L 7 SF 5/19 B (KR)

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
1. Instanz
SG Hildesheim (NSB)
Aktenzeichen
S 25 KO 9/19
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 7 SF 5/19 B (KR)
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Zur Vergütung des gerichtlich beauftragten Sachverständigen gemäß §§ 8, 9 JVEG a.F. Orientierungssätze: 1. Zur Einordnung eines Sachverständigengutachtens in die Honorargruppen M1 bis M 3 gemäß Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG a.F. 2. Zum Kernstück des Gutachtens im Rahmen der Abfassung der Beurteilung des Sachverständigen gehören die Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen und deren nähere Begründung, nicht jedoch Ausführungen, die zum großen Teil die Wiedergabe der Befunde und bausteinartige, durch die Anamnese bzw. den Gutachtenauftrag nicht veranlasste Darstellungen zu eventuellen kausalen Zusammenhängen und von Krankheitsbildern enthalten, auch wenn diese Ausführungen sich im Gutachten unter der Überschrift "Zusammenfassung und Beurteilung" befinden. 3. Zusammenfassungen von Akteninhalten, die Wiedergabe von bereits vorliegenden Befunden und Dokumentationen, die Wiedergabe der Beweisfragen sowie weder nach der Anamnese noch nach den Beweisfragen des Gerichts veranlasste Ausführungen zu eventuellen kausalen Zusammenhängen und ebenso nicht veranlasste Darstellungen von Krankheitsbildern sind auch im Rahmen der Vergütung des Arbeitsschrittes "Diktat und Korrektur" nicht vergütungsfähig.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 15. Oktober 2019 abgeändert und die Vergütung des Antragsgegners für sein im Verfahren S 2 KR 536/12 erstattetes Sachverständigengutachten vom 4. Januar 2019 auf 666,96 Euro festgesetzt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

 

Der Antragsteller begehrt die Festsetzung einer geringeren Vergütung für ein von dem Antragsgegner erstattetes, gerichtlich angefordertes Sachverständigengutachten.


Im zugrundeliegenden Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Hildesheim zum Aktenzeichen S 2 KR 536/12 stritten die dortigen Beteiligten um die Notwendigkeit einer stationären Behandlung der Frau Lieselotte E. durch die Klägerin, die F. (im Folgenden: Klägerin). Frau E., die an der rheumatischen Erkrankung Morbus Bechterew und Fibromyalgie litt, war in der Zeit vom 14. bis zum 17. November 2007 bei der Klägerin in stationärer Behandlung aufgrund einer operativen Teilentfernung des Innenmeniskus über eine Gelenkspiegelung. Die Klägerin stellte der beklagten Krankenkasse hierfür einen Betrag in Höhe von 1.675,54 Euro in Rechnung, deren Ausgleich zunächst auch erfolgte. Nach Prüfung des Behandlungsfalls durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) nahm die beklagte Krankenkasse eine Verrechnung dieses Betrags mit der Rechnung eines anderen Patienten vor und argumentierte, Frau E. hätte ambulant behandelt werden können.

 

Im Laufe des Klageverfahrens wurde der Antragsgegner mit Beweisanordnung des SG vom 14. Dezember 2018 zum Sachverständigen ernannt und damit beauftragt, ein Gutachten nach Aktenlage über die Notwendigkeit und die Einzelheiten der stationären Krankenhausbehandlung der Frau E. zu erstellen. Der Beweisanordnung war ein Anschreiben beigefügt, u.a. mit folgendem Inhalt:

 

„Die Beweisfragen und der Akteninhalt sind den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht bekannt. Die Beweisfragen sind daher in dem Gutachten nicht zu wiederholen. Ebenso ist auf die auszugsweise wörtliche Wiedergabe der in den Akten befindlichen Gutachten, Befundberichten, Arztbriefe oder sonstigen ärztlichen Unterlagen zu verzichten. Soweit auf Gutachten, Befundberichte, Arztbriefe oder sonstige ärztlichen Unterlagen Bezug genommen wird, sind diese mit dem Datum, dem Verfasser und der Fundstelle in den Akten (Blattzahl) zu kennzeichnen. Etwas anderes gilt nur, soweit das Gericht dies ausdrücklich anordnet. Werden die Beweisfragen wiederholt oder die Auszüge aus den oben genannten ärztlichen Unterlagen in dem Gutachten wörtlich wiedergegeben, ohne dass dies ausdrücklich durch das Gericht angeordnet ist, wird hierfür keine Vergütung gezahlt.“ 

 

Am 10. Januar 2019 übersandte der Antragsgegner sein Gutachten vom 4. Januar 2019 an das SG, das 33,5 Seiten bei 50.000 Anschlägen umfasste. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf die Gerichtsakte S 2 KR 536/12 Bezug genommen.


Für die Gutachtenerstellung inklusive Aktenstudium machte der Antragsgegner mit Rechnung vom 4. Januar 2019 – beim SG eingegangen am 25. Februar 2019 -  die Festsetzung von 2.904,06 Euro geltend. Er setzte dabei für das Aktenstudium von insgesamt 88 Blatt 0,88 Stunden, für die Ausarbeitung 25,63 Stunden und für Diktat und Korrektur 4,67 Stunden, insgesamt also 31,18 Stunden, von ihm aufgerundet auf 31,5 Stunden, an. Diese multiplizierte er mit dem Betrag von 75,00 Euro, weil er sein Gutachten der Honorargruppe M2 zuordnete. Außerdem machte er Schreibauslagen geltend in Höhe von 45,00 Euro (50.000 Anschläge x 0,90 Euro), Kopierkosten in Höhe von 25,90 Euro (50 Kopien x 0,50 Euro und 6 Kopien x 0,15 Euro), Portoauslagen in Höhe von 6,99 Euro und Umsatzsteuer in Höhe von 463,67 Euro. Der Betrag von 2.904,06 Euro wurde von der zuständigen Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) dem Antragsgegner überwiesen.


Mit Schreiben vom 20. August 2019 beantragte der Antragsteller die richterliche Festsetzung der Vergütung für das von dem Antragsgegner erstattete Gutachten. Die von dem Antragsgegner angegebenen 25,63 Stunden für die Ausarbeitung des Gutachtens würden eindeutig überhöht erscheinen. Für die Ausarbeitung eines Gutachtens sei nach der Rechtsprechung der niedersächsischen Sozialgerichte ein Zeitaufwand von einer Stunde pro Standardseite des Kernstücks des Gutachtens (Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen) erforderlich und angemessen, wobei jeweils für eine ganze Seite von 1.800 Anschlägen ausgegangen werde. Das Kerngutachten umfasse acht Seiten (Seiten 27 bis 34). Für die Ausarbeitung ergebe sich damit ein Zeitaufwand von rund sieben Stunden. Ein Zeitaufwand von achteinhalb Stunden wäre noch plausibel. Es sei daher eine Überzahlung eingetreten.

 

Die UdG half dem Antrag nicht ab.

