S 40 KR 67/17

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Hildesheim (NSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Hildesheim (NSB)
Aktenzeichen
S 40 KR 67/17
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
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3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
 
Leitsätze

Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale entsteht auch in den Fällen, in denen nach rechtskräftigem Abschluss eines Klageverfahrens feststeht, dass der Rechnungsbetrag nicht zu mindern war. Die Zahlung der Aufwandspauschale wird bei Abgabe eines Anerkenntnisses in Bezug auf die Vergütungshöhe mit Eingang der entsprechenden Erklärung bei Gericht fällig.

1.     Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 300,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 29.August 2019 zu zahlen. Darüber hinaus wird die Klage abgewiesen.

2.     Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3.     Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung einer Aufwandspauschale aufgrund einer Rechnungsprüfung.

 

Die Klägerin behandelte die bei der Beklagten versicherte Frau G. in der Zeit vom 2. April 2012 bis einschließlich 5. April 2012 stationär. Die hieraus resultierenden Kosten wurden der Beklagten am 14. Mai 2012 in Höhe von 3034,75 € in Rechnung gestellt und zunächst von der Beklagten in voller Höhe ausgeglichen.

 

Die Beklagte ließ den Behandlungsfall in Bezug auf die Notwendigkeit der vollstationären Behandlung durch die medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) prüfen. Der MDK kam in seinem Gutachten vom 26. November 2012 zum Schluss, dass keine Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung am 5. April 2012 bestand.

 

Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 teilte die Beklagte dies der Klägerin mit und bat um eine Stornierung der Rechnung und die Übersendung einer korrigierten Rechnung innerhalb von zwei Wochen. Die Klägerin widersprach der Einschätzung des MDK. Daraufhin erfolgten weitere Stellungnahmen des MDK vom 5. Juni 2014 und 27. März 2015. Der MDK verblieb bei seiner Einschätzung, dass eine Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung am 5. April 2012 nicht bestanden habe. Die Beklagte verrechnete daraufhin am 23. Juni 2015 einen Betrag in Höhe von 973,52 € mit unstreitigen Forderungen der Klägerin.

 

Die Klägerin erhob am 15. Februar 2017 Klage. Einerseits begehrte sie mit der Klage die Zahlung des Differenzbetrages von 973,52 € sowie die Zahlung von 300,00 € Aufwandspauschale nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.

 

Die Beklagte hat während des Gerichtsverfahrens den MDK abermals mit einer Prüfung des Behandlungsfalles beauftragt. Mit Schriftsatz vom 23. August 2018, beim Sozialgericht Hildesheim am 29. August 2018 eingegangen, hat die Beklagte auf die Hauptforderung der Klägerin ein Anerkenntnis abgegeben, da der MDK sein bisheriges Begutachtungsergebnis revidiert habe und die Verweildauer sowie als deren Folge auch den Vergütungsanspruch der Klägerin bestätigt habe. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntniss angenommen und verfolgt ihr Begehr auf Zahlung der Aufwandspauschale weiter.

 

Die Klägerin ist der Auffassung, dass erst bei endgültiger Feststellung der Korrektheit der Rechnung ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale entstehen kann und damit diese erst zu diesem Zeitpunkt fällig werden kann und die Verjährung insofern erst zu diesem Zeitpunkt beginnen könne. Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale sei frühestens mit dem Datum der letzten Stellungnahme des MDK am 29. Januar 2018 bzw. dem Eingang bei der Beklagten am 13. Februar 2018 zu sehen spätestens jedoch mit dem Eingang des Teilanerkenntnisses bei der Klägerin. Da vorher keine Fälligkeit des Anspruches auf Zahlung der Aufwandspauschale vorgelegen habe, könne auch vorher keine Verjährung eingetreten sein. Die Klägerin habe den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale jedoch bereits im Jahre 2017 rechtshängig gemacht.

 

Die Vertreterin der Klägerin beantragt,

die Beklagte zur verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 300,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen

 

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

 

Die Beklagte verweist darauf, dass in Ermangelung vertraglicher Regelungen aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes es in Bezug auf die Aufwandspauschale bei den allgemeinen Fälligkeits-, Verzugs- und Verjährungsregeln bliebe. Ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale stünde den beteiligten Krankenhäusern nur zu, wenn nach Abschluss des vorgerichtlichen Verfahrens eine zutreffende Kodierung festgestellt würde. Nach Klageerhebung könne ein Anspruch auf Aufwandspauschale nicht entstehen. Darüber hinaus würde der Anspruch auf Aufwandspauschale fällig werden, sobald dem Krankenhaus der Aufwand entstünde. Der Anspruch entfiele unter einer auflösenden Bedingung, dass die Einzelfallprüfung zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führe. Daher sei der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale im vorliegenden Fall mit Ablauf des Jahres 2016 verjährt.

