L 9 R 1944/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3582/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1944/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30. April 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Berücksichtigung einer vom Bevollmächtigten der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Vollmacht im Zusammenhang mit der Bekanntgabe behördlicher Schreiben.

Die 1979 geborene Klägerin absolvierte von 1998 bis 2004 Berufsausbildungen zur IT-Systemkauffrau und anschließend zur Baumschulgärtnerin und war seit 01.01.2018 bei der Stadt B als Gärtnerin beschäftigt. Sie war zwischen September 2019 und Februar 2020 wegen verschiedener Erkrankungen (Influenza, Hörsturz) arbeitsunfähig. Mit Bescheid vom 23.01.2020 bewilligte ihr die Beklagte eine 3-wöchige ambulante Rehabilitationsmaßnahme.

Am 31.03.2020 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit dem Ziel einer beruflichen Weiterbildung. Durch Bescheid vom 04.04.2020 bewilligte ihr die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach. Über Art und Umfang dieser Leistungen erhalte die Leistungsberechtigte noch weiteren Bescheid. Die Klägerin war in der Folge wegen erneuter Rückenschmerzen ab dem 08.06.2020 arbeitsunfähig. Sie stellte am 17.06.2020 über ihren behandelnden Arzt einen weiteren Rehabilitationsantrag, den sie insbesondere auf orthopädische Einschränkungen und Beschwerden (Cerviko-Brachialgien li., Cerviko-Cephalgien, Dorsalgien, Bandscheibenvorfall C5/C6 li. betont, BS-Protrusion C6/C7 MRT HWS 25.10.2019) stützte. Hierauf teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 30.06.2020 mit, dass der bereits erteilte Bescheid vom 04.04.2020 noch gültig sei.

Mit Bescheid vom 17.07.2020 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Maßnahme zur Abklärung ihrer beruflichen Eignung und Arbeitserprobung, um für die Auswahl von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben deren Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit angemessen berücksichtigen zu können. Die Abklärung wurde am 04.08.2020 im Zentrum Beruf und Gesundheit (ZBG) in K durchgeführt. Im hierüber gefertigten Bericht führte die Diplom-Psychologin G aus, die intellektuelle Leistungsfähigkeit der Klägerin reiche für eine Weiterbildung zur angestrebten Technikerin Gartenbau nicht aus. Für eine Umschulung auf Kammerniveau sei ein Reha-Vorbereitungslehrgang (Vorförderung) notwendig. Da die Klägerin derzeit über keine beruflichen Alternativen verfüge, werde die Teilnahme an einer Berufsfindungsmaßnahme empfohlen. Mit Schreiben vom 26.06.2020 bestätigte die Staatsschule für Gartenbau S-H die Aufnahme der Klägerin in die zweijährige Weiterbildung zur staatlich geprüften Gartenbautechnikern, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau (Lehrgang 2020-2022) und wies auf die entstehenden Kosten hin.

Mit Schreiben vom 18.08.2020 zeigte der Bevollmächtigte der Klägerin seine Bevollmächtigung bei der Beklagten vorab per Telefax an unter Vorlage einer vom 17.08.2020 datierenden Vollmacht und dem Hinweis, Zweitschrift dieses Briefes gehe mit Originalvollmacht postalisch zu. Das vorgelegte Vollmachtsformular umfasst nach seinem Wortlaut u.a. das Verhandeln, die Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen, Bescheiden und sonstigen Rechtsmitteln und enthält am Ende den Satz: „Die Vollmacht gilt für alle Instanzen und erstreckt sich auf Neben- und Folgeverfahren aller Art. Jeglicher Schriftwechsel hat nur mit dem Bevollmächtigten zu erfolgen.“ Er wies darauf hin, dass die Weiterbildung am 14.09.2020 beginnen solle. Aufgrund der persönlichen Eignungsnachweise, die offensichtlich beim ZBG niemand interessiert hätten, habe die Klägerin ihre Befähigung und Qualifikation für eine Erwachsenenfortbildung nachgewiesen.

