Das Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft das Landkreises Leer (Ostfriesland) für die Zeit vom 01.05.2017 bis 30.04.2019 ist auch nach durchgeführter Nachbesserung nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung. Dies beruht bereits darauf, dass die Datengrundlage für das Gericht nicht nachvollziehbar ist.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in Bezug auf das Widerspruchsverfahren. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 10 %.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Höhe der Bewilligung der laufenden Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Kläger in den Monaten Juni bis Oktober 2018.
Die Klägerin zu 1) ist am G. geboren und lebt gemeinsam mit dem Kläger zu 2), ihrem Ehemann, geb. am H., im Bereich der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten in der I.. Sie bezogen jedenfalls von November 2017 bis Ende 2018 von der für den Beklagten handelnden Gemeinde Leistungen nach dem SGB II als „Bedarfsgemeinschaft“. Die Kläger wohnen seit dem 01.11.2016 in einer angemieteten Oberwohnung zu einer Größe von 85 qm. Für diese Wohnung ist eine Kaltmiete von 390,00 € zu zahlen (Bl. 20 Verwaltungsakten), hinzu kommen Nebenkostenabschläge von 110,00 € monatlich und Heizkosten von zunächst 57,00 € (Bl. 382 Verwaltungsakten) und danach 64,00 €. Wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes des Klägers zu 2) beantragten die Kläger im November 2017 erstmalig die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. In der Bearbeitung des Antrages informierte die für den Beklagten handelnde Gemeinde mit Schreiben vom 27.11.2017 über die ihrer Bewertung nach unangemessenen Wohnkosten und forderte die Kläger zur Kostensenkung auf. Ab dem 01.06.2018 sollten nur noch 349,00 € im Bereich der Bruttokaltmiete übernommen werden (Bl. 93 Verwaltungsakten). Diese Absenkung der Unterkunftskosten wurde mit einem Bescheid vom 08.05.2018 umgesetzt (Bl. 205 ff. Verwaltungsakten).
Mit Schreiben vom 28.08.2018 beantragten die Kläger die Überprüfung der ergangenen Bescheide nach dem SGB II über ihren Bevollmächtigten. Dieser Antrag wurde mit dem streitigen Bescheid vom 18.10.2018 wegen fehlender Vollmacht des Bevollmächtigten als unzulässig zurückgewiesen (Bl. 254 Verwaltungsakten).
Gegen diese Entscheidung legte der Bevollmächtigte unter dem 24.10.2018 Widerspruch ein und verwies darauf, dass die Vollmacht am 11.09.2018 per Telefax übermittelt worden sei (Bl. 256 Verwaltungsakten). In der Folge begründete der Bevollmächtigte nach Akteneinsicht mit Schreiben vom 10.12.2018 den Widerspruch auch inhaltlich im Hinblick auf die zu übernehmenden Heizkosten, Unterkunftskostenbeträge und Freibeträge wegen einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (Bl. 269 Verwaltungsakten). Mit dem streitigen Widerspruchsbescheid vom 03.05.2019 gab der Beklagten dem Begehren teilweise statt. Es wurden Heizkosten in Höhe von 64,00 € für den Zeitraum von Januar 2017 bis Juli 2018 dem Bedarf zugrunde gelegt und die Kosten für eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung für die Zeit von Juni bis Oktober 2018 abgesetzt. Im Bereich der Bruttokaltmiete erfolgte keine Stattgabe.
