L 7 R 260/21 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 R 723/19 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 260/21 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Nach Ausschöpfung aller im konkreten Einzelfall gebotenen Ermittlungen kommt in Konstellationen der Glaubhaftmachung des Zuflusses von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien die Glaubhaftmachung von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes des einzelnen Beschäftigten in Betracht. Dies gilt nur für die Zeit von Juli 1968 bis Dezember 1982 und damit für die Planjahre von 1968 bis 1982.

     
   
 

 

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig  vom 23. März 2021 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 9. Mai 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 9. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2019 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1970 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Jahr:             

1970

252,12 Mark

1971

321,92 Mark

1972

352,47 Mark

1973

353,02 Mark

1974

352,47 Mark

1975

357,92 Mark

1976

373,31 Mark

1977

356,37 Mark

1978

381,64 Mark

1979

400,48 Mark

1980

405,07 Mark

1981

394,90 Mark

1982

434,42 Mark

1983

421,06 Mark

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

  1. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu vier Fünfteln.

 

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines (von der Beklagten bereits eröffneten) Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1970 bis 1990 (Zuflussjahre) in Form von Jahresendprämien festzustellen.

 

Dem 1940 geborenen Kläger wurde, nach erfolgreichem Abschluss eines Hochschulstudiums in der Fachrichtung Technologie der Bauproduktion an der Hochschule für Bauwesen A....  in der Zeit von September 1959 bis Januar 1965, mit Urkunde vom 12. März 1965 der akademische Grad „Diplomingenieur“ verliehen. Er war vom 15. Februar 1965 bis 28. Februar 1969 als Objektingenieur im volkseigenen Betrieb (VEB) Kombinat Y.... , vom 1. März 1969 bis 31. Januar 1971 als Spezialingenieur im VEB Erdölverarbeitungskombinat „X.... “ W.... , vom 1. Februar 1971 bis 30. September 1980 als Projektleiter Bau im VEB Braunkohlenkombinat Y....  sowie vom 1. Oktober 1980 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Projektierungsleiter im VEB Braunkohlenwerk V....  beschäftigt. Er erhielt zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) keine Versorgungszusage und wurde nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 16. November 2000 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte im Laufe des Verfahrens unter anderem eine Entgeltbescheinigung der DISOS GmbH vom 8. Januar 2001 (für den Beschäftigungszeitraum von Februar 1965 bis Dezember 1968 und Februar 1971 bis Juni 1990) vor. Mit Bescheid vom 9. Mai 2003 stellte die Beklagte daraufhin die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. März 1965 bis 30. Juni 1990 als „nachgewiesene Zeiten“ der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung der DISOS GmbH vom 8. Januar 2001, fest.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 23. Mai 2012 begehrte der Kläger die Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau bei den festgestellten Arbeitsentgelten. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14. Juni 2012 mitteilte, dass die Aufbewahrungsfrist für Lohnunterlagen der DDR zum 31. Dezember 2011 endete, sodass eine Anforderung von Bezugsunterlagen beim ehemaligen Arbeitgeber nicht mehr möglich sei, nahm der Kläger seinen Überprüfungsantrag mit Schreiben vom 20. Juni 2012 zurück.

 

Mit erneutem Überprüfungsantrag vom 13. Dezember 2018 (Eingang bei der Beklagten am 13. Dezember 2018) begehrte der Kläger die Berücksichtigung von Jahresendprämien sowie von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau bei den festgestellten Arbeitsentgelten. Zur Glaubhaftmachung legte er (unter anderem) arbeitsvertragliche Unterlagen sowie schriftliche Erklärungen der Zeugen U....  und T....  vom (jeweils) 4. April 2019 vor, in denen ausgeführt ist, dass der Kläger von seinen Beschäftigungsbetrieben jeweils zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau sowie Jahresendprämien ausgezahlt erhielt.

 

Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 9. Mai 2019 die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. März 1965 bis 30. Juni 1990 als „nachgewiesene Zeiten“ der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei berücksichtigte sie höhere Entgelte für die Jahre 1967 bis 1990 unter Anerkennung glaubhaft gemachter zusätzlicher Belohnungen für Werktätige im Bergbau. Die Anerkennung von Jahresendprämien lehnte sie hingegen ab, da deren Höhe weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht worden sei. Zugleich hob sie den bisherigen Bescheid (vom 9. Mai 2003), soweit er entgegenstand, auf.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 31. Mai 2019 (Eingang bei der Beklagten am 31. Mai 2019) Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Anerkennung von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1968 bis 1990 auf der Grundlage der Glaubhaftmachung. Die Beklagte zog im Widerspruchsverfahren Auskünfte des Bergarchivs S....  vom 17. Januar 2018 sowie des Sächsischen Staatsarchivs A....  vom 28. November 2017 bei, aus denen sich ergibt, dass sich Prämienunterlagen der Betriebe VEB Braunkohlenwerk V....  und VEB Braunkohlenkombinat Y....  nicht in den Archiven befinden.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Zeugenerklärungen enthielten keine konkreten Angaben und seien daher nicht ausreichend. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 17. Oktober 2019 Klage zum Sozialgericht Leipzig  und begehrte die Berücksichtigung von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1970 bis 1990 als glaubhaft gemachte Entgelte (für die Jahre 1970 bis 1983 in einer Mindesthöhe von einem Drittel eines durchschnittlichen Monatsbruttolohnes entsprechend der Rechtsprechung des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts, für die Jahre 1984 bis 1990 in einer Höhe wie sie vom Zeugen U....  bezogen wurde).

 

Das Sozialgericht Leipzig  hat die Klage mit Urteil vom 23. März 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 18. September 2019 verwiesen und ergänzend ausgeführt: Trotz der durchaus nachvollziehbaren Argumentation des Bevollmächtigten des Klägers und unter Verweis auf diverse Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts folge die Kammer der Rechtsansicht der Beklagten.

