Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.02.2021 insoweit aufgehoben, als der Bescheid vom 11.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2019 aufgehoben und die Beklagte zur Abänderung des Rentenbewilligungsbescheides vom 19.12.2016 und Gewährung einer höheren Altersrente für besonders langjährig Versicherte unter Bewertung der vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG verurteilt wurde. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Der 1952 geborene Kläger war im Beitrittsgebiet wohnhaft und absolvierte dort nach eigenen Angaben (Bl. 276 Senatsakte) vom 01.09.1969 bis 31.08.1971 eine Ausbildung zum Fernmeldebaumonteur bei der und war sodann vom 01.09.1971 bis 31.10.1971 als Fernmeldehandwerker im Fernmeldeamt der D beschäftigt. Vom 01.11.1971 bis 31.03.1973 absolvierte der Kläger seinen Wehrdienst. Ab April 1973 bis 16.12.1987 war er erneut als Fernmeldehandwerker bei der D und sodann ab 1976 als Fernmeldetechniker bei der D1 (zuletzt im Dienstrang des R) beschäftigt. Im Dezember 1987 siedelte er in die BRD über, wo er ab Januar 1988 Beschäftigungszeiten zurücklegte.
Mit Bescheid vom 04.10.1989 stellte die damalige L W die im beigefügten Versicherungsverlauf (Anlage 2) enthaltenen rentenrechtlichen Zeiten des Klägers, die länger als sechs Kalenderjahre zurücklagen (Zeiten bis 31.12.1982), nach § 1325 Abs. 3 der Reichsversicherungsverordnung (RVO) verbindlich fest und erkannte daneben die in dem beigefügten Zuordnungsblatt (Anlage 9) darüber hinaus eingetragenen Versicherungszeiten in dem angegebenen Umfang und mit den eingetragenen Entgelten verbindlich an unter Verweis darauf, dass sich aus dem Zuordnungsblatt außerdem nähere Einzelheiten über die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nach der Versicherungsunterlagen-Verordnung bzw. dem FRG berücksichtigten Zeiten ergeben. Im Versicherungsverlauf wurden die Zeiten vom 01.09.1969 bis 31.10.1971 sowie von April 1973 bis 16.12.1987 - mit Unterbrechungen durch Krankheit im Dezember 1985 sowie in den Jahren 1986 und 1987 - als Pflichtbeitragszeiten sowie die Zeiten vom 01.11.1971 bis 31.03.1971 als Wehrdienstzeiten, jeweils unter Nennung konkreter Entgelte, nach den Vorschriften des FRG anerkannt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bescheides wird auf Bl. 2w/2y SG-Akte Bezug genommen.
Zum 01.01.1992 änderte sich durch das Rentenüberleitungsgesetz vom 25.07.1991 (RÜG, BGBl. I S. 1606), ergänzt durch das Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24.06.1993 (RÜ-ErgG, BGBl. I S. 1038), hinsichtlich der Bewertung rentenversicherungsrechtlicher Zeiten im Beitrittsgebiet mit Ausnahme für bestandsgeschützte Jahrgänge - zu denen der Kläger nicht gehört - die Rechtslage. Pflichtbeitragszeiten im Beitrittsgebiet sind seither nicht mehr nach dem FRG, sondern nach den umgerechneten, tatsächlich erzielten Verdiensten (§§ 256a bis 256 c Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) zu bewerten.
Laut Gesamtkontenspiegel der Beklagten erließ deren Rechtsvorgängerin (B, im Folgenden einheitlich: die Beklagte) am 26.04.1996 von Amts wegen einen Feststellungsbescheid über Zeiten bis 31.12.1989 und auf einen Antrag des Klägers vom 20.01.2004 einen Feststellungsbescheid vom 26.02.2004 über die Zeiten bis 31.12.1997 sowie weitere Feststellungsbescheide in der Folgezeit für nachfolgende Zeiten (Bl. 1, 2 VA). Außerdem wurde laut Gesamtkontenspiegel am 26.04.1996 - und auch am 26.02.2004 - von Amts wegen eine Rentenauskunft erteilt (Bl. 2 VA). Die Bescheide und die Rentenauskünfte sind nicht aktenkundig, weder verfilmt noch digitalisiert (Bl. 28 Rückseite, Bl. 36 VA) und daher nicht reproduzierbar (Bl. 32 SG-Akte).
