S 14 P 16/19

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Osnabrück (NSB)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
1. Instanz
SG Osnabrück (NSB)
Aktenzeichen
S 14 P 16/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung von Pflegegeld nach dem Pflegegrad 4 während eines stationären Aufenthalts in der Zeit vom 29.09.2017 bis 06.08.2018.

Die 2008 geborene Klägerin ist bei der Beklagten sozial pflegeversichert. Sie leidet an Trisomie 21, der Darmerkrankung Morbus Hirschsprung und einem angeborenen Herzfehler.

In der Zeit vom 01.09.20197 bis 07.08.2018 befand sich die Klägerin in stationärer Krankenhausbehandlung im Herzzentrum in C.. In der Zeit vom 01.09.2017 bis 28.09.2017 zahlte die Beklagte Pflegegeld, in der hier streitigen Zeit vom 29.09.2017 bis 06.08.2018 nicht.

Mit Schreiben vom 07.06.2018 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Auszahlung des Pflegegeldes für den gesamten Zeitraum des stationären Aufenthaltes und führte zur Begründung des Antrages aus, das Herzzentrum habe die Notwendigkeit der ständigen Präsenz der Eltern angesichts der Schwere der Erkrankung und der erwarteten Spenderherzoperation mit Schreiben vom 03.07.2018 bestätigt.

Mit nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenem Bescheid vom 14.06.2018 lehnte die Beklagte die Auszahlung ab und verwies auf § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI: Das Pflegegeld könne nur für 28 Tage gezahlt werden, weil danach von Gesetzes wegen das Ruhen angeordnet sei. Anders sei es allein, wenn das sog. Arbeitgeber-Modell gewählt werde und eine Kostenübernahme über die Sozialhilfe erfolge.

Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 05.07.2018 und 27.12.2018 sinngemäß Widerspruch ein. Die Entscheidung sei unbillig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.03.2019 Klage bei dem Sozialgericht Osnabrück erhoben, zu der sie ihr Begehren wiederholt und vertieft. Es liege eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vor. Das Gesetz berücksichtige unzulässigerweise nicht, dass individuelle Umstände eine Präsenz der Pflegeperson notwendig machten. Faktisch hätten die Eltern die eigentlich dem Krankenhaus obliegende Pflege übernommen.

 

 

 

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14.06.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2019 aufzuheben und der Klägerin für die Zeit vom 29.09.2017 bis 06.08.2018 Pflegegeld nach dem Pflegegrad 4 auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

         die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtenen Bescheide und die gesetzliche Regelung des § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auszahlung von Pflegegeld nach dem Pflegegrad 4 für die Zeit vom 29.09.2017 bis 06.08.2018.

 

Denn gem. § 34 Abs. 2 Satz 2 SB XI ruht der Anspruch in diesem Zeitraum. Gem. § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI wird Pflegegeld nur für 4 Wochen eines stationären Krankenhausaufenthalts gezahlt und danach ruht der Anspruch. Die Voraussetzungen der im zweiten Halbsatz geregelten Ausnahme des § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI liegt nach dem Vortrag der Beteiligten nicht vor. Der Anspruch auf Weiterzahlung von Pflegegeld soll zur Aufrechterhaltung der Pflegebereitschaft der Pflegeperson die Weitergewährung der ohne den Krankenhausaufenthalt zustehenden Leistungen sicherstellen (vgl. BT-Drucks. 13/3696, Seite12). Das nachfolgende Ruhen des Anspruchs rechtfertigt sich nach dem Willen des Gesetzgebers indes daraus, dass für die Dauer des stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus die erforderlichen pflegerischen Leistungen durch den zuständigen Träger zur Verfügung gestellt werden. Das Gesetz geht davon aus, dass ein objektiver Pflegebedarf an häuslicher Pflege, die bereits begrifflich bei Versorgung im Krankenhaus nicht vorliegen dürfte, nicht besteht. Denn stationäre Krankenhausbehandlung ist auch in den Nebenleistungen umfassend. Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinischen Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere die ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1 SGB V), Krankenpflege u.a. Hier erhält der Leistungserbringer eine Vergütung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 KHEntG), die auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter umfasst. So wie bislang mit den Pflegesätzen alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet wurden, werden nun mittels Fallpauschalen (verweildauerunabhängige Pflegesätze) die gesamten allgemeinen Krankenhausleistungen entgolten (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 28.01.2014, Az L 8 SO 166/12). Würde also –über die 4 Wochen hinaus – während des Krankenhausaufenthaltes Pflegegeld gezahlt, käme es zumindest finanziell zu einer doppelten Leistung.