 

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Patientenakte der Klägerin lagen dem Gericht bei der Entscheidung vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf diese sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist auch über das abgegebene Teilanerkenntniss zulässig und begründet. Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Eine solche Leistungsklage ist insbesondere zwischen Krankenhausträgern und Krankenkasse statthaft, weil es sich um ein Gleichordnungsverhältnis handelt und deshalb eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht denkbar ist (BSG, Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 14/07 R, Rn. 9, zitiert nach juris).

 

Die Klage ist auch über das abgegebene Teilanerkenntniss hinaus begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der von ihr geltend gemachten Aufwandspauschale. Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale besteht und ist nicht verjährt.

 

Gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der sowohl im Jahr 2012 als auch im Jahr 2018 geltenden Fassung hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 € zu entrichten, falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Mit der Prüfung ist dabei die Prüfung gemäß § 275 Abs. 1 Nummer 1 SGB V gemeint.

 

Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale entsteht dabei nicht nur in denjenigen Fällen, in denen das Ergebnis der Prüfung des MDK zu keiner Minderung des Rechnungsbetrages führt. Auch in denjenigen Fällen, in denen die Prüfung des MDK zu einer Minderung des Rechnungsbetrages führt, diese jedoch nicht bestehen bleibt und in einem Klageverfahren, gegebenenfalls durch rechtskräftiges Urteil, festgestellt wird, dass es gerade nicht zu einer Minderung des Rechnungsbetrages gekommen ist (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015, B 1 KR 24/14 R, Rn. 10, zitiert nach juris).

 

Ein Anspruch kann dabei erst fällig werden, wenn der Schuldner die konkrete Leistung bewirken muss und der Gläubiger sie frühestens fordern kann (BSG Urteil vom 23. Juni 1994,4 RA 70/93, Rn. 15, zitiert nach juris; so auch im Zivilrecht: Arzt in Erman BGB, Kommentar, 15. Aufl. 2017, § 271, Rn. 1).

 

Vorliegend kann also erst mit Feststehen, dass der Rechnungsbetrag nicht zu mindern war, eine Aufwandspauschale wirksam von der Klägerin gefordert werden. Vorher sind die Voraussetzungen von § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V überhaupt nicht erfüllt, da bei Einleitung der Prüfung durch die zuständige Krankenkasse bis zum, gegebenenfalls rechtskräftigen, Abschluss eines solchen Verfahrens nicht klar ist, ob ein Rechnungsbetrag zu mindern ist oder nicht.

 

Insofern folgt auch die Kammer nicht dem LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 8. Dezember 2016, L 1 KR 508/14), wenn dieses davon ausgeht, dass eine Aufwandspauschale fällig wird, sobald dem Krankenhaus der Aufwand entstanden ist. Ausgehend von den Grundsätzen zur Fälligkeit kann das Krankenhaus zu diesem Zeitpunkt, zu dem der Aufwand entsteht (die Übersendung der Unterlagen an den MDK, Kommunikation mit dem MDK etc.) die Aufwandspauschale nicht fordern, da zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht klar ist, ob der Rechnungsbetrag zu mindern ist oder nicht. Das Krankenhaus kann zu diesem Zeitpunkt die auftraggebende Krankenkasse nicht zur Zahlung der Aufwandspauschale auffordern, da die gesetzliche Voraussetzung des Nichtvorliegens einer Minderung des Rechnungsbetrages nicht gegeben ist, da die auftraggebende Krankenkasse eine Entscheidung für oder wider eine Rechnungsminderung überhaupt noch nicht getroffen hat. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Minderung des Rechnungsbetrages bzw. das Nichtvorliegen der Minderung des Rechnungsbetrages eine aufschiebende Bedingung oder eine auflösende Bedingung im Sinne des Gesetzes ist. Das LSG Berlin-Brandenburg verkennt bei seiner Argumentation, dass auch bei einer auflösenden Bedingung die Aufwandspauschale erst zu dem Zeitpunkt gefordert werden kann, zudem die auflösende Bedingung des Nichtvorliegens der Minderung des Rechnungsbetrages eingetreten ist. Eine Forderung in der Vergangenheit ist schon aus Gründen unseres zumindest derzeitigen Unvermögens in die Vergangenheit bzw. in die Zukunft zu reisen zu sehen. Die die Prüfung auftraggebende Krankenkasse kann ab der Entstehung des Aufwandes des Krankenhauses dem Krankenhaus bis zu einer abschließenden Entscheidung vorhalten, dass unklar ist, ob der Rechnungsbetrag gemindert würde oder nicht. Das Krankenhaus kann folglich die Zahlung nicht fordern. Nach Verstreichen eines jeden solchen Tages kann nicht rückwirkend eine Fälligkeit für diesen Tag konstruiert werden.