Mit ihrer Klage wenden sich die Kläger weiter gegen die Höhe der übernommenen Leistungen für die Bedarfe der Kosten der Unterkunft. Sie legen dar, dass das vom Beklagten seiner Absenkungsentscheidung zugrunde gelegte Konzept zur Ermittlung der höchsten angemessenen Wohnkosten nicht schlüssig sei. Es sei auf den Wert der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % abzustellen. Dieser Wohngeldwert sei nicht auf die für die I. festgelegte Mietstufe von I zu stützen, sondern mindestens die Stufe II sei zugrunde zu legen, weil die I. durch die Nähe zur J. geprägt sei. Hierzu bestätige das unschlüssige Konzept des Beklagten, dass am Wohnort der Klägerin höhere Mieten zu zahlen seien als im Bereich der Kreisstadt, deren Mietstufe mit II zugeordnet sei.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 18.10.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Leistungsbewilligungen nach dem SGB II für die Zeit von Juni bis Oktober 2018 insoweit abzuändern, als dass die tatsächlichen Unterkunftskosten von 500,00 EUR in Bezug auf die Bruttokaltmiete zugrunde gelegt werden.
Der Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die von ihm zugrunde gelegten Beträge für die angemessenen Kosten der Unterkunft der Kläger rechtmäßig ermittelt seien.
Dass diesen Beträgen zugrundeliegende Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft sei rechtmäßig erstellt und die diesem Konzept zugrundeliegende Mietwerterhebung erfülle die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an ein sog. „schlüssiges Konzept“ zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft formuliere. Weitere Ansprüche der Kläger könnten nicht bestehen, insbesondere sei im Rahmen einer alternativen Berechnung und Heranziehung der Wohngeldtabelle nur auf die Mietstufe I abzustellen, welche selbst inklusive eines Sicherheitszuschlages im streitigen Zeitraum für die klägerische Bedarfsgemeinschaft den von ihm in seinem Konzept angenommenen Betrag unterschreite.
Das Gericht hat am 23.06.2021 eine mündliche Verhandlung in der Angelegenheit unter Einvernahme eines sachverständigen Zeugen durchgeführt. Bezüglich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme wird auf das in den Akten befindliche Protokoll Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte dem Begehren d. Kl. insoweit entsprochen, als ein Betrag von 418 € den Unterkunftskosten zugrunde gelegt wurde, wie er sich aus dem Konzept d. Beklagten ergibt. Dieses Teilanerkenntnis haben die Kläger angenommen.
Weiterer Gegenstand der Entscheidungsfindung war der Inhalt der Gerichtsakte sowie der Inhalt der vom Beklagten überreichten Verwaltungsvorgänge.
Entscheidungsgründe
Der streitige Bescheid vom 18.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2019 ist nach Abgabe und Annahme des Teilanerkenntnisses des Beklagten rechtmäßig ergangen und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger können für die Zeit von Juni bis Oktober 2018 keine weiteren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beanspruchen.
Streitgegenständlich ist der Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides, so dass hier durch das Gericht eine Sachentscheidung des Beklagten zu bewerten ist, die Frage der Zulässigkeit des ursprünglichen Antrags bedarf nicht mehr der Bewertung. Die Beteiligten haben den Streitgegenstand des Verfahrens in rechtmäßiger Weise auf die Höhe der zu bewilligenden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) handelt es sich bei den Leistungen für diese Bedarfe um einen Streitgegenstand der inhaltlich von der Regelleistung abgrenzbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 34/19 R; BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 78 RdNr 10 jeweils zit. n. Juris).
Die Klägerin zu 1. ist Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die maßgebliche Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, § 7 Abs. 1. Nr. 1 SGB II. Die Kläger haben den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II. Die Klägerin zu 1. ist erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II, da dem Sachverhalt und dem Vorbringen der Beteiligten keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung zu entnehmen sind, die die Klägerin zu 1. an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 3 Stunden täglich hindern könnte. Die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. sind gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9, 11, 12 SGB II in dem aus dem angegriffenen Bescheid sowie dem Anerkenntnis ersichtlichen Umfang hilfebedürftig. Sie können voraussichtlich für die Dauer von 6 Monaten weder über ein eigenes den Hilfebedarf deckendes Einkommen gemäß § 11 SGB II noch über ein für die sofortige Verwertung zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 SGB II verfügen. Der Kläger zu 2. gehört gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II als Partner zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1.