 

Gegen das am 8. Mai 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Mai 2021 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren nach Feststellung von Jahresendprämien für den Zeitraum von 1970 bis 1990 (Zuflussjahre) weiterverfolgt (für die Jahre 1970 bis 1983 in einer Mindesthöhe von einem Drittel eines durchschnittlichen Monatsbruttolohnes entsprechend der Rechtsprechung des 5. und des 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts, für die Jahre 1984 bis 1990 in einer Höhe wie sie vom Zeugen U....  bezogen worden). Die Jahresendprämienzahlungen seien dem Grunde nach durch die Zeugenaussagen glaubhaft gemacht worden. Deren Höhe sei zumindest in der Mindesthöhe von einem Drittel entsprechend der Rechtsprechung des 5. und des 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts glaubhaft gemacht worden. Im Übrigen habe der Zeuge U....  bestätigt, dass der Kläger Jahresendprämien mindestens in gleicher Höhe, wie er selbst, bezogen habe.

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig  vom 23. März 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 9. Mai 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 9. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2019 abzuändern und Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1970 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Gewährung einer Jahresendprämie in einer Mindesthöhe sei rechtlich nicht zulässig. Die Prämienverordnungen der DDR hätten keine individuelle Mindesthöhe einer Jahresendprämie vorgesehen. Das unzulässige Schätzergebnis würde nur mit einem anderen Namen versehen. Die bloß einfache Möglichkeit, dass den Anspruchsstellern Arbeitsentgelt im Minimum zugeflossen sei, genüge keinesfalls. Ein solches Ergebnis beruhe hauptsächlich auf Annahmen. Die Vorgehensweise des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts sei mit den rechtlichen Regularien unvereinbar. So habe sich der 4. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts nun auch „rechtsförmlich“ mit seinen Entscheidungen vom 21. April 2020 (in den Verfahren L 4 R 703/19 ZV und L 4 R 461/19 ZV) gegen die „Mindest-JEP“-Judikatur des 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts gestellt. Ebenso habe sich bereits das Bayerische Landessozialgericht „als erstes Obergericht“ mit rechtskräftigem Urteil vom 24. Oktober 2019 (im Verfahren L 1 RS 2/16) positioniert.

 

Das Gericht hat arbeitsvertragliche Unterlagen vom Kläger angefordert und schriftliche Auskünfte der Zeugen U....  vom 14. September 2021 und T....  vom 22. September 2021 eingeholt.

 

Mit Schriftsätzen vom 6. Oktober 2021 (Kläger) und vom 21. Oktober 2021 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet, weil das Sozialgericht Leipzig  die Klage teilweise zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Kläger hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher, ihm in den Jahren 1970 bis 1983 zugeflossener, weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits mit Bescheid vom 9. Mai 2003 in der Fassung des Bescheides vom 9. Mai 2019 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Hinsichtlich der Zuflussjahre 1984 bis 1990 ist die Berufung hingegen unbegründet.

 

Der Feststellungs- und Teilablehnungsbescheid der Beklagten vom 9. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2019 ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil mit dem Feststellungsbescheid vom 9. Mai 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 9. Mai 2019 das Recht (teilweise) unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als (teilweise) unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Deshalb waren das Urteil des Sozialgerichts Leipzig  vom 23. März 2021 (teilweise) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 9. Mai 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 9. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2019 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1970 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe, wie tenoriert, festzustellen sind. Soweit der Kläger höhere, als die tenorierten, Entgelte sowie weitere Entgelte für die Jahre 1984 bis 1990 wegen zu berücksichtigender Jahresendprämien begehrt, war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X, der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 9. Mai 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 9. Mai 2019 ist teilweise rechtswidrig.

 

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 9. Mai 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 9. Mai 2019 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie jedoch zu Unrecht teilweise nicht berücksichtigt.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das „erzielte Arbeitsentgelt“ zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort „erzielt“ folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem „aufgrund“ seiner Beschäftigung „zugeflossen“, ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren „Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung“ (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [nachfolgend: DDR-AGB] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 DDR-AGB). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB bestand ein „Anspruch“ auf Jahresendprämie, wenn

  • die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, 
  • der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und 
  • der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 DDR-AGB erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit, betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).

 

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt, worden ist.

 

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

 

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er zwar nicht nachgewiesen, zum Teil allerdings, und zwar für die Zuflussjahre 1970 bis 1983 in einer Mindesthöhe glaubhaft machen können; eine Schätzung hingegen ist nicht möglich (dazu nachfolgend unter 2.).

 

1.

Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter a), jedoch (für die begehrten Zuflussjahre 1970 bis 1990) glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter b):

 

a)

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine weiteren Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im VEB Braunkohlenkombinat Y....  sowie im VEB Braunkohlenwerk V....  liegen auch nicht mehr vor, wie sich den von der Beklagten im Widerspruchsverfahren beigezogenen Auskünfte des Bergarchivs S....  vom 17. Januar 2018 sowie des Sächsischen Staatsarchivs A....  vom 28. November 2017 entnehmen lässt.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV), weshalb bereits die Beklagte im Überprüfungsverfahren von einer entsprechenden Anfrage abgesehen hat.

 

b)

Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall (für die Zuflussjahre 1970 bis 1990) glaubhaft gemacht.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die „gute Möglichkeit“ aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 DDR-AGB) für den Bezug einer Jahresendprämie für die Zuflussjahre 1970 bis 1990 vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

 

aa)

Der Kläger war in den Jahren 1969 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Kombinats Y....  bzw. des VEB Erdölverarbeitungskombinats „X.... “ W....  bzw. des VEB Braunkohlenkombinats Y....  bzw. des VEB Braunkohlenwerk V....  (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 DDR-AGB), wie sich aus den vorgelegten arbeitsvertraglichen Unterlagen (Bl. 77-88 der Gerichtsakte) sowie den Eintragungen in seinen Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 47-70 der Gerichtsakte) ergibt. Die jeweiligen Betriebswechseljahre 1969, 1971 und 1980 können im konkreten Fall des Klägers aufgrund folgender Umstände jeweils vollständig berücksichtigt werden und führen nicht zu einem Anspruchsausschluss oder einer Anspruchskürzung:

  • Der Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers vom VEB Kombinat Y....  zum VEB Erdölverarbeitungskombinat „X.... “ W....  mit Wirkung zum 1. März 1969 erfolgte aufgrund eines Änderungsvertrages vom 20. Februar 1969 (Bl. 79 Rückseite der Gerichtsakte) sowie einer Ergänzungsvereinbarung vom 20. Februar 1969 (Bl. 80 der Gerichtsakte), die ausschließlich im Zusammenhang mit der Neubildung des VEB Erdölverarbeitungskombinats „X.... “ W.... , der dadurch bedingten strukturellen Änderungen sowie der notwendigen Zusammenführung von Bereichen als Arbeitsort stand. Er stellte deshalb keinen jahresendprämienschädlichen Arbeitgeberwechsel dar.
  • Der Wechsel des Arbeitsverhältnisses des Klägers vom VEB Erdölverarbeitungskombinat „X.... “ W....  zum VEB Braunkohlenkombinat Y....  mit Wirkung zum 1. Februar 1971 beruhte zwar auf einer Kündigung des Klägers vom 6. Januar 1971 (Bl. 30 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz), bewirkte aber nicht den Verlust der „ganzjährigen Planjahrzugehörigkeit“ im Sinne des § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 DDR-AGB. Denn in dem am 1. Februar 1971 abgeschlossenen Arbeitsvertrag des Klägers mit dem VEB Braunkohlenkombinat Y....  (Bl. 82 Rückseite-83 der Gerichtsakte) wurde unter Ziffer 5. als zusätzliche Vereinbarung geregelt, dass als Stichtag für die Betriebszugehörigkeit des Klägers weiterhin seine Tätigkeitsaufnahme am 15. Februar 1965 galt.
  • Der Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers vom VEB Braunkohlenkombinat Y....  zum VEB Braunkohlenwerk V....  mit Wirkung zum 1. Oktober 1980 erfolgte aufgrund eines Überleitungsvertrages vom 30. September 1980 (Bl. 86 Rückseite der Gerichtsakte), der ausschließlich im Zusammenhang mit Veränderungen der Wirtschaftseinheiten im Bereich des Ministeriums für Kohle und Energie ab 1. Oktober 1980 stand. Er stellte deshalb keinen jahresendprämienschädlichen Arbeitgeberwechsel dar, zumal auch im Überleitungsvertrag vom 30. September 1980 explizit geregelt wurde, dass als Stichtag für die Betriebszugehörigkeit des Klägers weiterhin seine Tätigkeitsaufnahme am 15. Februar 1965 galt.

 

bb)

Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 DDR-AGB). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 DDR-AGB zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 DDR-AGB in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 DDR-AGB die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die „Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972“ (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S. 810) sowie in der Fassung der „Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293), mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, sowie die „Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

 

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, „Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?“, rv [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

 

cc)

Ausgehend von den schriftlichen Auskünften der Zeugen U....  und T....  sowie den sonstigen Hinweistatsachen ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 DDR-AGB).

 

Der Zeuge U.... , der mit dem Kläger seit dem Jahr 1977 unmittelbar im VEB Braunkohlenkombinat Y....  und im VEB Braunkohlenwerk V....  zusammenarbeitete und dessen Vorgesetzter der Kläger war, gab in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 4. April 2019 (Bl. 48 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz) an, dass der Kläger jedes Jahr eine Jahresendprämie erhielt, zumal der Kläger keine Fehlschichten und keine disziplinarischen bzw. arbeitsrechtlichen Verfehlungen aufwies. Auf die schriftliche Nachfrage des Berufungsgerichts vom 6. September 2021 (Bl. 37 der Gerichtsakte) bestätigte er in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 14. September 2021 (Bl. 38-39 der Gerichtsakte) diese Angaben und führte weitergehend Folgendes aus: Die Jahresendprämien wurden, abhängig von der Erfüllung der Plankennziffern, jährlich im Februar oder März für das jeweils vorausgegangene Planjahr, prozentual vom eigenen monatlichen Bruttogehalt errechnet. Die Auszahlung erfolgte in den ersten Jahren in bar, in der sogenannten Lohntüte, später per Überweisung auf das eigene Bankkonto. Der Zeuge war selbst mit der Berechnung und Auszahlung der Jahresendprämien an die Mitarbeiter der Abteilung Projektierung im VEB Braunkohlenwerk V....  befasst, da die Höhe der Jahresendprämien der einzelnen Mitarbeiter der Abteilung Projektierung gemeinsam durch die Leiter der vier Fachprojektierungsgruppen (Bergbau, Maschinenbau, Bau, Elektrotechnik) mit dem Leiter der Abteilung Projektierung beraten wurden. Jahresendprämien erhielten alle Mitarbeiter der Betriebe, bis auf Ausnahmen infolge langer Krankheitszeiten. Auch der Kläger erhielt in den Jahren 1977 bis 1990 Jahresendprämien für seine Arbeitsleistungen im jeweils vorangegangenen Kalenderjahr.

 

Der Zeuge T.... , der mit dem Kläger seit dem Jahr 1966 unmittelbar im VEB Kombinat Y.... , im VEB Erdölverarbeitungskombinat „X.... “ W.... , im VEB Braunkohlenkombinat Y....  und im VEB Braunkohlewerk V....  zusammenarbeitete, gab in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 4. April 2019 (Bl. 52 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz) an, dass der Kläger jedes Jahr eine Jahresendprämie erhielt, zumal sich der Kläger nichts zuschulden kommen ließ. Auf die schriftliche Nachfrage des Berufungsgerichts vom 6. September 2021 (Bl. 36 der Gerichtsakte) bestätigte er in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 22. September 2021 (Bl. 41-42 der Gerichtsakte) diese Angaben und führte weitergehend Folgendes aus: Die Höhe der Jahresendprämien wurde zentral in den Betrieben mit mehreren tausend Beschäftigten festgelegt. Ein Kriterium war die Planerfüllung. Die Höhe der Jahresendprämien wurde immer als Prozentsatz vom Bruttoverdienst ausgewiesen. Die Zahlungen erfolgten jeweils im ersten Quartal des Jahres für das vergangene Kalenderjahr, in den ersten Jahren in bar, später durch Überweisung auf das Bankkonto. Die Auszahlung erfolgte an alle Mitarbeiter der Betriebe nach dem gleichen Modus und stellte eine Anerkennung der Arbeitsleistungen des vergangenen Jahres dar.

