L 16/4 KR 18/20

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
1. Instanz
SG Stade (NSB)
Aktenzeichen
S 29 KR 160/19
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 16/4 KR 18/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 10. Dezember 2019 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.636,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 9. August 2018 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Der Streitwert wird auf 3.636,48 Euro festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung eines Mitglieds der Beklagten im Hause der Klägerin.

Die Klägerin ist Trägerin eines gemäß § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses. Dort wurde im Zeitraum 15. März 2018 bis 11. April 2018 der bei der Beklagten versicherte, am J. April 19K. geborene L. stationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte notfallmäßig aufgrund von rechtshirnigen Infarkten. Bei Kreislaufstabilität wurde der Versicherte zunächst auf der Intensivstation behandelt. Es bestanden eine Exsikkose, eine Tachyarrhythmie sowie eine Rhabdomyolyse. Am 16. März 2018 wurde der Versicherte auf die Stroke-Unit verlegt, wo eine ACI-Stenose rechts, sowie ein intermittierendes Vorhofflimmern diagnostiziert wurden. Nach einer weiteren Verlegung in die Gefäßchirurgie erfolgte am 29. März 2018 die Operation der ACI-Stenose. Postoperativ kam es zu einem ACI-Verschluss sowie zu einem neu aufgetretenen rechtshirnigen Infarkt. Es folgten eine PEG-Anlage sowie rezidivierende pulmonale Infekte. Am 11. April 2018 wurde der Versicherte in die neurologische Frührehabilitation entlassen.

 

Am 12. April 2018 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung auf Grundlage der Diagnosis Related Group (DRG) B39B (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls mit bestimmter OR-Prozedur, bis 72 Stunden mit komplexem Eingriff oder mehr als 72 Stunden, ohne kompl Eingr, ohne kompliz Konst, ohne intensivmed Komplexbehandlung > 392 / 368 / - Punkte) 16.393,21 Euro in Rechnung. Dabei kodierte sie unter Anderem den OPS 8-981.1 (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden). Die Beklagte glich die Rechnung zunächst vollständig aus, schaltete aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Überprüfung der Verweildauer sowie der Prozeduren ein. Dieser zeigte der Klägerin die Prüfung mit Schreiben vom 17. April 2018 an und forderte mit weiterem Schreiben vom 24. April 2018 unter Fristsetzung bis zum 19. Juni 2018 folgende Unterlagen an:

 

-        kumulatives Laborblatt

-        Krankenhausentlassungsbericht

-        Fieberkurve/Stationskurve

-        Ärztliche Visitenanordnung

-        Anamnese/Aufnahmebefund

-        OP-Bericht (29.03.18, 04.04.18)

-        Pflegebericht

-        Sonstiges (PKMS: Pflegedoku, Pflegeplanung [wenn vorhanden], zusätzl alle erforderl Unterlagen für die Abrechnung hochaufwändige Pflege/PKMS-Erhebungsbogen, PKMS-Pflegemaßnahmenbogen u entsprechende Doku [Bewegungsplan, Isolierungsmaßn, PKMS Interventionsbogen, Lagerungsbogen, Ernährungs-/Flüssigkeitsprotokoll], Pflegetätigkeitsnachweise)

-        Doku über den OPS 8-981.1: NIH-Stroke-Scale, Nachweis der kontinuierlichen Überwachung von 6 Vitalparametern)

 

Die Klägerin reichte in der Folge eine Reihe von Unterlagen ein. Mit Gutachten vom 3. August 2018 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass zwar die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer aufgrund der eingetretenen Komplikationen in vollem Umfang medizinisch begründet gewesen sei. Auch die OPS 9-200.02 (Hochaufwändige Pflege von Erwachsenen: 57 bis 71 Aufwandspunkte) könne bestätigt werden. Allerdings sei nach Durchsicht der zur Verfügung stehenden Unterlagen die Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (8-981) nicht vollständig für über 72 Stunden erbracht worden. Der MDK führte wörtlich hierzu aus: „Am 19.01.2018 ab 01:30 Uhr erfolgte nach den zur Verfügung stehenden Unterlagen keine Dokumentation des Neurostatus mehr“. Es sei daher lediglich die Prozedur 8-981.0 (Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, 24 bis 72 Stunden) erfüllt. Es resultiere die DRG B04B (Beidseitige Eingriffe an den extrakraniellen Gefäßen ohne äußerst schwere CC oder mehrzeitige Eingriffe an den extrakraniellen Gefäßen oder äußerst schwere CC).