Die Kläger können der festzustellenden Unschlüssigkeit des Konzeptes des Beklagten zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft zum Trotz (hierzu s.u.) keine über die vom Beklagten bereits bewilligten Leistungen hinausgehenden Leistungen für die Bedarfe für die Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 SGB II beanspruchen. Die Unschlüssigkeit des Konzeptes konnte nicht im Wege einer Nachbesserung korrigiert werden, die deswegen höchst hilfsweise heranzuziehende Begrenzung der tatsächlich zu übernehmenden Unterkunftskosten durch die Werte der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WOGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlage von 10 % führt nicht zu einem höheren Anspruch der Kläger.
Die maßgebliche Regelung des § 22 Abs. 1 SGB II lautete in der im Streit stehenden Zeitraum maßgeblichen Fassung vom 17.07.2017: Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendung für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenem Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf solange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
Die Kläger können im streitigen Zeitraum nicht unter Anwendung der Regelung des § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II die Übernahme ihrer vollen tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten beanspruchen. Der Beklagte hat in den Leistungsbewilligungen für Juni bis Oktober 2018 in rechtmäßiger Weise die übernommenen Leistungen auf das Angemessene abgesenkt. Diese Absenkung auf das nach Auffassung eines Leistungsträgers angemessene Maß erfordert nach ständiger Rechtsprechung (vgl. bereits: Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 78/09 R, jeweils zitiert nach Juris) dass der Betroffene von der Unangemessenheit seiner Aufwendungen von Unterkunft und Heizung Kenntnis hat und er abstrakt in der Lage ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Es muss eine sog. „Kostensenkungsaufforderung“ im Sinne eines Informationsschreibens mit Aufklärungs- und Warnfunktion vom Leistungsträger an den Leistungsempfänger gerichtet worden sein. Dabei muss inhaltlich die Angabe eines Mietpreises in dem Kostensenkungsschreiben aufzufinden sein. Hierbei ist nach zutreffender Ansicht alleine erforderlich, dass der Leistungsträger den nach seiner Auffassung angemessenen Mietpreis angibt (BSG, Urteil vom 01.06.2010 a.a.O.). Dies ist gegenüber den Klägern mit Schreiben vom 27.11.2017 den Anforderungen der genannten Rechtsprechung entsprechend erfolgt.
Der Beklagte kann die Kosten nicht rechtmäßig auf das aus seinem Konzept ersichtliche angemessene Maß beschränken. Das Konzept stellt sich als unschlüssig bezüglich des Wertes für die angemessenen Bruttokaltmietwerte dar. Der in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II aufgeführte Begriff der angemessenen Unterkunftskosten unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten Kontrolle durch das erkennende Gericht. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungshöhe sind im Sinne einer Produkttheorie die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Dann ist ein angemessener Standard in Bezug auf Ausstattung, Lage und Bausubstanz zu ermitteln, der einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Unter Anwendung der Produkttheorie ist in der Folge zu ermitteln, ob das Produkt aus Wohnfläche und Standard, der sich in der Quadratmetermiete niederschlägt, angemessen ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R; Urteil vom 30.01.2019 – B 14 AS 24/18 R; Urteil vom 17.09.2020 – B 4 AS 22/20 R, jeweils m. w. N. zitiert nach Juris).
Im Rahmen der Produkttheorie ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße für eine leistungsberechtigte Person zu bestimmen. Diese angemessene Wohnfläche bestimmt sich im Land Niedersachsen, dem Wohnort der Kläger, nach den „Wohnungsbauförderbestimmungen“, die Wohnflächen unter Abstellen auf die Zahl der Bewohner ausweisen (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012 – B 4 AS 44/12 R, zitiert nach Juris). Für die beiden Kläger ist unter Heranziehung dieser Bestimmungen eine Wohnfläche von 60 qm als Angemessenheitsgrenze zu berücksichtigen und im Rahmen der Produkttheorie einzustellen.
