1. Ein Erstattungsanspruch für Behandlungen im EU/EWR-Ausland gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V besteht nicht, wenn bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung gemäß § 27a Abs. 1 SGB V gegen das deutsche Embryonenschutzgesetz (ESchG) verstoßen worden ist. Dies ergibt sich sowohl aufgrund der Einheit der Rechtsordnung als auch aus der Gesetzesbegründung. Im Falle der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 4 SGB V trägt der Versicherte zudem das Risiko, dass die Leistung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
2. Selbst nach der weitesten Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG dürfen aufgrund einer sorgfältigen und individuellen Prognose nicht mehr Embryonen erzeugt werden, als in einem Zyklus transferiert werden sollen. Ein Verstoß liegt auch dann vor, wenn ein Teil der Embryonen für einen späteren Kryo-Transfer konserviert wird. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Entstehung überzähliger Embryonen verhindert und das grundgesetzlich geschützte Leben in vitro erzeugter Embryonen geschützt werden.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 12.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10.02.2021 wird abgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d:
Streitig ist die Kostenerstattung einer in Österreich durchgeführten künstlichen Befruchtung in Höhe von 8.948,26 Euro.
Die 1991 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Die Gynäkologin S diagnostizierte eine ideopathische Sterilität und einen unauffälligen gynäkologischen Befund laut dem Bericht vom 17.12.2018. Bei dem Ehemann der Klägerin stellte sie eine andrologische Subfertilität fest.
Mit dem Behandlungsplan vom 27.04.2020 beantragte die S1 GmbH wegen andrologischer Sterilität eine intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Die Beklagte genehmigte am 18.05.2020 den Behandlungsplan für drei Zyklen.
Mit dem Abschlussbericht vom 22.06.2020 teilte H mit, dass am 15.06.2020 8 Eizellen entnommen worden seien, nach einer Stimulation seien 7 reif für die Behandlung mittels ICSI gewesen. Alle 7 Eizellen seien befruchtet worden. Am 20.06.2020 sei eine Blastozyste transferiert und drei Blastozysten seien kryokonserviert worden.
Mit dem Schreiben vom 27.07.2020 beantragte die Klägerin die Erstattung von Medikamenten in Höhe von 1.843,20 Euro, ärztlichen Leistungen in Höhe von 5.803,97 Euro und Fahrtkosten von 211,20 Euro.
Mit dem Kulturprotokoll vom 09.09.2020 teilte S3 mit, dass 8 Eizell-Cumulus-Komplexe gewonnen worden seien, es hätten sich 7 Eizellen entwickelt, 7 Eizellen seien befruchtet worden, ein Embryo sei transferiert worden, drei Eizellen seien kryokonserviert worden, die restlichen Zellen hätten sich nicht entwickelt.
Mit dem Schreiben vom 28.09.2020 bat die Beklagte um eine Bescheinigung, dass bei der künstlichen Befruchtung die Vorschriften des deutschen Embryonenschutzgesetzes (ESchG) eingehalten worden seien. Mit der E-Mail vom 01.10.2020 teilte S3 der Klägerin mit, dass eine solche Bestätigung nicht ausgestellt werden könne, da die Behandlung nach österreichischem Recht, dem Fortpflanzungsmedizingesetz, erfolgt sei.
Mit dem Schreiben vom 09.10.2020 wies die Klägerin darauf hin, dass sie sämtliche
Unterlagen inklusive des Behandlungsplans eingereicht habe und von Anfang an alle Behandlungsschritte offengelegt habe. Wäre der Behandlungsplan nicht bewilligt worden, dann hätte sie auf eine Behandlung in Österreich verzichtet. Die Chancen auf einen Behandlungserfolg seien in deutschen Kinderwunschkliniken deutlich geringer. Dadurch komme es zu einer längeren Behandlungsdauer und einer größeren finanziellen und psychischen Belastung.
Mit dem Bescheid vom 12.10.2020 stellte die Beklagte fest, dass sie sich an den Kosten für die künstliche Befruchtung nicht beteiligen kann. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass vom Arzt zu bestätigen sei, dass das Embryonenschutzgesetz eingehalten worden sei. Die Klägerin habe telefonisch mitgeteilt, dass die geforderte Bescheinigung nicht vorgelegt werden könne, da bei der künstlichen Befruchtung das österreichische Recht angewandt worden sei.
