Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 14. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Nahrungsergänzungsmitteln.
Die im Jahre 1971 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei ihr bestehen unter anderem eine Histaminintoleranz, diverse Allergien und psychische Leiden.
Mit Schreiben vom 1. Januar 2020 begehrte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Kostenübernahme für Daosin-Kapseln. Sie überreichte hierzu Unterlagen der behandelnden Ärzte und führte aus, dass sie selbst mit Einnahme von Daosin-Kapseln vor einer Mahlzeit durch zu viel Histamin schlimme Vergiftungen bekomme wie Herzrasen, Übelkeit, Schwellungen, Muskelschmerzen, Bauchschmerzen, Schwitzen, flush etc. Mit der Einnahme von Daosin-Kapseln ließen sich die Symptome stark eingrenzen. Sie sei sehr krank, da ihr das zum Histaminabbau wichtige Enzym Diaminoxidase fehle. Hinzu käme viele andere Grunderkrankungen, ua chronische Erschöpfung und chronische Schmerzen. Sie sei in ihrem Leben stark eingeschränkt und könne fast keine Nahrung vertragen.
Die Beklagte beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der sozialmedizinischen Begutachtung. Dieser führte am 14. Januar 2020 durch Dr E. aus, das Daosin ein Nahrungsergänzungsmittel sei, dass das körpereigene Enzym Diaminoxidase unterstützen solle. Dadurch sollten systemische Histaminauswirkungen nach Aufnahme histaminhaltiger Nahrung vermindert werden. Als freiverkäufliches Nahrungsergänzungsmittel sei das Produkt prinzipiell nicht geeignet, zulasten der Krankenkasse abgerechnet zu werden.
Mit Bescheid vom 17. Januar 2020 führte die Beklagte aus, dass die Kosten für das Präparat Daosin nicht übernommen werden könnten. Bei dem Präparat handele es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel. Im Gegensatz zu Arzneimitteln seien Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Aus rechtlicher Sicht seien es Lebensmittel, die dafür bestimmt seien, die Ernährung zu ergänzen. Im Gegensatz zu Arzneimitteln müssten sie kein Zulassungsverfahren durchlaufen. In den Arzneimittelrichtlinien seien Nahrungsergänzungsmittel von der Versorgung durch die gesetzliche Krankkasse ausgeschlossen.
Die Klägerin erhob Widerspruch und trug vor, dass sie ohne das Präparat Daosin keine Nahrung zu sich nehmen könne. In ihrem Falle sei das Präparat medizinisch unabdingbar, da es auch keine Therapien für sie gebe. Sie bitte dringend um die Übernahme der Kosten, da Daosin einen sehr hohen Preis habe. Ferner überreichte sie ärztliche Unterlagen, wonach das Präparat in ihrem Fall dauerhaft notwendig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2020 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei dem Präparat Daosin handele es sich nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel). Die in der Arzneimittelrichtlinie zugelassenen Ausnahmen lägen nicht vor. Eine Beteiligung für die Aufwendungen an dem Präparat könne daher nicht erfolgen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Sie leide unter einer immens ausgeprägten Lebensmittelunverträglichkeit aufgrund exogen zugeführten Histamins. Die Beklagte habe den Gesundheitszustand der Klägerin verkannt. Ohne die Einnahme von Daosin könne sie nicht ausreichend Lebensmittel bei sich behalten. Sie scheide diese aus, ohne die erforderlichen Nährstoffe, Kalorien und Vitamine aufgenommen zu haben. Ihr Körper werde damit nicht ausreichend versorgt. Im Rahmen der Genehmigungsprüfung habe ihr Gesundheitszustand überhaupt keine Berücksichtigung gefunden. Auch der MDK habe diese Umstände verkannt und aufgrund bloßer Aktenlage entschieden.
Mit Gerichtsbescheid vom 14. Januar 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Es fehle an der Arzneimitteleigenschaft des Präparates Daosin, so dass ein Anspruch gegenüber der Beklagten von vornherein entfalle. Es sei rechtlich unerheblich, dass hierdurch die Histaminintoleranz zumindest teilweise kompensiert werden könne und damit die Nahrungsaufnahme erträglich werde. Diese Umstände könnten keine Berücksichtigung finden.
