L 8 BA 40/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 18 BA 83/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 BA 40/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 BA 3/22 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. 

Die Revision wird nicht zugelassen. 

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 38.796,53 € festgesetzt. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einer Beitragsnachforderung für die Beigeladene zu 1) in ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin für die Klägerin. 

Die Beigeladene zu 1) ist langjährig als Rechtsanwältin tätig. Für eine Tätigkeit als Rechtsanwältin bei den Rechtsanwälten D. und Kollegen in B-Stadt ab dem 1. Oktober 1997 wurde sie von der Beklagten mit Bescheid vom 27. November 1997 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. 

Vor Beginn der hier streitgegenständlichen Tätigkeit waren die Beigeladene zu 1) und der Geschäftsführer der Klägerin als Rechtsanwälte bis 30. Juni 2013 Partner der Partnerschaftsgesellschaft E. & Partner, die zum 1. Juli 2013 aufgelöst wurde. Die im Mai 2013 gegründete Klägerin, deren Alleingesellschafter Rechtsanwalt Dr. B. gleichzeitig ihr einziger Geschäftsführer ist, übernahm am 11. Juli 2013 den Standort dieser Partnerschaftsgesellschaft in A-Stadt. In § 9 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags ist bestimmt, dass die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte, die Geschäftsführer sind und/oder als Prokuristen/Handlungsbevollmächtigte von der Gesellschaft bevollmächtigt seien, bei der Ausübung ihres Rechtsanwaltsberufs zu gewährleisten ist. 

Die Beigeladene zu 1) führte zu diesem Zeitpunkt an ihrem damaligen Wohnsitz in B-Stadt eine eigene Rechtsanwaltskanzlei. Zugleich schloss sie unter dem 28. Juni 2013 mit der Klägerin einen Anwalts-Dienstleistungsvertrag für den Zeitraum ab 1. Juli 2013. Ausweislich der Präambel waren sich die Parteien einig, dass die Beigeladene zu 1) für die Zusammenarbeit eine partnergleiche Position bei der Klägerin auf der Basis einer freiberuflichen Vereinbarung haben solle. Soweit die Beigeladene zu 1) daneben selbstständig sei, sichere sie zu, dass sie ihre Tätigkeit fachlich und zeitlich so einrichten werde, dass es zu keinen sachlichen und/oder zeitlichen Konflikten zu ihrer Tätigkeit nach dem Vertrag komme. Nach § 1 wurde die Beigeladene zu 1) als Rechtsanwältin im A-Stadt Büro der Klägerin tätig. Sie war verpflichtet, sich zur Rechtsanwaltschaft bei der Rechtsanwaltskammer A-Stadt zuzulassen bzw. die Zulassung aufrechtzuerhalten. Fachlich habe sie den Weisungen der geschäftsführenden Rechtsanwälte zu folgen. Für fachliche Äußerungen nach außen, insbesondere bei fachbezogenen Vorträgen oder durch entsprechende Veröffentlichungen, bedürfe es der vorherigen Zustimmung der Gesellschaft. Sie führe die Geschäfte der Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung unter Verleihung von Prokura. Für ihre Dienstleistung erhielt die Beigeladene zu 1) nach § 3 des Vertrags eine feste monatliche Vergütung in Höhe von 6.000, - €, jeweils am Letzten eines Monats zur Zahlung fällig. Vereinbart wurde ferner eine variable Vergütung wegen der von der Beigeladenen zu 1) abgerechneten und gegenüber dem jeweiligen Mandanten realisierbaren Stunden. Diese variable Vergütung betrug, wenn das Mandatsverhältnis durch die Klägerin akquiriert wurde, 20 % des Mandats-Netto-Umsatzes, bei Selbstakquise und Betreuung durch die Beigeladene zu 1) 30%, bei Selbstakquise ohne Betreuung 10 %. Auslagen und Spesen wurden der Beigeladenen zu 1) gesondert erstattet. Der Vergütung lag ein vereinbarter Dienstleistungsumfang von 40 Stunden wöchentlich zugrunde; dabei war die Beigeladene zu 1) in der Festlegung ihrer Anwesenheit in den Kanzleiräumen der Gesellschaft weitgehend frei (§ 4). In § 5 wurde ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen kalenderjährlich vereinbart. Die Dienstleistungsvereinbarung begründe kein Anstellungsverhältnis, die Beigeladene zu 1) übernehme die Kosten für die eigene Kranken- und ggf. sonstige Sozialversicherung (§ 6). Die erforderliche Haftpflichtversicherung unterhalte die Beigeladene zu 1) auf eigene Kosten (§ 9). Nach § 7 konnte der Vertrag mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende beendet werden. Eine automatische Beendigung war vorgesehen mit Ablauf des Monats, in dem die Beigeladene zu 1) das 65. Lebensjahr erreichte. Der Klägerin war das Recht eingeräumt, die Beigeladene zu 1) von ihrer Tätigkeit mit sofortiger Wirkung im Falle der Kündigung freizustellen. Nach § 8 war die Beigeladene zu 1) verpflichtet, der Klägerin jede Dienstleistungsverhinderung unverzüglich anzuzeigen sowie vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über die Dienstunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen.