 

Am 7. August 2018 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis des Prüfverfahrens mit und verrechnete am 9. August 2018 den sich aus der Differenz zwischen B39B und B04B ergebenden Betrag in Höhe von 3.636,48 Euro mit anderen unstreitigen Rechnungen der Klägerin. Am 21. September 2018 bat die Klägerin die Beklagte um ein Nachverfahren. Sie verwies auf die dem MDK zur Verfügung gestellten Unterlagen. Die Mindestmerkmale für die Kodierung des OPS 8-981.1 seien erfüllt und belegt. Für den 19. März 2018 liege eine ärztliche Dokumentation für die Frühvisite ca 7:30 Uhr (Dr M.), für die Mittagsvisite ca 13:30 Uhr (Dr M.) und für die Abendvisite ca 19:30 Uhr (Dr N.) vor. Der neurologische Befund sei jeweils vom untersuchenden Arzt dokumentiert worden. Am 24. September 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie den MDK mit der Widerspruchsbegutachtung beauftragt habe. Nachdem der MDK die genannten Dokumente auch nach nochmaliger Durchsicht der eingereichten Unterlagen nicht auffinden konnte, wandte er sich telefonisch an die Klägerin, die die ärztliche Dokumentation der Stroke-Unit für den 19. März 2018 nachreichte. Mit Gutachten vom 25. März 2019 gelangte der MDK daraufhin zu dem Ergebnis, dass nunmehr alle Voraussetzungen und geforderten Mindestmerkmale für die OPS 8-981.1 erfüllt seien. Die Notwendigkeit einer Behandlung von über 72 Stunden auf der Stroke-Unit sei auch medizinisch begründet, die DRG B39B damit korrekt abgerechnet.

 

Mit Schreiben vom 1. April 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie halte dennoch an ihrer Rechnungskürzung fest. Der MDK habe die genannten Befunde auch nach erneuter Durchsicht ihrer elektronischen Akte nicht auffinden können. Laut § 7 Abs 2 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V vom 03. Februar 2016 (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) habe das Krankenhaus die Unterlagen innerhalb von acht Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Seien die Unterlagen dem MDK nicht fristgerecht zugegangen, habe das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag. Liefere das Krankenhaus die erforderlichen Unterlagen innerhalb von weiteren sechs Wochen nach, werde das Prüfverfahren fortgesetzt, sofern das Krankenhaus vor der Nachlieferung die Krankenkasse informiert und für die Fortsetzung des Prüfverfahrens eine Pauschale in Höhe von 300,- Euro an die Krankenkasse entrichtet habe. Nach Ablauf dieser Frist sei eine Übersendung von Unterlagen durch das Krankenhaus ausgeschlossen. Ein Anspruch auf den dann noch strittigen Rechnungsbetrag bestehe nicht. Da von der Klägerin beide Fristen (acht Wochen und weitere sechs Wochen) nicht eingehalten worden seien, bleibe es bei der ursprünglichen Leistungsentscheidung.

 

Am 7. Mai 2019 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben und den verrechneten Betrag nebst Zinsen gefordert. Sie hat vorgetragen, dem MDK seien alle Unterlagen vorgelegt worden. Im Zweitgutachten habe der MDK telefonisch bei ihr nachgefragt, woraufhin sie ihm nochmals explizit die Dokumentation des neurologischen Befundes vom 19. März 2018 übermittelt habe. Hätte der MDK bereits bei seiner Erstbegutachtung gemäß § 7 Abs 4 PrüfvV den fachlichen Austausch gesucht, hätten eventuelle Zweifel des MDK an der Erbringung der Leistungen ohne Weiteres ausgeräumt werden können. Daher erscheine es treuwidrig, wenn sich die Beklagte nun darauf berufe, es sei nur der unstrittige Betrag zu zahlen, obwohl der MDK im Zweitbegutachtungsverfahren festgestellt habe, dass die Kodierung nicht zu beanstanden sei. Im Übrigen könne § 7 PrüfvV auch keinen Einwendungsausschluss wegen unvollständiger Übersendung der Unterlagen durch die Klägerin begründen. Vielmehr sei die Sanktion als ein Zurückbehaltungsrecht zu Gunsten der Krankenkasse zu verstehen. Die Beklagte dürfe die streitige Vergütung so lange zurückhalten, bis das Krankenhaus durch die Übersendung der Unterlagen die Prüfung durch den MDK ermögliche. Die Vereinbarungspartner seien auch gar nicht befugt gewesen, Regelungen über Anspruchsverluste festzuschreiben. Hierfür hätten sie keine Regelungskompetenz.