Gegen den am 2. März 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16. März 2021 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr vorangegangenes Vorbringen. Es werde lediglich auf die rechtlichen Grundlagen Bezug genommen ohne dabei den Einzelfall zu überprüfen. Tatsächlich habe sie einen Anspruch auf die Versorgung mit Daosin, da dieses Nahrungsergänzungsmittel notwendig und geeignet sei, Lebensmittelunverträglichkeiten zu heilen bzw mindestens die Verschlimmerung zu verhüten und deutlich zu lindern. Der Gesamtumstand habe auch im erstinstanzlichen Verfahren überhaupt keine Berücksichtigung gefunden. Sie sei unzureichend medizinisch versorgt. Auch dieser Umstand sei insgesamt nicht berücksichtigt worden. Eine alternative Behandlung stehe nicht zur Verfügung. Hierzu überreicht sie medizinische Unterlagen, die ihr Begehren stützen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 14. Januar 2021 sowie
den Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2020 aufzuheben
die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für das Nahrungsergänzungsmittel Daosin zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und schließt sich den dort genannten Gründen an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe
Gemäß §§ 124 Abs 2, 155 Abse 1, 3, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte das Gericht durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit diesem Verfahren einverstanden erklärt haben.
Die Berufung ist form- und fristgemäß erhoben worden und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG Osnabrück vom 14. Januar 2021 sowie der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2020 sind rechtmäßig und halten der rechtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für das Nahrungsergänzungsmittel Daosin.
Versicherte haben nach § 27 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung der Versicherten mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen sind. Der GBA hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr 1 oder Nr 2 des Gesetzes über Medizinprodukte (MPG) zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Die mit Wirkung zum 1. Juli 1997 wirksam gewordene Festschreibung der Apothekenpflicht grenzt den Kreis der leistungsfähigen Arzneimittel bereits ein. Seit 2004 gehört zudem die Verschreibungspflichtigkeit zu den grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen auf Versorgung mit Arzneimitteln. Als Ausnahme von der Ausnahme legt der GBA in der sog. OTC-Liste nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel fest, die im Rahmen der gKV zu erbringen sind. Nach § 12 Abs 6 Arzneimittel-Richtlinie kann der behandelnde Arzt etwa für bestimmte Indikationsgebiete bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete und Anwendungsvoraussetzungen nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist.
Bei dem Präparat Daosin handelt es sich um ein Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels. Denn nach der Arzneimittel-Richtlinie sind Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, so genannte Krankenkost und diätetische Lebensmittel einschließlich Produkte für Säuglinge oder Kleinkinder von der Versorgung nach den gesetzlichen Vorgaben ausgeschlossen. Dies gilt nicht für Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondernahrung, soweit sie nach den Bestimmungen dieser Richtlinien in medizinisch notwendigen Fällen ausnahmsweise verordnungsfähig sind.
Ein Präparat ist den vorgenannten Vorschriften der Arzneimittelrichtlinie zuzuordnen, wenn es sich um ein Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs 2 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) handelt. Lebensmittel sind auch Diätetische Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Lebensmittel sind für eine besondere Ernährung bestimmt, wenn sie
1. den besonderen Ernährungserfordernissen folgender Verbrauchergruppen entsprechen:
a. bestimmter Gruppen von Personen, deren Verdauungs- oder Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist oder
b. bestimmter Gruppen von Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können,
oder
c. gesunder Säuglinge oder Kleinkinder,
2. sich für den angegebenen Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind, und
3. sich auf Grund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrsunterscheiden (§ 1 Abs 1 und 2 der Verordnung über diätetische Lebensmittel – DiätV).
Die normativen Voraussetzungen einer Kostenübernahme sind vorliegend nicht gegeben. Dies wird von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. Sie vertritt lediglich die Auffassung, dass aufgrund der bei ihr vorliegenden Individualumstände eine abweichende Beurteilung des Einzelfalles geboten sei. Hierbei verkennt sie jedoch, dass nach den rechtlichen Voraussetzungen eine solche Individualprüfung gerade nicht vorgesehen ist. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass das begehrte Präparat kostenintensiv ist und bei der Klägerin zu wirtschaftlichen Belastungen führt. Das Gericht kann die Lage der Klägerin in gesundheitlicher und finanzieller Hinsicht zwar gut nachvollziehen. Gleichwohl wird ein Nahrungsergänzungsmittel durch einen hohen Preis oder eine besondere persönliche Bedarfslage nicht zum Arzneimittel. Mithin kann die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 103 SGG.
Ein gesetzlicher rund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).