Zum 30. September 2014 beendeten die Klägerin und die Beigeladene zu 1) den Dienstleistungsvertrag einvernehmlich, nachdem die Beigeladene zu 1) ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verloren hatte. In der Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 14. Juli 2015 war die Beigeladene zu 1) sodann auf der Basis eines Anstellungsvertrags vom 31. Oktober 2014 für die Klägerin als Assessorin tätig. Nach Wiedererlangung der Anwaltszulassung am 15. Juli 2015 schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) am 24. Juli 2015 einen neuen Rechtsanwalts-Dienstleistungsvertrag vom 24. Juli 2015, der sich weitgehend an den vorangegangenen Vertrag vom 28. Juni 2013 anlehnte, jedoch in § 1 nunmehr formulierte, dass sich die Beigeladene zu 1) in fachlichen und berufsrechtlichen Zweifelsfragen sowie in Fällen möglicher Interessenskollision mit der Gesellschaft abzustimmen habe. Sie bedürfe ferner für nicht fallbezogene fachliche Äußerungen nach außen der vorherigen Zustimmung der Gesellschaft, soweit bei diesen Äußerungen auf die berufliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin hingewiesen werde. Die Beigeladene zu 1) erhalte Einzelzeichnungsberechtigung und führe den Mandanten gegenüber die Bezeichnung Partnerin. Als feste Vergütung wurde wiederum ein Betrag von 6.000, - € monatlich vereinbart, ergänzt um die Bestimmung, dass die feste Vergütung zeitanteilig gewährt werde, wenn die Dienstleistung nicht den vollen Monat umfasse. Entsprechend der im vorangegangenen Dienstleistungsvertrag 2013 getroffenen Regelung war die Beigeladene zu 1) variabel an den abgerechneten und realisierbaren Mandantenhonoraren beteiligt. Zusätzlich wurde geregelt, dass der Beigeladenen zu 1) in den Kanzleiräumen ein Arbeitszimmer mit einem eingerichteten Arbeitsplatz sowie ein Parkplatz zur Verfügung gestellt werde (§ 4); ferner sah der Vertrag nunmehr die Überlassung eines Dienstfahrzeugs zur dienstlichen und privaten Nutzung vor (§ 7). Der Dienstleistungsumfang, der nach den Vorstellungen der Parteien durch die feste Vergütung nach § 3 Abs. 1 des Vertrags finanziell abgedeckt werde, betrage im Durchschnitt 40 Stunden die Woche. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 24. Juli 2015 Bezug genommen. 

Die Beklagte führte vom 4. Juli 2017 bis 25. Januar 2018 an drei Tagen eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Die Beigeladene zu 1) gab an, dass sie teilweise in A-Stadt in den Räumen der Klägerin, meist in ihren Kanzleiräumen in B-Stadt tätig sei. Schwerpunkt ihrer Arbeit sei das Gesellschaftsrecht. Sie habe teilweise eigene Mandanten in die Klägerin eingebracht und dort bearbeitet, insbesondere, wenn für die Bearbeitung der Mandate ein größeres Team und/oder beispielsweise die Hinzuziehung von Kollegen anderer Fachrichtungen (z.B. Steuerrecht) erforderlich gewesen sei. Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit für die Klägerin sei sie sowohl zeitlich, örtlich als auch inhaltlich vollständig unabhängig. Sie sei frei darin, Mandate der Klägerin zu übernehmen und zu bearbeiten. Weisungen habe sie nie erhalten. 

Nach vorheriger Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2018 die Nachzahlung von Beiträgen und Umlagen zzgl. Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 64.215,25 €. Die Beigeladene zu 1) sei im Prüfzeitraum vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2016 bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen und habe aufgrund dessen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Zur Begründung führte die Beklagte u.a. aus, die Beigeladene zu 1) habe ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin naturgemäß frei und damit im fachlichen Verantwortungsbereich weisungsungebunden ausgeübt. Nach den ausdrücklichen Regelungen im Dienstvertrag vom 1. Juli 2013 unterliege sie aber einem fachlichen Weisungsrecht. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin ergebe sich daraus, dass sie auf die Nutzung der betrieblichen Infrastruktur der Klägerin angewiesen sei. Die zur Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Ressourcen (Arbeitsmittel, Sekretariat, Computer) würden von der Klägerin kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die von ihr verfassten Schriftsätze habe das Sekretariat auf die Briefbögen der Klägerin übertragen und versandt. Die Klägerin übernehme die Archivierung der Akten. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) unterscheide sich nicht wesentlich von den bei der Klägerin angestellten Rechtsanwälten. Eine Befreiung der Beigeladenen zu 1) von der Rentenversicherungspflicht zu Gunsten einer berufsständischen Versorgung liege für das streitgegenständliche Beschäftigungsverhältnis nicht vor. 

