bzw. eigenständig fortgeschrieben für das Jahr 2016 wohl auf etwa 10,00 €. Nicht nachvollziehbar ist allerdings die Reduzierung des Bedarfssatzes nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 5 AsylbLG (jeweils a.F.) für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nach der Bedarfsstufe 5 von 93,00 € (BGBl. I 2015, 1793) auf 83,00 € (BGBl. I 2016, 390) um ebenfalls 10,00 €. In der Summe belaufen sich die nicht berücksichtigten Verbrauchsausgaben für diesen Personenkreis nach den Sonderauswertungen der EVS 2008 (Regelbedarfsstufe 5, lfd. Nrn. 49, 50, 52, 64, 65, vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 78 f.) nämlich nur auf 4,51 € (so auch Schwabe, ZfF 2016, S. 73, 75). Die Materialien des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren enthalten zu der Berechnung der abweichenden Leistungsbemessung keine Angaben (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 20-23).
(4) Der Gesetzgeber hat bei der Bemessung der Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) in verfassungswidriger Weise einseitig nur (vermeintliche) Minderbedarfe aufgrund einer Kurzfristigkeit des Aufenthalts in Deutschland berücksichtigt, ohne deren Kompensation durch möglicherweise bestehende Mehrbedarfe in den Blick zu nehmen.
Bei der für eine vom Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) abweichende Leistungsbemessung erforderlichen Prüfung, ob wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können, ist auch zu berücksichtigen, ob durch die Kürze des Aufenthalts Minderbedarfe durch Mehrbedarfe kompensiert werden, die typischerweise gerade unter den Bedingungen eines nur vorübergehenden Aufenthalts anfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 74).
Selbst wenn die vom Gesetzgeber festgestellten spezifischen Minderbedarfe von Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG bei der Festsetzung der Bedarfssätze zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) auch ohne belastbare Erkenntnisse über die tatsächlichen Bedarfe dieser Personengruppe hinreichend tragfähig begründet werden könnten, also dass sich die Aufenthaltsdauer konkret auf existenzsichernde Bedarfe auswirkt und dies die gesetzlich festgestellte Höhe der Geldleistungen trägt (s. dazu oben B. III. 3. c) cc) (2)), ist der Gesetzgeber der erforderlichen Prüfung, ob und inwieweit Minderbedarfe dieser Personengruppe durch Mehrbedarfe kompensiert werden, nicht nachgekommen (ebenso Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 61). Für den Umstand, dass Leistungsberechtigte nach den §§ 1, 3 AsylbLG gerade zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland im Bereich des soziokulturellen Existenzminimums höhere Ausgaben haben als andere Bedürftige, hat es aber gewichtige (und dem Gesetzgeber bekannte) Anhaltspunkte gegeben. Aufschluss gibt hierüber u.a. der o.g. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AsylbLG und des SGG vom 22.9.2014 (BT-Drs. 18/2592, S. 23), nach dem entsprechende Mehrbedarfe insbesondere bei den in den Abteilungen 7 und 8 der EVS enthaltenen regelbedarfsrelevanten Ausgabepositionen für Verkehrsdienstleistungen und Nachrichtenübermittlung nicht ausgeschlossen sein sollen, etwa „für die Fahrt zu einem weiterentfernten Rechtsanwalt“ oder wegen „Häufigkeit und Dauer von Auslandstelefonaten“. Auf einen „flüchtlingsspezifisch“ deutlich erhöhten Bedarf in den Bereichen Mobilität (wegen Fahrten zu Behörden, Angehörigen, Beratungsstellen und Anwälten) und Kommunikation (wegen kostenaufwändiger Nutzung von Mobiltelefonen, Internetcafés sowie Telefon- und Postdienstleistungen ins Ausland) ist in dem Gesetzgebungsverfahren auch anlässlich der Anhörung von Sachverständigen hingewiesen worden (vgl. die schriftliche Stellungnahme des Flüchtlingsrates Berlin e.V. vom 22.10.2014, Ausschussdrucksache 18(11)220, S. 26, abgerufen unter http://www.sozialpolitik-aktuell.de, zuletzt am 16.6.2021; vgl. auch Deibel, ZFSH SGB 2014, 475, 477 f.). Anders als die (vermeintlichen) Minderbedarfe der Leistungsberechtigten betreffend die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Abteilungen 9 und 10 der EVS (Freizeit, Unterhaltung, Kultur; Bildungswesen) sollen diese möglicherweise bestehenden Mehrbedarfe aber mangels verlässlicher Daten zur Ermittlung abweichenden Verbrauchsverhaltens bei Personen mit unsicherer Aufenthaltsperspektive nicht qualifiziert ermittel- und abschätzbar sein und im Einzelfall durch eine ergänzende Leistungsgewährung nach § 6 AsylbLG gedeckt werden (dazu gleich unter B. III. 3. c) cc) (5); krit. hierzu Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 Rn. 61). Im Verhältnis zu der aus Sicht des Gesetzgebers begründbaren Feststellung von Minderbedarfen von Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG sind diese angeblichen Ermittlungshindernisse nicht plausibel.
(5) Wegen der nachträglichen, am Warenkorbmodell orientierten Herausnahme einer Vielzahl von Verbrauchsausgaben aus der statistischen Berechnung der Höhe existenzsichernder Leistungen ist es nicht gewährleistet, dass die Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. insgesamt so bemessen sind, dass Unterdeckungen intern ausgeglichen oder durch Ansparen gedeckt werden können. Ein Ausgleich ist auch nicht in hinreichender Weise durch zusätzliche Leistungsansprüche gesichert.
Zu den Anforderungen bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums auf Grundlage des Statistikmodells hat das BVerfG im Einzelnen ausgeführt (zum Nachstehenden BVerfG, Urteil vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 115 ff. m.w.N.): Aus der statistischen Berechnung des Regelbedarfs in Orientierung an den auf der Grundlage einer Stichprobe berechneten Verbrauchsausgaben eines Teils der Bevölkerung folgt die Gefahr, dass mit der Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf die Kosten für einzelne bedarfsrelevante Güter nicht durchgängig gedeckt sind. Dies gilt insbesondere, wenn aus der Gesamtsumme der ermittelten Verbrauchsausgaben nachträglich einzelne Positionen wie aus einem Warenkorb herausgenommen werden. Hat der Gesetzgeber jedoch Kenntnis von Unterdeckungen existentieller Bedarfe, muss er darauf reagieren, um sicherzustellen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt ist. Der Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Ausgestaltungsfreiheit entscheiden, ob dieser Ausgleich durch zusätzliche Ansprüche auf Zuschüsse neben dem Regelbedarf erfolgen soll (dazu im Einzelnen BVerfG, a.a.O., Rn. 116). Er kann auch einen internen Ausgleich vorsehen, muss aber sicherstellen, dass dafür finanzieller Spielraum vorhanden ist (dazu im Einzelnen BVerfG, a.a.O., Rn. 117 ff.). Entscheidend ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nur, dass existenzsichernde Bedarfe insgesamt tatsächlich gedeckt sind.