Mit an die Klägerin adressiertem und übersandtem Bescheid vom 18.08.2020 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 13.07.2020 auf Teilnahme an einer Weiterbildung zur Technikerin (Gartenbau) im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab mit der Begründung, laut dem Bericht über die Psychologische Eignungsabklärung am 04.08.2020 sei eine Weiterbildung zur Technikerin - Gartenbau - nicht möglich, da eine Eignung, insbesondere die kognitiven Voraussetzungen für die beantragte Weiterbildung nicht vorlägen. Eine Förderung sei daher nicht möglich. Der Bescheid vom 18.08.2020 wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 19.08.2020 vorab zur Kenntnisnahme übersandt mit Hinweis, der Bescheid sei am 18.08.2020 um 11.00 Uhr direkt an die Versicherte versandt worden. Die eingereichte Vollmacht sei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg erst am 18.08.2020 um 12.28 Uhr per E-Mail zugegangen und habe somit bei der Versendung des Bescheides nicht berücksichtigt werden können. Mit Schreiben vom 19.08.2020 legte der Bevollmächtigte der Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein mit der Begründung, der durchgeführte Eignungstest könne nicht die realen Verhältnisse konterkarieren. Alles Weitere werde die Akteneinsicht bringen und das Anordnungsverfahren vor dem Sozialgericht. Am 18.08.2020 beantragte der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin/Antragstellerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluss des SG vom 02.09.2020 (S 12 R 2863/20 ER) wurde die Beklagte/Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig die Weiterbildung zur staatlich geprüften Gartenbautechnikerin an der Staatsschule für Gartenbau in S-H, beginnend am 14.09.2020, zu gewähren.

In einem internen Vermerk der Beklagten vom 07.09.2020 wird ausgeführt, nach Prüfung der Begründung der einstweiligen Anordnung scheine hier eine Fortsetzung des Verfahrens nicht sehr aussichtsreich. Darüber hinaus seien bei Vertretung durch den Rentenberater weitere außergerichtliche Kosten und Verfahrenshemmnisse zu befürchten. Die Maßnahmekosten seien (sofern die Fortbildung bestanden werde) sehr günstig. Es entstünden allerdings ÜG-Kosten und voraussichtlich Unterbringungskosten für zwei Jahre. Da jedoch auch bei einer anderen Maßnahme eine zweijährige Maßnahmedauer nicht unwahrscheinlich wäre, sollte hier ein Bewilligungsbescheid für die begehrte Maßnahme erteilt und der Ablehnungsbescheid für gegenstandslos erklärt werden.

Mit Bescheid vom 07.09.2020, der an den Bevollmächtigten der Klägerin übersandt wurde, erließ die Beklagte einen Abhilfebescheid und bewilligte eine Weiterbildung der Klägerin für den Beruf Technikerin - Gartenbau (Garten-, Landschaftsbau) - in der Staatschule für Gartenbau S als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Bescheid vom 18.08.2020 sei damit gegenstandslos. Der Bescheid vom 07.09.2020 wurde am selben Tag an den Bevollmächtigten der Klägerin übersandt.

Unter dem 30.09.2020 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin die Zahlung eines Vorschusses auf das zu gewährende Übergangsgeld bis zum 11.10.2020, ansonsten sei der gesetzlich vorgeschriebene Beginn nur durch einstweilige Anordnung sicherbar. Der vom Bevollmächtigten am 15.12.2020 beim SG anhängig gemachte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde von diesem unter dem 22.12.2020 für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 28.04.2021 (S 12 4415/20 ER) entschied das SG, dass außergerichtliche Kosten der Antragstellerin nicht zu erstatten sind, da es am Rechtsschutzbedürfnis für den Eilantrag gefehlt habe. Es hätte eine schlichte Nachfrage bei der Antragsgegnerin genügt, damit das wohl versehentlich nicht ausgezahlte Übergangsgeld wieder ausgezahlt worden wäre. Dafür spreche insbesondere, dass die Antragsgegnerin nach Kenntnis des Eilverfahrens sofort (innerhalb von zwei Tagen) die Weiterzahlung veranlasst habe. Mit Bescheid vom 06.10.2020 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Dauer der mit Bescheid vom 07.09.2020 bewilligten Weiterbildung Übergangsgeld ab 14.09.2020 kalendertäglich in Höhe von 37,54 Euro. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin zugeleitet.

Mit an die Klägerin gerichtetem und dieser übersandtem Schreiben vom 07.10.2020 teilte die Beklagte dieser mit, mit Erteilung des Bescheides vom 07.09.2020 sei das Verwaltungsverfahren abgeschlossen. Es werde davon ausgegangen, dass die erteilte Vollmacht damit ihre Erledigung gefunden habe. Sämtliche Folgebescheide würden wieder direkt an ihre Anschrift übersendet. Sollte die Bevollmächtigung auch über das Ende des Verwaltungsverfahrens hinaus bestehen, möge dies bitte auf dem beigefügten Antwortformular mitgeteilt werden. Die Beklagte würde dann veranlassen, dass auch jeder zukünftige Schriftwechsel über den Bevollmächtigten erfolge.