Hiergegen erhob die Klägerin am 6. Februar 2018 Widerspruch. Die Beigeladene zu 1) sei nicht in ihren Betrieb eingegliedert. Dass ihre Akten bei der Klägerin archiviert würden und die Beigeladene zu 1) die Briefbögen der Klägerin benutze sei dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin Vertragspartner der Mandanten sei und nicht die Beigeladene zu 1). Die Beigeladene zu 1) könne über ihre Arbeitskraft und Arbeitszelt völlig frei verfügen. Unter Berücksichtigung des Berufsrechts für Rechtsanwälte sei die freie Mandatsbearbeitung gesichert. Das fachliche Weisungsrecht sei lediglich ein Abstimmungserfordernis. Die Beigeladene zu 1) entfalte zudem Mitunternehmerinitiative, sie bestimme auch selbst darüber, welche Mandate, die ihr von der Klägerin angetragen würden, sie übernehme. 

Mit Bescheid vom 26. Juni 2019 reduzierte die Beklagte die Nachforderung auf insgesamt 49.988,53 € inklusive Säumniszuschlägen i. H. v. 11.192, - €. Im Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis 30. September 2014 seien seitens der Klägerin bereits Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1) bezahlt worden, so dass diese nicht noch einmal gefordert werden könnten. Im Übrigen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2019 den Widerspruch als unbegründet zurück, mit dem sie zugleich im Hinblick auf die erfolgte Aussetzung der Vollziehung Aussetzungszinsen festsetzte. 
Hiergegen hat die Klägerin am 15. November 2019 Klage zum Sozialgericht Frankfurt Main erhoben und ergänzend vorgetragen, Vorgaben hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung seien der Beigeladenen zu 1) nicht gemacht worden. Das fachliche Weisungsrecht in den Verträgen sei berufsrechtlichen Gründen geschuldet, da die Klägerin nicht nach außen unterschiedliche Meinungen zur gleichen Rechtsfrage vertreten könne. Die Regelung im Dienstleistungsvertrag, dass kein Anstellungsvertrag gewollt sei, müsse dahingehend verstanden werden, dass hiermit ein Weisungsrecht ausgeschlossen worden sei. Aufgrund der Rechtsform der Klägerin als GmbH sei eine Partnerstellung der Beigeladenen zu 1) nicht mehr möglich gewesen, weshalb eine Vergütungsregelung getroffen worden sei, die sich an das Vergütungssystem der vorangegangenen Partnerschaftsgesellschaft E. und Partner angelehnt habe. Die feste Vergütung sei quasi ein Basisgewinnanteil, hinzu kämen die umsatzabhängigen Vergütungsbestandteile, hinsichtlich derer die Vertragsparteien davon ausgegangen seien, dass diese weit über dem Festbetrag liegen würden. Es handele sich um eine gemeinsame Berufsausübung im Sinne des § 59a Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung. 

Die Beigeladene zu 1) ist dem Vorbringen der Klägerin beigetreten. Die Infrastruktur der Klägerin habe sie selten genutzt, sie erledige sämtliche Tätigkeiten einschließlich des Erstellens von Schriftsätzen oder Schreiben selbst und benötige hierfür keine Assistenz. 

Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 6. Januar 2021 auf die Erhebung von Säumniszuschlägen verzichtet und die Nachforderung aus dem Bescheid vom 26. Januar 2018 auf 38.796,53 € reduziert; ferner hat sie die Festsetzung von Aussetzungszinsen mit Schriftsatz vom 6. April 2021 zurückgenommen. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen. 