 

Unzulänglichkeiten des Klägers, die gegebenenfalls eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämien zur Folge hätten haben können, ergeben sich auch nicht aus anderweitigen Indizien oder Hinweistatsachen. Im Gegenteil: Die Angaben der Zeugen U....  und T....  sind vor dem Hintergrund der beigezogenen arbeitsvertraglichen Unterlagen des Klägers plausibel und bestätigen die berechtigte Annahme, dass der Kläger die individuellen Leistungskennziffern konkret erfüllte:

 

Dem Kläger wurden wiederholt, infolge der gezeigten Leistungen, höherwertigere und verantwortungsvollere Arbeitsaufgaben übertragen, die mit Lohnsteigerungen einhergingen (Bl. 77-88 der Gerichtsakte).

 

Im Arbeitszeugnis der R....  Braunkohlenwerk V....  vom 22. August 1991 (Bl. 89 der Gerichtsakte), welches über den gesamten Beschäftigungszeitraum des Klägers in der Braunkohlenindustrie seit dem Jahr 1959 Auskunft gibt, wird unter anderem ausgeführt, dass der Kläger

  • seine Arbeitsaufgaben stets gewissenhaft mit Fleiß und Umsicht ausführte,
  • seine Arbeitsaufgaben jederzeit in guter Qualität und termingerecht erfüllte,
  • für seine ausgezeichneten Leistungen in den drei Jahrzehnten mehrfach gewürdigt wurde,
  • seine Vorgesetzten achtete und immer einen kameradschaftlichen Dialog führte.

 

Unterstrichen wird diese vorbildliche und weder zu Kritik noch Tadel Anlass gebende Arbeitsweise des Klägers im Übrigen durch die ihm vom Betrieb im Jahr 1977 verliehene Auszeichnung als „Aktivist der sozialistischen Arbeit“ (vgl. Bl. 76 der Gerichtsakte). Mit dieser Auszeichnung wurden unter anderem hervorragende und beispielgebende Arbeitsleistungen gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der „Ordnung über die Verleihung des Ehrentitels ‚Aktivist der sozialistischen Arbeit‘“, die Bestandteil der „Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen“ vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war). Des Weiteren wurden ihm in den Jahren 1969, 1970, 1971, 1986, 1987 und 1988 jeweils Auszeichnungen als Mitglied eines „Kollektivs der sozialistischen Arbeit“ verliehen (vgl. Bl. 76 der Gerichtsakte). Mit diesen Auszeichnungen wurden unter anderem beispielgebende Arbeitsleistungen des Kollektivs und jedes einzelnen Mitglieds des Kollektivs im sozialistischen Wettbewerb, also konkret auch des Klägers, gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der „Ordnung über die Verleihung und Bestätigung der erfolgreichen Verteidigung des Ehrentitels ‚Kollektiv der sozialistischen Arbeit‘“, die Bestandteil der „Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen“ vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war).

 

Zusammenfassend wird dem Kläger damit insgesamt bescheinigt, dass er die ihm übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der vorgegebenen Leistungskriterien aufdrängen.

 

2.

Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1969 bis 1989) in den Zuflussjahren 1970 bis 1990 zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er zwar nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter a), jedoch für die Zuflussjahre 1970 bis 1983 zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter b). Die Höhe einer dem Grunde nach lediglich glaubhaft gemachten Jahresendprämie darf – entgegen der früheren Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts – allerdings nicht geschätzt werden (dazu nachfolgend unter c).

 

a)

Die dem Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1969 bis 1989) in den Jahren 1970 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:

 

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine weiteren Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im VEB Braunkohlenkombinat Y....  sowie im VEB Braunkohlenwerk V....  liegen auch nicht mehr vor, wie sich den von der Beklagten im Widerspruchsverfahren beigezogenen Auskünfte des Bergarchivs S....  vom 17. Januar 2018 sowie des Sächsischen Staatsarchivs A....  vom 28. November 2017 entnehmen lässt.

 

Auszahlungs- bzw. Quittierungslisten oder Anerkennungsschreiben der Abteilungen der Betriebe, die Aufschluss über die Jahresendprämienhöhe bezüglich des Klägers geben könnten, konnten auch die Zeugen U....  und T....  nicht vorlegen.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV), weshalb bereits die Beklagte im Überprüfungsverfahren von einer entsprechenden Anfrage abgesehen hat. Von einer Anfrage an das Bundesarchiv wurde im vorliegenden Verfahren abgesehen, da dort – wie aus entsprechenden Anfragen in anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde – lediglich statistische Durchschnittwerte der in den Kombinaten gezahlten durchschnittlichen Jahresendprämienbeträge pro Vollbeschäftigteneinheit aus verschiedenen Jahren vorhanden sind, die keinerlei Rückschluss auf die individuelle Höhe der an den Kläger in einem konkreten Betrieb gezahlten Jahresendprämienhöhe erlauben.