Zur Ermittlung des angemessen Wohnstandards und des daraus folgenden Quadratmeterpreises hat der Beklagte mit seinem Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU) von Dezember 2020 in Nachbesserung kein den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechendes Konzept vorgelegt und angewandt, so dass hilfsweise die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlages zugrunde zu legen sind. Diese Bewertung beruht darauf, dass der Beklagte seinem Konzept keine nachvollziehbare und schlüssige Datenbasis zugrunde gelegt hat.
Bezüglich der Bemessung des maßgeblichen Quadratmeterpreises soll ein schlüssiges Konzept dafür Gewähr bieten, dass die Verhältnisse des Mietwohnungsmarktes im Vergleichsraum realitätsgerecht abgebildet werden. Die Schlüssigkeit eines Konzeptes erfordert auch in Anbetracht der dem Leistungsträger zugestandenen Methodenvielfalt eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von Ghettobildung sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten erläutert wird (grundlegend bereits: BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R; ebenso, Urteil vom 17.09.2020 – B 4 AS 22/20 R; Urteil vom 30.01.2019 – B 14 AS 24/18 R m. w. N. , zitiert nach Juris).
Die Datenbasis des Konzeptes darf dabei regelmäßig nicht nur Daten von SGB II und anderen Leistungsempfängern umfassen, weil es sich hierbei um einen Zirkelschluss bezüglich der Mietkosten handelt (BSG, Urteil vom 17.09.2020 – B 4 AS 22/20 R; Urteil vom 18.11.2014 – B 4 AS 9/14 R; Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R, jeweils zitiert nach Juris). Die Einbeziehung von Daten der Bezieher von Leistungen nach SGB II und SGB XII bei der Datenerhebung kann nur dann methodischen Mindestanforderungen an schlüssiges Konzept entsprechen, wenn der Gefahr einer unvollständigen Erfassung des Wohnungsmarktes durch geeignete Gegenmaßnahmen entgegengetreten wird, wie zum Beispiel der Rückgriff auf eine breitere Datengrundlage, Extremwertkappung oder auch ein iteratives Rechenverfahren (vgl. Sozialgericht Magdeburg, Urteil vom 22.02.2021 – S 32 AS 381/19 WA, zitiert nach Juris).
Aus dem Konzept selbst sowie aus dem Vorbringen des Beklagten, welches der sachverständige Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2021 nachvollziehbar bestätigt hat, ist ersichtlich, dass der Beklagte im Ergebnis zwei Konzepte zur Ermittlung von Mietwerten hat erstellen lassen. Zum einen hat er ein „Bestandsmietenkonzept“ erstellen lassen und zum anderen ein „Angebotsmietenkonzept“, aus den sich jeweils ergebenden Werten wurde dann ohne weitere Gewichtung der Mittelwert angesetzt. Die Kammer braucht keine Bewertung dazu zu treffen, ob diese Vorgehensweise von der Methodenvielfalt des Leistungsträgers gedeckt ist, weil bei beiden Bestandteilen des Konzeptes die Datengrundlage für das Gericht nicht nachvollziehbar ist.