Unter dem 14.10.2020 reichte der Bevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten eine Rechnung der Staatsschule für Gartenbau über Schulgebühr (300,00 Euro) mit der Bitte um sofortige Erledigung ein und teilte auf Nachfrage der Beklagten vom 27.10.2020 auch die Bankdaten der Klägerin mit. Mit Bescheid vom 15.10.2020, der an den Bevollmächtigten der Klägerin übersandt wurde, wurde der Übergangsgeldbescheid vom 06.10.2020 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen und für die Dauer der mit Bescheid vom 07.09.2020 bewilligten Leistung Übergangsgeld ab 14.09.2020 kalendertäglich in Höhe von 49,38 Euro bewilligt.

Am 16.10.2020 ging bei der Beklagten die mit Datum 14.10.2020 unterzeichnete Rückantwort der Klägerin auf das Schreiben vom 07.10.2020 ein, wonach die vorliegende Vollmacht auch über das Ende des Verwaltungsverfahrens hinaus gelte. Sämtlicher Schriftwechsel sei auch zukünftig über ihren Bevollmächtigten zu führen. Bis auf Widerruf sei daher die Anschrift des Bevollmächtigten im Versicherungskonto zu vermerken. Mit Schreiben vom 27.10.2020 reichte der Bevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten weitere Rechnungen zur Technikerausbildung der Klägerin ein mit der Bitte um Erledigung bis zu einem von ihm bestimmten Termin, worauf die Beklagte ihm mit Schreiben vom 05.11.2020 den Umfang erstattungsfähiger Lernmittel erläuterte. Auch in der Folgezeit korrespondierte die Beklagte mit dem Bevollmächtigten der Klägerin. So wurde durch Bescheid vom 04.12.2020 dessen Antrag vom 04.11.2020 auf Übernahme der Kosten für den Internetanschluss im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt.

Bereits am 14.10.2020 hat der Bevollmächtigte im Namen der Klägerin beim SG eine „Unterlassungsklage“ erhoben mit dem Antrag, „die Beklagte dazu zu verpflichten, unter Androhung eines Zwangsgeldes von 5.000,- Euro die Vollmacht, die für den Kläger (sic!) bei ihr hinterlegt worden ist, nicht weiterhin zu missachten“. Zur Begründung hat er ausgeführt, es sei immer schon in den letzten Jahren ein leidiges Thema mit der Vollmachtsbeachtung im Hause der Beklagten. Er habe alles außergerichtlich versucht, die Beklagte dazu zu bekommen, die Vollmachten zu beachten, und habe der Geschäftsführung mit entsprechenden Klageverfahren gedroht. Da es nicht funktioniert und anders wohl überhaupt nicht funktioniere, müsse dieser Weg hier beschritten werden. Er sei es leid, dass Bescheide oder Briefe an der Bevollmächtigung vorbei versandt würden und die Mandanten davon ausgingen, diese seien ihm zugegangen. Wie dem Schreiben der Beklagten vom 07.07.2020, zugestellt unter Missachtung der Vollmacht an die Klägerin direkt, unmissverständlich zu entnehmen sei, habe diese es immer noch nicht begriffen, wie eine Bevollmächtigung funktioniere. Gemäß dem Wortlaut seiner Vollmacht gebe es auch keine Befugnis, eine Zweitschrift irgendwelcher Schreiben direkt an die Mandantschaft zu senden. Demgemäß greife auch § 13 Abs. 3 SGB X nicht. Ergänzend müsse darauf hingewiesen werden, dass § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB X Ermessensausübung voraussetze und das Ermessen aufgrund der Bevollmächtigungsweise, wie sie hier erfolgt sei, auf Null reduziert sei. Die Beklagte sei nicht befugt, sich an die Versicherte/den Versicherten, den Kläger/die Klägerin, den Widerspruchsführer/die Widerspruchsführerin usw. zu wenden. Die Vorgehensweise im vorliegenden Fall gemäß Schreiben vom 07.07.2020 sei im Übrigen mehr als merkwürdig und von Vorsatz geprägt. Es gebe wohl keinen Grundsatz und keine Behörde in Deutschland, die einfach davon ausgehe, dass nach Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes die Vollmacht erloschen sei, ohne dass ein Widerruf erfolgte. Das Verwaltungsverfahren sei noch lange nicht abgeschlossen entgegen der Auffassung der Beklagten. Auch hier werde sich noch ein Widerspruchsverfahren wegen der Kosten in Bezug auf den Abhilfebescheid vom 07.09.2020 anschließen.