Mit an den Kläger adressiertem Bescheid vom 23.10.2008 (Bl. 19 SG-Akte) führte die Beklagte aus, dass seinem „Antrag vom 30.09.2008 auf Rücknahme der Bescheide vom 26.04.1996 und 26.02.2004“ nicht entsprochen werden könne, da deren Überprüfung nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ergeben habe, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Rentenauskünfte seien in zutreffender Höhe und entsprechend den gesetzlichen Vorschriften festgestellt. Mit seinem Schreiben begehre er - der Kläger - die weitere Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG. Die Beklagte verwies auf die seit dem 01.01.1992 geänderte Rechtslage, wonach das FRG für Zeiten im Beitrittsgebiet nicht mehr anwendbar sei, sondern diese gemäß dem RÜG nach den Vorschriften des SGB VI zu beurteilen seien. Die Beklagte führte weiter aus, dass alle Herstellungsbescheide mit FRG-Zeiten, die vor 1992 erteilt wurden, haben überprüft werden müssen und für den Fall, dass sich die Rechtsänderungen im Einzelfall auswirkten, frühere Herstellungsbescheide aufzuheben gewesen seien. Die dem Kläger am 26.04.1996 sowie am 26.02.2004 erteilten Rentenauskünfte würden alle nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Beitrags-, Ersatz- und Anrechnungszeiten enthalten und damit in vollem Umfang den geltenden gesetzlichen Vorschriften entsprechen.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch, mit dem der Kläger die Berücksichtigung der Entgelte im Beitrittsgebiet nach den Vorschriften des FRG begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2009 (Bl. 45 SG-Akte) zurück und führte zur Begründung aus, dass die Aufhebung des Bescheides vom 04.10.1989 mit Bescheid vom 26.04.1996 zutreffend wegen Rechtsänderungen nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI erfolgt sei. Die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten seien nun nach §§ 256a bis 256c SGB VI zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 19.12.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für besonders langjährige Versicherte mit Rentenbeginn ab 01.01.2017 in Höhe von 1.987,93 € monatlich und - nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung, des Zusatzbeitrags zur Krankenkasse und des Beitrags zur Pflegeversicherung - einem Zahlbetrag von 1.772,24 € monatlich. Der Rentenberechnung lagen u.a. die Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten vom 01.09.1969 bis 16.12.1987 nach Maßgabe der §§ 256a bis 256c SGB VI („SVA“ - Beitragspflichtiger Verdienst zur Sozialversicherung im Beitrittsgebiet) und persönliche Entgeltpunkte in Höhe von 65,2851 zugrunde. Hinsichtlich der Einzelheiten des Bescheides wird auf Bl. 2g/2u SG-Akte Bezug genommen.
Mit E-Mail vom 26.09.2018 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Überprüfung der Feststellung der Rentenanwartschaften nach dem FRG für die Zeiten bis 1987. Der Bescheid vom 04.10.1989 sei nie aufgehoben worden. Der „erste Bescheid vom 26.04.1996“ sei lediglich eine Rentenauskunft gewesen. Auch im Rentenbescheid vom 19.12.2016 sei der Bescheid vom 04.10.1989 nicht aufgehoben worden. Er bitte um Überprüfung und Richtigstellung und nahm dabei Bezug auf das Urteil des SG Aachen vom 09.05.2018, S 6 R 472/17. Mit Schreiben vom 16.11.2018, bei der Beklagten am 19.11.2018 eingegangen, wiederholte er sein Begehren schriftlich.
Mit Bescheid vom 11.12.2018 lehnte die Beklagte den Antrag vom 26.09.2018 „auf Rücknahme des Bescheides vom 19.12.2016“ unter Hinweis auf die geltende Rechtslage ab.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger - wieder unter Bezugnahme auf das Urteil des SG Aachen - geltend, es gehe ihm lediglich darum, dass der Bescheid vom 04.10.1989 nie ausdrücklich aufgehoben worden sei und er daher weiterhin Bestand habe (Bl. 22 VA). Er habe keinen Schriftverkehr vom 26.04.1996, weshalb er auch keinen Widerspruch habe einlegen können (Bl. 22 VA).