Mit dem Schreiben vom 29.10.2020 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass sie nicht nachvollziehen könne, dass die Kostenübernahme erst im Nachhinein abgelehnt worden sei. Von Anfang an habe sie alle Schritte inklusive Behandlungsplan, Leistungen und Kosten offengelegt. Der Beklagten sei bekannt gewesen, wo die Behandlung durchgeführt werden sollte. Wäre der Behandlungsplan nicht genehmigt worden, dann hätte die Klägerin die Behandlung nicht durchführen lassen.
Mit dem Widerspruchsbescheid vom 10.02.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass Versicherte Leistungserbringer in anderen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums in Anspruch nehmen könnten. Voraussetzung sei, dass die in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften beachtet worden seien. Eine Kostenerstattung von künstlicher Befruchtung sei demnach nur möglich, wenn die Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes eingehalten worden seien. Eine entsprechende Erklärung konnte jedoch nicht vorbelegt werden.
Mit dem Befundbericht vom 01.12.2021 teilte S3 mit, dass die Entwicklungsrate bei einem Alter der Frau von 29 Jahren maximal 40 bis 45 Prozent betrage. Da die Klägerin und ihr Ehemann auch zum Transfer von zwei Embryonen bereit gewesen seien, wurden alle sieben Vorkern-Embryonen weiter kultiviert. Am Tag des Embryotransfers habe sich das Paar entschieden, eine Blastozyste zu transferieren, daher seien die übrigen drei Blastozysten kryokonserviert worden.
Mit dem Schriftsatz vom 24.02.2021 hat die Klägerin die Klage erhoben. Sie verlangt die Kostenerstattung einer in Österreich durchgeführten intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) in Höhe von 8.948,26 Euro.
Die Klägerin trägt vor, dass in Österreich das Fortpflanzungsmedizingesetz Anwendung finde und dieses anderen ethischen Auffassungen hinsichtlich des Beginn des Lebens folge. Die durchgeführte Behandlung sei zudem auch gemäß dem § 1 ESchG rechtmäßig gewesen. § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG nehme keinen Bezug auf Nr. 3, so dass keine Beschränkung auf drei Eizellen bestehe. Es seien gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG nicht mehr Eizellen befruchtet worden, als innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen. Ausgehend von der ermittelten Entwicklungswahrscheinlichkeit sei sichergestellt worden, dass sich nicht mehr als drei Embryonen entwickeln. Dass sich vier Embryonen entwickelt haben und dass die Klägerin sich für den Transfer eines Embryos und die Kryokonservierung von drei Embryonen entschieden habe, verstoße nicht gegen das ESchG.
Aufgrund der Verwendung des Wortes "sollen" in Nr. 5 stehe die Durchführung eines Zyklus im Ermessen. Mithin dürfe die Klägerin entscheiden, wie viele Eizellen befruchtet werden soll, um die Anzahl der in einem Zyklus zu übertragenden Eizellen zu erzielen. Heute sei es im Einzelfall statistisch kein Problem festzustellen, wie viele Eizellen befruchtet werden können, um eine Anzahl von drei Embryonen zu erzielen. Sinn und Zweck des ESchG sei es, dass die innerhalb eines Zyklus entstandenen Embryonen zu transferieren. Dies bedeute jedoch kein Verbot der Kryokonservierung. Verboten sei die Vernichtung von Embryonen, die Frau könne jedoch bestimmen, dass nicht alle im Zyklus entstandenen Embryonen transferiert werden. Die Klägerin sehe kein Verbot der Kryokonservierung von überschüssigen Embryonen, sondern nur ein Verbot der Vernichtung. Der Eindruck des Gerichts, die Behandlung sei im Ergebnis auf einen elektiven Single-Embryo-Transfer ausgelegt, treffe nicht zu. Es seien nicht 7 Eizellen kultiviert werden, um eine Auswahl geeigneter Embryonen zu ermöglichen. Die behandelnden Ärzte haben beabsichtigt, lediglich zwei Embryonen für den Transfer zu entwickeln, weil die Klägerin und ihr Ehemann ursprünglich zwei Embryonen transferieren wollten. Entsprechend dem Bericht von S3 sollten entsprechend einer anzunehmenden Wahrscheinlichkeit von 40 bis 45 Prozent aus 7 befruchteten Eizellen zwei bis drei Embryonen gewonnen werden. Wenn die Klägerin am Transfertag nur einen Embryo transferiert bekommen wollte, bedeute dies keine Verletzung des ESchG, da dieses nur das Handeln des Arztes sanktioniere.