Die Gefahr nicht gedeckter Kosten für einzelne bedarfsrelevante Güter ist im Anwendungsbereich der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. gegenüber der Berechnungsweise des Regelbedarfs nach dem allgemeinen Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) in einem noch stärkeren Maß ausgeprägt, weil aufgrund der strukturellen Besonderheiten des Leistungsrechts verschiedene - an sich regelbedarfsrelevante - Positionen der EVS nicht bei der Bemessung der Bedarfssätze berücksichtigt worden sind bzw. werden (vgl. dazu oben B. III. 3. b) aa)), namentlich Verbrauchsausgaben aus den Abteilungen 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände), 6 (Gesundheitspflege), 9 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur), 10 (Bildung) und 12 (Andere Waren und Dienstleistungen). Aus diesem Grund ist ihre Höhe deutlich niedriger bemessen als diejenige der Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 SGB XII (vgl. dazu auch oben B. III. 3. b) bb)); für das Jahr 2018 hat die Differenz der existenzsichernden Leistungen für Alleinstehende nach der Regelbedarfsstufe 1 von 416,00 € und der Bedarfsstufe 1 von 354,00 € (vgl. BGBl. 2015, I 1793 und BGBl. I 2016, 390) 62,00 € betragen und bezogen auf Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (Bedarfsstufe 5) 54,00 € (296,00 € - 242,00 €). Durch jede wertmäßige Kürzung der Geldleistungen wird die notwendige Dispositionsfreiheit (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 205, 172) eingeschränkt, durch die eigenverantwortliche Verwendung der pauschalierten Leistung einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen Lebensbereich auszugleichen (vgl. auch Cantzler, AsylbLG, § 3 AsylbLG Rn. 52; Frerichs in jurisPK, SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG, Rn. 84 und § 3 AsylbLG, Rn. 56 f.; SG Landshut, Urteil vom 16.12.2016 - S 11 AY 74/16 - juris Rn. 40; SG Bayreuth, Beschluss vom 13.9.2018 - S 5 AY 28/18 - juris Rn. 45 f.). Dies gilt auch und besonders für die weitere Kürzung der Bedarfssätze nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG um bestimmte Verbrauchsausgaben der Abteilungen 9 und 10 (dazu oben B. III. 3. c) cc) (1)) durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (BGBl. I 2016, 390) zum 17.3.2016 (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.7.2017 - L 20 AY 4/17 B - juris Rn. 28 f.). Der ohnehin sehr knapp bemessene Pauschalbetrag (vgl. dazu etwa Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rn. 26) ist jedenfalls aufgrund dieser Kürzungen nicht mehr hinreichend hoch bemessen, um einen finanziellen Spielraum für Rücklagen zu lassen (zu dieser Anforderung BVerfG, Urteil vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 117). Insoweit wird in den maßgeblichen Gesetzesmaterialien ausdrücklich betont, dass die mit den Leistungen verbundene Budget- und Ansparfunktion in der Anfangszeit des Aufenthalts in Deutschland nicht ihre volle Wirkung entfalten soll (BT-Drs. 18/7538, S. 21). Die Möglichkeit von Ansparungen ist für den Kreis der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG wegen des auf 200,00 € (pro Person) begrenzten Vermögensfreibetrags (§ 7 Abs. 5 Satz 1 AsylbLG) ohnehin sehr begrenzt (vgl. aber auch BT-Drs. 18/2592, S. 27).
Wie bereits ausgeführt (B. III. 3. c) cc) (4)), hatte (und hat) der Gesetzgeber auch Kenntnis von möglichen Unterdeckungen existenznotwendiger Bedarfe von Geflüchteten in der Anfangszeit ihres Aufenthalts in Deutschland, weil spezifische, auf deren konkrete Lebenssituation zurückzuführende Mehrbedarfe ernsthaft in Betracht kommen, etwa betreffend Ausgaben für Verkehrsdienstleistungen und Nachrichtenübermittlung (Abteilungen 7 und 8 der EVS). Möglich sind auch typische, womöglich nicht im eigentlichen Sinn bedarfsrelevante Ausgabepositionen für Übersetzungen oder Dolmetscherdienste und - worauf auch die Klägerinnen hinweisen - für Rechtsberatung und -vertretung in asyl- und leistungsrechtlichen Belangen, insbesondere wenn für eine anwaltliche Vertretung (zunächst) Vorschüsse zu zahlen sind (vgl. die schriftliche Stellungnahme des Flüchtlingsrates Berlin e.V. vom 22.10.2014, Ausschussdrucksache 18(11)220, S. 26, abgerufen unter http://www.sozialpolitik-aktuell.de, zuletzt am 15.6.2021).
Das Leistungsrecht nach den §§ 3 ff. AsylbLG sieht nur unzureichend einen Ausgleich von Unterdeckungen oder Bedarfsspitzen durch zusätzliche Ansprüche auf Zuschüsse vor. Neben den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. ist die Gewährung zusätzlicher Hilfen - außerhalb des Bereichs der Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG - allein nach § 6 Abs. 1 AsylbLG möglich. Danach können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind (Satz 1). Die Leistungen sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren (Satz 2).
Der Vorschrift kommt die Funktion einer Auffang- bzw. Öffnungsklausel zu, um im Einzelfall dem Anspruch des Leistungsberechtigten auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums gerecht zu werden (vgl. BT-Drs. 12/4451, S. 10 sowie BT-Drs. 13/2746, S. 16; insb. Hessisches LSG, Beschluss vom 11.7.2018 - L 4 AY 9/18 B ER - juris Rn. 31 ff. m.w.N.; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rn. 2 ff.; Deibel in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 6 Rn. 14 ff., 17; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 6 AsylbLG Rn. 32 ff.; Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, 116. Lfg., Stand 1/2021, § 6 Rn. 3; Wahrendorf, AsylbLG, 2017, § 6 Rn. 1 f.). Im Grundsatz kann sie - ggf. im Wege der verfassungskonformen Auslegung (dazu BVerfG, Urteil vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 116) - für eine Hilfegewährung in Fällen der Bedarfsunterdeckung bzw. -spitzen herangezogen werden, in denen existenznotwendige Bedarfe oder einzelne bedarfsrelevante Güter angesichts der Höhe der Kosten nicht mit den monatlich zur Verfügung stehenden Bedarfssätzen nach § 3 AsylbLG gedeckt werden können.
Es ist aber in besonderer Weise zweifelhaft, ob die seit 1997 unverändert gebliebene Vorschrift (§ 6 Abs. 1 AsylbLG i.d.F.v. 26.5.1997, BGBl. I 1130) einen solchen Ausgleich in hinreichender Weise gewährleistet. Sie ist auf die Entwicklungen im allgemeinen Grundsicherungsrecht der letzten Jahrzehnte nicht angepasst worden, insbesondere auf die Überführung des Sozialhilferechts in das SGB II und das SGB XII im Jahr 2005, auf für das Asylbewerberleistungsrecht wesentliche Entscheidungen des BVerfG in den Jahren 2010 (Regelsatzurteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175), 2012 (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134) und 2014 (BVerfG, Urteil vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34) sowie im Rahmen der AsylbLG-Novelle 2015 (BGBl. I 2014, 2187 und 2439) und auf die Änderungen des AsylbLG ab Herbst 2015 durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (BGBl. I 2015, 1722), das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (BGBl I 2016, 390), das Integrationsgesetz (BGBl. I 2016, 1939), das Dritte Gesetz zur Änderung des AsylbLG (BGBl. 2019, 1290), das zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (BGBl I 2019, 1294) und das Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des SGB XII sowie weiterer Gesetze (BGBl I 2020, 2855). Der Gesetzgeber ist - mit einzelnen Ausnahmen (z.B. im Bereich der Gesundheitsleistungen, s.o. B. III. 3 c) bb) (3)) - einer Konkretisierung des Anwendungsbereichs und Vorgaben zur Normauslegung schuldig geblieben (dazu auch gleich). Nach wie vor wird § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG wegen der Tatbestandsmerkmale „unerlässlich“ und „geboten“ nach h.M. in Rechtsprechung (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.7.2010 - L 20 AY 13/09 - juris Rn. 75 m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.1.2007 - L 7 AY 6025/06 PKH-B - juris Rn. 7; SG Landshut, Urteil vom 24.11.2015 - S 11 AY 11/14 - juris Rn. 37 ff.; SG Fulda, Beschluss vom 18.6.2018 - S 7 AY 2/18 ER - juris Rn. 18) und Literatur (Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 6 AsylbLG Rn. 2, 9; Wahrendorf, AsylbLG, 2017, § 6 Rn. 2; Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, 116. Lfg., Stand 1/2021, § 6 Rn. 8, 13, 17 f.; Decker in Oestreicher SGB II/SGB XII, 92. Lfg. Stand 2/2021, § 6 AsylbLG Rn. 7; Birk in LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 6 AsylbLG Rn. 3; Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 6 AsylbLG Rn. 3 m.w.N.) in besonderer Weise einzelfallbezogen und restriktiv ausgelegt, insbesondere mit der Maßgabe, dass ein gegenüber dem SGB XII abgesenktes Leistungsniveau erhalten bleiben muss (a.A. jedoch Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rn. 3-5, 22 f. m.w.N.; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 6 Rn. 22; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 6 AsylbLG Rn. 34). Bezogen auf Leistungen zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums wird die Vorschrift sehr zurückhaltend angewandt (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.5.2014 - L 20 AY 90/13 - juris Rn. 43; vgl. auch die kasuistisch dargestellten Leistungsfälle von Deibel in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 6 AsylbLG betreffend das physische und das soziokulturelle Existenzminimum, Rn. 63-132 einerseits und Rn. 133-138 andererseits; für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 6 AsylbLG insoweit Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rn. 32).