Bezüglich des „Angebotsmietenteils“ hat der Beklagte ausschließlich auf die „Onlinedatenbank“ der „IMV Immobilienmarktdatenvertriebs-GmbH aus 85293 Reichertshausen“ zurückgegriffen. Diese Angebotsmieten wurden nach dem Konzept für die Zeit von Januar 2016 bis zum 17.09.2017 abgefragt. Dabei gilt das Konzept für die Zeit ab dem 01.05.2017. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grunde der Gültigkeitszeitraum des Konzeptes vom Erhebungszeitraum abweicht. Dieser Aspekt ist jedoch nicht alleine entscheidungserheblich, weil die Datenbasis auch aus anderen Gründen nicht nachvollziehbar ist. Bezüglich der Angebotsmieten konnte weder vom Zeugen noch vom Beklagten dargestellt und erläutert werden, aus welchem Grund sich diese nicht auf den gleichen Zeitraum beziehen wie die Bestandsmieten, nämlich den Zeitraum 2014 bis 2017. Dies auch ist jedoch für das Gericht nicht allein entscheidungserheblich. Es ist weiter nicht erkennbar, nach welchen Kriterien zum einen die Daten tatsächlich abgefragt wurden, dies hätte eventuell noch ermittelt werden können. Auch dies ist jedoch nicht notwendig, weil aus dem Vortrag des Beklagten und seinem Konzept zum anderen nicht erkennbar ist, nach welchen Gesichtspunkten der Dienstleister „IMV GmbH“ seine Daten erhebt und ermittelt. Das Gericht kann nicht überprüfen, ob die Vorgehensweise des Dienstleisters eine Gewähr für die Heranziehung des gesamten erforderlichen Datenbestandes im Sinne der Rechtsprechung bietet. Ohne dass dies noch entscheidungserheblich wäre, hätte das Gericht auch Zweifel an der Repräsentativität der Datensätze im konkreten Fall, so sind 543 Datensätze ausgewertet und auf ca. 240 Tabellenfelder verteilt worden. Auch wenn der sachverständige Zeuge generell angibt, dass deutlich geringere Zahlen von Daten bereits repräsentativ sind und im Wege einer Regression zu validen Daten führen, so hätte das Gericht hier jedoch gewisse Zweifel. Entscheidend für die Annahme einer Unschlüssigkeit der Datengrundlage des Angebotsmietenteils ist weiter der Umstand, dass der Zeuge bezüglich der Datenbasis weiter bekundet hat, dass nur Angaben mit Baujahr der Immobilie verwendet wurden und Angaben ohne Immobilienbaujahr nicht verwertet bzw. abgerufen wurden. Dieses Vorgehen verschließt nach Bewertung des Gerichtes einen großen Teil des Angebotsmietenmarkts, da gerichtsbekannt das Baujahr der vermieteten Immobilie eher selten in Immobilien-Mietangeboten aufgenommen wird.
Für eine solche Angabe besteht bei Mietangeboten in der Regel kein nachvollziehbarer Grund, nur in Ausnahmefällen könnte dies erheblich sein. In diesem Bereich des Angebotsmietenteils wäre das Konzept unter Umständen den zahlreichen Bedenken, die oben aufgeführt wurden, zum Trotz eventuell noch durch eine Aufforderung zur Nachbesserung und Vorlage aller verfügbaren Daten zu korrigieren gewesen. Eine Bereitschaft hierzu hat der Beklagte jedoch nicht mitgeteilt. Eine weitergehende Aufforderung ist aus dem Grunde nicht erforderlich, als das ebenfalls hälftig gewichtete Bestandsmietenkonzept keine zulässige Datengrundlage verwendet. Nach dem Konzept selbst bzw. der zugrundeliegenden Mietwerterhebung, gab es etwa 10.500 Angaben, wovon nach Entfernung der nicht plausiblen und ungeeigneten Werte 5300 Angaben verblieben. Von diesen 5300 wiederum stammten 4402 aus Datensätzen des Beklagten als Wohngeldstelle und 290 aus Datensätzen des Beklagten als Träger der Leistungen nach dem SGB II. 179 weitere Datensätze stammten aus der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses, welche nach Auskunft des Zeugen nachrichtlich ebenfalls Mietpreise enthält bezüglich der in den letzten Jahren veräußerten Immobilien. Des Weiteren stammen 543 Datensätze von der IMV GmbH und sind für den bereits bewerteten Angebotsmietenteil verwertet worden. Bezüglich dieser Datengrundlage ist ohne Heranziehung weiterer Bedenken bereits erkennbar, dass sie nicht den Anforderungen der Rechtsprechung (s.o.) entspricht. Die vom Beklagten für seinen Bestandsmietenteil des Konzeptes gewählte