Bei der Klägerin hätte sich nach hormoneller Stimulation im Juli und August 2018 jeweils nur ein Follikel entwickelt. Demnach werde bei der Klägerin die Wahrscheinlichkeit von 40 bis 45 Prozent auch bei der Entwicklung von Embryonen nicht erreicht. Unter Berücksichtigung dessen hätten bei der Behandlung nicht unbedingt drei, sondern auch lediglich nur zwei Embryonen entstehen können.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2021 zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 8.948,26 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Streitig ist die Kostenerstattung einer in Österreich durchgeführten künstlichen Befruchtung in Höhe von 8.948,26 Euro.
Die Klage ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhoben worden. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und unechte Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 und Abs. 4 SGG) statthaft. Die Klagebefugnis der Klägerin (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG) ergibt sich aus einer möglichen Verletzung ihres Anspruchs auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Das Widerspruchsverfahren wurde gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG durchgeführt.
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 12.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Ein Erstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V besteht nicht. Versicherte sind gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen gemäß § 13 Abs. 4 Satz 2 SGB V nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht gemäß § 13 Abs. 4 Satz 3 SGB V höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Mit § 13 Abs. 4 bis 6 SGB V erhalten Versicherte die Möglichkeit, medizinische Versorgung in anderen Mitgliedstaaten der EU, einem EWR-Vertragsstaat und der Schweiz in Anspruch zu nehmen. Versicherte sind daher in ihrer Nachfrage nicht mehr territorial auf das Inland beschränkt, sondern können für Behandlungen im Geltungsbereich des EU-Vertrages die Leistungserbringer dieser Staaten in Anspruch nehmen, wobei sie dann aber auch das Risiko tragen müssen, nur einen Teil ihrer Kosten erstattet zu erhalten (Krauskopf, SGB V § 13 Rn. 55, Stand 2020; KassKomm/ Schifferdecker, 116. EL September 2021, SGB V § 13 Rn. 149).
Die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V liegen vor. Die Klägerin zählt als Versicherte zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Die S GmbH ist ein nach nationalem Recht zugelassenen Leistungserbringer.
Es handelt sich um eine Selbstbeschaffung einer gesetzlichen Leistung. Die Klägerin und ihr Ehemann erfüllen die Voraussetzungen des § 27a SGB V, so dass grundsätzlich Anspruch auf eine intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) gemäß Nr. 11.5 der Richtlinien über künstliche Befruchtung bestand. Die Beklagte hat am 18.05.2020 den Behandlungsplan vom 27.04.2020 den Behandlungsplan für maximal drei Zyklen ICSI genehmigt. Die Versicherten können sich grundsätzlich nur die im System der deutschen Krankenversicherung vorgesehenen Sach- und Dienstleistungen in anderen EU- und EWR-Staaten selbst beschaffen. Die Leistung muss insbesondere notwendig, wirtschaftlich und wirksam sein (vgl. §§ 2 Abs. 1, 12; BayLSG, Urt. v. 27.3.2020 - L 4 KR 405/19, Rn. 34). Inländische Leistungsvoraussetzungen gelten uneingeschränkt fort, soweit sie nicht diskriminierend wirken. Sind Ansprüche etwa von der Einhaltung eines besonderen Verfahrens oder einer besonderen vorherigen Genehmigung der Krankenkasse abhängig, so gelten diese Voraussetzungen grundsätzlich auch bei einer Verschaffung der Leistung im EU-Ausland (KassKomm/Schifferdecker, 116. EL September 2021, SGB V § 13 Rn. 174, 175).
Ein Erstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V besteht nicht, da bei der Behandlung gegen das Verbot des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG verstoßen wurde, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen.