Unter dem 28.10.2020 hat die Beklagte zur Klage dahingehend Stellung genommen, die Ausführungen des klägerischen Bevollmächtigten in der Klagebegründung zum Schreiben an die Versicherte vom 07.10.2020 seien nachvollziehbar. Die Mitarbeiter seien entsprechend informiert und angewiesen worden, die Vollmachten zukünftig zu beachten. Zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach erkläre sich die Beklagte bereit, sofern der Rechtsstreit durch dieses Anerkenntnis seine Erledigung finde. Ergänzend zu der mit dem Schriftsatz zur Unterlassungsklage übersandten Kostennote vom 17.09.2020 für das Widerspruchsverfahren werde darauf hingewiesen, dass hierzu ein Kostenfestsetzungsbescheid am 29.09.2020 erlassen worden sei. Laut Auskunft der Hauptkasse sei der Betrag in Höhe von 739,50 Euro am 01.10.2020 zur Auszahlung gelangt. Unter dem 28.10.2020, 18.11.2020 und 30.12.2020 hat das SG die Kläger-Seite um Stellungnahme gebeten, ob der Rechtsstreit für erledigt erklärt werde. Eine Antwort ist nicht erfolgt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit „Anerkenntnis-Gerichtsbescheid“ vom 30.04.2021 die Beklagte unter Androhung eines Zwangsgelds von 5.000,- Euro dazu verpflichtet, die Vollmacht, die für die Klägerin bei ihr hinterlegt worden ist, nicht weiter zu missachten. Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage habe in vollem Umfang Erfolg. Die Beklagte sei nach dem über § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ihrem Anerkenntnis (Unterlassungserklärung) entsprechend – ohne weitere Sachprüfung – zu verurteilen. Die Klägerin habe das Anerkenntnis nicht angenommen und die Klage nicht für erledigt erklärt, sondern auf das Anerkenntnis – trotz mehrfacher Erinnerung – überhaupt nicht reagiert. Dennoch bleibe auch ohne eine Annahme der Beteiligte, der die Erklärung abgegeben habe, an den materiell-rechtlichen Inhalt gebunden, weil es sich bei dem Anerkenntnis um eine einseitige, nicht zustimmungsbedürftige Erklärung handele. Diese Bindung führe dazu, dass auch im sozialgerichtlichen Verfahren auf ein nicht angenommenes Anerkenntnis ein Anerkenntnisurteil (§ 202 SGG in Verbindung mit § 307 ZPO) zu ergehen habe. Über § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG würden für den Gerichtsbescheid die Vorschriften über Urteile entsprechend gelten, sodass im vorliegenden Fall ein Anerkenntnis-Gerichtsbescheid zu erlassen war. Die Kostenentscheidung beruhe auf den §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 193 SGG. Die Inanspruchnahme der gerichtlichen Hilfe sei nicht erforderlich gewesen, da der Klägerin der einfachere und schnellere Weg der direkten Kommunikation mit der Beklagten offen gestanden hatte. Die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 07.10.2020 explizit nachgefragt, wie zukünftig mit der Vollmacht verfahren werden solle. Auch im Falle der direkten Kommunikation mit der Beklagten wäre mit einem – wie im gerichtlichen Verfahren geschehen – sofortigen Anerkenntnis/Einlenken der Beklagten zu rechnen gewesen. Mithin sei eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten entsprechend dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO nicht angezeigt. Im Übrigen sei es hier nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin nach Abgabe der begehrten Unterlassungserklärung trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts keine weitere Erklärung abgegeben, insbesondere das Anerkenntnis nicht angenommen habe. Die Erstattung ihrer Kosten erscheine daher unbillig, weil sie es in der Hand gehabt hätte, das Verfahren für erledigt zu erklären.