 

Mit Urteil vom 10. Dezember 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse für stationäre Krankenhausbehandlungen ihrer Versicherten stehe unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Überprüfung der Abrechnung durch den MDK. Sie könne bereits im Vorwege einer Überprüfung aufgrund nicht genügender Mitwirkung am Überprüfungsverfahren entfallen. Die Mitwirkung erstrecke sich dabei auf den angeforderten Umfang bestimmter Aktenbestandteile, auf dem Wege dorthin aber auch auf die Einhaltung bestimmter Fristen, um das Verfahren in angemessener Zeit durchzuführen und abzuschließen. So könne die Zahlungsverpflichtung unter anderem dann entfallen, wenn das Krankenhaus auf eine nachträgliche Anforderung im Rahmen des Prüfverfahrens dem MDK Unterlagen nicht innerhalb der 8-Wochenfrist des § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV bzw nicht innerhalb der 6-Wochen-Nachfrist des § 7 Abs 2 Satz 7 übersende. Die 8-Wochenfrist sei im hier anhängigen Fall ebenso überschritten wie die mit der zusätzlichen Voraussetzung der Zahlung einer Pauschale verbundene 6-wöchige Nachfrist. In Ermangelung des Nachweises des Gegenteils habe sich die Kammer veranlasst gesehen, der Darlegung der Beklagten im Schriftsatz vom 1. April 2019 zu folgen. Zwar sei festzuhalten, dass der MDK im Verfahren der Erstbegutachtung nicht an die Klägerin herangetreten sei, sondern sich trotz bereits bestehender Anhaltspunkte dafür, dass eine neurologische Dokumentation vorliegen müsste, ausschließlich auf die übermittelten Dokumente gestützt habe. Bei zusammenfassender Würdigung sei die Kammer jedoch zu der Auffassung gelangt, den Einwand der fehlenden sofortigen Rückmeldung sowie den Einwand der Abstandnahme vom möglichen fachlichen Austausch nicht im Sinne eines Anspruchs auf vollständige Bezahlung der streitbefangenen Rechnung durchgreifen zu lassen. Denn im Vordergrund stehe die Pflicht des Krankenhauses, die Abrechnungsunterlagen in der angeforderten und den Rechnungsbetrag belegenden Form nachzuweisen. Die Beklagte habe darauf abstellen können, dass das Krankenhaus die umfassende Kenntnis habe, welche Unterlagen überhaupt vorhanden und von wesentlicher Bedeutung im Sinne des Fragestellenden seien.

 

Es handele sich bei den beiden Fristen um materielle Ausschlussfristen. Die Berechtigung zu weitgehenden und im Einzelfall einschneidenden Regelungen sei nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Vertreterstellung der Vertragsschließenden der PrüfvV zu sehen. Über die Deutsche Krankenhausgesellschaft sei auch die Klägerin mittelbar hieran beteiligt gewesen. Bei einer Gesamtschau des Regelwerks sei auch keine lediglich einseitige Belastung der Krankenhäuser zu erkennen. Zweck sei es, eine zügige Abwicklung der Prüffälle zu gewährleisten. Ein Verständnis der Fristversäumnis als bloßes Zurückbehaltungsrecht der Krankenkasse würde diesem Zweck nur unvollständig entsprechen. Es eröffneten sich dem Gericht keine allgemeinen Gesichtspunkte, die die Fristen als unzulässigen Eingriff in geübte und bewährte Verfahrensabläufe erscheinen ließen.

 