 

b)

Die konkrete Höhe der an den Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1969 bis 1989) in den Jahren 1970 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge ist zwar ebenfalls nicht glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter aa). Allerdings sind die für die Planjahre 1969 bis 1982 in den Zuflussjahren 1970 bis 1983 ausgezahlten Jahresendprämienbeträge zumindest zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):

 

aa)

Hinsichtlich der Höhe der gezahlten Jahresendprämien kann sowohl den Angaben des Klägers als auch der Zeugen U....  und T....  lediglich entnommen werden, dass sich die Jahresendprämie (als Prozentanteil) am Monatsgehalt des jeweiligen Werktätigen orientierte. Der Kläger selbst tätigte keinerlei Angaben zu den konkreten Höhen der Jahresendprämienbeträge. Er konnte lediglich angeben, dass Basis der Berechnung der jeweils einzelnen individuellen Jahresendprämien das Monatsgehalt des jeweiligen Beschäftigten war und die Prämienbeträge auf der Grundlage der Planerfüllung und des Monatsgehalts berechnet wurden. Die Zeugen U....  und T....  bestätigten dieses grundsätzliche Prozedere und führten aus, zu den Höhen der einzelnen Jahresendprämienbeträge (des Klägers) keine konkreten Angaben tätigen zu können. Die individuelle Festlegung erfolgte leistungsabhängig durch die Betriebsleitung (in Abstimmung mit der Gewerkschaftsleitung), ausgerichtet nach dem Betriebsergebnis und differenziert im Einzelnen. Eine weitergehende Präzisierung erbrachten die Zeugenbefragungen nicht. Soweit der Zeuge U....  in seinen Auskünften vom 4. April 2019 und vom 14. September 2021 ausführte, der Kläger habe Jahresendprämien „mindestens in der gleichen Höhe erhalten, wie ich“ bzw. die Höhe der Jahresendprämien des Klägers sei „mit Sicherheit etwas höher als die meine“, und der Zeuge T....  in seiner Auskunft vom 4. April 2019 angab, die jährlichen Jahresendprämien seien „in Höhe eine[s] Monatsgehalts“ ausgezahlt worden, ist darauf hinzuweisen, dass diese Angaben jeglicher Tatsachenbasis entbehren, da weder dargelegt noch nachvollziehbar erläutert wird, aus welchen konkreten Kennziffern und Berechnungselementen sich dieser Betrag ergibt. Die Glaubhaftmachung einer bestimmten Höhe ist mit solchen "in der Regel"-, "circa"-, "zwischen"-, "etwa"- oder "ungefähr"-Angaben nicht verbunden, denn es handelt sich bei ihnen um eine reine Mutmaßung, die im Ergebnis auf eine – vom BSG inzwischen abschließend als nicht möglich dargelegte (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.) – Schätzung hinausläuft, die nicht zu Grunde gelegt werden kann. Konkretere oder präzisierende Angaben konnten nämlich gerade weder von den Zeugen noch vom Kläger getätigt werden. Auch die begehrte Zugrundelegung der Jahresendprämien (für die Zuflussjahre 1984 bis 1990) in der Höhe, wie sie der Zeuge U....  nachgewiesen habe, ist nicht möglich. Zum einen handelt es sich bei den vom Zeugen angegebenen Beträgen auf den von diesem nachträglich erstellten Listen (Bl. 49 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz sowie Bl. 40 und 90 der Gerichtsakte) ohnehin nicht um nachgewiesene Beträge, weil entsprechende Bezugsdokumente im Original oder in Kopie zu keinem Zeitpunkt zu den Akten gereicht wurden. Zum anderen wird selbst in diesen Listen der Prämienbetrag teilweise lediglich als „Schätzergebnis“ ausgewiesen (1978, 1979, 1980, 1984). Hinzukommt, dass der Zeuge U....  auf die konkreten gerichtlichen Nachfragen ausführte, dass er weder konkrete Angaben zur Auszahlung der Höhe der Jahresendprämien an den Kläger tätigen kann, noch die Auszahlung der Jahresendprämien an den Kläger selbst beobachtete hatte.

 

In der Gesamtbetrachtung sind die Angaben des Klägers sowie der Zeugen U....  und T....  zur Höhe der an den Kläger geflossenen Jahresendprämienbeträge insgesamt zum einen vage und beruhen zum anderen allein auf dem menschlichen Erinnerungsvermögen, das mit der Länge des Zeitablaufs immer mehr verblasst und deshalb insbesondere in Bezug auf konkrete, jährlich differierende Beträge kaum einen geeigneten Beurteilungsmaßstab im Sinne einer „guten Möglichkeit“ gerade des vom Kläger oder den Zeugen angegebenen Prozentsatzes eines Bruttomonatslohns abzugeben geeignet ist.

 

Darüber hinaus ist zu beachten, dass es im Ergebnis grundsätzlich (zu den Ausnahmen nachfolgend unter bb) an einem geeigneten Maßstab fehlt, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämien beurteilt werden kann und der vom Kläger und den Zeugen behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Bruttomonatslohn, nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs-    oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war:

 

Nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämie, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben (vgl. dazu deutlich: Eckhardt u.a., „Lohn und Prämie – Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR“ [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 112; Langanke, „Wirksame Leistungsstimulierung durch Jahresendprämie“, NJ 1984, 43, 44). Aus diesem Grund zählte zu den betriebsbezogenen, in einem Betriebskollektivvertrag festgelegten Regelungen über die Bedingungen der Gewährung einer Jahresendprämie auch die Festlegung und Beschreibung der Berechnungsmethoden, aus denen dann individuelle Kennziffern für den einzelnen Werktätigen zur Berechnung der Jahresendprämie abgeleitet werden konnten.

 