In der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2021 hat das Sozialgericht die Beigeladene zu 1) persönlich gehört und mit Urteil vom selben Tag die Klage – soweit nicht durch das Teilanerkenntnis erledigt – abgewiesen. Die noch streitige Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2016 sei rechtmäßig. Die Beklagte habe die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin zu Recht als nichtselbstständige Arbeit beurteilt. Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) habe keine berufliche Zusammenarbeit nach § 59a BRAO begründet, Eine solche sei, da es sich bei der Klägerin um eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung handele, mit Blick auf § 59c Abs. 2 BRAO bereits unzulässig. Das Vertragsverhältnis sei entgegen der in der Präambel zum Ausdruck kommenden Absicht einer partnergleichen Stellung ausweislich seiner Formulierungen zudem nicht von einer gleichberechtigten Partnerschaft auf Augenhöhe geprägt. Nach der vertraglichen Konzeption seien die selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) unter ihrer Kanzleiadresse und ihre Tätigkeit für die Klägerin in ein eindeutiges Rangverhältnis gesetzt worden, indem die Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin seitens der Beigeladenen zu 1) zeitlich und sachlich so einzurichten gewesen sei, dass es zu keinen Konflikten mit der Tätigkeit für die Klägerin kam. Das Verbot der sachlichen Konflikte stelle hierbei ein Wettbewerbsverbot dar. Hinzu komme das in beiden Verträgen vereinbarte fachliche Weisungsrecht, welches in den Kernbereich rechtsanwaltlicher Tätigkeit eingreife. Die Regelung in § 9 Abs. 6 der Satzung der Klägerin stehe dem nicht entgegen, da diese sich nur auf Geschäftsführer und Prokuristen der Klägerin beziehe, die Beigeladene zu 1) jedoch zu keinem Zeitpunkt Prokura besessen habe. Die Beigeladene zu 1) sei bei ihrer Tätigkeit für die Klägerin keinem wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt gewesen sei, da sie Anspruch auf eine feste monatliche Vergütung i.H.v. 6.000, - € gehabt habe, ohne dass hiermit zugleich, wie in einer Partnerschaftsgesellschaft, Haftungsrisiken verbunden waren. Die sich an der Beratung und Akquise orientierenden Zusatzvergütungen, die Merkmal einer selbständigen Tätigkeit sein könnten, überwögen demgegenüber nicht. Dem Entgelt habe ein wöchentlicher Tätigkeitsumfang von 40 Stunden zugrunde gelegen. Dass es sich hierbei um eine einzuhaltende Größe gehandelt habe, zeige die Pflicht zur fristgerechten Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Auch die automatische Beendigung des Dienstleistungsauftrags mit Erfüllung des 65. Lebensjahres durch die Beigeladene zu 1) stelle eine für Arbeitsverhältnisse typische Regelung dar. Zudem hätten der Beigeladenen zu 1) 30 Urlaubstage pro Jahr zugestanden, was nur dann eine sinnvolle Regelung sei, wenn es einen damit korrespondierenden fest vereinbarten Tätigkeitsumfang gebe. Die Beigeladene zu 1) sei auch tatsächlich in den Betrieb des Klägers eingebunden gewesen und habe für die Nutzung der Infrastruktur der Klägerin keine Kosten übernehmen müssen. Die Beigeladene zu 1) habe zudem von der Haftpflichtversicherung der Klägerin profitiert, indem diese im Haftungsfall zur Anwendung kam und nicht, wie bei einer selbständigen Tätigkeit üblich, ihre eigene. Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung werde nicht durch den Befreiungsbescheid für die Tätigkeit ab 1. Oktober 1997 ausgeschlossen, da sich ein solcher Befreiungsbescheid lediglich auf die konkret zu diesem Zeitpunkt ausgeübte Tätigkeit beziehe, die im Antrag angegeben werde (Hinweis auf die stRsprg. des BSG, u.a. Urt. v. 13. Dezember 2018 - B 5 RE 1/18 R; B 5 RE 3/18 R; und vom 23. September 2020 - B 5 RE 6/19 R). Hinsichtlich, der Höhe der Beiträge bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die Beklagte habe ausgehend vom nachgewiesenen, an die Beigeladene zu 1) gezahlten Entgelt unter Heranziehung der in den Jahren 2013 bis 2016 jeweils geltenden Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung die Beiträge berechnet. Diese seien zudem nicht verjährt, insbesondere nicht für das Jahr 2013. Nach § 25 Abs. 1 SGB IV verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, In dem sie fällig geworden seien. Nach § 25 Abs. 2 SG IV gälten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Die Verjährung sei für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt; die Hemmung beginne mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und ende mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung. Nach diesen Grundsätzen sei die Verjährung nach § 25 Abs. 1 SGB IV ab 4. Juli 2017, dem Beginn der Betriebsprüfung bei der Klägerin, gehemmt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt seien die Beiträge für das Jahr 2013 noch nicht verjährt, da die Verjährungsfrist erst am 31. Dezember 2017 abgelaufen sei. 

Gegen das am 19. April 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. April 2021 Berufung eingelegt. 