Gegen das ihr am 17. Dezember 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Januar 2020 Berufung eingelegt. Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen behauptet sie, es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der MDK im Erstgutachten meine, die Dokumentation des neurologischen Befundes vom 19. März 2018 habe nicht vorgelegen. Dem MDK sei die gesamte Krankenakte übermittelt worden. Im Wege des gebotenen fachlichen Austauschs wäre es zudem ohne Weiteres möglich gewesen, den MDK vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Kodierung der streitbefangenen OPS-Ziffer zu überzeugen. Die §§ 1 und 7 Abs 4 PrüfvV führten dazu, dass im Sinne einer konsensorientierten (konstruktiven und partnerschaftlichen) Prüfung der MDK verpflichtet wäre, das Krankenhaus zu informieren, wenn aus Sicht des MDK weitere Unterlagen zur Prüfung benötigt würden. Es sei nicht im Sinne der PrüfvV, wenn der MDK bei Zweifeln an der Abrechenbarkeit einzelner Leistungskomplexe immer ohne Rücksprache zu Lasten der Krankenhäuser entscheide.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des SG Stade vom 10. Dezember 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.636,48 Euro sowie Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 9. August 2018 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und schließt sich den dort genannten Gründen an. Ergänzend führt sie aus, aufgrund der Ausführungen des MDK in dem Gutachten vom 3. August 2018 sowie in dem Widerspruchsgutachten vom 25. März 2019 sei eindeutig davon auszugehen, dass dem MDK die entscheidende Dokumentation nicht vorgelegt worden sei. Der Gutachter habe auf die wiederholte Sichtung der elektronischen Akte verwiesen und habe die Klägerin sogar telefonisch kontaktiert und die fehlende Dokumentation angefordert. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zudem kürzlich entschieden, dass die Unerweislichkeit der Übersendung angeforderter Unterlagen an den MDK zu Lasten des Krankenhauses gehe. Nach inzwischen ebenfalls höchstrichterlicher Rechtsprechung bestünden auch keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von in der PrüfvV geregelten Ausschlussfristen. Ein treuwidriges Verhalten sei ihr gerade nicht vorzuwerfen. Die Berufung auf die PrüfvV sei vielmehr folgerichtig. Das Telefonat zwischen dem MDK und der Klägerin im Rahmen der Widerspruchsbegutachtung sei ohne Einbindung und ohne Kenntnis der Beklagten erfolgt. Zur rechtlichen Einordnung werde darauf hingewiesen, dass ein Nachreichen von Unterlagen nach § 7 Abs 2 Satz 8 PrüfvV ausdrücklich ausgeschlossen sei. Ausnahmsweise sei eine befristete Nachlieferung möglich, wenn das Krankenhaus die Krankenkasse entsprechend informiere und eine Pauschale in Höhe von 300,- Euro entrichtet werde. Vorliegend sei die Beklagte weder informiert noch sei die Pauschale entrichtet worden. § 9 PrüfvV sehe ausdrücklich vor, dass ein Nachverfahren auf der Grundlage der bis zum Ende der Erstbegutachtung übermittelten Daten und Unterlagen zu erfolgen habe. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der MDK ausschließlich einer beratenden Funktion nachkomme. Die Beklagte sei an die seitens des MDK erarbeiteten Ergebnisse nicht gebunden, sondern treffe eine eigenverantwortliche Entscheidung. In dem vorliegenden Fall sei es ihr somit unbenommen gewesen, aus Rechtsgründen die Vorlage präkludierter Unterlagen abzulehnen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte, den Inhalt der Patientenakte der Klägerin sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgemäß eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.

 

Sie ist auch begründet. Dem Urteil des SG Stade vom 10. Dezember 2019 vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

 

Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Bei der Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, Rn 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17 Rn 12).

 

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung der unstreitig entstandenen Forderungen in Höhe von weiteren 3.636,48 Euro. Dieser ist nicht durch Aufrechnung gemäß § 69 Satz 4 SGB V iVm § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen. Der Beklagten stand kein Rückzahlungsanspruch in Höhe der Klageforderung für die anlässlich der Behandlung des Versicherten L. geleisteten Vergütung zu. Als Rechtsgrundlage eines solchen Rückzahlungsanspruchs kommt allein ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht. Dieser setzt ua voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 15, stRspr). Dies ist hier nicht der Fall. Die Beklagte beglich die Rechnung der Klägerin vom 12. April 2018 nicht (teilweise) ohne Rechtsgrund.

 

Rechtsgrundlage ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der vorliegend für den Behandlungs- und Abrechnungsfall im Jahr 2018 maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2018 (Fallpauschalenvereinbarung 2018 - FPV- 2018) sowie der am 1. November 1992 in Kraft getretene Vertrag zu den Bereichen des § 112 Abs 2 Nr 1, 2, 4 und 5 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen (Niedersächsischer Sicherstellungsvertrag).

 

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13 Rn 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17 Rn 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2 Rn 13; alle mwN).

 

Die Höhe des dem Krankenhaus zustehenden Vergütungsanspruches bemisst sich gemäß § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe des KHG und des KHEntgG. Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr 1 iVm § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit hiervon zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge (Nr 1), einen Katalog ergänzender Zusatzentgelte (Nr 2) sowie die Abrechnungsbestimmungen für die Fallpauschalen und die sonstigen Entgelte (Nr 3).

 

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs 2 S 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS-301 eine bestimmte DRG angesteuert (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 Rn 16).

 

Ausgehend von diesen Grundsätzen hatte die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung des geltend gemachten Aufenthaltes im Zeitraum 15. März 2018 bis 11. April 2018 unter Zugrundelegung der DRG B39B in Höhe von 16.393,21 Euro entsprechend der von ihr gestellten Rechnung vom 12. April 2018. Mittlerweile besteht Einigkeit der Beteiligten sowohl über die Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit der erbrachten Krankenhausabrechnung als auch über die Korrektheit der Abrechnung. Insbesondere hat die Klägerin zutreffend den OPS 8-981.1 kodiert. Dies ergibt sich aus dem von der Beklagten in der Sache nicht angezweifelten Gutachten des MDK vom 3. August 2018 in Verbindung mit den Ergänzungen im Gutachten vom 25. März 2019.