 

Aus gleichem Grunde ist auch nicht das Datum der erstmaligen Entscheidung des MDK bzw. der die Prüfung auftraggebenden Krankenkasse maßgeblich. Auch dieses Datum ist folglich für die Fälligkeit des Anspruchs auf Zahlung der Aufwandspauschale unerheblich.

 

Verjährung kann jedoch erst beginnen, wenn eine Fälligkeit gegeben ist (Groth in jurisPK-SGB I, Stand 2. Dezember 2019, § 45, Rn. 23). Soweit die Beklagte vorliegend den Fall konstruieren wollte, dass die Zahlung der Aufwandspauschale von der Klägerin im hier vorliegenden Fall nie hätte gefordert werden können, da der Anspruch zunächst nicht fällig gewesen ist und sodann bereits verjährt gewesen ist, beweist dies, dass ein Anspruch der nicht fällig geworden ist auch nicht verjähren kann. Dies würde nämlich im Umkehrschluss bedeuten, dass ein Krankenhaus bei Entstehung des Aufwandes bereits die die Prüfung auftraggebende Krankenkasse auf Zahlung einer Aufwandspauschale verklagen müsste, obwohl diese Klage bis zur endgültigen Klärung der Rechnungshöhe unbegründet wäre und jedoch aufgrund der Vorgreiflichkeit der Frage der Rechnungshöhe ausgesetzt werden müsste. Eine solche Verfahrensweise ist weder prozessökonomisch noch dürfte sie aufgrund des damit einhergehenden Verwaltungsaufwandes im Sinne der Beteiligten sein.

 

Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale am 29. August 2018 fällig geworden ist. Hierbei handelt es sich um das Eingangsdatum des Teilanerkenntnisses beim erkennenden Gericht. Die Kammer ist dabei der Überzeugung, dass erst zu diesem Zeitpunkt auch nach außen hin dokumentiert wurde, dass der vorliegend streitige Rechnungsbetrag nicht zu mindern war. Zur Überzeugung der Kammer ist nicht auf das Gutachten des MDK abzustellen. Nach dem Gesetz sind zwar die Krankenkassen verpflichtet eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Zumindest eine Überlegungszeit ist den Krankenkassen dabei einzuräumen, ob sie dem Gutachten des MDK insoweit folgen oder sich gegebenenfalls noch Nachfragen ergäben. Insofern ist zur Überzeugung der Kammer, zumindest in den Fällen der unstreitigen Erledigung, eine nach außen hin gerichtete Willenserklärung der jeweiligen Krankenkasse erforderlich, zu erklären, dass der Rechnungsbetrag nun nicht mehr gekürzt würde. Die Kammer ist daher der Überzeugung, dass die Fälligkeit der Zahlung einer Aufwandspauschale am 29. August 2018 für den vorliegenden Fall eingetreten ist.

 

Eine Rechnungsstellung der Klägerin hinsichtlich der Aufwandspauschale war vorliegend nicht erforderlich, da zum Zeitpunkt der Klageerhebung der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale noch nicht feststand (SG Hildesheim, Urteil vom 16. Februar 2017, S 32 KR 641/12).

 

Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Da die Fälligkeit erst nach Rechtshängigkeit eingetreten ist, waren die Prozesszinsen erst ab diesem Zeitpunkt zuzusprechen.

 

Die Berufung war zuzulassen, da die Fälligkeit der Zahlung der Aufwandspauschale in der Rechtsprechung noch ungeklärt ist und grundsätzliche Bedeutung genießt.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Rechtskraft
Aus
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