Sie meint, das Sozialgericht habe ihren Vortrag nicht ausreichend zur Kenntnis genommen. Die Verträge seien ausdrücklich als freiberufliche Vereinbarungen im Sinne von § 59a BRAO abgeschlossen worden. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ergebe sich aus § 59c Abs. 2 BRAO keine Unzulässigkeit dieser Zusammenarbeit; hierzu verweist die Klägerin auf eine Äußerung der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main vom 10. Dezember 2021. Ebenso unzutreffend sei die Annahme eines Wettbewerbsverbots. Weder nach den Dienstleistungsverträgen noch nach der tatsächlichen Handhabung habe ein Weisungsrecht der Klägerin bestanden. Die Beigeladene zu 1) habe bei ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin für die Klägerin im Rahmen der von ihr zu erbringenden Dienstleistung selbst entschieden, ob sie die Mandate im eigenen Namen wahrnehme, für die Klägerin akquiriere oder aber die Betreuung von Mandanten übernehme, die seitens der Klägerin vertraglich vereinbart worden seien. Bei jedem einzelnen an sie herangetragenen Auftrag habe sie entscheiden können, ob sie für dieses Mandat die anwaltliche Betreuung übernehme. In ihrer zeitlichen Gestaltung sei sie frei gewesen. Aufgrund ihres heimischen Büros in B-Stadt habe auch keine Abhängigkeit von der betrieblichen Infrastruktur der Klägerin bestanden; in den Geschäftsräumen in A-Stadt sei sie nur zeitweise – insbesondere für Mandantengespräche – anwesend gewesen. Fachliche Weisungen an die Beigeladene zu 1) als Expertin auf dem Rechtsgebiet des Gesellschaftsrechts habe es nicht gegeben und aufgrund ihres Expertenwissens auch nicht geben können. Das im Dienstleistungsvertrag vom 28. Juni 2013 vereinbarte fachliche Weisungsrecht finde sich in dem nachfolgenden Vertrag vom 24. Juli 2015 so nicht wieder. Aus einem fachlichen Weisungsrecht könne auch nicht auf eine persönliche Abhängigkeit geschlossen werden. Das Weisungsrecht beziehe sich zudem nur auf Verträge und Veröffentlichungen, in denen die Beigeladene zu 1) auf die berufliche Tätigkeit bei der Klägerin hinweise. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts habe die Beigeladene zu 1) auch Unternehmerinitiative entfaltet und aufgrund der variablen Vergütungsbestandteile ein Unternehmerrisiko getragen; in dem ab 15. Juli 2015 geltenden Dienstleistungsvertrag sei die Erfolgsbezogenheit auch ausdrücklich geregelt. 

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst), 

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2021 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2018, geändert durch die Bescheide vom 26. Juni 2019 und 6. Januar 2021, sowie den Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2019 aufzuheben. 

Die Beklagte beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen. 

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. 

Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag. Sie trägt vor, Weisungen der Klägerin habe sie nicht erhalten, solche hätte sie auch nicht akzeptiert. Die Klägerin habe ihr keine Aufträge auferlegen können. Den Zeitpunkt ihrer Dienstleistung habe sie selbst bestimmt. 
Die Beigeladene zu 2) hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. 
Der Senat hat die Beteiligten zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Beschluss der Berufsrichter/innen des Senats ohne mündliche Verhandlung angehört. 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung des Senats war, Bezug genommen. 


Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter/innen des Senats ohne mündliche Verhandlung, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Zustimmung der Beteiligten zu dieser Vorgehensweise ist nicht erforderlich (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl., § 153 Rn. 14). 

Die zulässige Berufung der Klägerin ist sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind in dem noch streitigen Umfang rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist in Bezug auf die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2016 zur Nachzahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung, zur Bundesagentur für Arbeit sowie der Umlagen U1, U2 und UI verpflichtet.  

Die Beklagte war für den Erlass der streitigen Beitragsbescheide sachlich zuständig. Nach § 28p Abs. 1 S 1 und 5 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre, und sie erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Die Prüf- und Festsetzungsbefugnis der Beklagten umfasst auch die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2017 – B 1 KR 31/16 R –, juris Rn. 11) sowie die Insolvenzgeldumlage (vgl. §§ 358 Abs. 1 S. 1, 359 Abs. 1 SGB III). 

Die Beklagte hat die Beigeladene zu 1) zu Recht als abhängig Beschäftigte angesehen, die der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI, § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III) unterlag. An die Arbeitnehmereigenschaft knüpfen auch die Umlagebeiträge nach § 7 AAG und § 358 SGB III an. 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der u.U. als Scheingeschäft im Sinne des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29).

Diese rechtlichen Kriterien gelten auch für die Prüfung, ob ein Rechtsanwalt in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig ist. Zwar gehört der Beruf des Rechtsanwalts zu den freien Berufen, dies schließt aber nicht aus, dass ein Rechtsanwalt sich als Angestellter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis befinden kann (vgl. § 46 BRAO). Daher kann ein zugelassener Rechtsanwalt in der Kanzlei eines anderen Rechtsanwalts sowohl als abhängig Beschäftigter als auch als freier Mitarbeiter tätig sein. Die Eigenart der Anwaltstätigkeit als eine Dienstleistung höherer Art mit einer aus dem Status eines Organs der Rechtspflege fließenden und von der Form der Ausübung nicht berührten sachlichen Weisungsfreiheit einerseits und einem weitgehend durch Sachzwänge (z.B. Gerichts- und Beratungstermine) bestimmten zeitlichen und örtlichen Arbeitsablauf andererseits bringt dabei mit sich, dass sich das Abgrenzungsmerkmal der äußeren Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer des Arbeitseinsatzes so reduzieren kann, dass es eine sichere Unterscheidung zwischen abhängiger und selbständiger Ausübung nicht mehr erlaubt. Auch hinsichtlich der Eingliederung in die Kanzlei als die betriebliche Organisation gilt, dass diese wegen der Eigenart der Berufsausübung eines Rechtsanwalts sowohl bei abhängiger Beschäftigung als auch bei freier Mitarbeit in erster Linie durch die Sachgegebenheiten bedingt wird. Auch der freie Mitarbeiter muss sich der sachlich und personellen Ausstattung der Kanzlei bedienen. Dagegen können aus der Art der Vergütung deutlichere Rückschlüsse auf die rechtliche Natur des Arbeitseinsatzes gezogen werden, je nachdem, ob sie mit einem -- ggf. pauschalierten -- Verlustrisiko belastet ist, deshalb einer Gewinnbeteiligung gleichkommt oder ob sie lediglich als Gegenleistung für geschuldete Arbeitsleistung (bzw. Arbeitsbereitschaft) anzusehen ist. Nur für den Fall, dass die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen der Anwälte etwa gleichermaßen die Deutung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis wie auch als selbständiges freies Mitarbeiterverhältnis zulässt, ist darauf abzustellen, was die Vertragsschließenden gewollt haben (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 1981 – 12 RK 11/80 –, juris Rn. 43; Bayerisches LSG, Urteil vom 14. Dezember 2001 – L 4 KR 147/99 –, juris Rn. 32 - 35). 