 

Das Gesetz berücksichtigt nach seinem Wortlaut auch keine individuellen Umstände, die eine Präsenz der Pflegeperson bei dem Pflegebedürftigen -wie hier nachvollziehbar geschildert - notwendig machen. Weder ist nach dem Willen des Gesetzgebers relevant, ob etwa grundsätzlich im Krankenhaus die Pflegesituation schlecht ist, noch kann das (minderjährige) Alter oder eine etwaige Behinderung der Pflegebedürftigen berücksichtigt werden. Nicht zuletzt spielt nach dem Willen des Gesetzgebers auch keine Rolle, wie lange der Krankenhausaufenthalt dauert, auch nicht, wenn – wie hier- das Verhältnis von Auszahlungszeitraum zum Ruhenszeitraum der Pflegegeldleistungen derart ungünstig für die Klägerin ist.

 

Weitergehende Ansprüche der Klägerin lassen sich entgegen ihrer Rechtsauffassung auch nicht durch eine Analogie begründen. Ein Analogieschluss setzt insbesondere voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre im Zuge einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BSG vom 18.06.2014 - B 3 P 7/13 R - Juris RdNr. 14). Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt (vgl. BSG ebenda). Die Methode der Analogie ist eine verfassungsrechtlich anerkannte Form der richterlichen Rechtsfortbildung (vgl. so BVerfGE 82, 6, 11 ff m.w.N.), die aber von der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur abzugrenzen ist (zitiert nach Bayer. LSG, Urteil vom 07.03.2016, Az.: L 2 P 39/13).

 

Für eine Analogie fehlt es hier schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat bewusst eine Weiterzahlung des Pflegegeldes nur für 4 Wochen beschlossen und immerhin für diese Zeit eine doppelte Leistung bzw. Zahlung mit dem bereits aus der Gesetzesbegründung zitierten Argument geregelt, so die Pflegebereitschaft der Pflegeperson aufrecht zu erhalten. Es besteht also gerade eine explizite Regelung, die pflegende Angehörige betrifft, die dennoch nur und auch in Ansehung des zweifellos vorhandenen Pflegenotstandes eine wie von den Eltern der Klägerin ausgeübte über die elterliche Fürsorge hinausgehende Pflege und Mitarbeit während eines stationären Aufenthalts eines Angehörigen nur für vier Wochen würdigt und finanziell unterstützt (vgl. auch SG Nürnberg, Urteil vom 05.06.2019, Az.: S 18 P 37/19). Gleichzeitig hat der Gesetzgeber eine –privilegierende- Regelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI letzter Halbsatz getroffen. Diese Regelung hat nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drks. 16/12855, dort insb. Blatt 8) den Hintergrund, dass insbesondere Pflegebedürftige mit Behinderungen, die wegen ihres erhöhten Assistenzbedarfs eine Pflegekraft im Arbeitgebermodell mit (teilweise) Übernahme durch die Sozialhilfe beschäftigen, ohne diese Pflegekraft im Krankenhaus nicht adäquat versorgt werden könnten und außerdem ein nahtloser Übergang bei Wiedereintritt der Pflege in der Häuslichkeit nach Entlassung aus dem Krankenhaus gewährleistet werden soll. Schließlich ist die Regelung dem Umstand geschuldet, dass solche angestellten Pflegekräfte –anders als etwa pflegende Familienangehörige- keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Mitaufnahme als Begleitperson etwa gem. § 11 Abs. 3 SGB V gegen den jeweiligen Kostenträger haben.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Rechtskraft
Aus
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