Datenbasis umfasst ca. 90 % Daten von Leistungsempfängern nach dem SGB II bzw. dem Wohngeldgesetz. Hier ist erkennbar, dass es sich nicht um ein Abbild des tatsächlichen Gesamtwohnungsmarktes handelt. Empfänger von Leistungen nach dem SGB II bzw. von Wohngeld können sich nach Bewertung des Gerichtes in aller Regel nur auf ein eher günstiges Wohnungsmarktsegment konzentrieren. Bei diesen Personengruppen handelt es sich auch in Bezug auf die Wohngeldempfänger jedenfalls nicht um Personen mit hohem oder auch nur durchschnittlichem Einkommen. Diese Einschätzung des Gerichts wird durch die Darstellung des sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung indiziell bestätigt. Dieser hat bekundet, dass grob geschätzt zwischen den sich aus dem Bestandsmietenkonzeptteil ergebenden Quadratmeterpreisen und denjenigen nach dem Angebotsmietenteil eine Differenz von 20 % oder mehr als ein Euro pro Quadratmeter liege. Dies belegt nachvollziehbar die unterschiedlichen Wohnungsmarktsegmente. Des Weiteren erkennt die Kammer, dass selbst diese fehlerhafte Grundlage des Bestandsmietenkonzeptes nicht nachvollzogen werden kann. Gerichtsbekannt und bestätigt durch Bekunden der Beteiligten dürften ca. 4000 Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II im maßgeblichen Zeitraum existieren. Nach Bekunden des sachverständigen Zeugen, wiederum bestätigt durch das Vorbringen des Beklagten, sind alle Datensätze dieser Leistungsbezieher nach dem SGB II zur Auswertung im Sinne der „Rohdaten“ übermittelt worden.
Jedoch konnte der Zeuge ebenso wenig wie der Vertreter des Beklagten erläutern, aus welchem Grund von diesem ca. 4000 Datensätzen nur 290 überhaupt verwertet wurden, gar nur verwertbar gewesen sein sollten. Die Vermutung des Vertreters des Beklagten, dass die Datenpflege im Bereich des SGB II durch die Mitarbeiter des Beklagten nicht ausreichend sei, mag als Vermutung dahinstehen. Wenn man dies jedoch als wahr unterstellen würde, würde sich der Datenbestand wegen fehlender Nachvollziehbarkeit ohnehin entwerten. Des Weiteren ist erstaunlich und ebenfalls nicht nachvollziehbar, dass korrespondierend 4402 Datensätze aus dem Bereich der Wohngeldempfänger verwertet werden konnten. Wenn man annimmt, dass – wie der Beklagte bekundet hat – auch alle Wohngelddatensätze übermittelt worden sind, kann man errechnen, dass im Bereich des Wohngeldes ein nur sehr geringer Anteil als nicht plausibel bzw. unverwertbar ausgefallen ist. Diese Berechnung ergibt sich daraus, dass 10.500 Datensätze nach dem Konzept übermittelt wurden, hiervon ca. 4000 aus dem Bereich des SGB II stammen, also ca. 6.500 verbleiben, hiervon die 543 Angebotsmieten-Datensätze sowie 179 Datensätze aus der Kaufpreissammlung abgezogen werden müssen, folglich ca. 5.800 Datensätze aus dem Bereich des Wohngeldbezugs stammen, wovon 4400 verwertbar waren. Auch diese deutlich bessere Verwertbarkeit von Datensätzen konnte weder durch den sachverständigen Zeugen noch durch den Beklagten aufgeklärt werden. Von daher stellt es sich für das Gericht nicht mehr als entscheidungserheblich dar, dass im vorliegenden Fall fast ausschließlich Daten von Leistungsbeziehern nach unklaren Grundsätzen einbezogen wurden und damit im Sinne der obigen Rechtsprechung ein Zirkelschluss vorliegt. Eine Korrektur durch Ansatz eines Spannenoberwertes hat d. Beklagte nicht vorgenommen. Die eventuell beabsichtigte Korrektur durch das hälftig bewertete Angebotsmietenkonzept vermag das Gericht bereits wegen dessen fehlender Plausibilität (s.o.) nicht zu überzeugen. Eine Nachbesserung im Sinne eines Rückgriffes auf größere Datenbestände im Bereich des Bestandsmietenteils ist nach Bekunden des Beklagten wie auch des sachverständigen Zeugen nicht möglich. Von daher scheidet ein Rückgriff auf eine breitere Datengrundlage zur Überprüfung/Plausibilisierung aus. Auch konnte bzw. sollte ein Vorgehen im Sinne eines iterativen Rechenverfahrens (eines Vergleiches von Kostensenkungsaufforderungen zur Anzahl der Leistungsbezieher) nicht durchgeführt werden.