Nach diesen Grundsätzen überwiegen hier die Gesichtspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) sprechen. Hierfür streitet entscheidend die Ausgestaltung der beiden Dienstleistungsverträge vom 28. Juni 2013 und 24. Juli 2015. Zwar lassen diese in ihren Präambeln den Willen der Vertragsparteien zur Begründung einer freiberuflichen Zusammenarbeit erkennen; auch wurde der Beigeladenen zu 1) eine „partnergleiche Position“ versprochen. Die weitere Ausgestaltung der Verträge zeigt jedoch – worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat –, dass von einer Partnerschaft auf Augenhöhe nicht ausgegangen werden kann. Insoweit kommt der von der Klägerin in der Berufung in den Vordergrund gerückten formalen Bezeichnung der Tätigkeit in den Dienstleistungsverträgen als „freiberuflich“ im Hinblick darauf, dass die übrigen Vertragsinhalte anderes belegen, keine Bedeutung zu. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beigeladene zu 1), soweit sie Mandate der Klägerin bearbeitete, für und unter dem Namen der Klägerin tätig wurde. Im Hinblick auf ihre gleichzeitig ausgeübte Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin in eigenen Kanzleiräumen im B-Stadt verpflichtete sich die Beigeladene zu 1), ihre Tätigkeit zeitlich und sachlich so einzurichten, dass es zu keinen sachlichen und/oder zeitlichen Konflikten mit der Tätigkeit für die Klägerin kam. Ob dies – wie das Sozialgericht meint – der Sache nach ein Wettbewerbsverbot darstellt, kann dahinstehen, da dies für die Statusbeurteilung letztlich irrelevant ist. Bedeutsam ist dagegen, dass nach dem Dienstvertrag vom 28. Juni 2013 die Beigeladene zu 1) verpflichtet war, fachlich den Weisungen der geschäftsführenden Rechtsanwälte zu folgen (§ 1 Abs. 2 S. 2). Dies ist ein Gesichtspunkt, der im Hinblick auf die damit verbundene Einschränkung der anwaltlichen Unabhängigkeit (§ 46 Abs. 3 und 4 BRAO) auch aus Sicht des Senats besonders schwer wiegt, weil die fachliche Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit das Wesensmerkmal des freien Anwalts ist; wird dies nicht gewährleistet, entsteht automatisch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis (vgl. Wolf in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 46 BRAO Rn. 72). Das Sozialgericht hat auch zutreffend herausgearbeitet, dass diese Bestimmung nicht etwa im Hinblick auf § 9 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags unwirksam war, da der Beigeladenen zu 1) – entgegen der Absichtserklärung im Anwalts-Dienstvertrag vom 28. Juni 2013 – zu keinem Zeitpunkt Prokura erteilt worden war. Soweit die Klägerin geltend macht, das Weisungsrecht habe sich auf Vorträge und Veröffentlichungen beschränkt, bei denen die Beigeladenen zu 1) auf ihre berufliche Tätigkeit bei der Klägerin hinweise, ist dies mit dem Wortlaut der Vertragsbestimmung nicht in Einklang zu bringen. Damit beinhaltet die Regelung ein die persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) begründendes Direktionsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf die Ausführung der Arbeiten (vgl. BSG, Urteil vom 29. Oktober 1986 – 7 RAr 43/85 –, Rn. 16, juris). Denn die Klägerin konnte auf dieser Grundlage der Beigeladenen zu 1) im Kernbereich ihrer beruflichen Tätigkeit einzelfallbezogen Weisungen zu erteilen. Dass es hierzu – wie die Beigeladene zu 1) bestätigt hat – in der Arbeitsbeziehung tatsächlich nicht gekommen ist, ist für die an die Rechtsmacht anknüpfende rechtliche Beurteilung unmaßgeblich (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R –, juris Rn. 28).