Zudem ist die Vorschrift als Ausnahmebestimmung für den atypischen Bedarfsfall von vornherein nicht geeignet, strukturelle Leistungsdefizite im Regelbereich des § 3 AsylbLG zu kompensieren (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 89; krit. dazu Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, Rn. 20 ff.). Bezogen auf die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. betrifft dies zum einen die einseitige Berücksichtigung von (vermeintlich) auf die Kürze des Aufenthalts zurückzuführenden Minderbedarfen bei der Bemessung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. und den Verweis auf einen Ausgleich von möglicherweise bestehenden Mehrbedarfen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylbLG im Einzelfall, insbesondere für Verkehrsdienstleistungen und Nachrichtenübermittlung (vgl. BT-18/2592, S. 23). Diese möglicherweise bestehenden Mehrbedarfe sollen gerade nicht atypische Fälle betreffen, sondern bei Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG während der Anfangszeit des Aufenthalts in Deutschland typischerweise höher ausfallen (vgl. die schriftliche Stellungnahme des Flüchtlingsrates Berlin e.V. vom 22.10.2014, Ausschussdrucksache 18(11)220, S. 26, abgerufen unter http://www.sozialpolitik-aktuell.de, zuletzt am 16.6.2021), so dass der Anwendungsbereich des § 6 AsylbLG an sich nicht eröffnet ist (vgl. etwa Decker in Oestreicher SGB II/SGB XII, 92. Lfg. Stand 2/2021, § 6 AsylbLG Rn. 17). Die Gesetzesmaterialien enthalten insoweit auch keine konkreten Vorgaben zur Auslegung des § 6 AsylbLG; dort heißt es nur (jeweils): „Sofern im Einzelfall besondere Bedarfe gegeben sind, die sonstige Leistungen rechtfertigen, sind diese nach § 6 AsylbLG zu erbringen“ (BT-Drs. 18/2592, S. 23).
Zum anderen kann das strukturelle Defizit der (verfassungswidrigen) Kürzung der Bedarfssätze nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. um bestimmte Verbrauchsausgaben der Abteilungen 9 und 10 durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (BGBl. I 2016, 390) zum 17.3.2016 (dazu oben B. III. 3. c) cc) (1)) nicht durch eine Anwendung des § 6 Abs. 1 AsylbLG kompensiert werden. Leistungen zur Deckung bestimmter Teilhabebedarfe (etwa zur Anschaffung eines Fernsehgeräts, Computers oder Musikinstruments), aber auch von Bedarfen im Bereich Bildung (zur Übernahme von Kosten für einen Deutschkurs schon LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.5.2014 - L 20 AY 90/13 - juris Rn. 38 ff.) sind danach gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylbLG von vorneherein ausgeschlossen, weil sie nach der wertenden Einschätzung des Gesetzgebers für Leistungsberechtigte nach §§ 1, 3 AsylbLG nicht existenznotwendig sein sollen (so zutreffend Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rn. 5, 33).
dd) Die gesetzliche Umschreibung derjenigen Personengruppe, bei der (angebliche) spezifische Minderbedarfe wegen eines prognostisch kurzfristigen Aufenthalts in Deutschland aufgrund ungesicherter Bleibeperspektive bzw. einer mangelnden Aufenthaltsverfestigung in den ersten 15 Monaten (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 21) zu einer gesonderten Bemessung der Leistungen nach § 3 AsylbLG a.F. geführt haben, verstößt gegen verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG.
Das BVerfG hat zu diesen Vorgaben ausgeführt (zum Nachstehenden BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 75): Lassen sich tatsächlich spezifische Minderbedarfe bei einem nur kurzfristigen, nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt feststellen, und will der Gesetzgeber die existenznotwendigen Leistungen für eine Personengruppe deshalb gesondert bestimmen, muss er sicherstellen, dass die gesetzliche Umschreibung dieser Gruppe hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten. Dies lässt sich zu Beginn des Aufenthalts nur anhand einer Prognose beurteilen. Diese bemisst sich zwar nicht allein, aber auch am jeweiligen Aufenthaltsstatus. Dabei ist stets dessen Einbindung in die tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.
Im Rahmen der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch die Leistungen nach § 3 AsylbLG a.F. hat der Gesetzgeber spezifische Minderbedarfe der Leistungsberechtigten für den Schutz der soziokulturellen Existenz festgestellt und die Leistungen zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) deshalb gesondert bestimmt (s. oben B. III. 3. c) cc)). Er hat aber nicht sichergestellt, dass die gesetzliche Umschreibung dieser Gruppe - der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG - hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten (ebenso Voigt, info also 2016, S. 99, 101; Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a Rn. 9; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 62; zurückhaltend Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 3 Rn. 44 und § 1 Rn. 15; insg. krit. zum personalen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AsylbLG Kepert, ZFSH SGB 2015, S. 80 ff.; dazu auch Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 1 AsylbLG Rn. 48 f., 106 f.).
Der (personale) Anwendungsbereich der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. erstreckt sich im Regelungszusammenhang mit § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. auf alle Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG, die sich - einerseits - erst bis zu 15 Monate in Deutschland aufhalten bzw. - andererseits - auch über einen längeren Zeitraum, wenn der betroffenen Person eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. vorzuwerfen ist. Leistungsberechtigt sind nach § 1 Abs. 1 AsylbLG u.a. ausländische Personen, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die eine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylG besitzen (Nr. 1) oder eine bestimmte Aufenthaltserlaubnis (Nr. 3). Zudem sind Menschen leistungsberechtigt, die eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen (Nr. 4) bzw. vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist (Nr. 5), und Familienangehörige, der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AsylbLG aufgeführten Leistungsberechtigten (Nr. 6). Dem in seiner Zusammensetzung sehr heterogenen Personenkreis ist gemein, dass sich die Betroffenen zur Begründung eines Aufenthaltsrechts allein auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Bleibegründe berufen können (vgl. Dollinger in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 44). Ob die Umschreibung der Personengruppe der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG (i.V.m. § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F.), bei der aufgrund einer „ungesicherten Bleibeperspektive“ von einer „Kurzfristigkeit des Aufenthalts“ auszugehen sein soll (BT-Drs. 18/7538, S. 21), hinreichend zuverlässig die Unterscheidung von Menschen mit einem prognostisch längeren Aufenthalt und solchen ohne Bleibeperspektive während der Anfangszeit ihres Aufenthalts in Deutschland gewährleistet, ist in besonderer Weise zweifelhaft (1). Jedenfalls bezieht sie in verfassungswidriger Weise Personen ein, die wegen des Vorwurfs eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG selbst bei einem langjährigen Aufenthalt in Deutschland bei Bedürftigkeit dauerhaft (lediglich) einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach § 3 AsylbLG haben (2).