 

Mit Beschluss vom 15. Oktober 2019 hat das SG die Vergütung für das Gutachten des Antragsgegners vom 4. Januar 2019 auf 2.725,56 Euro festgesetzt. Der Zeitaufwand für das Studium der Akte sei mit einer Stunde anzusetzen. Für die Ausarbeitung des Gutachtens seien 23 Stunden anzusetzen. Denn das Kernstück des Gutachtens habe 30,5 Seiten umfasst. Da der Gutachter nur 1.470 Anschläge pro Seite verwendet habe, seien die Seiten allerdings auf die Normseite von 1.800 Anschlägen umzurechnen, was 25 Normseiten ergebe. Hiervon seien außerdem zwei Seiten für die wörtliche Wiedergabe der Beweisfragen abzuziehen, die gemäß dem erteilten Merkblatt nicht zu wiederholen gewesen waren, so dass sich 23 Normseiten ergäben. Jede Normseite sei mit einer Stunde für die Erstellung anzusetzen. Für Diktat und Korrektur des Gutachtens seien weitere 5,5 Stunden anzusetzen. Das 34 Seiten bei 1.470 Anschlägen pro Seiten umfassende Gutachten sei auf 1.800 Anschläge pro Seite umzurechnen. Es ergäben sich 27,8 Normseiten, aufgerundet 28 Seiten. Bei einem Zeitaufwand von einer Stunde für Diktat und Korrektur von fünf Normseiten errechneten sich 5,5 Stunden. Ausgehend von einem Stundensatz von 75,00 Euro errechne sich für insgesamt 29,5 Stunden ein Honorar von 2.212,50 Euro. Zusammen mit den Schreibgebühren von 45,00 Euro, den Kopierkosten von 25,90 Euro, den Portokosten von 6,99 Euro sowie der Umsatzsteuer von 435,17 Euro errechne sich der Betrag von 2.725,56 Euro.

 

Gegen den am 22. Oktober 2019 zugestellten Beschluss richtet sich die am 18. November 2019 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Er hält die angesetzte Stundenzahl für die Ausarbeitung des Gutachtens weiterhin für überhöht. Nach seiner Auffassung umfasse das Kernstück des Gutachtens lediglich die Seiten 27 bis 34, mithin lediglich acht Seiten. Für die Ausarbeitung ergebe sich damit lediglich ein Zeitaufwand von sieben bis maximal achteinhalb Stunden.

 

Der Antragsgegner hält die Honorarfestsetzung des SG für zutreffend. Das SG sei zu Recht davon ausgegangen, dass das Kernstück des Gutachtens die Seiten 4 bis 34 umfasse. Der zentrale Punkt der Begutachtung sei nun einmal der erhobene und dokumentierte Befund der behandelnden Ärzte und die Einordnung der Befunde anhand der wissenschaftlichen Lehrmeinung. Die Erklärung der Krankheitsbilder und Übertragung auf den konkreten Einzelfall seien unumgänglich, um dem Gericht begründen zu können, worauf die Einschätzung des Sachverständigen beruhe. Genau an dieser Stelle handele es sich um das Kernstück des Gutachtens.

 

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. 


Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Beiakte zum Aktenzeichen S 2 KR 536/12 Bezug genommen.

 


II.

1.        

Das LSG entscheidet nach § 4 Abs. 7 Satz 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) in der bis 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (im Folgenden JVEG a.F.) in Senatsbesetzung, weil die Frage, wie die Erstattung eines Sachverständigengutachtens im Zuständigkeitsbereich des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen zu vergüten ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

 

2.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG Hildesheim vom 15. Oktober 2019 ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG a.F. statthaft, weil der Beschwerdewert im vorliegenden Fall 200 Euro übersteigt. Der Antragssteller hält lediglich eine um mindestens 1.300 Euro niedrigere Vergütung für die Erstellung des Gutachtens durch den Antragsgegner für angemessen.

 

Die Beschwerdeberechtigung des Antragstellers entfällt auch in gerichtskostenpflichtigen Verfahren nach § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie dem vorliegenden nicht, weil auch in solchen Verfahren eine Beschwer des Antragstellers besteht. Der Antragsteller ist nämlich zunächst verpflichtet, die Sachverständigenkosten aus der Staatskasse zu bezahlen. Gegenüber dem unterlegenen, in die Kosten verurteilten Verfahrensbeteiligten kann er sodann nach Beendigung des Verfahrens zwar die Sachverständigenkosten als Teil der Gerichtskosten (vgl. Nr. 9005 Kostenverzeichnis Gerichtskostengesetz - GKG) im Rahmen des Kostenansatzes (vgl. § 19 GKG) geltend machen. Der Kostenschuldner kann gegen den Kostenansatz aber über den Weg der Erinnerung und Beschwerde (vgl. § 66 GKG) eine Herabsetzung der im Kostenansatz enthaltenen Sachverständigenkosten erreichen. Da eine solche gerichtliche Entscheidung zugunsten des Kostenschuldners, durch die eine im Gerichtskostenansatz enthaltene Sachverständigenvergütung herabgesetzt wird, sich nicht unmittelbar gegen den Sachverständigen auswirkt (vgl. Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 10. März 1999 – 11 WF 808/99 – juris RdNr. 7), würden die dann nicht vom Kostenschuldner zu tragenden Sachverständigenkosten der Staatskasse endgültig zur Last fallen. 

 

3.

Die Beschwerde ist auch begründet und führt unter Beibehaltung der im Beschluss des Senats vom 5. Juli 2021 - L 7 KO 3/20 (U) – juris - bereits dargestellten Kriterien zu der Festsetzung der im Tenor genannten Vergütung.

 

Die Vergütung der Sachverständigen, die vom Gericht herangezogen werden, richtet sich nach den Vorschriften des JVEG (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG). Maßgeblich sind im vorliegenden Fall gemäß § 24 JVEG die Vorschriften des JVEG in der bis 31. Dezember 2020 geltenden Fassung, weil der Antragsgegner als Sachverständiger vom SG mit Beweisanordnung vom 14. Dezember 2018 vor dem Inkrafttreten der Neufassung des JVEG zum 1. Januar 2021 durch das Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021) vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I 3229) herangezogen worden ist.  

 

 

4.        

Auch im Beschwerdeverfahren ist eine vollständige Prüfung der Festsetzung der Vergütung ohne Beschränkung auf die mit der Beschwerde vorgetragenen Umstände vorzunehmen (Bayerisches Landessozialgericht <LSG>, Beschluss vom 11. Januar 2021 – L 12 SF 113/19 – juris RdNr. 28). Denn die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG a.F. stellt keine Überprüfung der von den Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung (Bayerisches LSG, Beschluss vom 11. Januar 2021 – L 12 SF 113/19 – juris RdNr. 27). Bei der Festsetzung durch die Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (Bundesgerichtshof <BGH>, Entscheidung vom 5. November 1968, - RiZ (R) 4/68 – juris RdNr. 28). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (Bayerisches LSG, Beschluss vom 11. Januar 2021 – L 12 SF 113/19 – juris RdNr. 27). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen. Es ist bei der Festsetzung weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den UdG gebunden.