Dies verdeutlichen auch sonstige rechtliche Regelungen unterhalb des DDR-AGB: So legten die Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 und in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973 sowie die Prämienfond-VO 1982 fest, wie die Jahresendprämie wirksamer zur Erfüllung und Übererfüllung der betrieblichen Leistungsziele beitragen konnte (§ 7 Prämienfond-VO 1972, § 9 Prämienfond-VO 1982). Danach waren den Arbeitskollektiven und einzelnen Werktätigen Leistungskennziffern vorzugeben, die vom Plan abgeleitet und beeinflussbar waren, die mit den Schwerpunkten des sozialistischen Wettbewerbs übereinstimmten und über das Haushaltsbuch oder durch andere bewährte Methoden zu kontrollieren und abzurechnen waren (§ 7 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Prämienfond-VO 1982). Die durchschnittliche Jahresendprämie je Beschäftigten war in der Regel in der gleichen Höhe wie im Vorjahr festzulegen, wenn der Betrieb mit der Erfüllung und Übererfüllung seiner Leistungsziele die erforderlichen Prämienmittel erarbeitet hatte; für den Betrieb war dieser Durchschnittsbetrag grundsätzlich beizubehalten (§ 9 Abs. 2 Prämienfond-VO 1982). Hervorzuheben ist dabei, dass der Werktätige und sein Kollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskriterien jeweils erfüllt haben mussten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972), die Leistungskriterien kontrollfähig und abrechenbar zu gestalten waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der „Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972“ [nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1972] vom 24. Mai 1972 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 34, S. 379]) und bei der Differenzierung der Höhe der Jahresendprämie von den unterschiedlichen Leistungsanforderungen an die Abteilungen und Bereiche im betrieblichen Reproduktionsprozess auszugehen war (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972). Außerdem war geregelt, dass die Jahresendprämien für Arbeitskollektive und einzelne Werktätige nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren waren (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), wobei hinsichtlich der Kriterien für die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresendprämie im Betrieb konkrete Festlegungen nach Maßgabe des § 6 der „Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 598) in der Fassung der „Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: 2. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 3. Februar 1986 (DDR-GBl. I 1986, Nr. 6, S. 50) zu treffen waren. Danach spielte zum Beispiel der Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader in den Betrieben und deren „wesentliche Erhöhung“ sowie die „Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit“ eine Rolle (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die konkreten Festlegungen erfolgten in betrieblichen Vereinbarungen (§ 6 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die endgültige Festlegung der Mittel zur Jahresendprämierung für die einzelnen Bereiche und Produktionsabschnitte einschließlich ihrer Leiter erfolgte nach Vorliegen der Bilanz- und Ergebnisrechnung durch die Direktoren der Betriebe mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitungen, die entsprechend der im Betriebskollektivvertrag getroffenen Vereinbarung abhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Prämienfonds durch den Betrieb und von der Erfüllung der den Bereichen und Produktionsabschnitten vorgegebenen Bedingungen war (§ 8 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 5 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982).

 

Weder zu den individuellen Leistungskennziffern des Klägers noch zu den sonstigen, die Bestimmung der Jahresendprämienhöhe maßgeblichen Faktoren konnten der Kläger oder die Zeugen nachvollziehbare Angaben tätigen.

 

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall nicht erfüllt. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa, weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, um den Zufluss von Jahresendprämien in einer bestimmten oder berechenbaren Höhe konkret an den Kläger glaubhaft zu machen. Denn hierfür wäre – wie ausgeführt – erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des vom Kläger geltend gemachten Zeitraumes eine entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich der Erfüllung der individuellen Leistungskennziffern, um eine konkrete Höhe als berechenbar erscheinen zu lassen.

 

bb)

Allerdings kommt für die Zeiträume der Geltung

  • der "Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1968) vom 26. Juni 1968 (DDR-GBl. II 1968, Nr. 67, S. 490) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1968) vom 10. Dezember 1969 (DDR-GBl. II 1969, Nr. 98, S. 626),
  • der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für das Jahr 1971" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1971) vom 20. Januar 1971 (DDR-GBl. II 1971, Nr. 16, S. 105) und
  • der Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 sowie in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973, mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden,

von Juli 1968 bis Dezember 1982 (also bis zum Inkrafttreten der Prämienfond-VO 1982 am 1. Januar 1983) eine Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe in Betracht.

 

Für diese Zeiträume legten

  • § 9 Abs. 7 Prämienfond-VO 1968,
  • § 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971 und
  • § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Prämienfond-VO 1972