Der Beklagte konnte die vom Gericht vorgetragenen Bedenken, insbesondere der fehlenden Repräsentativität der Wohngelddaten wie auch der SGB II-Daten nicht entkräften. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass in der Rubrik der Wohngeldempfänger Wohnungen erhalten sein können, die teurer sind als eine nach dem SGB II angemessene Wohnung. Hierzu jedoch können weder Datengrundlage noch Auswertungen tatsächlich nachvollzogen werden. Der Beklagte hat im Rahmen des Bestandsmietenteils nicht zur Korrektur des problematischen Datenbestandes im Sinne der Rechtsprechung des BSG (vgl. hier: Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 131/10 R, zitiert nach Juris) als Angemessenheitsgrenze die obere Preisgrenze des Segments gewählt.
Da das Konzept unschlüssig ist und nicht nachgebessert werden kann, hat der Beklagte die tatsächlichen Aufwendungen für den Bedarf der Kosten der Unterkunft der Kläger zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem Wohngeldgesetz zuzüglich eines Zuschlages von 10 % (stRspr. zuletzt BSG, Urteil vom 30.01.2019 – B 14 AS 24/18 R – m. w. N., zitiert nach Juris). Hieraus resultiert kein höherer Anspruch der Kläger. Nach aktueller Bewilligungslage durch den Beklagten sind 418,00 € im streitigen Zeitraum zugrunde gelegt worden. Der maßgebliche Betrag des § 12 WoGG in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung vom 02.10.2015 ergibt für die I., den Wohnort der Kläger, bei ausgewiesener Mietstufe I für eine 2-Personen-Bedarfsgemeinschaft einen Betrag von 378,00 €, was zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % einen Betrag von 415,80 € erreicht.
Das Gericht stellt entgegen der Bewertung der Klägerseite hierbei auf die ausdrücklich ausgewiesene Mietstufe I für den Wohnort der Kläger ab. Dem Vorbringen der Kläger, dass wegen der Nähe des Wohnortes zur J. mindestens Mietstufe II angezeigt sei, kann nicht gefolgt werden. Die Kläger legen zur Begründung ihrer Bewertung dar, dass die Mieten auch nach dem als unschlüssig verworfenen Konzeptes des Beklagten für ihren Wohnort teilweise höher seien als für die Stadt K. und deswegen plausibel eine höhere Wohngeldstufe anzusetzen sei. Diese Annahme der Klägerseite findet jedoch im aktuell angewandten nachgebesserten – wenn auch unschlüssigen - Konzept des Beklagten keinen Niederschlag. Die Kläger beziehen sich bezüglich dieser Argumentation auf die zunächst nicht nachgebesserte Fassung des Konzeptes aus dem Jahre 2017. Von dieser nicht nachgebesserten Fassung jedoch kann nicht ausgegangen werden. Nach der zuletzt vom Beklagten allein angewandten Fassung seines Konzeptes übersteigen die Angemessenheitsgrenzen für den Bereich der Stadt K. durchgängig den Wert am Wohnort der Kläger. Die weitere Argumentation, dass der Wohnort der Kläger durch die Nähe zur Kreisstadt besonders geprägt sei und daher die gleiche Mietstufe wie für die Kreisstadt anzuwenden sei, vermag das Gericht ebenfalls nicht zu überzeugen. Zwar hat das Bundessozialgericht in einer Entscheidung vom 