 

Allerdings ist im Beschwerdeverfahren eine Herabsetzung der Vergütung zu Ungunsten des beschwerdeführenden Sachverständigen bzw. eine Heraufsetzung der Vergütung zu Ungunsten der beschwerdeführenden Staatskasse ausgeschlossen. Das Verbot der reformatio in peius ist - anders als im Antragsverfahren nach § 4 Abs. 1 JVEG - im Beschwerdeverfahren zu beachten (Bayerisches LSG, Beschluss vom 11. Januar 2021 – L 12 SF 113/19 – juris RdNr. 28 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2013 - L 15 SB 40/13 B – juris RdNr. 9).

 

5.        

Gemäß § 8 Abs. 1 JVEG a.F. erhalten Sachverständige als Vergütung ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG a.F.), Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG a.F.), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG a.F.) sowie Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG a.F.). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es gemäß § 8 Abs. 2 JVEG a.F. für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG a.F.) und nach dem nach § 9 JVEG a.F. zu bestimmenden Stundenhonorar festgesetzt.

 

a)        

Bei der Honorarbemessung nach Stundensätzen gemäß § 9 JVEG ist in einem ersten Schritt eine Zuordnung der jeweiligen gutachterlichen Tätigkeit zu einer der gesetzlich vorgegebenen Honorargruppen erforderlich (dazu unter aa) sowie in einem zweiten Schritt die Festlegung des insoweit vergütungsfähigen Zeitaufwands (dazu unter bb).

 

aa)      

Hinsichtlich der Bemessung der zu vergütenden Stundensätze sieht § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG a.F. entsprechend der Zuordnung zu einer bestimmten Honorargruppe Stundensätze zwischen 65 Euro und 125 Euro für die Honorargruppen 1 bis 13 und Stundensätze zwischen 65 Euro und 100 Euro für die speziellen medizinischen Honorargruppen M1 bis M3 vor. Die Zuordnung einer gutachterlichen Leistung zu einer Honorargruppe bestimmt sich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG a.F. nach der Anlage 1 des JVEG a.F. Ist die Leistung auf einem Sachgebiet zu erbringen, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 JVEG a.F.); dies gilt entsprechend, wenn ein medizinisches oder psychologisches Gutachten einen Gegenstand betrifft, der in keiner Honorargruppe genannt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 JVEG a.F.). Ist die Leistung auf mehreren Sachgebieten zu erbringen oder betrifft das medizinische oder psychologische Gutachten mehrere Gegenstände und sind die Sachgebiete oder Gegenstände verschiedenen Honorargruppen zugeordnet, bemisst sich das Honorar gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 JVEG a.F. einheitlich für die gesamte erforderliche Zeit nach der höchsten dieser Honorargruppen. § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG a.F. gilt jedoch entsprechend, wenn dies mit Rücksicht auf den Schwerpunkt der Leistung zu einem unbilligen Ergebnis führen würde (§ 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 JVEG a.F.).

 

In Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG a.F. (im Folgenden Anlage 1) werden die medizinischen Gutachten entsprechend ihrer Schwierigkeit in drei Honorargruppen (M1 - M3) eingeteilt. Unter die Honorargruppe M1 fallen nach der gesetzlichen Definition der Anlage 1 einfache gutachterliche Beurteilungen, insbesondere zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung. Die Honorargruppe M2 wird in der Anlage 1 wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-) Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. Hierunter sollen nach der Anlage 1 u.a. Gutachten in Verfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität fallen. Die Honorargruppe M3 erfordert dagegen nach der gesetzlichen Definition der Anlage 1 Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad, also Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen. Beispielhaft nennt die Anlage 1 hierzu u.a. Gutachten zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen oder Gutachten zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten.

Regelmäßig unterfallen die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit der Honorargruppe M2 (Thüringer LSG, Beschluss vom 18. November 2020 – L 1 JVEG 998/19 - Juris RdNr. 26; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A – juris RdNr. 54). Gutachten der Gruppe M3 erfordern dagegen umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen (Thüringer LSG, Beschluss vom 18. November 2020 – L 1 JVEG 998/19 - Juris RdNr. 26; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A – juris RdnR. 59). Die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein (Thüringer LSG, Beschluss vom 18. November 2020 – L 1 JVEG 998/19 - Juris RdNr. 26; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A – juris RdNr. 59). Es genügt nicht, wenn - wie in den meisten Gutachten erforderlich - differentialdiagnostische Überlegungen angestellt werden, sie müssen einen hohen Schwierigkeitsgrad haben (Thüringer LSG, Beschluss vom 18. November 2020 – L 1 JVEG 998/19 - Juris RdNr. 26).

 

Im vorliegenden Fall unterfällt das Gutachten der Honorargruppe M1. Es wurde eine einfache gutachterliche Beurteilung mit Blick auf eine Monoverletzung vom SG beauftragt. Ein Gutachten der Honorargruppe M2 wurde dagegen nicht angefordert. Das Gutachten erreicht keinen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad. Die Frage, ob die Teilentfernung des Innenmeniskus ambulant hätte durchgeführt werden können, erfordert keine durchschnittlich schwierigen Überlegungen, was auch in dem Gutachten selbst mehrfach deutlich wird. Zwar macht der Antragsgegner seitenlange Ausführungen zu den Erkrankungen Morbus Bechterew und Fibromyalgie der Frau E.; deren Relevanz für die Innenmeniskusschädigung wird dann aber jeweils mit einem Satz verneint (zum Morbus Bechterew: „Eine derartige Gelenkbeteiligung des rechten Kniegelenkes in Form einer entzündlichen Veränderung wurde jedoch nicht beschrieben.“, zur Fibromyalgie: „Eine mit einer Rheumaerkrankung einhergehende Schmerzstörung ist durchaus nicht ungewöhnlich, rechtfertigt jedoch keine stationäre Behandlung, da die Kniegelenkspiegelung selbst ein standardisierter und sehr schmerzarmer Eingriff ist, sofern keine weitreichenden Behandlungen am Knochen oder Knorpel durchgeführt werden.“) 

 

Ein höherer Schwierigkeitsgrad des Gutachtens ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsgegner in seinem Gutachten auf sieben Seiten Überlegungen dazu angestellt hat, ob die Meniskusschädigung kausal auf einen Unfall zurückzuführen sein könnte. Dazu bestand weder Anlass noch war dies vom SG erbeten worden. Die bausteinartigen Ausführungen, die keinerlei Bezug zum Fall aufweisen, können eine Einstufung des Gutachtens in eine höhere Honorargruppe insofern nicht rechtfertigen.

 

 

bb)      

Hinsichtlich der Festlegung des auf dieser Grundlage vergütungsfähigen Zeitaufwands ist anhand eines am Grundsatz der Erforderlichkeit der Vergütung orientierten abstrakten Maßstabs sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Gutachtensachverhalts, –gegenstands und –inhalts der für die auftragsgemäße Begutachtung objektiv anzusetzende zeitliche Umfang zu bestimmen.