Ein Weisungsrecht der Klägerin findet sich in zwar abgeschwächter, aber dennoch erkennbarer Weise auch noch in dem Dienstvertrag vom 24. Juli 2015. Danach hatte sich die Beigeladene in „fachlichen und berufsrechtlichen Zweifelsfragen sowie in Fällen möglicher Interessenkollisionen mit der Gesellschaft abzustimmen“. Aus Sicht des Senats beinhaltet die Pflicht, sich mit der Klägerin „abzustimmen“, mehr als eine Pflicht zur Besprechung oder Beratung, sondern ist im Sinne eines Vetorechts der Klägerin bei streitigen Fragen zu verstehen. Hierfür spricht auch, dass für die Klägerin nach ihrem Vorbringen vor dem Sozialgericht wesentlich war, dass im Außenverhältnis der Kanzlei keine divergierenden Meinungen erkennbar wurden. 

Die Beigeladene zu 1) war darüber hinaus in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Ihre Tätigkeit bestand in der Bearbeitung von Mandaten der Klägerin. Sie verfügte über einen Arbeitsplatz im A-Stadt Büro der Klägerin, war für die Mandantschaft über die Büroadresse erreichbar und nutzte, wenn sie sich in A-Stadt befand, deren Büroinfrastruktur zur Erledigung der üblichen anwaltlichen Tätigkeit (Anlegen und Führen von Akten, Fertigen und Zustellen von Schriftsätzen, Mandantengespräche, Kostenbearbeitung usw.). Diese Aspekte treten allerdings in den Hintergrund, weil sie im Hinblick auf das Wesen anwaltlicher Tätigkeit und die zu erbringende Dienstleistung höherer Art keinen sicheren Rückschluss auf eine abhängige oder selbständige Tätigkeit zulassen. Bedeutsam ist dagegen, dass der Dienstleistungsvertrag der Beigeladenen zu 1) vom 28. Juni 2013 einen Dienstleistungsumfang, der der Vergütung nach § 3 Abs. 1 (also der Festvergütung von 6.000. - € monatlich) zugrunde lag, von 40 Stunden pro Woche vorsah (§ 4 Abs. 1). Der Dienstleistungsvertrag vom 24. Juli 2015 änderte diese Arbeitszeitregelung (jetzt in § 5) nur geringfügig: Nunmehr wurde der Dienstleistungsumfang, der durch die feste finanzielle Vergütung abgedeckt sein sollte, mit „im Durchschnitt 40 Stunden wöchentlich“ angesetzt. Beide Verträge orientierten sich also an einer arbeitnehmertypischen wöchentlichen Arbeitszeit und verknüpften die gezahlte Festvergütung mit der Erbringung dieser Arbeitsleistung. Dabei war die Beigeladene zu 1) zwar „weitgehend frei“ in der Festlegung ihrer Anwesenheit in den Kanzleiräumen der Klägerin, konnte die Mandate also auch von ihrem heimischen Arbeitsplatz in B-Stadt bearbeiten. Die Formulierung „weitgehend frei“ impliziert allerdings, dass sich die Klägerin für besondere Situationen ein Weisungsrecht vorbehielt, wenn aus ihrer Sicht die Anwesenheit der Beigeladenen zu 1) im Büro im Einzelfall erforderlich war. Zudem bedingt die Vereinbarung einer festen wöchentlichen Arbeitszeit, dass die Beigeladene zu 1) in diesem Rahmen für die Klägerin erreichbar sein musste. In diesem Sinne ist auch die – für eine selbständige Tätigkeit untypische – vertragliche Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) zu sehen, jegliche Dienstleistungsverhinderung der Klägerin unverzüglich anzuzeigen und im Fall der Erkrankung vor Ablauf des dritten Tags nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über die Dauer der Dienstunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen (§ 8 des Vertrags). 

Vor dem Hintergrund dieser Regelungen vermag der Senat der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) nicht in ihrem Vortrag zu folgen, die Beigeladene zu 1) habe frei darüber entscheiden können, ob sie Aufträge der Klägerin annahm. Die Beigeladene zu 1) hatte sich mit den Dienstleistungsverträgen gegenüber der Klägerin zur Erbringung anwaltlicher Dienstleistungen in einem festgelegten zeitlichen Umfang von 40 Stunden wöchentlich bzw. durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich verpflichtet. Eine solche Festlegung beinhaltet die Befugnis der Klägerin, der Beigeladenen zu 1) die Bearbeitung von Mandaten in einem Umfang anzuweisen, welche den geschuldeten Arbeitsumfang abdeckten. Es ist anzunehmen, dass diese vertragliche Befugnis der Klägerin aufgrund der tatsächlichen Arbeitsbelastung der Beigeladenen zu 1) und einer kollegialen Ausgestaltung der Arbeitsbeziehung im Verlauf der Beschäftigung faktisch keine Rolle gespielt hat und die Beigeladene zu 1) daher – wie sie vorträgt - ein ihr von der Klägerin zur Bearbeitung angetragenes Mandat ablehnen konnte, ohne dass die Klägerin dies reklamierte. Dies ändert jedoch nichts an der vertraglichen Rechtsposition der Klägerin, die sich im Konfliktfall hätte realisieren lassen. 