Der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 4 SGB V setzt voraus, dass der Versicherte einen primären Leistungsanspruch hat. § 13 Abs. 4 SGB V eröffnet lediglich den Zugang europäischer Leistungserbringer zum inländischen Krankenversicherungssystem, befreit aber nicht von den Regelungen des SGB V (LSG Baden-Württemberg, Urt. 19.07. 2013 - 4 KR 4624/12, BeckRS 2014, 65926). Behandlungen, die keine Leistung der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung sind, können auch nicht im Ausland zu Lasten der deutschen GKV in Anspruch genommen und abgerechnet werden (LSG Sachsen-Anhalt, Urt. 02.05.2012 - L 10 KR 31/09; Krauskopf/Wagner, 111. EL Mai 2021, SGB V § 13 Rn. 57).
Entgegen der Ansicht der Klägerin setzt ein Leistungsanspruch auf künstliche Befruchtung gemäß § 27a Abs. 1 SGB V nach allgemeiner Meinung voraus, dass die Behandlung nicht gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verstößt. Dies ergibt sich sowohl aus Einheit der Rechtsordnung als auch der Gesetzesbegründung (BT-Dr 65/90 S. 33; Krauskopf/ Wagner, 111. EL Mai 2021 Rn. 6, SGB V § 27a Rn. 6). Das Embryonenschutzgesetz stellt die Anwendung von bestimmten Fortpflanzungstechniken, die im Einzelnen in § 1 Embryonenschutzgesetz aufgeführt sind, unter Strafe. Das Embryonenschutzgesetz erfasst nach dem sich auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte stützenden Regelungszweck unter Beachtung der Einheit der Rechtsordnung auch die Kostenerstattung und alle Stellen, die im Geltungsbereich des Embryonenschutzgesetzes in die Verschaffung von ärztlichen Leistungen eingebunden sind. Eine von der Rechtsordnung verbotene Behandlung kann nicht Teil des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung sein. Behandlungen, die rechtlich nicht zulässig sind, dürfen von der Krankenkasse nicht gewährt oder bezahlt werden (SG Dresden, Gerichtsbescheid v. 31.08.2016 - S 25 KR 236/14, BeckRS 2016, 118506 Rn. 15-19).
Bei der Behandlung der Klägerin in Österreich wurde gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG verstoßen. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG bestraft, wer es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen. Ziel dieser Regelung ist, die Erzeugung sog. "überzähliger" bzw. "verwaister" Embryonen zu verhindern, dh solcher Embryonen, die - aus diversen Gründen (etwa Tod, Erkrankung oder Willensänderung der Eizellspenderin bzw. wegen eingetretenem reproduktionsmedizinischem Erfolg) - nicht mehr auf die Frau, von der die Eizellen stammen, übertragen werden können. Hierdurch wird zugleich einer missbräuchlichen Verwendung der Embryonen vorgebeugt. Zur Erreichung dieser Ziele ordnet § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG an, dass nicht mehr Eizellen befruchtet werden dürfen, als der Eizellspenderin innerhalb eines Behandlungszyklus übertragen werden sollen (Spickhoff/Müller-Terpitz, 3. Aufl. 2018, ESchG § 1 Rn. 17, 18).
§ 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG ist vorliegend ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsgeschäft gegen ein Verbotsgesetz verstößt, hängt allein vom Tatbestand der jeweils in Rede stehenden Verbotsnorm ab. Gehören zum Tatbestand der Verbotsnorm auch subjektive Merkmale, wie dies etwa notwendigerweise bei Straf- und Bußgeldbestimmungen der Fall ist, müssen diese grundsätzlich ebenfalls vorliegen, um eine Nichtigkeit eines gesetzeswidrigen Rechtsgeschäfts nach § 134 bejahen zu können. Von diesem Grundsatz sind allerdings Ausnahmen möglich. So ist anerkannt, dass die Verwirklichung der subjektiven Voraussetzungen eines Straftatbestandes ausnahmsweise nicht erforderlich ist, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts unabweislich erfordert (BeckOGK/ Vossler, 1.12.2021, BGB § 134 Rn. 68, 69).
Nach einer Auffassung erlaubt § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG nur die Befruchtung von drei Eizellen. Es wäre ein Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, der die Produktion überzähliger Embryonen verhindern wollte. Nachdem im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in der jetzigen Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG ausdrücklich festgeschrieben wurde, dass innerhalb eines Zyklus höchstens drei Eizellen übertragen werden können, darf auch höchstens diese Anzahl befruchtet werden (Erbs/Kohlhaas/ Pelchen/Häberle, 236. EL Mai 2021 Rn. 8, ESchG § 1 Rn. 8). Demzufolge liegt ein Verstoß vor, da sieben Eizellen befruchtet worden sind.
Nach anderer Ansicht ist die Befruchtung von mehr als drei Eizellen gestattet. Unter anderem der Bundesfinanzhof hat sich mit dem "deutschen Mittelweg" befasst und ihn für zulässig erachtet; dabei hat er insbesondere auf die Gesetzgebungsgeschichte abgestellt, wonach ausdrücklich nur die Zahl der zu übertragenden Embryonen beschränkt wurde, nicht die der zu befruchtenden Eizellen. Die Staatsanwaltschaft München hält den deutschen Mittelweg für zulässig, wenn "aufgrund einer sorgfältigen und individuellen Prognose eine konkret einzelfallbezogene Zahl von Eizellen befruchtet wird, mit dem Ziel nur einen bzw. zwei entwicklungsfähige Embryonen entstehen zu lassen, die dann übertragen werden sollen" (Makowski, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht 3. Aufl. 2020, § 19 Rn. 28). Für die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG ("sollen") kommt es damit entscheidend darauf an, welchen Zweck der behandelnde Arzt mit der gewählten Vorgehensweise verfolgt (Günther/Taupitz/Kaiser, § 1 I Nr. 5 Rn. 20, 24). Beabsichtigt er das Entstehen von lediglich ein bis zwei entwicklungsfähigen Embryonen zum Zwecke der Übertragung, so widerspricht die Behandlung selbst dann nicht den Vorgaben des ESchG, wenn trotz sorgfältiger Prognose und individuell angepasster Vorgehensweise im Einzelfall unbeabsichtigt mehr entwicklungsfähige Embryonen entstehen sollten. Damit ist der so genannte deutsche Mittelweg mit den Regelungen des ESchG vereinbar, wenn anhand der individuell maßgeblichen Parameter (z. B. Alter, Gewicht, Vorerkrankungen) aufgrund einer sorgfältigen und individuellen Prognose so viele Eizellen befruchtet werden, dass voraussichtlich ein oder zwei entwicklungsfähige Embryonen entstehen, die dann übertragen werden sollen (BFH, Urteil vom 17.5.2017 - VI R 34/15 - Rn. 25, NJW 2017, 3022). Demnach ist es gestattet, so viele Eizellen zu befruchten, wie erfahrungsgemäß zur intrazyklischen Realisierung des Embryotransfers und einer daraus resultierenden Schwangerschaft erforderlich sind. Gestützt auf individuelle Parameter der jeweiligen Gametenspender (wie z. B. Alter, Geschlecht oder Vorerkrankungen) und hieraus abgeleitete individuelle Prognosen werden dabei so viele Eizellen - in der Praxis schwankt die Zahl zwischen vier bis sieben - mit dem Ziel befruchtet, ein oder zwei entwicklungsfähige Embryonen zu transferieren. Diese Praxis ist - unterstützt durch Teile des Schrifttums (Diedrich/Ludwig/ Griesinger/Möller S. 589 ff.) - von den Staatsanwaltschaften strafrechtlich nicht verfolgt (vgl. Staatsanwaltschaft München I Vfg. v. 24.7.2014 - 124 Js 202366/13, juris, Rn. 7) und von einigen Gerichten (AG Wolfratshausen ZfL 2008, 121 ff.; AG München BeckRS 2012, 14678) mittlerweile als gesetzeskonform gebilligt worden (Spickhoff/Müller-Terpitz, 3. Aufl. 2018, ESchG § 1 Rn. 17, 18).
Der deutsche Mittelweg hat demnach die Prämisse, dass mittels künstlicher Befruchtung nicht mehr Embryonen erzeugt werden, als in einem Zyklus transferiert werden sollen. Zu Unrecht geht die Klägerin davon aus, dass § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG nicht verletzt sei, weil ausgehend von der ermittelten Entwicklungswahrscheinlichkeit sichergestellt worden sei, dass sich nicht mehr als drei Embryonen entwickeln. Anders als die Rechtsansicht des deutschen Mittelwegs missachtet die Auffassung der Klägerin die Zwecke des Embryonenschutzgesetzes, die Entstehung überzähliger Embryonen zu verhindern und so das ungeborene Leben zu schützen.
Zur Überzeugung des Gerichts ist nicht ersichtlich, dass der behandelnde Arzt die Anzahl der zu befruchtenden Eizellen unter Beachtung der Voraussetzungen des deutschen Mittelwegs bestimmt hat, indem "aufgrund einer sorgfältigen und individuellen Prognose eine konkret einzelfallbezogene Zahl von Eizellen befruchtet wird, mit dem Ziel nur einen bzw. zwei entwicklungsfähige Embryonen entstehen zu lassen, die dann übertragen werden sollen. Nach den Angaben des behandelnden Arztes S3 war zum Zeitpunkt der Befruchtung ein Transfer von zwei Embryonen vorgesehen. Die beabsichtigte Zahl der zu übertragenden Embryonen ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG. Ausgehend von der von S3 angegebenen Entwicklungswahrscheinlichkeit von 40 Prozent war somit auf der Grundlage des Mittelwegs eine Befruchtung von 6 Eizellen gestattet, bei 7 Eizellen bestand schon eine überwiegende, 80 prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sich mindestens drei Embryonen entwickeln würden. Auch nach der Auslegung im Sinne des deutschen Mittelwegs liegt demnach ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG vor. Auch die nach den Angaben S3 plötzliche Entscheidung der Klägerin, anstelle von zwei Embryonen nur einen zu transferieren, vermittelt den Eindruck, dass sieben Eizellen befruchtet wurden, um eine Auswahl des geeignetsten Embryos zu ermöglichen.
Entgegen des Vortrags der Klägerin ist zudem nicht erwiesen, dass von einer deutlich geringeren Entwicklungswahrscheinlichkeit als 40 Prozent auszugehen war. Eine Beweiserhebung ist diesbezüglich nicht erforderlich, da der behandelnde Arzt S3 hier eine überzeugende Einschätzung abgegeben hat. Dabei berücksichtigt das Gericht, dass die prognostizierte Entwicklungswahrscheinlichkeit sogar übertroffen worden ist, da sich drei statt vier Embryonen entwickelt haben. Ferner betrifft die Einschätzung von S3 im Juni 2020 den maßgeblichen Zeitpunkt für die Prognose, während die Diagnose einer ideopathischen Sterilität ungeklärter Ursache von S noch aus dem Jahr 2018 stammt; vor der künstlichen Befruchtung wurde vom Kinderwunschzentrum zudem eine weitere Hormontherapie durchgeführt. Hinzu kommt, dass maßgebliche Ursache für die durchgeführte intracytoplasmatische Spermieninjektion nicht die Sterilität der Klägerin, sondern ihres Ehemanns war, wie aus den Befunden von S vom 17.12.2018 und dem Behandlungsplan vom 27.04.2020 hervorgeht.
Das Gericht folgt nicht der Auffassung der Klägerin, dass kein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG Eizellen vorliege, wenn überzählige Embryonen kryokonserviert und in einem anderen Zyklus transferiert werden sollen. Nach Ansicht der Klägerin ziele das Embryonenschutzgesetz darauf ab, die Vernichtung von Embryonen zu verhindern, vorliegend seien die überzähligen Embryonen jedoch für einen späteren Transfer kryokonserviert worden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist die Übertragung "innerhalb eines Zyklus" maßgeblich, so dass der Straftatbestand auch dann erfüllt ist, falls die Kryokonservierung und der spätere Transfer überzähliger Embryonen beabsichtigt ist. Schließlich war es Wille des Gesetzgebers, der Entstehung überzähliger Embryonen entgegenzuwirken und das grundgesetzlich geschützte Leben in vitro erzeugter Embryonen zu schützen (Graf/Jäger/Wittig/Graf/C. Graf, 2. Aufl. 2017, ESchG § 1 Rn. 33). Das einfachgesetzlich zum Ausdruck kommende Konnexitätsverhältnis zwischen der extrakorporalen Erzeugung menschlicher Embryonen und ihrem intrazyklischen Transfer ist Ausdruck eines verfassungsrechtlichen Gebots. Es folgt aus der staatlichen Verpflichtung, das grundrechtlich geschützte Leben in vitro erzeugter Embryonen vor Gefährdungen durch Private (Paar/Eizellspenderin, Reproduktionsmediziner) zu schützen, indem jenen die Bedingungen ihrer physischen Weiterexistenz in Utero garantiert werden, um so ihr "Recht auf Transfer", welches aus der Lebensgarantie fließt, zu realisieren (Spickhoff/Müller-Terpitz, 3. Aufl. 2018, ESchG § 1 Rn. 17, 18).
Kostenerstattung ist gemäß § 13 Abs. 4 SGB V nur zu leisten, wenn ein primärer Leistungsanspruch nach deutschem Recht besteht, das europäische Recht schafft keine veränderten Leistungsansprüche, sondern ermöglicht lediglich die Inanspruchnahme von zugelassenen Leistungserbringern in anderen Mitgliedstaaten der EU, einem EWR- Vertragsstaat und der Schweiz. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG ist auch nicht aufgrund vorrangigem europäischen Recht unanwendbar. Auch das sekundäre Gemeinschaftsrecht und die das primäre Gemeinschaftsrecht umsetzenden Regelungen des SGB V sehen für den Kläger keine weitergehenden Leistungsansprüche vor, die von der Erfüllung der Voraussetzungen des Embryonenschutzgesetzes und des § 27a SGB V entbinden. Wie das BSG herausgearbeitet hat, ist es allen Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts und den das primäre Gemeinschaftsrecht umsetzenden Regelungen des SGB V gemein, dass sie die Übernahme von Kosten für Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft und Vaterschaft Versicherter im Ausland innerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums auf dasjenige begrenzen, was von den in Betracht kommenden inländischen Leistungsträger nach den für ihn geltenden Regelungen der Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft und Vaterschaft verlangt werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 KR 19/13 R, Rdnr. 24 ff, juris). Auch Artikel 7 Abs. 1 Patientenrichtlinie begrenzt den sekundärrechtlich begründeten Leistungsanspruch für nach dem SGB V Versicherte auf die im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung enthaltenen Leistungen. Außerdem beschränkt die Regelung des § 13 Abs. 4 SGB V die Ansprüche auf die Gegenstände des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung. Dies ergibt sich aus der Formulierung "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" in § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V (SG Dresden Gerichtsbescheid v. 31.8.2016 - S 25 KR 236/14, BeckRS 2016, 118506 Rn. 15-19).
Im Falle der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 4 SGB V trägt der Versicherte das Risiko, dass die Leistung nicht den Vorgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Demnach kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sie nicht gewusst habe, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, soweit die Behandlung den Vorgaben des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG entsprochen hat. Im Falle der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 4 SGB V gilt ebenso wie bei der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V, dass der sachliche Umfang der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht verändert wird, sondern der Leistungskatalog des § 11 SGB V maßgeblich bleibt. Der Versicherte erhält Leistungen in demselben Umfang, als wenn er im Sachleistungssystem verblieben wäre. Dies impliziert zugleich, dass er nur Anspruch auf die Erstattung der Kosten für solche Leistungen hat, die dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen, die also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind (§ 2 Abs. 1 u. 4, § 12 Abs. 1 SGB V). Hier wird deutlich, welches Risiko die Versicherten mit der Wahl des Kostenerstattungsverfahrens eingehen und auf das sie zuvor von den Kassen hingewiesen werden müssen, denn die Kassen prüfen die genannten Anforderungen erst im Erstattungsverfahren, sodass der Versicherte - anders als im Sachleistungssystem - hier das Risiko trägt, Kosten nicht erstattet zu bekommen (vgl. zu § 13 Abs. 2 SGB V: BeckOK SozR/Joussen, 63. Ed. 1.12.2021, SGB V § 13 Rn. 10).
Da die Klägerin sich entschieden hat, die künstliche Befruchtung nicht als Sachleistung durch einen in Deutschland niedergelassenen Vertragsarzt in Anspruch zu nehmen, sondern einen in Österreich zugelassenen Leistungserbringer im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, hat sie das hiermit verbundene Risiko zu tragen, dass die Behandlung nicht den Vorgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Der Anspruch auf Erstattung der vorgenommen einer Behandlung, die nicht dem Embryonenschutzgesetz entspricht, ist ausgeschlossen, auch wenn diese im europäischen Ausland stattgefunden hat. Dies gilt für alle weiteren Maßnahmen, die mit der Behandlung im Zusammenhang stehen, wie die Kosten für Blutuntersuchungen und Arzneimittel.
Ein Anspruch auf Erstattung folgt auch nicht aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Unabhängig von dem Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs ist ein Beratungsverschulden der Beklagten nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.