 

(a)       

Wesentlich ist insoweit zunächst, dass für die Erstellung des Gutachtens nicht die individuelle Arbeitsweise des Sachverständigen und damit die tatsächlich aufgewandte Zeit maßgeblich ist, sondern gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG die für die Erstattung des Gutachtens erforderliche Zeit (Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07 – juris RdNr. 22; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98 – juris RdNr. 11). Diese ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand orientiert, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07 – juris RdNr. 22 und 23; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98 – juris RdNr. 11). Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07 – juris RdNr. 23; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98 – juris RdNr. 11).

Der Senat schließt sich dem Prüfungsansatz, der von den Angaben des Sachverständigen ausgeht, diesem einen Toleranzbereich von 15 % hinsichtlich der üblichen Erfahrungswerte zugesteht und bei Überschreitung der Toleranzgrenze lediglich auf Plausibilität überprüft, nicht an (so aber Thüringer LSG, Beschluss vom 15. April 2019 – L 1 JVEG 1120/18 – juris RdNr. 17; ebenfalls nur eine Plausibilitätsprüfung fordernd: Bayerisches LSG, Beschluss vom 15. Oktober 2020, L 12 SF 263/19 – juris RdNr. 63; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. September 2019 – L 1 R 469/15 B – juris RdNr. 24; Bleutge in: BeckOK Kostenrecht, Stand: 1. Januar 2021, § 8 JVEG RdNr. 12). Einem solchen Prüfungsansatz liegt nicht mehr der von § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG vorgegebene abstrakte Maßstab zugrunde, sondern letztlich eine Schätzung des Gerichts hinsichtlich der vom Sachverständigen benötigten Zeit. Abgesehen von dem Sonderfall des § 12 Abs. 1 Nr. 3, 2. Halbsatz JVEG ist aber dem Gesetz eine Schätzung des tatsächlichen Zeitaufwands als Grundlage eines nach Stundensätzen bemessenen Honorars fremd (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07 – juris RdNr. 22 und 24).

Den Senat überzeugt auch nicht der Ansatz, dass bei der Festsetzung der Vergütung von der Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen ausgegangen wird (so aber Bayerisches LSG, Beschluss vom 15. Oktober 2020, L 12 SF 263/19 – juris RdNr. 62; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 1. März 2018 – L 5 AR 202/17 B KO – juris RdNr. 10; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. September 2019 – L 1 R 469/15 B – juris RdNr. 24; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juli 2019 – L 10 KO 1952/19 B - juris RdNr. 7; Bleutge in: BeckOK Kostenrecht, Stand: 1. Januar 2021, § 8 JVEG RdNr. 5). Weder seine Angaben noch die von ihm tatsächlich aufgewendete Zeit sind nach der Vorgabe des § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG a.F. maßgebend.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Angaben des Sachverständigen zu der von ihm aufgewendeten Zeit bei der Vergütungsfestsetzung keinerlei Rolle spielen. Sie legen vielmehr die Obergrenze fest, die vergütet werden kann. Bei den Angaben des Sachverständigen zum Zeitaufwand handelt es sich um Tatsachenvortrag des Sachverständigen, den das jeweils befasste Gericht nicht daraufhin zu hinterfragen hat, ob der angesetzte Zeitaufwand vielleicht zu niedrig bemessen ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Februar 2020 – L 15 KR 690/19 B – juris RdNr. 12). Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Sachverständige den angegebenen Zeitaufwand tatsächlich (subjektiv) benötigt hat, weil für die Annahme, dass ein ärztlicher Sachverständiger einen geringeren als den tatsächlich angefallenen Zeitaufwand angibt, in der Regel kein Anlass besteht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Februar 2020 – L 15 KR 690/19 B – juris RdNr. 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. März 2006 - L 4 B 19/06 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2007 - L 4 B 1/07 -). Dieser grundsätzlich als gegeben anzunehmende tatsächliche Zeitaufwand ist lediglich darauf zu überprüfen, ob er objektiv erforderlich war. Ein Sachverständiger kann jedoch nie mehr als den Zeitaufwand vergütet bekommen, den er tatsächlich aufgewendet hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Februar 2020 – L 15 KR 690/19 B – juris RdNr. 12).

 

(b)       

Ausgehend von diesen Grundsätzen gliedert sich die Erstellung eines Gutachtens zur Gewährleistung eines objektiven Maßstabs hinsichtlich des erforderlichen Zeitaufwandes in vier vergütungspflichtige Arbeitsschritte (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Februar 2020 – L 15 KR 690/19 B – juris RdNr. 5; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Februar 2005 - L 4 B 7/04 -, juris Rn. 22 ff. m.w.N.):

- Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten,

- Untersuchung und Anamnese,

- Abfassung der Beurteilung (Ausarbeitung),

- Diktate und Durchsicht (Korrektur).

Diese vom Senat zugrunde gelegten Arbeitsschritte dienen der Strukturierung des Vergütungsanspruchs des Sachverständigen in tatsächlicher Hinsicht, um den vom Sachverständigen angesetzten Zeitaufwand justiziabel prüfen zu können. Durch diese Art der objektivierten Vergütung wird sichergestellt, dass sich der im Gutachten niederschlagende Zeitaufwand gemessen am Grundsatz der Erforderlichkeit in der Vergütung auch spiegelt (so auch: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. März 2017 – L 2 SF 113/16 E – juris RdNr. 8).

In der Sozialgerichtsbarkeit haben sich insoweit detaillierte Erfahrungswerte für die Zeiten von Aktenstudium, Untersuchung und Anamnese, Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen sowie Diktat und abschließende Durchsicht (Korrektur) herausgebildet, wobei diese allerdings unter den Obergerichten variieren (vgl. hierzu z.B. Binz in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl. 2019, §8 JVEG RdNr. 14 m.w.N.).

 

(aa)     

Für den Arbeitsschritt "Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten" erachtet der Senat unter Zugrundelegung des dargelegten objektiven Maßstabs zur Ermittlung des erforderlichen Zeitaufwandes sowie aus Gründen der Praktikabilität und der Handhabbarkeit für die Kostenbeamtinnen und -beamten einen einheitlichen Durchschnittswert von 100 Aktenseiten pro Stunde für angemessen.

 

Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten erfordern es, den vollständigen Tatsachenstoff sorgfältig durchzuarbeiten und zur Vorbereitung der nachfolgenden gutachterlichen Untersuchung und Anamnese Notizen und ggf. Aktenauszüge zu fertigen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2013 – L 15 SB 40/13 B – juris RdNr. 5). Zu berücksichtigen ist einerseits, dass ein mit der täglichen Durcharbeitung von Gerichtsakten nicht vertrauter Sachverständiger hierfür längere Zeit benötigt als ein in dieser Tätigkeit geübter Richter. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass für den medizinischen Sachverständigen nur bestimmte Aktenteile von Interesse sind, die er herauszusuchen und zu erfassen hat, soweit es für die Beantwortung der Beweisfragen notwendig ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2013 – L 15 SB 40/13 B – juris RdNr. 5).