Gegen den ihr am 07.05.2021 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 07.06.2021 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhobene Berufung der Beklagten, die ausgeführt hat, der Auffassung des SG werde insofern widersprochen, als ein Anerkenntnis solchen Inhalts von der Beklagten de facto nie abgegeben wurde. Der Anerkenntnis-Gerichtsbescheid des SG entbehre daher jedweder Grundlage. Die erkennende Kammer sei offenbar aufgrund eines Schriftsatzes der Beklagten vom 28.04.2021 (gemeint wohl: 28.10.2020) zu der Auffassung gelangt, die Beklagte erkenne nicht nur an, eine vorgelegte Vollmacht fehlerhaft nicht beachtet zu haben, sondern erkenne darüber hinaus eine Unterlassungsverpflichtung gegen Zwangsgeld an. Dem sei jedoch nicht so. Es sei mit besagtem Schriftsatz lediglich anerkannt worden, dass die Beklagte tatsächlich fehlerhaft eine Vollmacht nicht beachtet hatte, und - da aus dem Umstand dieses versehentlichen Fehlers letztlich das Klageverfahren vor dem SG resultierte - die Bereitschaft zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach erklärt worden, sofern der Rechtsstreit mit Annahme des Anerkenntnisses seine Erledigung hätte finden können. Da das vorliegend versehentlich erfolgte Nichtbeachten einer Vollmacht tatsächlich einen Fehler darstelle, sei ein solcher seitens der Beklagten selbstverständlich auch nicht in Abrede gestellt worden. Dementsprechend sei mit Schriftsatz vom 28.04.2021 (gemeint wohl: 28.10.2020) dieser Fehler eingeräumt und zudem darüber informiert worden, dass die Beklagte Maßnahmen ergriffen habe, um die Wiederholung eines derartigen Fehlers zukünftig möglichst auszuschließen, indem die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nochmals im Hinblick auf einen korrekten Umgang mit der Bevollmächtigung sensibilisiert worden seien. Die Beklagte habe zu keiner Zeit beabsichtigt, eine Unterlassungsverpflichtung gegen Zwangsgeld anzuerkennen und dies auch nie geäußert, was aber die erkennende Kammer offenbar aus dem Schriftsatz vom 28.10.2020 herausgelesen habe.

Die Beklagte beantragt,

den Anerkenntnis-Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30. April 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin trägt hierzu vor, da die Beklagte materiell-rechtlich gegen den Anerkenntnis-Gerichtsbescheid vorgehe, könne man sich auch zu den Kosten des Verfahrens äußern. Die Kostenentscheidung des Gerichts sei nicht nachzuvollziehen, denn vor dem Hintergrund von mindestens 15 Verfahren gegen die Beklagte wegen systematischer Vollmachtsmissachtungen, - und es höre nicht auf wohlbemerkt - sei überhaupt nicht mit einem Einlenken der Beklagten zu rechnen gewesen. Im Übrigen habe man ohne vollstreckbaren Titel kein Druckmittel. Es sei ja folgenlos, wenn man Klage erhebe und dann sage die Beklagte, ja, ja in Zukunft beachten wir die Vollmacht. Es sei doch Absicht, dass man die Vollmachten nicht beachte, denn immerhin hätten die Klageverfahren doch zu einem geführt: Man gebe sich außerordentlich Mühe, dass eine Vollmachtsmissachtung nicht eintritt. Und warum? Na, ganz einfach, weil diese Klageverfahren Geld kosten, und das sei ja das Einzige was zieht. Schriftwechsel mit der Geschäftsführung sei völlig sinnlos gewesen, habe zu nichts geführt. Kostenauslösende Maßnahmen, im Zweifel vollstreckbare Titel wegen der Vollmachtsmissachtung, das sei das was zieht und deshalb bestehe auch ein subjektives Recht auf solche Verfahrensentscheidungen. Die Vollmachtsmissachtung als solche sei keine Handlung, die in irgendeiner irgendwie gearteten Form unter § 56 a SGG zu subsumieren wäre. Das Gericht hätte die Beklagte zur Kostenübernahme verurteilen müssen. Es liege eigentlich auch klar auf der Hand, warum das Anerkenntnis nicht angenommen wurde, sondern im Prinzip abgewartet wurde, dass ein Anerkenntnis-Gerichtsbescheid ergehe.

Die Klägerin und die Beklagte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 28.09.2021 und der Beklagten vom 29.09.2021).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht erhobene und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§124 Abs. 2 SGG), ist zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Berufung ist auch begründet.