Mit Bescheid vom 28.06.2019 lehnte die Beklagte den „Antrag vom 26.09.2018 auf Rücknahme des Bescheides vom 26.04.1996“ ab. Mit diesem Bescheid sei im Rahmen einer Kontenklärung ein Bescheid zu rentenrechtlichen Zeiten nach § 149 Abs. 5 SGB VI erlassen, der Bescheid vom 04.10.1989 aufgehoben und die im Beitragsgebiet zurückgelegten Zeiten nach §§ 256a bis 256c SGB VI berücksichtigt worden. Weiter wies sie darauf hin, dass der Bescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werde.
Hiergegen wandte der Kläger ein, er habe nie einen Bescheid vom 26.04.1996 erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2019 wies die Beklagte den Widerspruch „gegen die Bescheide vom 11.12.2018 und 28.06.2019“ zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19.08.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben.
Die Beklagte hat eine Probeberechnung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 01.01.2017 unter Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG übersandt, wonach 68,6739 persönliche Entgeltpunkte und ab 01.01.2017 eine monatliche Rente von 2.091,12 € (Zahlbetrag von 1.864,24 €) - mit Rentenanpassungen in der Folgezeit - errechnet wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 33/42 SG-Akte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 24.02.2021 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.12.2018 und des Bescheides vom 28.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2019 verpflichtet, den Bescheid vom 19.12.2016 abzuändern und die vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach den Vorschriften des FRG zu bewerten und ihm eine höhere Altersrente „für langjährig Versicherte“ nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Außerdem hat es angeordnet, dass die Beklagte dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten vom 01.09.1969 bis zum 16.12.1987 weiterhin auf Basis des FRG zu berechnen seien, da der Bescheid vom 04.10.1989, mit dem diese Zeiten als FRG-Zeiten anerkannt worden seien, bindend sei. Daher stehe dieser Bescheid einer Bewertung dieser Zeiten nach dem SGB VI entgegen. Der Bescheid vom 04.10.1989 sei in der Folgezeit nicht unwirksam, insbesondere nicht aufgehoben worden. Für die von der Beklagten behauptete Aufhebung mit Bescheid vom 26.04.1996 fehle der Nachweis, da dieser Bescheid nicht mehr reproduzierbar und daher für das Gericht nicht nachvollziehbar sei, ob dieser Bescheid jemals existiert und welchen Inhalt er gehabt habe. Der alleinige Verweis auf den in der Verwaltungsakte enthaltenen Gesamtkontospiegel sei nicht ausreichend, um eine Aufhebung des Bescheides vom 04.10.1989 zu belegen. Vor diesem Hintergrund sei es auch nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte den Bescheid vom 26.04.1996 nach § 44 SGB X habe überprüfen können. Eine Aufhebung des Bescheides vom 04.10.1989 sei auch nicht nach Art. 38 RÜG a.F. sowie weder ausdrücklich noch konkludent mit dem Rentenbewilligungsbescheid vom 19.12.2016 erfolgt. Der Bescheid vom 28.06.2019 sei aufzuheben, da die Überprüfung eines nicht vorliegenden Bescheides nicht möglich sei.