 

Die Zeit, die ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen für das Zusammentragen des medizinischen Tatsachenstoffes durchschnittlich höchstens braucht, wird von den Landessozialgerichten dabei unterschiedlich beurteilt. Die Zeiten variieren zwischen einer Stunde für die Durchsicht von 75 Aktenblättern (Hessisches LSG, Beschluss vom 27. Februar 2007 – L 2 SF 112/05 P – juris RdNr. 29), einer Stunde für 80 Aktenblätter (Thüringer LSG, Beschluss vom 18. November 2020 – L 1 JVEG 998/19 – juris RdNr. 19), einer Stunde für mit medizinischen Befunden durchsetzte 100 Aktenblätter, wobei zum Aktenmaterial in diesem Sinne auch übersandte Röntgenaufnahmen und Ergebnisse anderer bildgebender Verfahren gehören (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. März 2017 – L 2 SF 113/16 E – juris RdNr. 3; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2013 – L 15 SB 40/13 B – juris RdNr. 7), einer Stunde für 125 Aktenblätter (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 8. Oktober 2012 –L 5 SF 64/11 KO - juris RdNr. 16) sowie – insoweit nach dem Inhalt differenzierend -  einer Stunde für die Durchsicht von 100 Aktenblättern mit allgemeinem Inhalt und einer Stunde für die Durchsicht von 50 Aktenblättern mit medizinischen Unterlagen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse 25. Januar 2006 – L 10 SF 9/05 -, vom 1. Dezember 2003 – L 4 SF 11/03 – und vom 31. Juli 2002 – L 4 SF 6/01) und einer Stunde für die Durchsicht von 150 bis 200 Aktenblättern mit allgemeinem Inhalt und einer Stunde für die Durchsicht von 100 Aktenblättern mit mindestens 25 % medizinischen Unterlagen (Bayerisches LSG, Beschluss vom 9. Mai 2018 – L 12 SF 40/17 - juris RdNr. 30).

 

Angesichts der Bandbreite der in der Rechtsprechung zugrunde gelegten Werte erscheint die Ansetzung eines einheitlichen Durchschnittswerts von 100 Aktenseiten pro Stunde – unabhängig vom medizinischen Anteil - beim Arbeitsschritt des Aktenstudiums angemessen und sachgerecht, soweit nicht außergewöhnliche Umstände ein Abweichen hiervon gebieten. Dieses Vorgehen entspricht dem zugrunde zu legenden objektivierten Maßstab, stellt einen Mittelwert der oben dargestellten Rechtsprechung dar, ist praktikabler als die Unterscheidung zwischen Aktenblättern allgemeinen Inhalts und Aktenblättern mit medizinischem Inhalt und berücksichtigt sowohl das Interesse des Sachverständigen an einer leistungsgerechten Vergütung als auch das öffentliche Interesse am sparsamen Einsatz öffentlicher Mittel. Ohne eine Trennung in medizinischen bzw. nichtmedizinischen Inhalt werden dabei im Rahmen einer pauschalisierten Mischkalkulation die erforderliche Sichtung etwaig umfangreicher und unübersichtlicher, im Ergebnis jedoch nicht medizinischer Unterlagen genauso in die Vergütungsbemessung einbezogen wie die Sichtung sonstigen Tatsachenstoffes, wie z.B. die Ergebnisse medizinischer bildgebender Verfahren, Modellen o.ä.  

 

Die Verwaltungsunterlagen umfassten im vorliegenden Fall fünf Blatt. Die Gerichtsakte wies zum Zeitpunkt der Übersendung an den Antragsgegner 58 Blatt auf. Die Patientenakte umfasste insgesamt 25 Seiten. Insgesamt errechnen sich 88 Blatt, die von dem Antragsgegner durchzusehen waren. Hierfür werden 0,88 Stunden angesetzt. 

 

(bb)     

Der zweite Arbeitsschritt „Untersuchung und Anamnese“ entfällt im vorliegenden Fall, weil ein Gutachten nach Aktenlage zu erstellen war.

 

(cc)     

Der dritte Arbeitsschritt "Abfassung der Beurteilung“ (Ausarbeitung) umfasst die Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen und deren nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Februar 2020 – L 15 KR 690/19 B – juris RdNr. 20). Dazu gehört die diktatreife Vorbereitung der Beurteilung - ohne Wiedergabe der Anamnese, der Untersuchungsergebnisse oder Befunde - einschließlich der Begründung der vom Sachverständigen getroffenen Schlussfolgerung, wie zum Beispiel die Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Vorgutachten, anderslautenden Befunden sowie die Auseinandersetzung mit kontroversen Meinungen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Februar 2020 – L 15 KR 690/19 B – juris RdNr. 20). In diesem Arbeitsschritt wird die eigentliche Gedankenarbeit im Zusammenhang mit der Auswertung der erhobenen Befunde, deren Würdigung im Hinblick auf die Beweisfragen sowie die diktatreife Vorbereitung abgegolten (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Februar 2020 – L 15 KR 690/19 B – juris RdNr. 20).

 

Bei der Frage, wie viele Stunden für die Ausarbeitung des Gutachtens und die Beantwortung der Beweisfragen üblicherweise nötig sind, ergibt sich zunächst die Notwendigkeit, die gelieferten Seiten in Standardseiten umzurechnen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. September 2019 – L 1 R 469/15 B - juris RdNr. 25; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 8.Oktober 2012 – L 5 SF 64/11 KO – juris RdNr. 18). Denn erfahrungsgemäß werden die Seiten eines Gutachtens sehr individuell und teilweise mit sehr großzügigen Schriftbildern und Rändern gestaltet. Es ist daher erforderlich, eine Normseite als Standardseite festzulegen (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. September 2019 – L 1 R 469/15 B - juris RdNr. 25; Bayerisches LSG, Beschluss vom 24. April 2014 – L 15 SF 368/13 -  juris RdNr. 34; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 8.Oktober 2012 – L 5 SF 64/11 KO – juris RdNr. 18). In Anlehnung an die DIN 1422 legt der Senat als Normseite eine Seite mit 1.800 Anschlägen zugrunde (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. September 2019 – L 1 R 469/15 B - juris RdNr. 25; Bayerisches LSG, Beschluss vom 24. April 2014 – L 15 SF 368/13 -  juris RdNr. 34).