(1) Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. setzt eine Angleichung der existenzsichernden Leistungen für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 AsylbLG auf das Sozialhilfeniveau (durch eine entsprechende Anwendung des SGB XII) jedenfalls einen bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet (ohne wesentliche Unterbrechung) von 15 Monaten voraus (diese Frist ist zum 21.8.2019 auf 18 Monate verlängert worden, vgl. § 2 Abs. 1 AsylbLG i.d.F.v. 15.8.2019, BGBl. I 1294, bzw. für die Zeit ab dem 1.9.2019 § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG i.d.F.v. 13.8.2019, BGBl. I 1290; ausführlich zu dem Tatbestand der Norm im Übrigen und deren Auslegung durch die Sozialgerichte gleich unter B. III. 3. c) dd) (2)). Ungeachtet dessen, dass die Höhe der Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG (jeweils a.F.) schon in verfassungswidriger Weise nicht methodengerecht ermittelt worden ist (vgl. dazu oben B. III. 3. c) cc)), hat der Senat erhebliche Zweifel, ob nicht auch deswegen ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vorliegt, weil sich der (reguläre) Anspruch auf existenzsichernde Geldleistungen in der Anfangsphase des Aufenthalts in Deutschland (bis zu 15 Monate) dem Grunde nach für alle Leistungsberechtigten i.S. des § 1 Abs. 1 AsylbLG - ausnahmslos - nach § 3 AsylbLG a.F. bemisst.
Um sicherzustellen, dass die gesetzliche Umschreibung der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG hinreichend zuverlässig nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 75), knüpft die Bestimmung dieser Personengruppe in einer noch sachgerechten Weise an eine typischerweise ungesicherte Bleibeperspektive der Betroffenen nach ihrem Aufenthaltsstatus während der Anfangsphase ihres Aufenthalts in Deutschland (von bis zu 15 Monaten) an (a). Verfassungsrechtlich problematisch ist es allerdings, dass durch die typisierende Umschreibung der Leistungsberechtigten (im Einzelfall) auch Personen einbezogen sind, bei denen bereits zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer prognostisch längeren Aufenthaltsdauer auszugehen ist (b).
(a) Der Aufenthalt in Deutschland eines großen Teils der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG ist nach der Einreise vorwiegend asylverfahrensrechtlich geprägt, weil sie erst um Asyl nachgesucht haben (§ 1 Abs. 1 Nr. 1a AsylbLG) oder sich in einem förmlichen Asylverfahren befinden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG), das in Einzelfällen vor der Entscheidung über die Einreise auf dem Flughafengelände (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG) oder ggf. auf einen Folge- oder Zweitantrag (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG) stattfinden kann. Hiermit übereinstimmend hat die überwiegende Anzahl der Personen, die 2018 Leistungen nach dem AsylbLG bezogen haben, über eine Aufenthaltsgestattung verfügt (vgl. Statistisches Bundesamt - Destatis -, Regelleistungen Deutschland insgesamt nach aufenthaltsrechtlichem Status - Zeitvergleich ab 2002, Stand 15.10.2020, abgerufen unter www.destatis.de, zuletzt am 14.6.2021). Die auf dem Aufenthaltsstatus beruhende Prognose eines typischerweise nur kurzen Aufenthalts in Deutschland ist bei dieser Personengruppe jedenfalls für die Anfangszeit in hinreichendem Maß gerechtfertigt, weil die Perspektive auf einen dauerhaften Aufenthalt maßgeblich von dem (positiven) Ausgang des Asylverfahrens abhängt (so auch Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 2 Rn. 20; vgl. auch Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a Rn. 9). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass erst die hinreichende Klärung der Identität der Schutzsuchenden und ihrer Fluchtgründe eine verlässliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren bietet und damit für eine Prognose der weiteren Aufenthaltsdauer in Deutschland.
Die zeitliche Befristung eines Leistungsbezugs nach § 3 AsylbLG a.F. durch § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. auf einen Zeitraum von bis zu 15 Monaten seit Einreise in das Bundesgebiet gewährleistet im Grundsatz, dass im Falle eines längeren (tatsächlichen) Aufenthalts der Leistungsberechtigten in Deutschland bei der Bemessung der existenzsichernden Leistungen nicht mehr von möglicherweise spezifischen Minderbedarfen aufgrund eines nur kurzen Aufenthalts ausgegangen wird (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 93). Sie beruht - jedenfalls nach der Rechtslage bis zum 20.8.2019 (dazu auch gleich) - (noch) in sachgerechter Weise auf der durchschnittlichen Dauer eines Asylverfahrens nebst aufenthaltsbeendender Maßnahmen (vgl. BT-Drs. 18/2592, S. 19 m.w.N.; BT-Drs. 18/3000, S. 8 f.; so auch Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 3 Rn. 44; Oppermann/Filges in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 AsylbLG Rn. 33; Wahrendorf, AsylbLG, 2017, § 2 Rn. 3, krit. zum Fehlen empirischer Daten aber Rn. 9; ebenso und krit. wegen der nach Herkunftsland jeweils sehr unterschiedlichen Verfahrensdauer Rixen, Der Landkreis 2016, S. 268, 269 f.; vgl. auch Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 21 ff., 25 a.E.; schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen Dick vom 30.10.2014 zur AsylbLG-Novelle 2015, Ausschussdrucksache 18(11)220, S. 67 f., abgerufen unter http://www.sozialpolitik-aktuell.de, zuletzt am 15.6.2021). Dass der Bestimmung der (konkreten) Frist i.S. des § 2 AsylbLG, die nach einem ersten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG des BMAS mit einem Bearbeitungsstand von Dezember 2012 zunächst 24 Monate (S. 9; abgerufen unter www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/asylblg/BMAS_Entwurf_AsylbLG_041212.pdf, zuletzt am 25.5.2021) und nach einem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AsylbLG und des SGG mit einem Bearbeitungsstand von Juni 2014 zwölf Monate betragen sollte (vgl. Deibel, ZFSH/SGB 2014, 475, 480), und zum 23.8.2019 von 15 auf 18 Monate verlängert worden ist (BGBl. I 2019, 1294), eine gewisse Beliebigkeit bzw. ein politischer Kompromiss innewohnt (zur Zulässigkeit von politischen Kompromissen im Rahmen der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 77; BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris Rn. 122; krit. zur Bemessung der Frist wegen der Zunahme von Asylverfahren ab 2012 aber Deibel, ZFSH SGB 2014, S. 475, 480; ders., ZFSH SGB 2015, S. 117, 123; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 2 Rn. 14; Wahrendorf, AsylbLG, 2017, § 2 Rn. 3; zur Verlängerung der Frist auf 18 Monate krit. Oppermann/Filges in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 AsylbLG Rn. 32 ff.; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 21 ff.; Genge, Beilage zum Asylmagazin 8-9/2019, S. 18 f.), ist bezogen auf die im streitgegenständlichen Zeitraum (noch) geltende Wartefrist i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG von 15 Monaten verfassungsrechtlich vertretbar (i.E. ebenso Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 2 Rn. 20; a.A. etwa Stellungnahme von Pro Asyl Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. vom 11.7.2014 zur AsylbLG-Novelle 2015, S. 7, abgerufen unter https://fluechtlingsrat-berlin.de/, zuletzt am 7.6.2021). Die Zeitspanne liegt deutlich unter der vom BVerfG beanstandeten Dauer von vier Jahren, bei der jedenfalls nicht (mehr) von einem nur kurzen Aufenthalt mit möglicherweise spezifisch niedrigem Bedarf auszugehen ist (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 75, 76, 93).