Als wesentliches Kriterium für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ist sodann die Zahlung eines festen Gehalts von 6.000 € anzusehen, welches der Beigeladenen zu 1) auch in der Zeit urlaubsbedingter Abwesenheit gezahlt wurde. Die Beigeladene zu 1) setzte ihre Arbeitskraft also nicht mit der Gefahr ein, hierfür keine Gegenleistung zu erhalten. Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dies die Beigeladene zu 1) von einer selbständigen Partnerin unterschied, bei der die Partnerschaft typischerweise mit einem entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Haftungsrisiko verbunden ist. Ebenso zutreffend hat das Sozialgericht den Anspruch der Beigeladenen zu 1) auf Zusatzvergütungen nach § 3 Ziffer 2 der Dienstleistungsverträge nicht im Sinne eines unternehmerischen Risikos gewertet, sondern als Bonuszahlungssystem, wie es sich zur Steigerung der Leistungsbereitschaft in vielen Angestelltenverträgen befindet. Zwar trug die Beigeladene zu 1) das Risiko, dass sich die zusätzliche variable Vergütung minderte, wenn diese bei dem Mandanten nicht beizutreiben war. In jedem Fall hiervon unberührt blieb jedoch ihr Anspruch auf das Festgehalt, welches mit 6.000, - € eine Höhe hatte, dass es für sich bereits eine adäquate Vergütung der Dienstleistung der Beigeladenen zu 1) darstellte und die Beigeladene zu 1) nicht von der Erzielung von Bonuseinkünften abhängig machte. Soweit die Klägerin unter Verweis auf § 3 Abs. 1 S. 3 des Dienstleistungsvertrags vom 15. Juli 2015 noch vorträgt, die Beigeladene zu 1) habe den Erfolg ihrer eigenen Tätigkeit unmittelbar beeinflusst, ist dies nicht nachvollziehbar; hier ist lediglich geregelt, dass die feste Vergütung zeitanteilig gewährt wird, soweit die Dienstleistung nicht den vollen jeweiligen Monat umfasst. 

Weitere für ein Arbeitsverhältnis typische Regelungen enthalten die Dienstleistungsverträge mit der Regelung hinsichtlich der Übernahme von Kosten für Fortbildung und Akquisitionstätigkeit, die bei einer freiberuflichen Tätigkeit üblicherweise der Auftragnehmer trägt, die Vereinbarung eines arbeitnehmerüblichen Urlaubsanspruchs von max. 30 Tagen sowie die im Vertrag vom 24. Juli 2015 vereinbarte Überlassung eines PKW zur dienstlichen und privaten Nutzung. Zudem hat das Sozialgericht zu Recht auf die Übernahme des Haftpflichtrisikos der Beigeladenen zu 1) durch die Klägerin und die vorgesehene automatische Beendigung des Dienstverhältnisses mit Vollendung des 65. Lebensjahres hingewiesen.  

Soweit der Vertrag darüber hinaus einige arbeitnehmertypische Rechte und Pflichten nicht enthält (z.B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) bzw. teilweise abbedingt, ist dies für die statusrechtliche Beurteilung ohne maßgebenden Einfluss. Hierin zeigt sich lediglich der insbesondere aus der Präambel des Anwalts-Dienstleistungsvertrags ersichtliche Wille, kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen. Dieser Wille ist jedoch im Hinblick auf den nach objektiven Kriterien festzustellenden Vertragscharakter unbeachtlich. 

Insgesamt zeigen damit die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) nach beiden Dienstleistungsverträgen ein deutliches Überwiegen der Aspekte, die für eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sprechen. 

Die damit begründete Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung wird nicht durch den der Beigeladenen zu 1) seitens der Beklagten erteilten Bescheid über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Tätigkeit als Rechtsanwältin ab 1. Oktober 1997 infrage gestellt. Denn dieser Bescheid hatte mit dem Ende der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bei den Rechtsanwälten D. und Kollegen in B-Stadt seine Wirkung verloren. Auf die zutreffenden Darlegungen des Sozialgerichts hierzu nimmt der Senat Bezug und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Begründung ab. Gleiches gilt in Bezug auf die Höhe der von der Beklagten nachgeforderten Beiträge und Umlagen, hinsichtlich derer von der Klägerin keine Einwände erhoben worden sind, und die Frage der Verjährung. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keine eigenen Anträge gestellt und das Verfahren nicht besonders gefördert haben (§ 197 a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO). 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. 

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
 

Rechtskraft
Aus
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