 

In einem zweiten Schritt ist zu ermitteln, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, die gutachterlichen Ausführungen zu verfassen. Ebenso wie bei dem Arbeitsschritt „Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten“ wird auch bei diesem Arbeitsschritt der erforderliche Zeitaufwand von den Landessozialgerichten unterschiedlich beurteilt. Die Richtwerte reichen von einer (Norm)Seite pro Stunde (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. September 2019 – L 1 R 469/15 B - juris RdNr. 25; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 8.Oktober 2012 – L 5 SF 64/11 KO – juris RdNr. 19; Bayerisches LSG, Beschluss vom 24. April 2014 – L 15 SF 368/13 -  juris RdNr. 34; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – L 2/9 SF 82/04 - juris RdNr. 15; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2006 – L 10 SF 9/05) über eineinhalb (Norm)Seiten pro Stunde (Thüringer LSG, Beschluss vom 26. März 2012 – L 6 SF 132/12 E – juris RdNr. 17; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Januar 2014 – L 12 KO 4491/12 B – juris  RdNr. 16) bis hin zu zwei (Norm)Seiten pro Stunde (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. März 2017 – L 2 SF 113/16 E – juris RdNr. 6).

 

Der Senat geht in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen (vgl. Beschluss vom 25. Januar 2006 – L 10 SF 9/05) und im Hinblick darauf, dass dies von der überwiegenden Zahl der Landessozialgerichte (s.o.) auch so gehandhabt wird, weiterhin davon aus, dass das Verfassen einer Standardseite einschließlich einer etwaigen üblichen Literatur- und/oder Rechtsprechungsrecherche und deren Auswertung etwa eine Stunde dauert, wobei jedoch nur die Standardseiten zu berücksichtigen sind, die die nähere Begründung des Gutachtens enthalten, die das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können. Nur dieses „Kernstück“ des Gutachtens, also nur die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung, sind bei dem Arbeitsschritt "Abfassung der Beurteilung“ (Ausarbeitung) vergütungsfähig (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. September 2019 – L 1 R 469/15 B - juris RdNr. 26; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 8. Oktober 2012 – L 5 SF 64/11 KO – juris RdNr. 19; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – L 2/9 SF 82/04 - juris RdNr. 15). In den Fällen, in denen eine Vermischung mit der teilweisen Wiedergabe des Akteninhalts, der Anamnese und der Befunde erfolgt ist, muss daher zusätzlich die eigentliche Beurteilung zunächst herausgefiltert werden (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. September 2019 – L 1 R 469/15 B - juris RdNr. 26; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 8.Oktober 2012 – L 5 SF 64/11 KO – juris RdNr. 19; Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. Mai 2010 - L 15 SF 396/09 - juris RdNr. 23), unabhängig von der Honorargruppe. Denn die Schwierigkeit des Gutachtens wird bereits mit dem Stundensatz abgegolten und kann daher beim Zeitaufwand nicht zusätzlich berücksichtigt werden (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. September 2019 – L 1 R 469/15 B - juris RdNr. 26; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 8.Oktober 2012 – L 5 SF 64/11 KO – juris RdNr. 19).

 

Bei der Ermittlung dessen, was der “Beurteilung“ als nicht zugehörig herauszurechnen ist, ist allerdings mit Augenmaß und Zurückhaltung vorzugehen (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – L 15 SF 275/13 – juris RdNr. 52). Weder die Kostensachbearbeiter noch die Kostenrichter müssen sich bis in Einzelheiten gehend mit einem Gutachten auseinandersetzen und mit Akribie etwaige Wiederholungen, verzichtbare Ausführungen oder falsche Platzierungen von Textbestandteilen ausfindig machen (Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – L 15 SF 275/13 – juris RdNr. 52). Ebenso wenig wird erwartet, dass das ganze Gutachten bis ins Detail gehend daraufhin durchforstet wird, ob nicht auch an einer Stelle außerhalb des unter der Überschrift "Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen" enthaltenen Texts Textteile existieren, die dem Kernbereich des Gutachtens zuzurechnen sind (Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – L 15 SF 275/13 – juris RdNr. 53). Zu weitgehende Prüfpflichten für die Kostensachbearbeiter und Kostenrichter sind unrealistisch und auch nicht rechtlich geboten (Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – L 15 SF 275/13 – juris RdNr. 53). Dies ergibt sich schon daraus, dass bei der Vielzahl der abzurechnenden Gutachten eine gewisse Typisierung und Pauschalierung unverzichtbar ist (Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – L 15 SF 275/13 – juris RdNr. 53). Sowohl den Kostenbeamten als auch den Kostenrichtern fehlt naturgemäß die Sachnähe zum Gutachten, die der in der Sache zuständige Spruchkörper besitzt (Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – L 15 SF 275/13 – juris RdNr. 53). Letztlich sollen daher nur die Passagen unter der Überschrift „Beurteilung" unberücksichtigt bleiben, bei denen es auf der Hand liegt, dass sie nicht diesem Kernbereich des Gutachtens zuzurechnen sind (Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – L 15 SF 275/13 – juris RdNr. 53).

 

Die Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen und deren nähere Begründung erfolgte in dem vom Antragsgegner erstellten Gutachten auf den Seiten 27 Mitte bis Seite 34 Mitte und umfasst damit 7,0 Seiten. Hiervon sind allerdings die trotz des Hinweises im Anschreiben zur Beweisanordnung auf circa einer Seite wörtlich wiedergegebenen Beweisfragen zu subtrahieren. Nicht berücksichtigungsfähig ist weiterhin der letzte Bereich auf Seite 33 unten bis 34 Mitte, weil der Antragsgegner hier lediglich zutreffend darauf hinweist, dass der Vergütungsbetrag für die Behandlung nicht vom Sachverständigen festgelegt werden kann, sondern einer rechtlichen Würdigung bedarf, weshalb es sich der Einschätzungsmöglichkeit des medizinischen Sachverständigen entzieht (vgl. dazu: Beschluss des Senats vom 8. März 2021 - L 7 KO 7/18 (KR)). Insoweit kann es sich bereits nach der eigenen Bewertung des Antragsgegners gerade nicht um ein Kernstück des Gutachtens handeln. Es verbleiben damit 5,5 berücksichtigungsfähige Seiten.

 