 

Die Klägerin war mit der Vorlage der ergänzenden Unterlagen auch nicht nach § 7 Abs 2 Satz 4 bis 9 PrüfvV präkludiert. Ermächtigungsgrundlage für die PrüfvV ist § 17c Abs 2 KHG, wonach der Spitzendverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V regeln (Satz 1). Unter anderem sind dabei Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über die Prüfungsdauer und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen (Satz 2). Gemäß § 7 Abs 2 PrüfvV richtet sich die Prüfung vor Ort nach den Vorgaben des § 276 Absatz 4 SGB V (Satz 1). Bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren kann der MDK die Übersendung von Kopien der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt (Satz 2). Dabei kann sowohl der MDK die angeforderten Unterlagen konkret benennen als auch das Krankenhaus die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen ergänzen (Satz 3). Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 8 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln (Satz 4). Die vom MDK angeforderten und gegebenenfalls vom Krankenhaus ergänzten Unterlagen müssen dem MDK innerhalb der Frist des Satzes 4 zugegangen sein (Satz 5). Sind die Unterlagen dem MDK nicht fristgerecht zugegangen, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag (Satz 6). Liefert das Krankenhaus die erforderlichen Unterlagen innerhalb von weiteren 6 Wochen nach, wird das Prüfverfahren fortgesetzt, sofern das Krankenhaus vor der Nachlieferung die Krankenkasse informiert und für die Fortsetzung des Prüfverfahrens eine Pauschale in Höhe von 300,- Euro an die Krankenkasse entrichtet hat (Satz 7). Nach Ablauf der Frist von Satz 7 ist eine Übersendung von Unterlagen durch das Krankenhaus ausgeschlossen (Satz 8). Ein Anspruch auf den dann noch strittigen Rechnungsbetrag besteht nicht (Satz 9).

 

Die Krankenkasse hat dem Krankenhaus nach § 8 PrüfvV ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen (Satz 1). Wenn die Leistung nicht in vollem Umfange wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, sind dem Krankenhaus die wesentlichen Gründe darzulegen (Satz 2). Das Krankenhaus kann sodann gemäß § 9 PrüfvV innerhalb von 6 Wochen nach Zugang der Mitteilungen nach § 8 Satz 1 und 2 ein Nachverfahren auf Basis der bis zum Ende der MDK-Begutachtung übermittelten Daten und Unterlagen gegenüber der Krankenkasse vorschlagen, indem eine begründete Stellungnahme zur leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkasse nach § 8 Satz 1 abgegeben wird (Satz 1). Die Durchführung des Nachverfahrens ist freiwillig (Satz 2).

 

Vorliegend hat eine Prüfung im schriftlichen Verfahren stattgefunden. Zwar hat der MDK in seinem Gutachten vom 3. August 2018 als Erledigungsart die „Aktenlage im Krankenhaus“ angeführt, die Beteiligten haben aber übereinstimmend mitgeteilt, dass es sich hierbei um ein Versehen handelte bzw um eine nicht erfolgte Korrektur im EDV-System, nachdem eine ursprünglich geplante Begehung nicht stattgefunden hatte.

 

Verfahrenstechnisch befanden sich die Beteiligten zum Zeitpunkt des zweiten Gutachtens des MDK vom 25. März 2019, in dem das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen und Mindestmerkmale für die streitgegenständliche OPS 8-981.1 bejaht wurde, im Stadium eines Nachverfahrens. Der MDK hatte im Auftrag der Beklagten im Zeitraum April bis August 2018 auf Basis der seinerzeit vorliegenden Unterlagen eine Erstprüfung durchgeführt und am 3. August 2018 eine gutachterliche Stellungnahme dahingehend abgegeben, dass der OPS 8-981.1 nicht hinreichend dokumentiert gewesen und stattdessen der in die niedrigere DRG B04B führende OPS 8-981.0 zu kodieren sei. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin ihre abschließende Entscheidung zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mit (Schreiben vom 7. August 2018). Mit Schreiben vom 21. September 2018 bat die Klägerin die Beklagte unter Abgabe einer begründeten Stellungnahme zur leistungsrechtlichen Entscheidung der Beklagten um die Durchführung eines Nachverfahrens, das diese laut Mitteilung an die Klägerin am 21. September 2018 durch erneute Einschaltung des MDK einleitete.