Die vom Bevollmächtigten der Klägerin in deren Namen erhobene Unterlassungsklage ist unzulässig. Nach § 56a SGG können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen eingelegt werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen. Die Regelung in § 56a Satz 1 SGG dient der Verfahrens- und Prozessökonomie (hierzu Luik in: Hennig, SGG, § 56a Rn. 4). Von ihr werden alle unselbstständigen Verfahrenshandlungen erfasst, mit denen eine Sachentscheidung erst vorbereitet und noch keine verbindliche Regelung getroffen wird (vgl. Luik a.a.O. Rn. 10). Es handelt sich um eine eigenständig zu prüfende (negative) Zulässigkeitsvoraussetzung für Rechtsbehelfe, unter anderem für alle Klagearten. Liegen die Voraussetzungen des § 56a Satz 1 SGG vor, ist der Rechtsbehelf unzulässig (Axer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl, 2017, § 56a Rn. 9).

Eine Ausnahme folgt auch nicht über § 56a Satz 2 SGG. Denn im vorliegenden Fall wendet sich der Bevollmächtigte nicht gegen seine förmliche Zurückweisung nach § 13 Abs. 5 bis 7 SGB X – gegen die Rechtsschutz im eigenen Namen möglich wäre -, sondern gegen die „Missachtung“ seiner hinterlegten Vollmacht, womit offenbar die behördliche Bekanntgabe und Zustellung von Schreiben und Bescheiden direkt an die Klägerin gemeint sein soll. Inwieweit diesbezüglich ein eigenständiger Rechtsschutz des Bevollmächtigten möglich wäre, bedarf keiner Entscheidung, da er diesen vorliegend nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Klägerin in Form einer Unterlassungsklage beansprucht (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.11.2020 – L 11 KR 2616/20 ER-B -, Juris).

Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich zudem aus dem fehlenden Rechtschutzbedürfnis, worauf auch das SG – allerdings nur in der Kostenentscheidung – hingewiesen hat. Am Rechtsschutzbedürfnis fehlt es grundsätzlich, wenn sich der Betreffende vor Anrufung des Gerichts mit seinem Anliegen nicht zuvor an die Behörde gewandt hat (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2019 - L 7 AS 1916/19 ER-B -, Juris Rn. 5; Sächsisches LSG, Beschluss vom 17.12.2015 - L 3 AS 710/15 B ER -, Juris Rn. 35 und vom 27.02.2017 - L 7 AS 1281/16 B ER -, Juris Rn. 15/16; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.09.2018 - L 2 AS 1143/18 B ER -, Juris Rn. 15; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 86b Rn. 7a; Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 86b Rn. 308). Die Gerichte haben die Aufgabe, den Bürgern und der Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit dies notwendig ist. Soweit eine Möglichkeit besteht, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichts in Anspruch zu nehmen (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 51 Rn. 16). Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere, wenn das angestrebte Ereignis auf einfachere Weise erreicht werden kann (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 51, Rn. 16a).