Nicht in Betracht kommt dagegen, die ab der Überschrift „2. Zusammenfassung und Beurteilung“ (ab Seite 3 unten) erfolgten Ausführungen des Antragsgegners zusätzlich als Kernstück des Gutachtens zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass eine Zusammenfassung schon denknotwendig nicht vorliegt, wenn der nachfolgende Text 90 Prozent des Gutachtens ausmacht, beinhalten die Ausführungen zu einem großen Teil lediglich die Wiedergabe der Befunde. Es werden die Laborbefunde, der Entlassungsbericht, die Befunde in der Patientenakte, der Pflegedokumentation und die Dokumentation des Frühdienstes ausführlich wiedergegeben, wobei hier auch eine Zusammenfassung ausgereicht hätte, wie sie auf Seite 23 erfolgte. Teilweise werden die dargestellten Befunde sogar noch einmal wiederholt (Seite 19 bis 23: ausführliche Darstellung des Pflegeprotokolls; Seite 24 bis 27: inhaltliche Wiederholung der Ausführungen der Seiten 19 bis 23). Dies stellt erkennbar nicht das Kernstück des Gutachtens dar. Aber auch die Ausführungen des Antragsgegners auf den Seiten 4 bis 10, ob es sich um einen unfallbedingten oder nicht unfallbedingten Meniskusriss gehandelt habe, können nicht dem Kernstück des Gutachtens zugerechnet werden. Unabhängig von der Frage, wann ein Unfall in Bezug auf einen Meniskusriss zu einer Indikation für eine stationäre Behandlung führen kann, gab es hier jedenfalls aus der gesamten Anamnese keinerlei Anhaltspunkte für ein unfallbedingtes Ereignis und damit auch keine Notwendigkeit für entsprechende seitenlange Ausführungen. Dies hat der Antragsgegner mit dem Satz auf Seite 10 Mitte („Da sowohl ein Trauma, d.h. ein akutes Unfallgeschehen verneint wurde, als auch keine akute Schwellung vorlag und eine Beschwerdesymptomatik in Ruhe und bei Belastung seit etwa einem Jahr am rechten Kniegelenk bestand, ist folglich nicht von einer akuten Meniskusschädigung oder gar Meniskuseinklemmung auszugehen, da diese im Anamnesebogen explizit verneint wurde.“) auch selbst bestätigt. Die entsprechenden, teilweise bausteinartigen Ausführungen zur möglicherweise unfallbedingten Entstehung des Meniskusrisses waren daher entbehrlich und können entsprechend auch nicht vergütet werden. Das Gleiche gilt für die seitenlangen, bausteinartigen Ausführungen zu der rheumatischen und psychosomatischen Erkrankung der Patientin auf den Seiten 11 bis 16. Der Antragsgegner führt auf Seite 13 unten aus, dass „eine derartige Gelenkbeteiligung des rechten Kniegelenkes in Form einer entzündlichen Veränderung … nicht beschrieben“ wurde. Sämtliche Ausführungen zuvor zum Morbus Bechterew auf den Seiten 11 bis 13 waren damit entbehrlich. Auf Seite 16 stellt der Antragsgegner, nachdem er zuvor zwei Seiten (Seiten 14 und 15) lang das Krankheitsbild der Fibromyalgie dargestellt hat, fest, „eine mit einer Rheumaerkrankung einhergehende Schmerzstörung ist durchaus nicht ungewöhnlich, rechtfertigt jedoch keine stationäre Behandlung, da die Kniegelenkspiegelung selbst ein standardisierter und sehr schmerzarmer Eingriff ist“. Die seitenlange, bausteinartige Darstellung der Fibromyalgie war insofern zur Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen nach der eigenen Auffassung des Antragsgegners nicht erforderlich.

 

Da der Gutachter nicht die Normseite mit 1.800 Anschlägen, sondern Seiten mit 1.492 Anschlägen (33,5 Seiten mit insgesamt 50.000 Anschlägen) verwendet hat, sind die damit insgesamt vergütungsfähigen 5,5 Seiten auf Normseiten umzurechnen. Es errechnen sich 4,56 Normseiten. Ausgehend von einem Zeitaufwand von einer Stunde für die Ausarbeitung einer Normseite errechnet sich ein Zeitaufwand von 4,56 Stunden für die Ausarbeitung des Gutachtens.

 

(dd)     

Für den Arbeitsschritt „Diktat und Korrektur“ eines Gutachtens ist nach der ständigen Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 25. Januar 2006 – L 10 SF 9/05 -, vom 17. August 2004 – L 2 SF 4/04 – und vom 1. August 2001 – L 4 SF 3/01 –) und auch anderer Landessozialgerichte (Thüringer LSG, Beschluss vom 18. November 2020 – L 1 JVEG 998/19 – juris RdNr. 23; Bayerisches LSG, Beschluss vom 9. Mai 2018 – L 12 SF 40/17 - juris RdNr. 32; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Februar 2005 – L 4 B 7/04 – juris RdNr. 27; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – L 2/9 SF 82/04 - juris RdNr. 16) im Regelfall, also ohne ausnahmsweise eine abweichende Bemessung des Zeitaufwandes rechtfertigende besondere Gründe, ein erforderlicher Zeitaufwand von einer Stunde für circa bis zu sechs Seiten eines Gutachtens anzusetzen, wobei auch insoweit zur sachgerechten Berücksichtigung der individuell unterschiedlichen Schriftbilder und Seitenränder eine vorherige Umrechnung auf eine Normseite mit 1.800 Anschlägen erforderlich ist.

 

Im Gegensatz zum Arbeitsschritt "Abfassung der Beurteilung“ ist dabei allerdings nicht nur das „Kernstück“, sondern grundsätzlich das gesamte Gutachten mit allen für das Verständnis und die erforderliche Bewertung eines Gutachtens erforderlichen Neben- und Zusatzinformationen zu berücksichtigen, also z.B. auch die Wiedergabe der vom Gutachter erhobenen Untersuchungsbefunde, die Angabe der verwendeten und berücksichtigten Quellen etc.

 

Nicht vergütungsfähig sind in diesem Bereich allerdings ohne entsprechende ausdrückliche gerichtliche Beauftragung bzw. ohne eine zwingende Erforderlichkeit der Wiedergabe für die Verständlichkeit und Verwertbarkeit des Gutachtens Zusammenfassungen von Akteninhalten und von etwaigen zusätzlich eingeholten und vorliegenden Befundberichten sowie die Wiedergabe der Beweisfragen. Bereits in den Akten befindliche Unterlagen sind sowohl den Beteiligten als auch dem Gericht bekannt, weshalb insoweit im Regelfall eine ggf. verweisende Bezugnahme ausreicht, z.B. auf bestimmte Befunde, Diagnosen etc., während eine ausführliche wiederholende Darstellung im Gutachten selbst grundsätzlich entbehrlich und daher auch nicht zu vergüten ist, sofern nicht im Einzelfall, z.B. aufgrund der Komplexität des Sachverhalts, eine Darstellung des medizinischen Akteninhalts für die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens erforderlich war. Allein die etwaige Erleichterung für die Begutachtung und die spätere Lesbarkeit des Gutachtens genügt hingegen nicht. Insoweit ist der beauftragte Sachverständige im Rahmen der von ihm frei zu bestimmenden Herangehensweise an die Gutachtenerstellung selbstverständlich nicht gehindert, einen Aktenauszug als Arbeitsgrundlage für die Gutachtenerstellung zu fertigen. Hieraus resultiert aber nicht die Erforderlichkeit, diese interne Arbeitsgrundlage auch in den späteren zu vergütenden Gutachtentext aufzunehmen und entsprechend auch keine Erforderlichkeit für eine darauf bezogene Vergütung.