 

Dass sämtliche erforderliche Unterlagen dem MDK von Anfang an vorgelegen haben – wie die Klägerin behauptet – ist zumindest nicht nachgewiesen. Im Erstgutachten führte der MDK unter „vorhandene Unterlagen“ in Bezug auf die Dokumentation der Komplexbehandlung – Stroke Unit (16. März 2018, 20 Uhr bis 19. März 2018, 23 Uhr) an: „Ärztliche Dokumentation (17.3.18, 2 Uhr bis 19.3.18, 1;30 Uhr); Vitalparameter“. Im Rahmen der sozialmedizinischen Beurteilung erklärte er, am 19. Januar 2018 (gemeint ist offensichtlich der 19. März 2018) sei nach den zur Verfügung stehenden Unterlagen keine Dokumentation des Neurostatus mehr erfolgt. Aus dem Gutachten vom 25. März 2019 ist sodann ersichtlich, dass die vom Krankenhaus eingereichten Dokumente aufgrund der Bestrebungen des Krankenhauses nochmals durchgesehen, aber nicht aufgefunden worden sind. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vermerk des MDK im Erstgutachten „Die Krankenakte hat zur Begutachtung vorgelegen.“ Abgesehen davon, dass nicht näher erläutert wird, was der MDK mit „Krankenakte“ meint, ob zum Beispiel die gesamte Patientenakte vorlag oder ob hiermit nur die Gesamtheit der vorgelegten Unterlagen bezeichnet wird, ist auch in der dem Gericht vorliegenden Patientenakte die ärztliche Dokumentation des Aufenthaltes in der Stroke Unit nicht enthalten. Insofern kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass diese erst beim MDK verloren gegangen sind, die Klägerin kann ihre Einreichung aber auch nicht nachweisen. Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast), nach dem ein nicht zu beweisender Sachverhalt zu Lasten des Beteiligten geht, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 Rn 19 mwN; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, Rn 28 mwN), trägt sie unter diesen Umständen das Risiko der Nichterweislichkeit des Zugangs der Unterlagen, da sie sich auf die korrekte Abrechnung des OPS 8-981.1 beruft (siehe hierzu auch BSG, Terminsbericht vom 10. November 2021 – B 1 KR 43/20 R).

 

Es handelte sich bei der Dokumentation des Neurostatus auch um für die Erfüllung des Prüfauftrags erhebliche Unterlagen im Sinne des § 7 Abs 2 Satz 2 und 3 PrüfvV. Der MDK hat bei der Klägerin mit seiner Anforderung von Befundunterlagen am 24. April 2018 unter anderem auch die ärztliche Visitenanordnung sowie die NIH-Stroke-Scale angefordert, wobei letztere der detaillierten neurologischen Analyse dient, also den Neurostatus zu belegen vermag. Abgesehen davon war die Relevanz der Dokumentation des Neurostatus für die Klägerin auch ohne weiteres erkennbar, da der MDK die korrekte Kodierung der Prozeduren als Teil ihres Prüfauftrags mitgeteilt hat und die 6-stündliche (maximaler Abstand nachts 8 Stunden) Überwachung und Dokumentation des neurologischen Befundes durch den Arzt zur Früherkennung von Schlaganfallprogression, -rezidiv und anderen Komplikationen zu den Mindestmerkmalen der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls im Sinne des OPS 9-891 zählt. Die Klägerin hätte also ohnehin die Obliegenheit getroffen, die eingereichten Unterlagen um diese Dokumentation zu ergänzen (siehe hierzu Terminbericht des BSG zum Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 16/21 R). Dass diese vorträgt, sie von Anfang an mit eingereicht zu haben, zeugt davon, dass auch ihr selbst diese Relevanz bewusst war.

 

Der Klägerin war eine Nachreichung im hier vorliegenden Fall allerdings nicht verwehrt. Zur Überzeugung des Senats erfolgte die Nichtvorlage der Dokumentation des Neurostatus nicht bewusst, sondern (allenfalls) versehentlich. Dies ergibt sich aus dem gesamten Ablauf: Der MDK hatte der Klägerin eine Liste mit einer Vielzahl von einzureichenden Unterlagen aufgegeben, die diese ausweislich des MDK-Erstgutachtens dezidiert erfüllte und um weitere (beispielsweise die bildgebenden Befunde, verschiedene Konsile und den Medikamentenbogen) erweiterte. In ihrer unverzüglich erfolgten Bitte um Durchführung eines Nachverfahrens bezog sie sich unter Nennung von Namen und Zeiten ganz konkret auf – vermeintlich bereits vorliegende – Unterlagen und erläuterte, wie sich der fehlende neurologische Status hiermit belegen lasse, obwohl zu diesem Zeitpunkt auch nach Maßgabe des § 7 Abs 2 Satz 7 PrüfvV eine nachträgliche Einreichung von Unterlagen noch unproblematisch möglich gewesen wäre. Nachdem der MDK sie schließlich telefonisch auf die fehlenden Dokumente hingewiesen hatte, reichte sie diese ohne weitere Umstände nach. Eine fehlende oder verzögerte Mitwirkung der Klägerin ist während des gesamten Prüf- und Nachverfahrens in keiner Weise zu beobachten gewesen. Ganz offensichtlich ging die Klägerin (unter Umständen fälschlich) davon aus, ihre Obliegenheiten zur Erledigung des Prüfauftrags erfüllt zu haben.