Vorliegend hatte die Beklagte mit Schreiben an die Klägerin vom 07.10.2020 dieser – unter Beifügung eines Rückantwortformulars – mitgeteilt, dass mit Erteilung des Bescheides vom 07.09.2020 das Verwaltungsverfahren abgeschlossen sei und davon ausgegangen werde, dass die erteilte Vollmacht damit ihre Erledigung gefunden habe und sämtliche Folgebescheide wieder direkt an ihre Anschrift übersendet würden. Sollte die Bevollmächtigung auch über das Ende des Verwaltungsverfahrens hinaus bestehen, möge dies bitte auf dem beigefügten Antwortformular mitgeteilt werden. Es werde dann veranlasst werden, dass auch jeder zukünftige Schriftwechsel über den Bevollmächtigten erfolge. Selbst wenn die Beklagte im genannten Schreiben den Regelungsgehalt des § 13 Abs. 3 SGB X bzw. den Begriff des „Verfahrens“ i.S. von § 13 Abs. 3 SGB X unzutreffend eng gefasst haben sollte, war es der Klägerin bzw. ihrem Bevollmächtigten ohne Weiteres möglich und zumutbar, den Fortbestand der Vollmacht der Klägerin mitzuteilen und darauf hinzuweisen, dass sämtlicher Schriftwechsel auch zukünftig über ihren Bevollmächtigten zu führen sei, was die Klägerin mit am 16.10.2020 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben auch getan hat. Der Klageerhebung durch ihren Bevollmächtigten zwei Tage zuvor am 14.10.2020 bedurfte es nicht, da eine schlichte Mitteilung von diesem an die Beklagte genügt hätte, um für Klarheit in Bezug auf den Zustellungsadressaten weiterer behördlicher Schreiben und Bescheide – auch in diesem Verfahren - zu sorgen. Eine Rückantwort der Kläger-Seite wäre zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch nicht deswegen obsolet oder unzumutbar gewesen, weil im - stets verwendeten - Vollmachtsformular des Bevollmächtigten vermerkt ist, dass sich diese auf Neben- und Folgeverfahren aller Art bezieht und jeglicher Schriftwechsel nur mit dem Bevollmächtigten zu erfolgen hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es der Kläger-Seite nicht freisteht, über gesetzliche Bekanntgabe- und Zustellungsvorschriften zu disponieren oder behördliches Ermessen von vornherein zu determinieren. Für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten regelt § 37 Satz 2 SGB X, dass dann, wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist, die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts ihm gegenüber vorgenommen werden kann. Die Vorschrift räumt der Behörde damit grundsätzlich Ermessen ein. Dieses behördliche Ermessen ist entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin nicht bereits wegen der standardisierten Fassung seiner Verfahrensvollmacht von vornherein auf Null reduziert im Sinne einer zwingend (nur) an ihn zu erfolgenden Bekanntgabe von Verwaltungsakten. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X stellt nach herrschender Meinung eine Spezialregelung zu der von der Kläger-Seite zitierten Bestimmung des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X dar, nach dem die Behörde sich (zwingend) im Verwaltungsverfahren an einen bestellten Bevollmächtigten wenden muss (BSG, Urteil vom 21.02.1985 - 11 RA 6/84 -, SozR 1300 § 37 Nr. 1; BVerwG, Urteil vom 30.10.1997 - 3 C 35/96 -, BVerwGE 105, 288; Krasney in Kasseler Kommentar, SGB X § 37 Rn. 5; Engelmann in v. Wulffen § 37 Rn. 10; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 37 Rn. 24; nach a.A. wird von § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X die Bestimmung des § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht berührt; hiernach muss die Behörde den Bevollmächtigten jedenfalls verständigen, wenn sie sich an den Beteiligten wendet, was auch dann gelten soll, wenn die Behörde den Verwaltungsakt trotz Bestehens einer Vollmacht unmittelbar dem Betroffenen bekanntgibt, Pattar in Juris-PK SGB X, 2. Aufl. 2017, § 37 Rn. 86).

Unabhängig davon weist der Senat darauf hin, dass der Gerichtsbescheid mit dem tenorierten Inhalt auch deswegen nicht als „Anerkenntnis-Gerichtsbescheid“ hätte ergehen dürfen, weil er inhaltlich nicht dem von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnis entspricht. Die Regelung des § 307 Satz 1 ZPO, die vorliegend über § 202 SGG Anwendung findet, verlangt für den Erlass eines Anerkenntnis-Urteils, dass eine Partei den gegen sie geltend gemachten „Anspruch“ ganz oder zum Teil anerkennt. Angeknüpft wird also an den mit der Klage geltend gemachten prozessualen Anspruch. Das Anerkenntnis einzelner Anspruchsvoraussetzungen ist demgegenüber kein Anerkenntnis i.S.d. § 101 SGG (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 101 Rn. 20). Hiervon ausgehend hatte die Beklagte den Klageanspruch, der zugleich die Unterwerfung unter eine Zwangsvollstreckung in Gestalt einer Zwangsgeldandrohung enthielt, nicht anerkannt, sondern in der Klageerwiderung (lediglich) erklärt, dass ihre Mitarbeiter informiert und angewiesen worden seien, die Vollmachten zukünftig zu beachten. Eine weitergehende Erklärung im Sinne des Anerkenntnisses des Klageanspruchs hat die Beklagte nicht abgegeben – schon gar nicht im Sinne des Klageantrages, wonach sie verpflichtet werden sollte, unter Androhung eines Zwangsgeldes von 5.000,- Euro die Vollmacht, die für den Kläger bei ihr hinterlegt worden ist, nicht weiterhin zu missachten. Damit sind Klageanspruch und Anerkenntnis der Beklagten – sofern man ihre Erklärung in diesem Sinne wertet – nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich weder ganz noch teilweise identisch, was dem Erlass eines Anerkenntnisurteils entgegensteht.