 

Der Gutachter hat trotz des Hinweises im Anschreiben zur Beweisanordnung in seinem Gutachten die Beweisfragen wörtlich wiedergegeben, weshalb der entsprechende Anteil zunächst abzuziehen ist. Dies führt dazu, dass von den 33,5 Seiten eine Seite aufgrund der wörtlichen Wiedergabe der Beweisfragen zu subtrahieren ist. Darüber hinaus scheidet auch eine Vergütung der seitenlangen, größtenteils bausteinartigen Ausführungen zur etwaigen unfallbedingten Entstehung des Meniskusrisses auf den Seiten 4 bis 11, zum Krankheitsbild des Morbus Bechterew auf den Seiten 11 bis 13 sowie zum Krankheitsbild der Fibromyalgie auf den Seiten 14 bis 16 aus. Für diese Ausführungen bestand, wie bereits oben dargestellt, weder nach der Anamnese noch nach den konkreten Beweisfragen des Gerichts Anlass, so dass weitere 13 Seiten abzuziehen sind. Schließlich finden sich auf den Seiten 24 bis 27 Wiederholungen der ausführlichen Darstellung der Seiten 19 bis 23, die ebenfalls nicht erforderlich waren. Sie führen zum Abzug weiterer 4 Seiten. Im Ergebnis errechnen sich somit lediglich 15,5 Seiten, die im Rahmen des Arbeitsschrittes „Diktat und Korrektur“ vergütungsfähig sind.  

 

Die verbleibenden 15,5 Seiten sind allerdings noch auf die Normseiten umzurechnen. Dies ergibt 12,85 Normseiten. Bei einem Zeitaufwand von einer Stunde für sechs Seiten errechnet sich ein Zeitaufwand für Diktat und Korrektur des Gutachtens von 2,14 Stunden.   

 

(ee)

Soweit sich nach den ausgeführten Vorgaben ein insgesamt ermittelter vergütungsfähiger Zeitaufwand mit einer nicht vollständigen Abrechnungsstunde errechnet, wird diese gemäß § 8 Abs. 2 JVEG voll gerechnet, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war, sowie anderenfalls bei weniger als 30 Minuten mit der Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags.

 

b)        

Sonstige Aufwendungen des Gutachters sind gemäß § 8 Abs. 1 JVEG zu erstatten, z.B. als Fahrtkostenersatz gemäß § 5 JVEG bzw. als Aufwandsentschädigung gemäß § 6 JVEG bei im Rahmen der Gutachtenerstellung erforderlichen Terminswahrnehmungen, als Ersatz für gefertigte Kopien gemäß § 7 JVEG oder als Aufwendungsersatz für Hilfskräfte oder für Schreibkosten gemäß § 12 JVEG.

 

Bei den nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG mit je 0,90 Euro je angefangenen 1.000 Anschlägen zu vergütenden Schreibkosten ist dabei - entsprechend der bereits erfolgten Ausführungen zur Aufwandsvergütung im Arbeitsschritt „Diktat und Korrektur“ - grundsätzlich das gesamte Gutachten mit allen für das Verständnis und die erforderliche Bewertung eines Gutachtens erforderlichen Neben- und Zusatzinformationen zu berücksichtigen, allerdings erneut ohne die nicht beauftragte bzw. nicht erforderliche Wiedergabe von Akteninhalten, Beweisfragen sowie nicht erforderlicher bausteinartiger Ausführungen. Von den geltend gemachten 50.000 Anschlägen sind insofern nur diejenigen vergütungsfähig, die auf die auch im Bereich „Diktat und Korrektur“ vergütungsfähigen 12,85 Normseiten entfallen, woraus sich 24.000 vergütungsfähige Anschläge errechnen (12,85 * 1.800 Anschläge = 23.130 Anschläge, aufgerundet auf 24.000 Anschläge).

 

Gleiches gilt auch bei den nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 JVEG mit je EUR 0,50 pro Seite für die ersten 50 Seiten und 0,15 Euro für alle weiteren Seiten zu vergütenden Gutachtenkopien, wobei zudem auch insoweit die Umrechnung auf Standardseiten mit jeweils 1.800 Anschlägen zu erfolgen hat. Es sind daher nur Kopien für 12,85 Normseiten (siehe oben unter dd), gerundet 13 Normseiten bei den Gutachtenkopien anzusetzen, die allerdings im Umfang von 26 Seiten zu vergüten sind, weil das SG das Gutachten in dreifacher Ausfertigung erbeten hat.

 

Die Erstattungsfähigkeit der Portokosten ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG a.F., die der Umsatzsteuer folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG a.F. Die Portokosten sind von der Umsatzsteuererstattung allerdings ausgenommen, weil diese von der Umsatzsteuer befreit sind und zwar unabhängig davon, ob der Versand durch die Deutsche Post AG erfolgt ist oder durch ein anderes Postdienstleistungsunternehmen. Die Befreiung der Portokosten der Deutschen Post AG für die Beförderung von Briefsendungen bis 2.000 Gramm sowie von adressierten Paketen bis 20 Kilogramm von der Umsatzsteuer ergibt sich aus § 4 Nr. 11b Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Post-Universaldienstleistungsverordnung (vgl. auch Bundesfinanzhof <BFH>, Urteil vom 6. Februar 2020 - V R 36/19, V R 30/15 – juris RdNr. 14). Die Befreiung der Portokosten der sonstigen Postdienstleistungsunternehmen von der Umsatzsteuer folgt aus Art. 132 Abs. 1 a) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Bundesfinanzhof <BFH>, Urteil vom 6. Februar 2020 - V R 36/19, V R 30/15 – juris RdNr. 15). Musste der Sachverständige also selbst keine Umsatzsteuer gegenüber dem Postdienstleistungsunternehmen zahlen, kann er insoweit gegenüber dem Auftraggeber auch keine Umsatzsteuerzahlung geltend machen.

 

6.        

Danach errechnet sich die Vergütung des Antragsgegners für das von ihm erstattete Sachverständigengutachten zusammenfassend wie folgt:

 

Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten:                                      0,88 Stunden

Abfassung der Beurteilung (Ausarbeitung):                                     4,56 Stunden

Diktat und Durchsicht (Korrektur):                                                    2,14 Stunden

Gesamt:                                                                                             7,58 Stunden

Gerundet                                                                                            8      Stunden

 

 

Sachverständigenhonorar (8,00 Stunden x 65 Euro):                        520,00 Euro

Schreibauslagen (rund 24.000 Anschläge x 0,90 Euro):                     21,60 Euro                 

26 Zweitschriften á 0,50 Euro:                                                              13,00 Euro                 

Zwischensumme:                                                                                 554,60 Euro   

19% Mehrwertsteuer:                                                                           105,37 Euro               

Zwischensumme                                                                                  659,97 Euro

Porto:                                                                                                        6,99 Euro       

Gesamtsumme:                                                                                  666,96 Euro                                                                                     

7.

Aufgrund der erfolgten Vergütungsfestsetzung kann schließlich dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfang bei einer die streitgegenständliche Klageforderung in Höhe von EUR 1.675,54 Euro deutlich überschreitenden Vergütungsforderung in Höhe von 2.904,06 Euro eine Herabsetzung der Vergütung gemäß § 8a Abs. 3 JVEG a.F. iVm § 407a Abs. 4 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen gehabt hätte.

 

8.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG a.F.).

 

9.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG a.F.).

Rechtskraft
Aus
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