Gegen das - ihr am 05.03.2021 zugestellte - Urteil hat die Beklagte am 01.04.2021 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie hat vorgetragen, sie pflichte dem SG darin bei, dass sie nicht den Nachweis erbringen könne, den FRG-Zeiten vormerkenden Bescheid von 1989 wirksam gegenüber dem Kläger aufgehoben zu haben. Zwar dürfte aus dem Akteninhalt noch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit deutlich werden, dass am 26.04.1996 ein Bescheid an den Kläger adressiert wurde, in dem rentenrechtliche Zeiten bis Ende 1989 vorgemerkt worden seien. Der Kläger dürfte - ungeachtet seines Bestreitens - diesen Bescheid auch erhalten haben. Denn anders erkläre sich der erste Satz im Bescheid der Beklagten vom 23.10.2008 nicht, in dem von einem Antrag des Klägers auf Rücknahme u.a. des Bescheides vom 26.04.1996 die Rede sei. Es lasse sich aber nicht mehr rekonstruieren, ob der Bescheid vom 26.04.1996 explizit Aussagen über den Fortbestand des Bescheides von 1989 verlautbart habe. Vor diesem Hintergrund müsse von der fortdauernden Wirksamkeit des Bescheides von 1989 ausgegangen werden. Die fortbestehende Wirksamkeit dieses Bescheides wäre aber nur dann von Bedeutung, wenn der Kläger den die rentenrechtlichen Zeiten in der früheren DDR abweichend berücksichtigenden Rentenbewilligungsbescheid vom 19.12.2016 nicht in Bindung erwachsen lassen, sondern mit „regulären Rechtsbehelfen" wie Widerspruch und Klage angegriffen hätte. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des BSG ein Anspruch auf Neufeststellung einer Rente im Hinblick auf frühere Vormerkungsbescheide dann nicht bestehe, wenn dieser Anspruch nicht im regulären Rechtsbehelfs-, sondern im sog. Zugunstenverfahren geltend gemacht werde.
Die Beklagte hat in einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 07.10.2021 die Berufung insoweit zurückgenommen, als mit dem Urteil des SG Heilbronn der Überprüfungsbescheid vom 28.06.2019 aufgehoben wurde.
Die Beklagte beantragt (Bl. 413 Senatsakte),
das Urteil des SG Heilbronn vom 24.02.2021 insoweit aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als der Bescheid vom 11.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2019 aufgehoben und sie unter Abänderung des Altersrentenbescheides vom 19.12.2016 verurteilt wurde, die vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG zu bewerten und ihm unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine höhere Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist erneut auf das Urteil des SG Aachen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozess-akten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist zuletzt noch - nachdem die Beklagte die Berufung teilweise zurückgenommen hat, soweit der Bescheid vom 28.06.2019 vom SG aufgehoben wurde - das Urteil des SG vom 24.02.2021, soweit mit diesem der Überprüfungsbescheid vom 11.12.2018 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2019 aufgehoben und die Beklagte verurteilt worden ist, den Bescheid über die Bewilligung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte vom 19.12.2016 abzuändern und dem Kläger unter Bewertung der von ihm im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG eine höhere Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 38 SGB VI) zu gewähren. Soweit der Urteilsausspruch insoweit die Gewährung einer höheren Altersrente für langjährig Versicherte und damit anderen Rentenart (§ 36 SGB VI) enthält, handelt es sich hierbei um eine offenbare Unrichtigkeit (§ 138 SGG), da dem Kläger mit Bescheid vom 19.12.2016 die Altersrente für besonders langjährig Versicherte bewilligt wurde und allein deren Höhe streitig ist.
Das SG hätte den Bescheid vom 11.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2019, mit dem die Beklagte eine Abänderung des bestandskräftigen Altersrentenbescheides vom 19.12.2016 im Hinblick auf die Bewertung von rentenrechtlichen Zeiten im Beitrittsgebiet nach dem FRG ablehnte, nicht aufheben und die Beklagte zur entsprechenden Abänderung und Gewährung einer höheren Altersrente verurteilen dürfen.
Rechtgrundlage für das Begehren des Klägers ist allein § 44 SGB X in Bezug auf den bestandskräftigen Altersrentenbescheid. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG).
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der in Abs. 1 nicht ausdrücklich geregelte Anspruch auf eine Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft ergibt sich aus § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Der bestandskräftige Altersrentenbescheid vom 19.12.2016 ist insofern ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, als er nicht die begehrte höhere Altersrente unter Bewertung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG gewährt. In dieser Hinsicht verlangt der Kläger die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts, durch den Sozialleistungen im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X zu Unrecht nicht in der begehrten Höhe erbracht worden seien (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 20.04.1983, 5a RKnU 2/81, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris).