 

Auf eine solche Konstellation sind die Fristen des § 7 Abs 2 PrüfvV nicht anwendbar. Dies ergibt sich aus dem Regelungszweck. Die Anwendung der normenvertraglichen Bestimmungen der PrüfvV unterliegt den allgemeinen für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Es ist nicht auf den subjektiven Willen der Beteiligten, sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung abzustellen, die umfassend zu ermitteln ist. Die für die Abrechnungsbestimmungen geltenden Einschränkungen im Sinne einer eng am Wortlaut orientierten, nur durch systematische Erwägungen unterstützten Auslegung gelten nicht (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 32/20 R, juris Rn 20). Die Besonderheiten für die Auslegung von Abrechnungsbestimmungen ergeben sich aus ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems (stRspr d BSG, vgl nur Urteil vom 17. Dezember 2019 – B 1 KR 19/19 R), in denen die Regelungen der PrüfvV nicht unmittelbar stehen (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, aaO).

 

§ 7 Abs 2 PrüfvV dient vorrangig, aber nicht allein der Beschleunigung und Verfahrenskonzentration. Die Regelung schafft einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Anspruch des Krankenhauses auf vollständige Vergütung der erbrachten erforderlichen Krankenhausbehandlungen und einem zügigen Abschluss des Prüfverfahrens und damit der Rechtssicherheit. Der Streitstoff für die Überprüfung der Abrechnung soll vollständig gebündelt und deren Abschluss insgesamt beschleunigt werden (zu § 7 Abs 2 PrüfvV 2014 siehe BSG aaO, Rn 24). Gleichzeitig ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 17c Abs 2 KHG, dass es die Vertragsparteien durch die nähere Ausfüllung der Vorgaben der Norm in der Hand haben sollten, die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Krankenkassen effektiver und konsensorientierter zu gestalten (BT-Drucksache 17/13947, Seite 38). Perspektivisch versprach sich der Gesetzgeber durch die PrüfvV sowie weitere Maßnahmen, dass der Aufwand für die Durchführung von Krankenhausrechnungsprüfungen vermindert werde (BT-Drucksache 17/13947, Seite 37 f, BSG, Urteil vom 18. Mai 2021, aaO).

 

Diesem Zweck widersprach die Nachreichung des neurologischen Befundes im vorliegenden Fall nicht. Eine Verzögerung des Prüfverfahrens wurde nicht verursacht, indem der MDK telefonisch mit der Klägerin Rücksprache hielt, auf die fehlenden Dokumente aufmerksam machte und das Verfahren daraufhin ohne weiteren Verzug zu einem Abschluss bringen konnte. Im Gegenteil erfüllten die Beteiligten durch diese Vorgehensweise gerade die geforderte Zielvereinbarung einer effektiven und konsensorientierten Zusammenarbeit, die nicht nur in der Gesetzesbegründung seine Erwähnung findet, sondern auch in der PrüfvV selbst umgesetzt ist. So führen die Krankenkassen, der MDK und die Krankenhäuser das Prüfverfahren gemäß § 1 Satz 2 PrüfvV in konstruktiver Zusammenarbeit durch. Gemäß § 7 Abs 4 PrüfvV sollte auch bei Prüfungen im schriftlichen Verfahren bei Bedarf ein persönlicher fachlicher Austausch zwischen Krankenhaus und MDK in einer geeigneten Weise erfolgen, auf die sich die Beteiligten verständigen (Satz 1). Bei komplexen Fallprüfungen soll ein solcher Austausch erfolgen (Satz 2). Ein fachlicher Austausch in diesem Sinne hat vorliegend stattgefunden, zumal der MDK in seinem Gutachten vom 25. März 2019 nicht nur von einer bloßen Aufforderung zur Unterlagenübersendung, sondern von einer „telefonischen Rücksprache“ spricht. Vor dem Hintergrund einer sowohl auf Seiten der Krankenkassen und des MDK als auch auf Seiten des Krankenhauses bestehenden Massenverwaltung muss es in einem solchen Rahmen auch möglich sein, Fehler anzusprechen und zu beheben. Dies gilt umso mehr, als auch dem MDK im hiesigen Fall Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sind, indem er zum einen eine Prüfung vor Ort statt eine solche im schriftlichen Verfahren vermerkte und zum anderen – ausgerechnet im Bereich des streitgegenständlichen OPS – mit dem 19. Januar statt dem 19. März ein falsches Datum für die fehlenden Unterlagen nannte.