16.06.2015 (Az.: B 4 AS 44/14 R, zitiert nach Juris) entscheiden, dass unter Umständen bei kreisangehörigen Gemeinden ohne eigene Mietstufe die Mietstufe einer anderen Gemeinde im Vergleichsraum zugrunde zu legen sei. Diese Konstellation liegt hier nicht vor. Dem Wohnort der Kläger in der I. ist eine eigene Mietstufe von I zugewiesen. Es handelt sich nicht um eine kreisangehörige Gemeinde ohne eigene Mietstufenzuweisung (siehe Anlage zu § 12 Abs. 3 der Wohngeldverordnung). Neben diesem bereits formalen Aspekt stellt das Gericht - ohne dass es noch für die Entscheidung erheblich wäre -, fest, dass tatsächlich keine Prägung der Lebens- und Wohnverhältnisse am Wohnort der Kläger durch die benachbarte J. vorliegt. In dem der zitierten Entscheidung des BSG (a.a.O.) zugrundeliegenden Sachverhalt lag eine Prägung im Sinne einer Repräsentativität des Wohnorts der Kläger durch eine im Vergleichsraum befindliche andere Gemeinde vor, die eine signifikant höhere Mietenstufe auswies (VI statt III).
Diese Situation ist im Verhältnis vom Wohnort der Kläger zur J. nicht gegeben, es handelt sich nicht um den gleichen Vergleichsraum. Die Kreisstadt ist einem anderen Vergleichsraum rechtmäßig zugeordnet. Wie das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung entscheidet, handelt es sich bei der J. und dem nördlichen Gebiet des Landkreises, in dem Wohnort der Kläger liegt, um unterschiedliche Vergleichsräume (vgl. zuletzt: Sozialgericht Aurich, Urteil v. 23.06.2021, Az.: S 55 AS 24/21, Urteile vom 27.10.2020, Az.: S 55 AS 452/19 und S 55 AS 66/17). Der rechtmäßig bestimmte Vergleichsraum des nördlichen Kreisgebietes ist prägend auch für den Wohnort der Kläger.
Das Gericht verkennt nicht, dass in Anbetracht obiger Argumentation eine Prüfung der Schlüssigkeit des Konzeptes im konkreten Fall der Kläger unter Umständen dahinstehen konnte. Jedoch erkennt das Gericht ein Erfordernis dieser Überprüfung. Ein Konzept kann nach Rechtsprechung des BSG nachbesserungsfähig sein und daher können unter Heranziehung anderer mathematisch-statistischer Auswertungsmethoden bzw. weiterer Daten andere, eventuell höhere Werte bezüglich der Angemessenheitsgrenze sich ergeben. (vgl. oben) Dies gilt insbesondere in Anbetracht der geringen Differenz zwischen dem nach dem Konzept ersichtlichen Angemessenheitswert und dem oben aufgeführten Wohngeldtabellenwert.
Anhaltspunkte für eine konkrete Angemessenheit der bewohnten Wohnung sind nicht vorgetragen und für das Gericht auch nicht aus anderen Quellen ersichtlich. Des Weiteren ist auch nicht erkennbar, dass den Klägern im streitigen Zeitraum keine zumutbare Wohnungsalternative offen gestanden hätte. Die Kläger haben zu dieser Frage keinen Vortrag erbracht. Von daher geht das Gericht davon aus, dass er keine nachweisbaren Bemühungen zum Erhalt anderweitigen Wohnraums entfaltet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf die Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Eine Ausdifferenzierung zur Widerspruchsentscheidung war angezeigt.