Schließlich hat der Gerichtsbescheid keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Für die Vollstreckung zugunsten natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts wird in § 198 Abs. 1 SGG auf das Achte Buch der ZPO, ausgenommen die Vorschriften über die vorläufige Vollstreckbarkeit sowie unter Beachtung der Sonderregelung in § 201 SGG, verwiesen. § 199 Abs. 1 SGG enthält für den Bereich des SGG eine abschließende Aufzählung der Vollstreckungstitel. Danach wird aus gerichtlichen Entscheidungen vollstreckt, soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes kein Aufschub eintritt (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Gerichtliche Entscheidungen in diesem Sinne sind alle Entscheidungen eines Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit, also Urteile, Gerichtsbescheide und Beschlüsse. Vollstreckt wird außerdem aus Anerkenntnissen und gerichtlichen Vergleichen (§ 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Dabei kommt ein Anerkenntnis als Vollstreckungstitel aber nur in Betracht, wenn es angenommen worden ist (vgl. B. Schmidt, a.a.O., § 198 Rn. 3a), woran es vorliegend fehlt. Vollstreckt werden kann aus Anerkenntnissen wie auch aus Urteilen und Gerichtsbescheiden nur, wenn sie vollstreckbar sind. Das bedeutet, ein Anerkenntnis oder ein Vergleich muss einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben (vgl. Krasney, Hdb SGG, XIII Rn. 17). Für die Vollstreckung kommen deshalb nur Leistungsurteile einschließlich der Verpflichtungsurteile in Betracht. Ob ein Urteil einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, richtet sich allein nach der Urteilsformel. Gegebenenfalls können zur Auslegung eines Tenors die Entscheidungsgründe herangezogen werden. Indes ist es nicht möglich, Inhalte, die nicht Gegenstand des Tenors sind, "zusätzlich" in den Vollstreckungstitel aufzunehmen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.01.2012 - L 5 AS 445/11 B -, Juris). Einen vollstreckungsfähigen Inhalt können nur Anerkenntnisse im Leistungs- oder Verpflichtungsklagebereich haben, die Zahlungs- oder sonstige Pflichten der Beteiligten begründen. Denn diese bedürfen einer Umsetzung durch Bescheid oder Realakt, der im Wege der Vollstreckung erzwungen werden kann.

Hiervon ausgehend ist der Tenor des Gerichtsbescheids nicht vollstreckungsfähig. Die unter Zwangsgeldandrohung ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, eine „Vollmacht, die für die Klägerin hinterlegt worden ist, nicht weiter zu missachten“, ist (völlig) unbestimmt und daher nicht vollstreckungsfähig. Unabhängig von der eher untechnischen Verwendung des Begriffs der Hinterlegung, der ersichtlich mit dem gleichnamigen Rechtsinstitut nichts zu tun hat, gilt dies insbesondere für die Formulierung, die Vollmacht „nicht weiter zu missachten“, wie sie das SG aus dem Klageantrag übernommen hat. Der Begriff der Missachtung ist unjuristisch und wird losgelöst von den gesetzlichen Bestimmungen über die Wirkungen einer Vollmacht im Verwaltungsverfahren verwendet. Im allgemeinen Sprachgebrauch nach der Duden-Definition bedeutet Missachten bzw. Missachtung eine Geringschätzung, die jemandem, einer Sache entgegengebracht wird. Eine Missachtung in diesem Sinne kann sich in unterschiedlicher Weise durch reales Tun, Unterlassen oder auf andere Weise ausdrücken. Schon diese Diversität einerseits und Unbestimmtheit andererseits des Begriffs zeigt auf, dass die Unterlassung von Missachtung nicht Gegenstand des Tenors einer gerichtlichen Entscheidung sein kann. Dies gilt auch, soweit die Missachtung einer vorgelegten Verfahrensvollmacht untersagt werden soll. Zwar bezieht sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Klägerin auf die mit der Klage in Bezug genommene Bestimmung des § 13 Abs. 3 SGB X, wonach, wenn für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt ist, sich die Behörde an ihn „wenden“ muss. Unabhängig davon, dass auch dieser Begriff weit gefasst ist, orientiert sich der Klageanspruch nicht am Gesetzeswortlaut. Für eine sachdienliche Auslegung des Tenors besteht mit Blick auf die Unzulässigkeit der Klage keine Veranlassung.

Auf die Berufung der Beklagten war der „Anerkenntnis-Gerichtsbescheid“ des SG daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers in beiden Instanzen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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