 

Der gefundenen Auslegung steht auch nicht der Wortlaut des § 7 Abs 2 PrüfvV entgegen. Denn eine dort beschriebene Nachlieferung von Unterlagen setzt voraus, dass das Krankenhaus überhaupt Kenntnis von fehlenden Dokumenten hat und nicht – wie hier – davon ausgeht, dass sämtliche angeforderten und erforderlichen Unterlagen vorliegen. Anderenfalls liefen die Möglichkeiten zur Nachreichung von Unterlagen ins Leere und die erheblichen negativen Konsequenzen, die die Nichteinreichung für Krankenhäuser haben kann, verkämen zum bloßen Selbstzweck, ohne den objektiven Regelungszweck zu erfüllen (zur teleologischen Reduktion des Verbotes einer nachträglichen Korrektur des Datensatzes nach § 7 Abs 5 Satz 3 und 4 PrüfvV 2016 bei bloßer Umsetzung des MDK-Prüfergebnisses siehe BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 37/20 R). Vor dem Hintergrund, dass § 7 Abs 2 Satz 8 PrüfvV tatsächlich und ordnungsgemäß erbrachte Leistungen von der Vergütung abzuschneiden vermag, ist die Vorschrift unter Beachtung des Gebots eines effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz – GG) eng auszulegen und hier nicht einschlägig. Die Klägerin hatte vor der Nachreichung des neurologischen Befundes nach Kenntnis von ihrem (mutmaßlichen) Versäumnis auch nicht die Beklagte zu informieren und eine Pauschale in Höhe von 300,- Euro zu entrichten. Denn das (Nach-)Prüfverfahren war nicht unterbrochen bzw abgeschlossen, sondern befand sich noch im Gange. Eine Fortsetzung des Prüfverfahrens war daher nicht zu veranlassen.

 

Eine andere Auslegung ist entgegen der Auffassung der Beklagten schließlich auch nicht aufgrund der Entscheidung des BSG vom 10. November 2021 (B 1 KR 43/21 – bisher nur Terminsbericht veröffentlicht) geboten. Soweit das BSG hier auf das Vertretenmüssen des Krankenhauses in Bezug auf die nicht rechtzeitige Vorlage der Unterlagen abstellt und die Unerweislichkeit der fristgerechten Übermittlung dem Krankenhaus anlastet, steht dem die hiesige Entscheidung nicht entgegen. Denn die Unerweislichkeit des (rechtzeitigen) Eingangs ebenso wie die Unerweislichkeit einer überhaupt erfolgten Übermittlung steht für den Senat außer Frage (siehe oben). Verneint wird also nicht das Vertretenmüssen des Krankenhauses, sondern lediglich die Einschlägigkeit der Fristenregelung für den Fall eines dem Krankenhaus nicht bewussten Fehlers.

 

Dahinstehen kann, ob sich in einer solchen Konstellation eines versehentlich nicht eingereichten Dokumentes nicht nur das Recht, sondern auch die Obliegenheit des MDK ergibt, bei der Klägerin nachzufragen, wenn sich ihm – so wie hier – aufdrängt, dass dem Krankenhaus ein Fehler unterlaufen ist. So hat auch der MDK betont, dass eine Dokumentation des Neurostatus, „am 19.01.2018 ab 01:30 Uhr […] nach den zur Verfügung stehenden Unterlagen“ nicht mehr erfolgt sei, wobei er die Passage unterstrichen hat. Offensichtlich hielt der MDK es also bereits im Rahmen der Erstbegutachtung für möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass vorhandene Unterlagen fehlten. Jedenfalls ist ihm unter solchen Umständen nicht verwehrt – wie geschehen – auch ohne Kenntnis oder Zustimmung der Beklagten zur Klägerin Kontakt aufzunehmen und sich das fehlende Dokument nachreichen zu lassen.

 

Der Zinsanspruch folgt aus § 13 Abs 7 des Niedersächsischen Sicherstellungsvertrags.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs 1 und 3 sowie § 43 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

 

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zugelassen.

Rechtskraft
Aus
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