Die Voraussetzung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X), dass bei Erlass des Altersrentenbescheids im Dezember 2016 das Recht unrichtig angewandt worden sein muss, ist jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte hat bei der Rentenberechnung zu Recht die Zeiten im Beitragsgebiet nicht mehr nach dem FRG, sondern nach §§ 256a bis 256c SGB VI bewertet und zugrunde gelegt. Im Übrigen hat auch der Kläger im hiesigen Verfahren nie in Frage gestellt, dass zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung eine Bewertung der von ihm im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG auf Grund der zum Januar 1992 geänderten Rechtslage, die im Übrigen eine Anpassung von zuvor ergangenen Bescheiden unter weitgehender Ausschaltung von Vertrauensschutzgesichtspunkten vorsieht (Art. 38 RÜG), an sich nicht mehr möglich ist. An der Beschränkung der Vertrauensschutzregelung des § 259a SGB VI auf Versicherte mit Geburtsjahrgängen vor 1937 und der Bewertung allein derer Zeiten im Beitrittsgebiet weiterhin nach dem FRG hat der Senat - auch in Ansehung des Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.12.2016 (1 BvR 713/13) - keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese macht im Übrigen auch der Kläger im hiesigen Verfahren nicht geltend.
Soweit der Kläger sein Begehren, gleichwohl von einer nach dem aktuell gültigen Recht nicht mehr möglichen Bewertung nach dem FRG zu profitieren, durchgehend seit seinem Antrag im September 2018 ausdrücklich und ausschließlich mit einer formalen, allein auf den von ihm im Klageverfahren vorgelegten Vormerkungsbescheid vom 04.10.1989 und dessen Bestandskraft (§ 77 SGG) beruhenden Rechtsposition geltend gemacht hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
Zwar ist nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI bei Änderung der dem Feststellungsbescheid zugrundeliegenden Vorschriften der Feststellungsbescheid durch einen neuen Feststellungsbescheid oder (spätestens) im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben.
Im Altersrentenbescheid selbst ist - wie das SG zutreffend ausgeführt hat und wovon zuletzt auch die Beklagte selbst ausgegangen ist - keine Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 04.10.1989 erfolgt (vgl. zu den Anforderungen der hinreichenden Bestimmtheit einer solchen Aufhebungsentscheidung im Rentenbescheid: BSG, Urteil vom 30.03.2004, B 4 RA 36/02 R).
Ob die Beklagte eine solche Aufhebungsentscheidung zu einem früheren Zeitpunkt traf, ist jedoch - wie das SG zutreffend ausgeführt hat und wovon auch die Beklagte ausgeht - nicht mehr aufklärbar, da der erste, dem Bescheid aus dem Jahr 1989 nachfolgende Neufeststellungsbescheid vom 26.04.1996 nicht mehr vorgelegt werden kann.
Für eine Aufhebung der mit Bescheid vom 04.10.1989 getroffenen Feststellungen durch Bescheid vom 26.04.1996 sprechen folgende Anhaltspunkte: Der Bescheid vom 26.04.1996 war laut Gesamtkontenspiegel der erste nach der Rechtsänderung im Jahr 1992 ergangene Feststellungsbescheid. Angesichts der Informationen im Gesamtkontenspiegel ist auch sicher, dass mit ihm rentenrechtliche Zeiten bis 31.12.1989 festgestellt wurden. Weiter ist sicher, dass er im Verhältnis zum Bescheid vom 04.10.1989 neue Regelungen zu den Zeiten im Beitrittsgebiet enthielt, denn anders lässt sich der frühere Überprüfungsantrag des Klägers vom 30.09.2008, mit dem er die Rücknahme des Bescheides vom 26.04.1996 und die Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG begehrte, nicht erklären. Soweit der Kläger behauptet hat, den Überprüfungsantrag 2008 nie gestellt zu haben, ist dies für den Senat nicht glaubhaft, da die Beklagte ohne Antrag keinen Anlass gehabt hätte, die Rücknahme der dort genannten Bescheide von 1996 und 2004 nach § 44 SGB X zu überprüfen, und der Kläger auch in seinem Widerspruch von Oktober 2008 (Bl. 254 ff. Senatsakte) nicht geltend machte, die Beklagte würde ohne Anlass entscheiden. Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren 2018 sowie im Klage- und Berufungsverfahren vorgetragen hat, den Bescheid vom 26.04.1996 nicht erhalten zu haben, ist auch dies für den Senat angesichts des Umstandes, dass der Kläger ausweislich des Bescheides von 2008 einen diesbezüglichen Überprüfungsantrag gestellt haben muss, nicht glaubhaft. Zudem bestritt er im Widerspruchsverfahren im Jahr 2008, nachdem die Beklagte ihn darauf hinwies, dass er gegen den rechtskräftigen Bescheid vom 26.04.1996 keine Einwände erhoben habe (Bl. 260 Senatsakte), gerade noch nicht, diesen Bescheid erhalten zu haben, sondern trug vielmehr allein vor, worauf sich sein „Einwand zum Bescheid vom 26.04.1996“ bezog, nämlich auf die „Bezeichnung Bürger des Beitrittsgebiets“ (Bl. 262 Senatsakte). In diesem Widerspruchsverfahren stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger im März 2009 nochmals klar, dass die Aufhebung des Bescheides vom 04.10.1989 durch Bescheid vom 26.04.1996 erfolgt ist (Bl. 272 Senatsakte). Auch hierauf reagierte der Kläger nicht mit einem Bestreiten des Zugangs dieses Bescheides, sondern allein mit den Ausführungen, dass die Aufhebung des Bescheides vom 04.10.1989 eine Enteignung darstelle und diese Aufhebung „erst nach 7 Jahren erfolgte 1996“ (Bl. 274 Senatsakte). Gerade diese Einlassung spricht dafür, dass sowohl der Bescheid von 1989 mit Bescheid vom 26.04.1996 aufgehoben wurde als auch, dass der Kläger letzteren erhielt. Hätte der Kläger den Bescheid vom April 1996 tatsächlich nicht erhalten, hätte er sich bereits in den Jahren 2008/2009 nicht in der Sache eingelassen, sondern bereits während dieses Überprüfungsverfahrens dessen Zugang bestritten. Vor diesem Hintergrund betrachtet der Senat das Bestreiten des Zugangs des Bescheides vom 26.04.1996 erstmals mit seinem hier streitgegenständlichen Überprüfungsantrag vom September 2018 - nach Kenntnisnahme des Urteils des SG Aachen vom Mai 2018 - als bloße Schutzbehauptung des Klägers. Soweit der Kläger behauptet hat, erst in den Jahren 2006/2007 aus den Medien über die „über die Umdeutung von FRG auf SVA bei DDR-Flüchtlingen“ (Bl. 43 SG-Akte) erfahren zu haben, ist auch dies für den Senat angesichts der bereits zum 01.01.1992 eingetretenen Rechtsänderungen und des von ihm im Januar 2004 gestellten Kontenklärungsantrags sowie seines Vortrags, dass er ab dem Jahr 2004 Rentenauskünfte erhalten habe, in denen die Beitragszeiten „von FRG auf SVA“ umgedeutet wurden (Bl. 20 SG-Akte), nicht nachvollziehbar.
Im Ergebnis kommt es hierauf und auf die Frage, wer die objektive Beweislast für die Aufhebung eines Vormerkungsbescheides im Rahmen eines Zugunstenverfahrens trägt, jedoch nicht an. Denn der Kläger kann selbst bei zu seinen Gunsten unterstellter fortwirkender Bestandskraft des Vormerkungsbescheides vom 04.10.1989 und der dann (allein) deswegen bestehenden objektiven Rechtswidrigkeit des Altersrentenbescheides die Rücknahme des letzteren in Anwendung des § 44 SGB X weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft verlangen, weil der Altersrentenbescheid bei seinem Erlass der materiellen Rechtslage entsprach (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2014, B 13 R 3/13 R, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O., Rdnr. 22), der sich der Senat anschließt, soll § 44 SGB X dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns Geltung verschaffen und der Verwaltungsbehörde zur Herstellung materieller Gerechtigkeit die Möglichkeit eröffnen, Fehler, die im Zusammenhang mit dem Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, zu berichtigen. Hierbei soll nach dem Willen des Gesetzgebers dessen Rücknahme nur dann in Betracht kommen, soweit eine erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Behörde zu Ungunsten des Antragstellers falsch gehandelt hat (vgl. BT-Drucks 8/4022 S. 82). Ansonsten soll der Verwaltungsakt bestehen bleiben. Nicht Sinn und Zweck des Zugunstenverfahrens kann es daher sein, dem Antragsteller mehr zu gewähren, als ihm nach materiellem Recht zusteht. Nach diesen Maßstäben lag im Zeitpunkt der Erteilung des Altersrentenbescheides vom 19.12.2016 ein der materiellen Rechtslage widersprechender Altersrentenbescheid gerade nicht vor, da die Zeiten im Beitrittsgebiet nach Maßgabe der bei seinem Erlass gültigen Regelung der §§ 256a bis 256c SGB VI bewertet und der Rentenberechnung zugrunde gelegt wurden.
Der Kläger kann auch nach Eintritt der Bestandskraft des Altersrentenbescheides vom 19.12.2016 keinen Vertrauensschutz mehr aus einer - zu seinen Gunsten unterstellten - fortbestehenden Bindungswirkung des Vormerkungsbescheides vom 04.10.1989 herleiten. Denn spätestens bei Erlass des Altersrentenbescheides musste er davon ausgehen, dass die hierin getroffenen Feststellungen zu seinen Zeiten im Beitrittsgebiet nach dem SGB VI („SVA“ und Hinweis im Bescheid auf Bewertung nach dem SGB VI, Bl. 2m Rückseite SG-Akte) rechtsverbindlich werden, wenn er sich nicht mit dem zulässigen Rechtsbehelf des Widerspruchs dagegen zur Wehr setzt. Von seinem Widerspruchsrecht hat der Kläger indes keinen Gebrauch gemacht. Selbst im Falle eines Widerspruchs aber hätte die Beklagte den entgegenstehenden Vormerkungsbescheid noch im laufenden Widerspruchsverfahren gegen den Rentenbescheid, im Widerspruchsbescheid selbst oder in einem gesonderten Bescheid aufheben können (BSG, Urteil vom 24.04.2014, a.a.O., Rdnr. 27 f. und im Übrigen auch das vom Kläger zitierte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.02.2006, L 14 RA 97/03), was die Beklagte nach ihrem Vortrag (Bl. 19 Senatsakte) auch getan hätte. Der Kläger kann jedoch im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X nicht bessergestellt werden, als hätte er fristgerecht Widerspruch eingelegt (BSG, Urteil vom 24.04.2014, a.a.O., Rdnr. 28). Im Übrigen war dem Kläger nicht erst seit Erlass des Altersrentenbescheides von Dezember 2016, sondern nach seinem Vortrag jedenfalls seit den Rentenauskünften ab dem Jahr 2004 bekannt, dass die Zeiten im Beitragsgebiet nicht mehr nach dem FRG, sondern nach den §§ 256a ff. SGB VI bewertet und zugrunde gelegt würden.
Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Begehrens auf das Urteil des SG Aachen vom 09.05.2018 (a.a.O.) gestützt hat, weist der Senat nur am Rande darauf hin, dass dem dortigen Rechtsstreit kein Zugunstenverfahren, sondern ein reguläres Rechtsbehelfsverfahren zu Grunde lag und das SG Aachen somit keine Veranlassung hatte, das Urteil des BSG vom 24.04.2014 (a.a.O.) zu berücksichtigen. Gleiches gilt im Übrigen für die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des BSG vom 15.01.2007, B 13 R 43/06, mit der es die Nichtzulassungsbeschwerde der dortigen Klägerin gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.02.2006, L 14 RA 97/03 als unzulässig verwarf.
Nach alledem war das Urteil des SG in dem von der Beklagten beantragten Umfang aufzuheben. Angesichts der von der Beklagten erklärten teilweisen Rücknahme der Berufung gegen das Urteil, soweit mit ihm der Überprüfungsbescheid vom 28.06.2019 aufgehoben wurde, ist das Urteil des SG insoweit - also bezüglich der Aufhebung dieses Bescheides - in Rechtskraft erwachsen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.