nämlich verbindlich fest, dass der Prämienfond (auch) bei leistungsgerechter Differenzierung der Jahresendprämie ermöglichen musste, dass die Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen ein Drittel seines (durchschnittlichen) Monatsverdienstes betrug. Diese Mindesthöhe der an den einzelnen Werktätigen zu zahlenden Jahresendprämie durfte nach § 12 Nr. 6 Satz 2 Prämienfond-VO 1971 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 nur dann unterschritten werden, wenn der Werktätige nicht während des gesamten Planjahres im Betrieb tätig war und einer der Ausnahmefälle des § 5 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 vorlag. Diese Regelungen bestätigen damit, insbesondere durch die Formulierung, dass die für „diese Werktätigen zu zahlende … Jahresendprämie … die Mindesthöhe von einem Drittel eines monatlichen Durchschnittsverdienstes“ nur in Ausnahmefällen unterschreiten konnte, dass die Vorschriften an eine individuelle und nicht an eine generelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages des einzelnen Werktätigen anknüpften. Diese maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen sind im hier vorliegenden Zusammenhang der Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen daher als „generelle Anknüpfungstatsachen“ bzw. als „generelle Tatsachen“ heranzuziehen (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) und bestätigen – im Zeitraum ihrer Geltung – zumindest eine individuelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages jedes einzelnen Werktätigen, der die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllte. Soweit die Beklagte meint, bei dem in den vorbenannten Vorschriften enthaltenen Mindestbetrag der Jahresendprämie habe es sich lediglich um einen statistischen Wert bzw. um eine betriebliche Kennziffer gehandelt, die keine auf den einzelnen Werktätigen bezogene Individualisierung beinhaltet habe, trifft dies ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Regelungen, des systematischen Zusammenhangs der Vorschriften sowie des Sinns und Zwecks der Normen nicht zu. Denn die Regelungen knüpfen nicht an einen „durchschnittlichen Monatsverdienst“ bzw. an einen „monatlichen Durchschnittsverdienst“ aller Beschäftigten des Betriebes sondern an den „durchschnittlichen Monatsverdienst“ bzw. „monatlichen Durchschnittsverdienst“ des, also des einzelnen, Werktätigen an (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Prämienfond-VO 1972) bzw. regeln ausdrücklich, dass „die Mindesthöhe der Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen“ ein Drittel des, also des einzelnen, monatlichen Durchschnittsverdientes zu betragen hatte (§ 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971). Der durchschnittliche Monatsverdienst bzw. der monatliche Durchschnittsverdienst – der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der „Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung“ (nachfolgend: 1. Durchschnittsentgelt-VO) vom 21. Dezember 1961 (DDR-GBl. II 1961, Nr. 83, S. 551, berichtigt in DDR-GBl. II 1962, Nr. 2, S. 11) in der Fassung der „Zweiten Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung“ (nachfolgend: 2. Durchschnittsentgelt-VO) vom 27. Juli 1967 (DDR-GBl. II 1967, Nr. 73, S. 511, berichtigt in DDR-GBl. II 1967, Nr. 118, S. 836) richtete – war stets eine individuelle und gerade keine generelle (etwa alle Beschäftigten in ihrer Gesamtheit erfassende) Bezugsgröße. Zutreffend ist zwar, wie auch die Beklagte vorträgt, dass ein grundsätzlicher Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämie nur dann bestanden hat, wenn es der Prämienfonds ermöglichte, mindestens ein Drittel eines durchschnittlichen Monatsverdienstes für diese Form der materiellen Interessiertheit zur Verfügung zu stellen. Zutreffend ist auch, wie die Beklagte weiterhin vorträgt, dass Voraussetzung dafür war, dass Werktätige einen Rechtsanspruch auf die Leistungsprämienart „Jahresendprämie“ dem Grunde nach hatten, dass der Betrieb erarbeitete Prämienmittel zumindest in diesem Umfang für die Jahresendprämie bereitstellte. Dass der konkrete betriebliche Prämienfond des Beschäftigungsbetriebes des Klägers in den betroffenen Jahresendprämienjahren diese Voraussetzungen konkret erfüllte, ist im konkreten Fall aber hinreichend tatsächlich glaubhaft gemacht worden, weil der Kläger sämtliche konkrete Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Jahresendprämie in den streitgegenständlichen Jahresendprämienjahren erfüllte. Die Beklagte verwischt mit ihrer Argumentation, dass die Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Einzelfall dem Grunde nach vollständig glaubhaft gemacht worden sind, wenn sie meint, eine Glaubhaftmachung der Höhe nach von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes käme nicht in Betracht, weil unklar geblieben sei, ob der Prämienfond den Mindestbetrag in der Mindesthöhe überhaupt zur Verfügung gestellt habe bzw. ob der Betrieb erarbeitete Prämienmittel im Mindestumfang überhaupt für die Jahresendprämie bereitgestellt habe, mithin, ob der Kläger dem Grunde nach überhaupt Anspruch auf Jahresendprämien gehabt habe. Deshalb beinhaltet die Argumentation der Beklagten einen unzulässigen, und deshalb unbeachtlichen, Zirkelschluss (sog. petitio principii).

 

Für den Zeitraum ab dem Planjahr 1983 unter Geltung der am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen Prämienfond-VO 1982 kann ein derartiges oder ähnliches Ergebnis im Hinblick auf einen individuellen Mindestbetrag einer Jahresendprämie nicht mehr festgestellt werden. Die Prämienfond-VO 1982 legte einen Mindestbetrag oder eine berechenbare Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen nicht mehr fest. § 9 Abs. 3 Satz 5 Prämienfond-VO 1982 bestimmte vielmehr nur noch, dass die einzelnen Werktätigen (bei Erfüllung der für sie festgelegten Leistungskriterien und bei Erfüllung und Übererfüllung der für den einzelnen Betrieb festgelegten Leistungsziele) eine Jahresendprämie annähernd in gleicher Höhe wie im Vorjahr erhalten sollten. Damit wurde in der Prämienfond-VO 1982 abweichend von den bisherigen Regelungen der Prämienfond-VO’en 1968, 1971 und 1972 weder eine Mindesthöhe noch eine zwingende Mindestvorgabe festgeschrieben. Insbesondere die Verwendung des Verbs „sollen“ in der vorbezeichneten Vorschrift verdeutlicht, dass zwingende oder aus bundesrechtlicher Sicht „justiziable“ Mindestbeträge nicht vorgegeben waren, die als generelle Anknüpfungstatsachen gewertet werden könnten. Auch eine „statische Fortschreibung“ der zuletzt im Planjahr 1982 unter der Geltung der Prämienfond-VO 1972 ausgezahlten Jahresendprämie des Einzelnen war damit nicht verbunden.

 

Soweit sich die Beklagte im Übrigen auf die Urteile des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. April 2020 in den Verfahren L 4 R 703/19 ZV und L 4 R 461/19 ZV (nicht veröffentlicht) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass der erkennende Senat – trotz Überprüfung – keinen Anlass sieht seine begründete und ausgewogene Rechtsauffassung aufzugeben oder abzuändern. Denn die von der Beklagten zitierten Urteile des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts setzen sich mit der eingehend begründeten Argumentation des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts nicht auseinander, sondern gehen lediglich vom Gegenteil aus und weisen noch dazu darauf hin, dass diese Rechtsfrage in den dort entschiedenen Fällen gerade nicht entscheidungstragend war (wörtlich heißt es dort: „unabhängig von der Rechtsfrage, ob die Prämien-Verordnungen – wie vom 5. Senat des Sächsischen LSG und dem Sozialgericht angenommen – in den vorliegend streitigen Zuflussjahren von 1977 bis 1983 überhaupt als ausreichende Rechtsgrundlage für einen Rechtsanspruch auf Auszahlung von Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen in einer gesetzlich bestimmten Höhe herangezogen werden können, …“). Im Übrigen behandelt der erkennende Senat die Prämienverordnungen der DDR auch nicht – wie die Beklagte meint – "als Rechtsgrundlage für die Auszahlung der Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen"; der Auszahlungsanspruch ergibt sich allein aus § 117 Abs. 1 DDR-AGB; insoweit besteht auch keinerlei Divergenz zur Rechtsansicht des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2019 im Verfahren L 1 RS 2/16 (nicht veröffentlicht). Denn auch in diesem wird – neben dem lediglich fast zehnseitigem "Abschreiben" aus den Urteilen des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts – nur angeführt, dass die Prämienverordnungen keinen konkreten individuellen Anspruch des einzelnen Beschäftigten vermitteln. Davon geht – nochmals – auch der erkennende Senat aus. Die Prämienverordnungen werden vom erkennenden Senat lediglich als „generelle Anknüpfungstatsachen“ bzw. als „generelle Tatsachen“ (vgl. zu diesem Aspekt nochmals: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) für die Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen herangezogen, wenn und soweit dieser einzelne Werktätige im konkreten Verfahren aufgrund individueller Umstände glaubhaft gemacht hat, dass er im jeweils konkreten Jahresendprämienjahr die Anspruchsvoraussetzungen nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB konkret erfüllt hatte. Einen "Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämien aus den Prämienverordnungen" nimmt der erkennende Senat – entgegen der wiederholten Behauptungen der Beklagten – weder an, noch leitet er ihn hieraus ab. Die Prämienverordnungen dienen lediglich als Hilfsmittel der Glaubhaftmachung der Höhe bei Glaubhaftmachung der Bezugsvoraussetzungen dem Grunde nach.