Für einen Zeitraum von bis zu 15 Monaten ist es auch gerechtfertigt, dass Personen, die eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG) oder (ohne Duldung) vollziehbar ausreisepflichtig sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG), leistungsberechtigt nach §§ 1, 3 AsylbLG sind, weil sich aus ihrem aufenthaltsrechtlichen Status in aller Regel keine bessere Bleibeperspektive in Deutschland ableiten lässt als diejenige von Schutzsuchenden, über deren Asylantrag noch nicht entschieden worden ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG). Vollziehbar Ausreisepflichtige halten sich im Bundesgebiet von vorneherein nur vorübergehend auf, solange ihnen keine konkrete aufenthaltsrechtliche Bleibeperspektive eröffnet wird (Dollinger in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 76). Insoweit ist es für die Leistungsberechtigung nach §§ 1, 3 AsylbLG jedenfalls für die Anfangszeit des Aufenthalts in Deutschland unbedeutend, ob sich aus der Einbindung der aufenthaltsrechtlichen Situation vollziehbar Ausreisepflichtiger (mit oder ohne Duldung) in die tatsächlichen Verhältnisse - insbesondere bei einem längeren Aufenthalt in Deutschland - etwas anderes ergeben kann (krit. dazu etwa Kepert, ZFSH SGB 2015, S. 80, 82; vgl. auch Oppermann/Filges in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 AsylbLG Rn. 30).
(b) Problematisch ist aber die Einbeziehung (ausnahmslos) aller Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG, ohne danach zu differenzieren, ob im Einzelfall bereits zu Beginn des Aufenthalts mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, dass sich die Betroffenen nur kurzfristig in Deutschland aufhalten (ebenso Voigt, info also 2016, S. 99, 101; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 3a Rn. 9; Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1; a.A. Cantzler, AsylbLG, § 3 AsylbLG Rn. 44). Für den vorliegenden Rechtsstreit betrifft dies insbesondere Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG mit einer sog. „guten Bleibeperspektive“ (umstritten ist ferner die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG von Aufenthaltsberechtigten i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG, vgl. dazu insb. Dollinger in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 74 ff.; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 1 AsylbLG Rn. 106-108, 123; Kepert, ZFSH SGB 2015, S. 80, 81 f.; Wahrendorf, AsylbLG, 2017, § 1 Rn. 30, 43; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 16; zur Kritik des Bundesrates im Zuge der Neufassung des AsylbLG 2015 vgl. BT-Drs. 18/3000, S. 3: „Bei Personengruppen, die eine Aufenthaltsbefugnis nach § 23 Absatz 1, §§ 24 und 25 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen humanitären oder tatsächlichen Ausreisehindernissen besitzen, kann tatsächlich nicht von einem kurzfristigen Verbleib ausgegangen werden. Ein aktuelles Beispiel hierfür sind die von den Ländern gemäß ihrer Landesanordnungen aufgenommenen syrischen Flüchtlinge, bei denen keine Prognose der Rückkehr in ihr Heimatland erkennbar ist.“; a.A. Deibel, ZFSH SGB 2014, S. 475, 476; Hohm in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 1 Rn. 80-82).
Die Bleibeperspektive von Personen, über deren Asylantrag noch nicht (abschließend) entschieden worden ist, also insbesondere von Inhaberinnen und Inhabern einer Aufenthaltsgestattung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG), beurteilt sich allgemein nach den Erfolgsaussichten, als Schutzberechtigte anerkannt zu werden, also entweder als asylberechtigte Person nach Art. 16a GG, als Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG oder als subsidiär schutzberechtigte Person nach § 4 Abs. 1 AsylG. Zudem kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG in Betracht (vgl. zu den asyl- und aufenthaltsrechtlichen Zusammenhängen auch Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 1 AsylbLG, Rn. 18 ff.). Bezogen auf die Gesamtzahl der Entscheidungen des BAMF in einem bestimmten (Jahres-)Zeitraum wird die Anzahl der für die Betroffenen insoweit positiv ausgegangenen Entscheidungen Gesamtschutzquote genannt (vgl. BAMF, Das Bundesamt in Zahlen 2018 - Asyl, Migration und Integration, Stand 08/2019, abgerufen unter https://www.bamf.de/, zuletzt am 13.6.2021). Diese Quote hat in den Jahren von 2009 bis 2018 stark zwischen etwa 20 % (2010 und 2011) bis über 60 % (2016) variiert und im Jahr 2018 35 % betragen (BAMF, a.a.O.; vgl. zu der Situation im Frühjahr 2016 auch Voigt, info also 2016, S. 99, 101 m.w.N.). Die bei Einführung des AsylbLG im Jahr 1993 zu Grunde liegende Annahme, es sei leistungsrechtlich der typische Regelfall, dass Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG keinen ausländerrechtlichen Grund für einen Aufenthalt in Deutschland besitzen, weil in etwa 95 % aller Asylanträge keine Asylberechtigung anerkannt werde (BT-Drs. 12/4451, S. 7), ist überholt.
Die Aussichten auf eine Gewährung eines Aufenthalts in Deutschland aufgrund des Ausgangs des Asylverfahrens sind in besonderer Weise abhängig von den Verhältnissen im Herkunftsland und damit von der Staatsangehörigkeit der nachsuchenden Person. Für das Jahr 2018 beliefen sich z.B. die Gesamtschutzquoten Staatsangehöriger der Syrischen Arabischen Republik auf über 80 % bzw. von Eritrea - dem Herkunftsland der Klägerinnen - auf etwa 70 % (vgl. BAMF, a.a.O., S. 55). Um Asylbewerberinnen und -bewerbern mit „guter Bleibeperspektive“ (insbesondere aus den Herkunftsländern Syrien, Eritrea, Irak, Iran und Afghanistan) eine zügige Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu ermöglichen und damit einen „Beitrag zum Erhalt des gesellschaftlichen Friedens“ zu leisten (vgl. BT-Drs. 18/6185, S. 27, 30), hat der Gesetzgeber durch das am 24.10.2015 in Kraft getretene Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (BGBl. I 2015, 1722) die Voraussetzungen für die Teilnahme an Integrationskursen geändert. Nach § 44 Abs. 4 AufenthG können seither u.a. ausländische Personen, die eine Aufenthaltsgestattung besitzen (Nr. 1) und bei denen „ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“ (lit. a) oder die vor dem 1.8.2019 in das Bundesgebiet eingereist sind, sich seit mindestens drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhalten, nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a AsylG stammen und über eine im Einzelnen näher bestimmte Verbindung zum deutschen Arbeits- bzw. Ausbildungsmarkt verfügen (vgl. lit. b), im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden.
Ob eine entsprechende Differenzierung nach der Bleibeperspektive von Verfassungs wegen auch in das Asylbewerberleistungsrecht aufzunehmen ist, um sicherzustellen, dass die gesetzliche Umschreibung der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG bei einem längeren Aufenthalt im Bundesgebiet hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten, hängt - orientierend an der Befugnis des Gesetzgebers, zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 205), und an einem am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichteten Prüfungsmaßstab (vgl. dazu insb. BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris) - maßgeblich von den tatsächlichen Einschränkungen ab, die an den Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG geknüpft sind (so auch Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 28, 41; Deibel in GK-AsylbLG, 84. Lfg. Stand 3/2021, § 2 Rn. 36). Insoweit bedeuten die durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zum 17.3.2016 (BGBl. I 2016, 390) in Höhe von bis zu 10,00 € (Bedarfsstufe 1 und 5) abgesenkten Leistungen zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F. zwar keine gravierenden Auswirkungen (ebenso Krauß, a.a.O., Rn. 28). Mit einer Leistungsberechtigung nach §§ 1, 3 AsylbLG sind aber - im Vergleich zum allgemeinen Grundsicherungsrecht - noch andere (mittelbare) Einschränkungen verbunden, z.B. Leistungen zur Sicherung der Gesundheit, die nach §§ 4, 6 AsylbLG grundsätzlich auf eine Not- und Akutversorgung beschränkt sind (vgl. dazu etwa Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 4 AsylbLG Rn. 31-33; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 4 Rn. 6 f.; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 4 Rn. 7 ff.; krit., insb. in Bezug auf die gesundheitssichernden Leistungen für Kinder Rixen, Der Landkreis 2016, S. 268, 271 f.; vgl. auch Classen, Solidarität 2013, S. 287, 298 f.; Deibel, ZFSH SGB 2014, S. 475, 479). Wegen des Ausschlusses von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II haben die Betroffenen grundsätzlich auch keinen Anspruch auf arbeitsmarktbezogene Eingliederungsleistungen (vgl. §§ 16 ff. SGB II).
Unter diesen Umständen ist es nicht ausgeschlossen, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Härtefallklausel erforderlich ist, um untragbare Belastungen zu vermeiden (vgl. zu diesem Erfordernis im Rahmen von Typisierungen statt vieler BVerfG, Urteil vom 29.1.2019 - 2 BvC 62/14 - juris Rn. 48 m.w.N.). Ein milderes Mittel wäre insoweit die Einführung einer Regelung, nach der - z.B. in Anlehnung an § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB XII - der personale Anwendungsbereich nach § 1 AsylbLG im Einzelfall bei einem aufgrund einer sicheren Prognose voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet eingeschränkt wird (vgl. hierzu in einem anderen Zusammenhang Frerichs in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1 AsylbLG Rn. 114 m.w.N.).
(2) Jedenfalls hat der Gesetzgeber durch die Regelungen zur Angleichung der existenzsichernden Leistungen nach dem AsylbLG auf das Niveau des allgemeinen Grundsicherungsrechts (durch eine entsprechende Anwendung des SGB XII) gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. (zum Erfordernis einer solchen Regelung BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 76) nicht sichergestellt, dass die gesetzliche Umschreibung der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG bei einem längeren Aufenthalt im Bundesgebiet hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten. Dies betrifft insbesondere die Gruppe von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, die wegen einer rechtsmissbräuchlichen Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer in Deutschland gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. über einen Zeitraum von 15 Monaten hinaus Grundleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. beziehen.
Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. ist abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten (die Frist ist zum 21.8.2019 auf 18 Monate verlängert worden, vgl. BGBl. I 2019, 1294, s.o.) ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Der Ausschluss von Leistungen entsprechend dem SGB XII wegen einer rechtsmissbräuchlicher Beeinflussung der Aufenthaltsdauer i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist zum 1.1.2005 durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30.7.2004 (BGBl. I 2004, 1950) eingeführt worden, um u.a. „zwischen denjenigen Ausländern zu unterscheiden, die unverschuldet nicht ausreisen können und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen“ (BT-Drs. 14/420, S. 121). Die Bestimmung über die Folgen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens sollte an europarechtliche Vorgaben zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern anknüpfen (vgl. dazu aber Cantzler, 1. Aufl. 2019, § 2 Rn. 11).
Nach der Rechtsprechung des BSG (grundlegend: Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 32 ff.) setzt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG in objektiver Hinsicht ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus, das in subjektiver Hinsicht vorsätzlich im Bewusstsein der objektiv möglichen Aufenthaltsbeeinflussung getragen ist. Dabei genügt angesichts des Sanktionscharakters des § 2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten. Art, Ausmaß und Folgen der Pflichtverletzung wiegen für den Betroffenen so schwer, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen muss. Daher kann nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls, der besonderen Situation einer ausländischen Person in Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), zum Ausschluss von Analog-Leistungen führen. Die Angabe einer falschen Identität stellt einen typischen Fall des Rechtsmissbrauchs dar (BSG, a.a.O., Rn. 34). Nicht entscheidend ist, ob der Missbrauchstatbestand aktuell andauert oder die Annahme rechtfertigt, er sei noch kausal für den derzeitigen Aufenthalt des Ausländers (BSG, a.a.O., Rn. 41). Eine Ausnahme ist zu machen, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können (BSG, a.a.O., Rn. 44).
Dieser Rechtsprechung haben sich die Instanzgerichte (im Grundsatz) angeschlossen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.6.2017 - L 7 AY 2217/13 - juris Rn. 24 ff., 35 f.; Bayerisches LSG, Urteil vom 28.5.2020 - L 19 AY 38/18 - juris Rn. 49 ff., Revision beim BSG anhängig - B 7 AY 4/20 R -; LSG Hamburg, Urteil vom 28.10.2019 - L 4 AY 3/17 - juris Rn. 47 f.; Hessisches LSG, Urteil vom 22.7.2020 - L 4 AY 8/17 - juris Rn. 40 f.; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 6.9.2018 - L 8 AY 5/14 - juris Rn. 60; jüngst Senatsurteil vom 22.10.2020 - L 8 AY 21/17 - juris Rn. 21). Nur vereinzelt wird ein dauerhafter Ausschluss von Leistungen nach § 2 AsylbLG wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens als im Einzelfall nicht verhältnismäßig angesehen (vgl. etwa LSG Sachsen, Urteil vom 26.2.2020 - L 8 AY 5/14 - juris Rn. 40 ff., Revision beim BSG anhängig - B 7 AY 2/20 R -; SG Hildesheim, Beschluss vom 23.11.2012 - S 42 AY 113/12 ER - juris Rn. 11 ff.; SG Landshut, Beschluss vom 6.5.2019 - S 11 AY 38/19 ER - juris Rn. 36; vgl. auch OVG Bremen, Urteil vom 16.5.2013 - S 3 A 197/12 - juris 28). Die Frage, ob die Verknüpfung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit einer Leistungsabsenkung auf Dauer mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist, wird dagegen in der Literatur kontrovers diskutiert (vgl. Oppermann/Filges in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 AsylbLG Rn. 118 ff.; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 41 ff.; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 2 Rn. 36; Wahrendorf, AsylbLG, 2017, § 2 Rn. 33; Deibel in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 2 Rn. 169 ff.; Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 2 AsylbLG Rn. 31), insbesondere wird die Möglichkeit nachträglicher Korrekturen bei der Beurteilung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gefordert, um „untragbare Ergebnisse“ bei einem faktischen Daueraufenthalt von Leistungsberechtigten in der Bundesrepublik zu vermeiden.
Unabhängig von der Frage, ob ein Ausschluss von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auf unbestimmte Dauer - abstrakt-generell oder im konkreten Einzelfall - in verfassungsrechtlicher Hinsicht Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen muss, also ob die tatsächlichen Einschränkungen, die an den Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG geknüpft sind, gemessen an der Zielsetzung des § 2 AsylbLG verhältnismäßig sind (vgl. dazu etwa Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 41, 48; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 2 Rn. 36; Deibel in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 2 Rn. 169 ff., der sich für eine Befristung des Ausschlusses im Einzelfall ausspricht), gelten die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Berücksichtigung von Besonderheiten bestimmter Personengruppen bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums (dazu BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 73 ff.) auch für Personen, die bei Bedürftigkeit selbst nach Ablauf der Wartefrist i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (nur) Grundleistungen nach § 3 AsylbLG beziehen (ebenso Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 62; a.A. wohl Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 3 Rn. 44 und Deibel, ZFSH SGB 2014, S. 475, 480).
Der Sanktionscharakter des § 2 Abs. 1 AsylbLG (vgl. BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 33, 41: „Ein Ausländer, der seine Aufenthaltsdauer selbst missbräuchlich beeinflusst hat, ist nicht schutzbedürftig“) rechtfertigt - für sich genommen - eine abweichende Festlegung des Existenzminimums ohne Beachtung dieser Vorgaben, also i.S. einer eigenständigen Minderung staatlicher Leistungen zur Existenzsicherung, nicht. Die Bestimmung über die Folgen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG unterscheidet sich grundlegend von einer Sanktion zur Durchsetzung verhältnismäßiger Pflichten (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris; vgl. auch Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 48). Der Tatbestand der Vorschrift knüpft an ein in der Vergangenheit liegendes, abgeschlossenes - u.U. einmaliges - sozialwidriges Verhalten an (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 41; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 10, 40; vgl. auch Deibel in GK-AsylbLG, 84. Lfg. Stand 3/2021, § 2 Rn. 49 ff., 56) und steht damit nicht in einem Zusammenhang mit dem Nachranggrundsatz in der Weise, dass die Gewährung von Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz davon abhängig gemacht werden darf, ob Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können (vgl. dazu BVerfG, a.a.O., Rn. 123). Der Ausschluss nach § 2 Abs. 1 AsylbLG verfolgt nicht die Durchsetzung von Mitwirkungspflichten zur Überwindung der eigenen Hilfebedürftigkeit (vgl. dazu BVerfG, a.a.O., Rn. 126 ff.).
Dem allgemeinen Grundsicherungsrecht ist ein Anknüpfen von Rechtsfolgen an ein in der Vergangenheit liegendes sozialwidriges Verhalten nicht fremd, insbesondere wenn Personen erst die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen vorwerfbar herbeiführen und aus diesem Grund einem Erstattungsanspruch des Leistungsträgers ausgesetzt sein können, vgl. § 34 Abs. 1 SGB II, § 103 Abs. 1 SGB XII. Diese deliktsähnlichen Tatbestände beruhen (ebenfalls) auf dem Nachranggrundsatz und betreffen eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, regelmäßig unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit zu leisten sind (vgl. BSG, Urteil vom 2.11.2012 - B 4 AS 39/12 R - juris Rn. 16 ff., 19 m.w.N., insb. unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - juris). Dieser Ansatz liegt in gewisser Weise auch der Rechtsprechung des BSG zu Grunde, nach der der Vorschrift des § 2 AsylbLG und damit dem - die Beeinflussung der Aufenthaltsdauer dienenden - Rechtsmissbrauch der Gedanke zu Grunde liegt, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen darf, die er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 32; vgl. auch Wahrendorf, AsylbLG, 2017, § 2 Rn. 22; Deibel in GK-AsylbLG, 84. Lfg., Stand 3/2021, § 2 Rn. 130 ff.; Krauß in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 50). Dass der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, aber auch muss, in dem er entsteht (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 140; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 72; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 79, 85; sog. Gegenwärtigkeitsprinzip), bleibt hiervon allerdings unberührt. Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus eigener Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für dieses menschenwürdige Dasein zur Verfügung stehen. Die den entsprechenden Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu, ist dem Grunde nach unverfügbar und geht selbst durch vermeintlich "unwürdiges" Verhalten nicht verloren; sie kann selbst denjenigen nicht abgesprochen werden, denen schwerste Verfehlungen vorzuwerfen sind. Das Sozialstaatsprinzip verlangt staatliche Vor- und Fürsorge auch für jene, die aufgrund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind. Diese Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums ist auch zur Erreichung anderweitiger Ziele nicht zu relativieren (zum Vorstehenden BVerfG, Urteil vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68, juris Rn. 120 m.w.N.; vgl. auch Aubel in Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2011, S. 273, 290 m.w.N.).
Bezogen auf den (personalen) Anwendungsbereich der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ist durch die Einbeziehung derjenigen Personen, die sich rechtsmissbräuchlich i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG verhalten haben, nicht sichergestellt, dass die damit umschriebene Gruppe der Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten (zu diesem Erfordernis BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 75).
Das Tatbestandsmerkmal der rechtsmissbräuchlichen Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer knüpft - wie bereits ausgeführt - an ein in der Vergangenheit liegendes - u.U. einmaliges - sozialwidriges Verhalten an und ist damit als Grundlage für eine Prognose der (weiteren) Aufenthaltsdauer nicht geeignet; das verdeutlicht auch die dargelegte Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit eines Leistungsausschlusses nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auf unbestimmte Dauer. Das Merkmal steht auch in keinem (notwendigen) Zusammenhang mit dem Aufenthaltsstatus der betroffenen Person, der - unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen Einbindung - eine Prognose über die Aufenthaltsdauer erlaubt (vgl. BVerfG, a.a.O.). Auch die tatsächlichen Verhältnisse sprechen entscheidend gegen die Annahme, dass sich Personen, denen ein rechtsmissbräuchliches Verhalten i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG vorzuwerfen ist, nur kurzfristig in Deutschland aufhalten. Ende 2018 hat etwa ein Drittel der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG über einen längeren Zeitraum von 15 Monaten im Bezug von Grundleistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG a.F. gestanden. Nach den vom Statistischen Bundesamt - destatis - im Berufungsverfahren übersandten Unterlagen (Schriftsatz vom 19.10.2020) haben am 31.12.2018 von 192.190 Personen 60.760 bereits länger als 18 Monate Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG a.F. bezogen. Etwa 50.000 Personen (49.920) und damit ca. 25 % der Empfängerinnen und Empfänger von Grundleistungen weisen einen Leistungsbezug von mehr als zwei Jahren auf, mehr als 30.000 (31.315) haben sich nach der Dauer ihres Leistungsbezugs schon mehr als drei Jahre in Deutschland aufgehalten. Fast 10 % (15.430 Personen) hatten Grundleistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG a.F. schon mehr als vier Jahre bezogen.
Die Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums in Form der Geldleistungen nach § 3 AsylbLG a.F. (hier betreffend die Bedarfsstufen 1 und 5), insbesondere des Geldbetrags zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG a.F., ist damit nicht nur wegen des Fehlens einer tragfähigen Begründung (vgl. dazu B. III. 3. c) cc)) in verfassungswidriger Weise erfolgt, sondern auch aufgrund der nicht geeigneten Umschreibung der betroffenen Personengruppe nach ihrer voraussichtlichen Aufenthaltsdauer in Deutschland. Zudem bezieht diese Umschreibung unzulässiger Weise Personen ein, die sich nicht nur kurz in Deutschland aufhalten. Eine Beschränkung auf ein durch etwaige Minderbedarfe für Kurzaufenthalte geprägtes Existenzminimum ist unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsstatus und ohne Rücksicht auf die Berechtigung einer ursprünglich gegenteiligen Prognose jedenfalls dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn der tatsächliche Aufenthalt die Spanne eines Kurzaufenthalts deutlich überschritten hat (BVerfG, a.a.O., Rn. 76).
ee) Die durch § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 5 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 5 und 8 Nr. 1 und 5 AsylbLG in der 2018 geltenden Fassung der Bekanntmachungen vom 20.10.2015 (BGBl. I 1722) und 11.3.2016 (BGBl. I 390) sowie des BMAS vom 26.10.2015 (BGBl. I 1793) für das Jahr 2018 festgesetzten Geldbeträge zur Deckung des notwendigen Bedarfs und des notwendigen persönlichen Bedarfs sind nicht mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar, weil der Gesetzgeber die Leistungen für die Zeit ab 2017 (bis zum 31.8.2019) nicht nach § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. neu festgesetzt hat, obwohl er über neue Erkenntnisse über die Bedarfsbemessung in Form der Sonderauswertungen der EVS 2013 verfügt (hat).
Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind die Ergebnisse eines sachgerechten Verfahrens zur Bestimmung grundrechtlich garantierter, pauschalierter Ansprüche fortwährend zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Der elementare Lebensbedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur, er muss aber auch in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entsteht. Auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie auf Preissteigerungen oder auf die Erhöhung von Verbrauchsteuern muss daher auch in der Normsetzung zeitnah reagiert werden, um sicherzustellen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt wird (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 140; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 72; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 79, 85). Der Pflicht zur Aktualisierung von Leistungsbeträgen muss nachgekommen werden, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs erforderlich geworden ist. Kommt der Gesetzgeber dieser Pflicht ohne sachliche Rechtfertigung nicht nach, stehen die betreffenden Leistungsregeln nicht mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 142; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 79; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 82).
Entgegen der Vorgabe aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und einfachgesetzlich aus § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. (nun § 3a Abs. 5 AsylbLG) ist eine Neuermittlung der Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. für das Jahr 2017 nicht erfolgt. Die neben dem RBEG 2017 in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 2) durch einen ersten Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG beabsichtigte Neufestsetzung der Leistungen (vgl. BT-Drs. 18/9985 und BT-Drs. 18/10521) ist an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates (in seiner 952. Sitzung am 16.12.2016, BR-PlPr. 952, S. 514B-514C) und schließlich in der 18. Legislaturperiode am Diskontinuitätsprinzip gescheitert. Auch mit Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 13.8.2019 (BGBl. I 1290) ist eine (rückwirkende) Neufestsetzung bzw. Fortschreibung der Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG a.F. für die Zeit vom 1.1.2017 bis 31.8.2019 nicht vorgenommen worden.
Eine Aktualisierung der Bedarfssätze nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 AsylbLG und § 3 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (jeweils a.F.) - betreffend die Bedarfsstufen 1 und 5 - ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs erforderlich gewesen, weil für die Ermittlung der existenzsichernden Leistungen auf Grundlage des Statistikmodells mit der EVS 2013 eine aktuelle Datengrundlage vorhanden gewesen ist (BT-Drs. 18/9984, S. 1 f., 23 f.). Eine Fortschreibung der Bedarfssätze für die Jahre 2017 und 2018 gemäß § 3 Abs. 4 AsylbLG a.F. ist im gerichtlichen Verfahren nicht möglich, auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung (vgl. dazu oben B. III. 1. b) cc) (2) (d)). Zudem haben u.a. wegen der nicht erfolgten Neufestsetzung und Fortschreibung der Bedarfs- sätze beachtliche Leistungsunterschiede zu den Regelbedarfsstufen nach § 28 SGB XII bestanden, insbesondere betreffend die existenzsichernden Leistungen für Minderjährige nach der Bedarfsstufe 5 (vgl. oben B. III. 3. b) bb)). Die Erforderlichkeit einer Aktualisierung existenzsichernder Leistungen bzw. die Verfassungswidrigkeit einer Regelung aus diesem Grund ist nicht erst dann zu bejahen, wenn diese evident unzureichend sind, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten (a.A. wohl Bayerisches LSG, Urteil vom 11.12.2020 - L 8 AY 32/20 - juris Rn. 35; SG Hildesheim, Urteil vom 10.7.2020 - S 42 AY 112/19 - juris Rn. 50; Hohm, ZFSH SGB 2019, S. 68, 72). Die gerichtliche Prüfung findet insoweit jenseits der Evidenzkontrolle statt (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 143; BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, juris Rn. 79; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 82).
Der Pflicht zur Aktualisierung der Bedarfssätze für die Zeit vom 1.1.2017 bis zum 31.8.2019 ist der Gesetzgeber ohne sachliche Rechtfertigung nicht nachgekommen. Aus welchen Gründen eine Neufestsetzung der Leistungen für diesen Zeitraum unterblieben ist, lässt sich den Materialien des zum 1.9.2019 in Kraft getretenen Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG (BGBl. I 2019, 1290), insbesondere dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10.5.2019 (BT-Drs. 19/10052) und der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 5.6.2019 (BT-Drs. 19/10693), nicht ausdrücklich entnehmen. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in der 50. Sitzung dieses Ausschusses am 3.6.2019 ist die verfassungsrechtliche Frage einer rückwirkenden Festsetzung bzw. einer nachträglichen Zahlung von Leistungen in der Praxis an „Leute, die nicht mehr da sind,“ zwar thematisiert, aber nicht abschließend erörtert worden (vgl. das Wortprotokoll der Anhörung, Protokoll-Nr. 19/50, S. 849, abgerufen unter https://www.bundestag.de, zuletzt am 7.6.2021). Insoweit ist aber die (umstrittene) Rechtsfrage, ob das Entfallen der Leistungsberechtigung durch eine Ausreise aus dem Bundesgebiet (§ 1 Abs. 1 AsylbLG) die Durchsetzung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen nach dem AsylbLG während des Aufenthalts in Deutschland berührt (vgl. dazu etwa Sächsisches LSG, Urteil vom 26.2.2020 - L 8 AY 5/14 - juris Rn. 47 ff., Revision anhängig beim BSG - B 7 AY 2/20 R -; Sächsisches LSG, Urteil vom Urteil vom 6.12.2017 - L 8 AY 9/17 - juris Rn. 20; Hessisches LSG, Beschluss vom 21.12.2007 - L 6 AY 4/07 NZB - juris Rn. 11), für eine sachliche Rechtfertigung der unterlassenen Aktualisierung der Bedarfssätze nicht relevant (vgl. auch die zutreffende Stellungnahme der Sachverständigen Steffen in der o.g. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/50, S. 849). Andere Sachgründe, die das gesetzgeberische Unterlassen rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich.
d) Andere Grundrechte, etwa aus Art. 3 GG, sind nicht berührt. Da der Rechtstreit (allein) die Bemessung von der Sicherung des Existenzminimums dienenden Leistungen betrifft, ist von Verfassungs wegen allein entscheidend, dass für jede individuelle hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ausreichend erfasst wird; eines Rückgriffs auf weitere Grundrechte bedarf es nicht (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, juris Rn. 145; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris Rn. 140; vgl. auch F. Kirchhof, NZS 2015, S. 1, 4 f.; instruktiv Aubel in Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2011, S. 273, 278 ff.; ders., SGb 2016, S. 105, 108; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 68 f. und § 1 AsylbLG Rn. 41 ff.).
IV.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.