Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 156,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz hieraus seit dem 05.10.2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung eines vorstationären Krankenhausaufenthaltes.
Die Klägerin ist Trägerin der A. Kliniken in A-Stadt. Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte E. (Patient) befand sich am 04.08.2016 in der Zeit von 11:00 Uhr bis 14:45 Uhr in der Klinik für Notfallmedizin der Klägerin. Der Patient hatte den Notarzt gerufen. Der Notarzt stellte Angina-Pectoris-Beschwerden fest und wies den Patienten wegen dringendem Verdacht auf einen Herzinfarkt in die Klinik der Klägerin ein. In der interdisziplinären Notaufnahme der Klägerin wurde in der Zeit von 11:00 Uhr bis 14:45 Uhr ein Monitoring durchgeführt. Ein Herzinfarkt wurde nach Laboruntersuchungen und einer Echokardiographie ausgeschlossen. Die Verdachtsdiagnose auf eine akute Gastritis wurde probatorisch anbehandelt und nachdem die Beschwerden besser wurden, konnte der Patient nach Hause entlassen werden.
Mit Rechnung vom 05.09.2016 bezifferte die Klägerin die Kosten der Behandlung in Höhe der vereinbarten Pauschale für eine vorstationäre Behandlung in der Kardiologie mit 156,97 €.
Mit Schreiben vom 19.09.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ein Vergütung für eine vorstationäre Behandlung i. S. von § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht erfolgen könne. Die Vergütung vorstationärer Behandlung könne nur aufgrund einer Verordnung von Krankenhausbehandlung durch einen Vertragsarzt oder einen sonstigen an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnehmenden erfolgen.
Vorliegend habe es sich um einen Notfall im Sinne von § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V gehandelt. Ein solcher läge vor, wenn aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung des Patienten notwendig sei und ein Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen und aufgesucht werden könne. In der vorliegenden Konstellation habe der Patient somit eine ärztliche Behandlung im Haus der Klägerin anstelle einer vertragsärztlichen Behandlung außerhalb der ambulanten Sprechzeiten erhalten.
Die Klägerin hat am 8.11.2016 Klage erhoben.
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 156,97 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 5.10.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
Die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Voraussetzungen für die Abrechnung einer vollstationären Behandlung im Sinne des §§ 115 Buchst. a SGB V lägen nicht vor. Ziel der Behandlung sei nicht die Klärung der Frage, ob eine vollstationäre Behandlung notwendig sei, sondern die Linderung der geklagten Beschwerden gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Patientenakte der Klägerin und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 105 Abs. 1 SGG kann das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, denn bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 90, 1 ff.). Es ist demnach weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist zu beachten.
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch für die Klärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung des bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Patienten E. in Höhe der vereinbarten Pauschale von 156,97 € zu.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V mit Verweis auf das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), sowie der „Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V“ zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen (-verbänden). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse gegenüber einem Krankenhaus entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistungen des Krankenhauses durch einen Versicherten der Krankenkasse, wenn die Versorgung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird.
Gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115 a) sowie ambulant (§ 115 b) erbracht.
Nach § 115 a Abs. 1 S. 1 SGB V kann das Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um (1.) die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten (vorstationäre Behandlung) oder (2.) im Anschluss an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (nachstationäre Behandlung).
Die vor- und nachstationäre Behandlung eines Versicherten nach § 115a SGB V ist gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V Teil der Krankenhausbehandlung. Da bei der vor- und nachstationären Behandlung nur medizinische Leistungen des Krankenhauses erbracht werden, nicht aber Unterkunft und Verpflegung, handelt es sich der Sache um eine "Leistungserbringung eigener Art" als "Annex" zur vollstationären Versorgung im Krankenhaus und somit um "stationäre" Behandlung im weiteren Sinne, die dementsprechend auch gemäß § 115 a Abs. 3 SGB V über eine eigenständige Vergütungsregelung verfügt (vgl. BSG, Urteil vom 10.3.2010 – B3 KR 15/08R).
Gemäß § 112 Abs. 1 SGB XII schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsame Verträge, um sicherzustellen, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des 5. Buches Sozialgesetzbuches entsprechen. Nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V regeln die Verträge insbesondere die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich der Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen. Dementsprechend haben die Hessischen Krankenhausgesellschaft und die Hessischen Krankenkassen (-verbänden) einen „Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung“ im Sinne des § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V in Hessen geschlossen.
Die Voraussetzungen für die Abrechnung der Klärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung des Patienten E. sind in dem streitgegenständlichen Fall gemäß § 115a Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. SGB V i. V. m. dem Hessischen Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gegeben.
Gemäß § 3 Abs. 1 des Hessischen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung wird eine Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages durchgeführt, wenn sie von einem an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt oder einer ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen nach § 95 SGB V verordnet worden ist und nach Art und Schwere der Krankheit die medizinische Versorgung gemeinsam mit der pflegerischen Hilfeleistung nicht durch ambulante Versorgung einschließlich häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V erreicht werden kann. Sie wird ohne eine ärztliche Verordnung gewährt, wenn sich der Versicherte infolge von Verletzungen Krankheit oder sonstigen Umständen entweder in Lebensgefahr befindet oder der Gesundheitszustand eine wesentliche Verschlechterung befürchten lässt, sofern nicht unverzüglich Krankenhausbehandlung eingeleitet wird; dies gilt auch bei Einweisung durch eine nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt.
Dabei kommt es nach § 3 Abs. 2 des Hessischen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere darauf, ob die Inanspruchnahme der ärztlichen Hilfe dringend ist und Hilfe eines niedergelassenen Arztes nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann oder nicht ausreichen würde. Bei Einweisung durch einen Notarzt des Rettungsdienstes liegt nach § 3 Abs. 2 S. 2 des Hessischen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung in der Regel ein Fall notwendiger stationärer Krankenhausbehandlung vor.
Vorliegend erfolgte die Einweisung des Patienten E. durch einen nach dem Hessischen Rettungsdienstgesetz hoheitlich tätigen und insoweit nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Notarzt.
Weitere Voraussetzung für die Vergütung der Klärung der Erforderlichkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung im Sinne des § 115 Buchst. a Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. i. V. m. § 39 Abs. 1 SGB V ist die Durchführung einer Erstuntersuchung. Nach § 3 Abs. 5 des Hessischen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung wird vor der Aufnahme des Patienten zur vollstationären Behandlung von einem Krankenhausarzt entschieden, welche Behandlungsform notwendig und ausreichend ist (Erstuntersuchung).
Wird bei der Erstuntersuchung festgestellt, dass keine Krankenhausbehandlung erforderlich ist, richtet sich die Vergütung nach § 4 des Hessischen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach der Vereinbarung der Vertragsparteien zur pauschalierten Vergütung der vorstationären Krankenhausbehandlung gemäß § 115 a Abs. 3 SGB V.
Vorliegend fand in der Klinik der Klägerin nach der Einlieferung des Patienten wegen des Verdachts eines Myokardinfarkts eine Erstuntersuchung statt. Neben Laboruntersuchung wurden ein EKG sowie eine Echokardiographie durchgeführt. Der behandelnde Arzt stellte fest, dass eine vollstationäre Behandlung nicht erforderlich war. Entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung erfolgte die Einweisung des Patienten mit dem Ziel der Klärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung und nicht mit dem primären Ziel der Linderung der geklagten Beschwerden.
Dementsprechend lagen die Voraussetzungen für die Vergütung einer vorstationären Behandlung zur Klärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung im Sinne des § 115 a Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. SGB V vor, mit der Folge, dass die Klägerin Anspruch auf die gemäß § 115 a Abs. 3 SGB V vertraglich vereinbarte Pauschale für die vorstationäre Behandlung in der Kardiologie i.H.v. 156,97 € hat.
Der streitgegenständliche Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 10 Abs. 5 des Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.