 

Für die vorliegende Sachverhaltskonstellation haben die erläuterten Regelungen damit für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre 1969 bis 1982 und damit für die Zuflussjahre 1970 bis 1983 Bedeutung, weil der Kläger in diesen Jahren den Zufluss von Jahresendprämien, und damit das Vorliegen der Zahlungsvoraussetzungen, dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat. Die Mindesthöhe ist auch konkret berechenbar, weil sich der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers ausgehend von dem im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 9. Mai 2003 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelten (Entgeltbescheinigung der DISOS GmbH vom 8. Januar 2001), hinreichend individualisiert ermitteln lässt. Etwaigen Ungenauigkeiten bei der so zu Grunde gelegten Bestimmung des durchschnittlichen Monatsverdienstes bzw. des monatlichen Durchschnittsverdienstes, der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der 1. Durchschnittsentgelt-VO in der Fassung der 2. Durchschnittsentgelt-VO richtete, trägt die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung sind Schwankungen die sich aus dem Durchschnittsentgelt nach Maßgabe der vorbenannten Durchschnittsentgeltverordnungen ergeben könnten, hinreichend aufgefangen, zumal diese Verordnungen sowohl für die Berechnung des Brutto- als auch des Nettodurchschnittsverdienstes galten (§ 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO) und der Berechnung des Durchschnittsverdienstes alle Lohn- und Ausgleichszahlungen zu Grunde lagen (§ 3 Abs. 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), mit Ausnahme von ganz besonderen Zahlungen (§ 3 Abs. 2 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), die ohnehin nicht Grundlage des bescheinigten Bruttoarbeitsentgelts waren (unter anderem Überstundenzuschläge, zusätzliche Belohnungen, besondere Lohnzuschläge, bestimmte lohnsteuerfreie Prämien, Untertageprämien, Ausgleichszahlungen bei Teilnahme an Lehrgängen über 14 Kalendertagen, Ausgleichszahlungen infolge ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Entschädigungen). Anhaltspunkte dafür, dass derartige besondere Zuschläge und Prämien Bestandteil der im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 9. Mai 2003 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelte (Entgeltbescheinigung der DISOS GmbH vom 8. Januar 2001) sind, ergeben sich aus keinem zu berücksichtigenden Blickwinkel.

 

Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Jahresendprämienzahlungen für die in den Planjahren 1969 bis 1982 erwirtschafteten und in den Zuflussjahren 1970 bis 1983 ausgezahlten Jahresendprämien wie folgt zu berücksichtigen:

 

JEP-Anspruchsjahr

Jahresarbeits-verdienst

Monatsdurchschnittsverdienst

JEP-Mindest-betrag (= 1/3)

davon 5/6

(exakt)

JEP-Zuflussjahr

1969

10.891,65 M

907,64 M

302,55 M

252,12 M

1970

1970

13.906,80 M

1.158,90 M

386,30 M

321,92 M

1971

1971

15.226,80 M

1.268,90 M

422,97 M

352,47 M

1972

1972

15.250,20 M

1.270,85 M

423,62 M

353,02 M

1973

1973

15.226,80 M

1.268,90 M

422,97 M

352,47 M

1974

1974

15.462,49 M

1.288,54 M

429,51 M

357,92 M

1975

1975

16.127,04 M

1.343,92 M

447,97 M

373,31 M

1976

1976

15.395,03 M

1.282,92 M

427,64 M

356,37 M

1977

1977

16.487,04 M

1.373,92 M

457,97 M

381,64 M

1978

1978

17.300,70 M

1.441,73 M

480,58 M

400,48 M

1979

1979

17.499,28 M

1.458,27 M

486,09 M

405,07 M

1980

1980

17.059,56 M

1.421,63 M

473,88 M

394,90 M

1981

1981

18.767,04 M

1.563,92 M

521,31 M

434,42 M

1982

1982

18.189,66 M

1.515,81 M

505,27 M

421,06 M

1983

  

c)

Weil der Kläger den Bezug (irgend-)einer Jahresendprämie für die Planjahre 1969 bis 1982 in den Zuflussjahren 1970 bis 1983 dem Grunde nach nur glaubhaft gemacht hat, deren Höhe aber weder nachweisen noch – über die Mindesthöhe hinaus konkret – glaubhaft machen konnte, kommt eine Schätzung der Höhe dieser Prämienbeträge nicht in Betracht (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.). Denn eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat. Auch aus § 6 Abs. 5 AAÜG in Verbindung mit § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach § 202 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und „entsprechend“ anzuwenden ist, greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs. 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs. 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen müssen, ob und gegebenenfalls wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Eine Schätzung ist deshalb nur bei dem Grunde nach nachgewiesenen Zahlungen möglich (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17).

 

3.

Die (in der Mindesthöhe in den Jahren 1970 bis 1983 glaubhaft gemachten) zugeflossenen Jahresendprämien als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41, ebenso nunmehr: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG, berücksichtigt anteilig das Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen und würdigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved