L 6 AS 551/21 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 10 AS 99/21 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 551/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 22. November 2021 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten auch des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.  
 
Gründe
I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab Dezember 2021 in Streit.   

Die 1974 geborene Antragstellerin zu 1) stand mit ihren beiden Kindern, den Antragstellerinnen zu 2) (geb. 2006) und zu 3) (geb. 2011), im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II.

Der Antragsgegner bewilligte den Antragstellerinnen zuletzt mit Bescheid vom 9. März 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20. April 2021 (anspruchserhöhende Berücksichtigung einer für die Antragstellerin zu 3) abgeschlossenen Unfallversicherung) Leistungen für die Zeit vom 1. April 2021 bis 31. März 2022. Weitere Änderungsbescheide betreffen nur den März 2021 (Bescheid vom 17. Juni 2021) und April 2021 (Änderungsbescheid vom 1. September 2021).

Am 30. August 2021 teilte die Antragstellerin zu 1) dem Antragsgegner mit, dass sie am 28. August 2021 den 1972 geborenen D. A. geheiratet habe. 

Mit einem Schreiben vom 1. September 2021 verfügte der Antragsgegner die vorläufige Zahlungseinstellung ab 1. Oktober 2021. Mit einem zweiten Schreiben vom 1. September 2021 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1) zur Mitwirkung auf. Sie habe mitgeteilt, dass sie am 28. August 2021 geheiratet haben. Es sei zu überprüfen, ob und inwieweit für sie ein Anspruch auf Leistungen bestehe beziehungsweise bestanden habe. Folgende Unterlagen beziehungsweise Nachweise würden hierzu noch benötigt:

 „- wohnen Sie mit Ihrem Ehemann zusammen? Sollte dies der Fall sein, dann reichen Sie einen entsprechenden Nachweis ein, seit wann Sie zusammen wohnen (Meldebescheinigung).
- beigefügte Anlagen WEP, EK, VM vollständig von Ihrem Ehemann auszufüllen,
- entsprechende Nachweise, gemäß gemachten Angaben in den Anlagen,
- Kontoauszüge aller vorhandener Konten Ihres Ehemannes in Kopie (letzte 3 Monate).“

Der Antragstellerin zu 1) wurde Frist bis 17. September 2021 gesetzt und sie wurde über die Folgen fehlender Mitwirkung belehrt. 

Mit Schreiben vom 3. September 2021 teilte die Antragstellerin zu 1) mit, dass ihr Ehegatte volle Erwerbsminderungsrente in Höhe von 862,91 Euro monatlich beziehe, es bestehe eine Behinderung mit einem GdB von 60, eine kostenaufwändige chronische Schmerzerkrankung und er sei zwei Kindern im Alter von acht Jahren (Zwillingen) und einem Kind im Alter von 11 Jahren unterhaltspflichtig. 

Mit Schreiben vom 7. September 2021 wurde der Antragstellerin zu 1) mitgeteilt, dass für die Prüfung eines Leistungsanspruches weiterhin die mit Schreiben vom 1. September 2021 geforderten Unterlagen inklusive Rentenbescheid ihres Ehemannes und Nachweis seiner Unterhaltspflicht benötigt würden.

Mit E-Mail vom 15. September 2021 wies der Ehemann der Antragstellerin zu 1) den Antragsgegner auf das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. Februar 2016 (S 22 AS 1015/14) hin und bat die Berechnung für seine Ehefrau zeitnah durchzuführen, da sie ihre Mitwirkungspflicht zu 100% erfüllt habe.

Mit Schreiben vom 17. September 2021 erklärte die Antragstellerin zu 1), dass die erforderlichen Unterlagen bereits vorliegen würde. Lediglich der Familienstand habe sich geändert. Die Informationen zu ihrem Mann seien auch bereits mitgeteilt worden. 

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1) mit, dass die bislang gemachten Angaben über ihren Ehemann nicht ausreichen würden, um über ihren Leistungsanspruch entscheiden zu können. Bisher lägen folgende Unterlagen nicht vor:

„- Anlagen WEP, EK und VM vollständig ausgefüllt und unterschrieben
- Bescheid über die Rentenhöhe Ihres Mannes, aus welchem sowohl der Brutto- wie auch der Nettobetrag hervorgeht
- Nachweise entsprechend der in den Anlagen gemachten Angaben
- Kontoauszüge der letzten 3 Monate aller vorhandener Konten Ihres Ehemannes.“

Zur Begründung wird ausgeführt, durch ihre Heirat bilde sie mit ihrem Ehemann gemäß § 7 Absatz 3 Nr. 3 a SGB II eine Bedarfsgemeinschaft. Im Rahmen der Hilfebedürftigkeitsprüfung seien nach § 9 Abs. 2 SGB II auch das Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ihr Ehemann werde bei der Leistungsberechnung berücksichtigt und es sei daher zu prüfen, über welche Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse er verfüge. Die Antragstellerin wurde unter Verweis auf § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) gebeten, die übersandten Vordrucke auszufüllen und mit entsprechenden Nachweisen bis 15. Oktober 2021 einzureichen. Das Schreiben enthielt wiederum einen Hinweis, dass die Leistungen ganz entzogen werden könnten, wenn sie bis zu dem genannten Termin nicht reagiere oder die Unterlagen nicht einreiche.

In einem Aktenvermerk vom 15. Oktober 2021 hat der Antragsgegner festgehalten, dass der Ehemann der Antragstellerin zu 1) bei einem Telefonat, in dem er mitgeteilt habe, dass er die geforderten Unterlagen nicht einreichen möchte, erwähnt habe, dass er mit der Antragstellerin bisher eine Fernbeziehung geführt habe und mit der Heirat "Nägel mit Köpfen gemacht habe" und er somit zu ihr gezogen sei.

Weiter findet sich in der Verwaltungsakte des Antragsgegners ein Telefonvermerk vom 15. Oktober 2021, wonach laut Mitteilung der Stadt A-Stadt der Ehemann der Antragstellerin zu 1) bereits ab 1. Februar 2020 mit Erstwohnsitz unter der aktuellen Anschrift der Antragstellerin zu 1) gemeldet sei. Einen Zweitwohnsitz gebe es nicht. Vorher habe er in E-Stadt gewohnt.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2021 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1) unter Fristsetzung bis 1. November 2021 auf, eine schriftliche Erklärung vorzulegen, wann ihr Ehemann zu ihr gezogen sei, sowie eine Meldebescheinigung, aus der das Einzugsdatum ersichtlich sei. Habe sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, könnten die Geldleistungen ganz entzogen werden.

Am 20. Oktober 2021 haben die Antragstellerinnen einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Gießen gestellt, der mit Beschluss vom 1. November 2021 an das örtlich zuständige Sozialgericht Kassel verwiesen worden ist. Im Antragsschriftsatz hat die Antragstellerin zu 1) erklärt, sie habe die Heirat unverzüglich mitgeteilt und auch, dass ihr Mann zum 28. August 2021 zu ihr gezogen sei (Gerichtsakte GA Bl. 3).

Mit Schreiben vom 1. November 2021 hat die Antragstellerin zu 1) dem Antragsgegner mitgeteilt, dass sie inzwischen mit zwei Monatsmieten im Rückstand sei und der Vermieter ihr gestern telefonisch die Kündigung angedroht habe. Ihren Kindern und ihr drohe der Verlust der Wohnung. Der Antragsgegner wurde gebeten, bis zur Klärung die Miete und die Heizkosten zumindest anteilig zu übernehmen. Die wichtigsten Informationen (Einzugsdatum und Einkünfte des Ehemanns) lägen dem Antragsgegner vor. 

Die Antragstellerin zu 1) ist der Ansicht, dass die vorläufige Zahlungseinstellung rechtswidrig sei, da sie ihre Mitwirkungspflichten erfüllt habe. Weitere Auskunftspflichten ihres Ehemannes würden nicht bestehen.

Die Antragstellerinnen haben sinngemäß beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen.

Mit Schreiben vom 8. November 2021 hat das Sozialgericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Zahlungseinstellung geäußert. Mit Schreiben vom 11. November 2021 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass die vorläufige Zahlungseinstellung aufgehoben worden sei und Leistungen für Oktober und November 2021 nachgezahlt würden.

Am 10. November 2021 hat der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1) erneut unter Fristsetzung bis 27. November 2021 und mit Rechtsfolgenbelehrung aufgefordert, die im Schreiben vom 7. Oktober 2021 genannten Unterlagen und Nachweise vorzulegen. 

Mit Schreiben vom 18. November 2021 hat die Antragstellerin zu 1) erklärt, dass der Antragsgegner zwar die Leistungen für Oktober und November 2021 nachgezahlt habe, sie aber keine schriftliche Zusage bzw. Berechnung erhalten habe. Der Antragsgegner ließe sich somit die Möglichkeit offen, die Zahlungen ab Dezember 2021 erneut einzustellen. Der Antragsgegner habe wieder Unterlagen von ihrem Ehemann verlangt, obwohl dieser kein Leistungsbezieher sei.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend ausgelegt, dass die anwaltlich nicht vertretene Antragstellerin zu 1) Leistungen für sich und ihre beiden Töchter begehre. Es hat den Antrag mit Beschluss vom 22. November 2021 abgelehnt, weil es den Antragstellerinnen am Rechtsschutzbedürfnis fehle, nachdem der Antragsgegner seine vorläufige Zahlungseinstellung aufgehoben habe, wie er mit Schreiben vom 11. November 2021 mitgeteilt habe, und eine Entziehung von Leistungen noch nicht verfügt worden sei.

Die Antragstellerinnen haben gegen den ihnen am 25. November 2021 zugestellten Beschluss am 2. Dezember 2021 beim Sozialgericht Kassel Beschwerde eingelegt und einen Bescheid des Antragsgegners vom 23. November 2021 vorgelegt, mit dem dieser den Antragstellerinnen die mit Bescheid vom 9. März 2021, abgeändert durch Bescheid vom 20. April 2021, bewilligten Leistungen ab 1. Dezember 2021 bis 31. März 2022 komplett entzieht. Für die Monate Dezember 2021 und Januar 2022 beträgt der der Antragstellerin zu 1) entzogene Betrag 858,77 Euro, für die Monate Februar und März 2022 748,44 Euro; für die Antragstellerinnen zu 2) und 3) werden Beträge von 119,17 bzw. 119,02 Euro für Dezember 2021 und Beträge von 8,84 bzw. 8,69 Euro für Februar und März 2022 entzogen.

Der Bescheid begründet die Entziehung unter Berufung auf die §§ 60, 66 SGB I damit, dass folgende Unterlagen bislang nicht eingereicht worden seien: 

„- Anlagen WEP, EK und VM vollständig ausgefüllt und unterschrieben (für Ihren Ehemann)
- Bescheid über die Rentenhöhe Ihres Ehemannes, aus welchem sowohl der Brutto- wie auch der Nettobetrag hervorgeht
- Kontoauszüge der letzten 3 Monate vom Konto Ihres Ehemannes in Kopie (lückenlos)
- Alle erforderlichen Nachweise entsprechend der in den Anlagen gemachten Angaben.“

Der Bescheid nimmt Bezug auf die an die Antragstellerin zu 1) gerichteten Aufforderungen zur Mitwirkung vom 1. September 2021, das Erinnerungsschreiben vom 7. Oktober 2021, und das Erinnerungsschreiben vom 10. November 2021.

Die Antragstellerinnen haben gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben (GA Bl. 91). Im gerichtlichen Verfahren möchten sie die Weiterzahlung der ihnen bewilligten Leistungen erreichen, jedenfalls aber eine Zahlung von Leistungen unter Berücksichtigung des Renteneinkommens des Ehemanns. Die Antragstellerin zu 1) und ihr Ehemann haben am 14. Dezember 2021 in einem gemeinsamen Schriftsatz vorgetragen, mittlerweile belaufe sich die Rentenzahlung der vollen Erwerbsminderungsrente des Ehemanns auf 921,11 Euro (GA Bl. 94). 

Damit beantragen die Antragstellerinnen sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Entziehungsbescheid vom 23. November 2021 anzuordnen,
hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe vorläufig ab Dezember 2021 zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, 
die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den Entziehungsbescheid für rechtmäßig. Er ist der Auffassung, dass er die von der Antragstellerin zu 1) geforderten Angaben und ausgefüllten Formulare und Nachweise und die vom Ehemann geforderten Auskünfte sowie seine Kontoauszüge der letzten drei Monate zur Berechnung eines Leistungsanspruchs benötigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Vortrags der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der in elektronischer Form vorliegenden Verwaltungsakte verwiesen.


II.

1. Die Beschwerde der Antragstellerinnen ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Zwar hat die Antragstellerin zu 1) den Beschwerdeschriftsatz vom 27. November 2021 nicht unterschrieben. Damit war die Beschwerde nicht formwirksam eingelegt (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Allerdings liegt ein Schreiben der Antragstellerin zu 1) vom 13. Dezember 2021 vor, das eigenhändig von ihr unterschrieben ist. Dieses Schreiben wahrt noch die Beschwerdefrist. 

2. Die Beschwerde der Antragstellerinnen ist aber nicht begründet.

a) Die Statthaftigkeit des Hauptantrags hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Entziehungsbescheid ergibt sich aus § 86b Abs. 1 SGG.

Nach § 86b Abs. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Wiederherstellung kann gemäß § 86b Abs. 1 S. 3 SGG mit Auflagen versehen oder befristet werden.
Im vorliegenden Fall handelt es sich in der Hauptsache um eine Anfechtungsklage, da die Antragstellerinnen sich gegen die Entziehung von Leistungen durch den Antragsgegner wenden. Ihr Widerspruch hat nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, auch eine etwaige nach Erlass eines Widerspruchsbescheids noch zu erhebende Anfechtungsklage hätte keine aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Der Antrag gemäß § 86b Abs. 3 SGG kann auch schon vor der Erhebung der Klage gestellt werden. 

Der Antrag ist indessen nicht begründet. 

Für die Begründetheit des Antrags nach § 86b Abs. 1 SGG ist maßgeblich, ob in einer umfassenden Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange festgestellt werden kann, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiegt. Hierzu ist eine umfassende Interessenabwägung zu treffen, bei welcher insbesondere auch die Erfolgsaussichten der Klage mitberücksichtigt werden müssen. Mit einzustellen in die Abwägung sind aber auch die Folgen, die eintreten würden, wenn die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet wird und ein Rechtsbehelf später Erfolg hat, gegenüber den Nachteilen, die entstehen, wenn die aufschiebende Wirkung angeordnet wird und ein Rechtsbehelf keinen Erfolg hat. Es sind hier auch wirtschaftliche Belange der Beteiligten zu berücksichtigen.

Hiernach konnte im vorliegenden Fall ein Überwiegen der Interessen der Antragstellerinnen an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber den Interessen des Antragsgegners an der Durchsetzung der Entziehung nicht festgestellt werden.

Vorliegend ist durch den Einzug des (jetzigen) Ehepartners in die gemeinsame Wohnung eine Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Bedarfsgemeinschaft eingetreten. Die Antragstellerin zu 1) hatte zunächst zwar das Datum der Eheschließung mitgeteilt, nicht aber das Datum des Einzugs des Ehemanns, mit dem zuvor gemäß der Angabe des Ehemanns in einem Telefonat mit dem Antragsgegner eine nichteheliche Beziehung bestand. Im Antragsschriftsatz hat die Antragstellerin zu 1) das Einzugsdatum mit 28. August 2021 angegeben. Eine Anfrage des Gerichts beim Einwohnermeldeamt A-Stadt hat indessen die schon dem Antragsgegner gegebene und in der erstinstanzlichen Entscheidung verwertete Information bestätigt, dass der jetzige Ehemann der Antragstellerin zu 1) zuziehend aus E-Stadt bereits am 1. Februar 2020 in die gemeinsame Wohnung eingezogen ist (Auskunft des Einwohnermeldeamts A-Stadt vom 3. Februar 2022). Damit dürfte eine wesentliche - von der Antragstellerin zu 1) seinerzeit allerdings nicht mitgeteilte - Änderung in den für die Leistungsberechnung maßgeblichen Verhältnissen bereits zum 1. Februar 2020 eingetreten sein (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c, Abs. 3a SGB II).

Offensichtlich ist, dass die drei Antragstellerinnen nach dem Einzug des (jetzigen) Ehegatten der Antragstellerin zu 1) gemäß dem Kopfteilprinzip nur noch ¾ des bislang bewilligten Unterkunfts- und Heizungsbedarfs gegenüber dem Antragsgegner geltend machen können. Auch ist die Antragstellerin zu 1) mit dem Einzug des Ehegatten (der nicht der Vater der Antragstellerinnen zu 2) und 3) ist) wohl nicht mehr alleinerziehend im Sinne des § 21 Abs. 3 SGB II, so dass der entsprechende Mehrbedarfszuschlag entfallen dürfte. 

Ob und inwieweit sich der Leistungsanspruch der drei Antragstellerinnen hierüber hinaus gemindert ist oder er gar ganz entfällt, hängt maßgeblich von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Ehegatten der Antragstellerin zu 1) ab. Hieraus ergibt sich eine Pflicht der Antragstellerin zu 1) an der Aufklärung dieser Einkommens- und Vermögensverhältnisse mitzuwirken (§ 60 SGB I).

Vorliegend stützt der Antragsgegner seine Entziehungsentscheidung darauf, dass er von der Antragstellerin zu 1) die Vorlage von ihr als Antragstellerin vollständig auszufüllender und zu unterschreibender Formulare WEP, EK und VM verlangt hat mit den dort geforderten Angaben zu Einkommen, Vermögen ihres Ehegatten und die Antragstellerin zu 1) dieser Aufforderung trotz mehrmaliger Erinnerung und Belehrung über die mögliche Rechtsfolge der Entziehung nicht nachgekommen ist.
Zwar hatte der Antragsgegner in dem ersten Schreiben vom 1. September 2021 u.a. von der Antragstellerin zu 1) verlangt, dass die beigefügte Anlagen WEP, EK, VM vollständig vom Ehemann der Antragstellerin zu 1) auszufüllen seien. Dieses Verlangen kann nicht auf § 60 SGB I gestützt werden, da dieser nicht selbst Antragsteller ist. In den nachfolgenden an die Antragstellerin zu 1) gerichteten Schreiben (7. Oktober 2021, 10. November 2021) hat der Antragsgegner allerdings nicht mehr die Unterschrift des Ehemanns verlangt. Die Antragstellerin zu 1) hat sich jedoch geweigert, diese Formulare auch für die neu hinzugekommene Person auszufüllen, und angegeben, nur ihr Familienstand habe sich geändert. Weiter hat sie einen Betrag der Erwerbsminderungsrente ihres Mannes und im Beschwerdeverfahren dann einen höheren Betrag angegeben, aber die Vorlage eines Rentenbescheides verweigert. Dazu, ob und welche weiteren, gegebenenfalls wechselnden Einnahmen der Ehemann in den Monaten seit Heirat hatte, hat sie sich nicht geäußert. Sie hat auch keine Angaben zum Vermögen ihres Ehemanns gemacht. Erst im Beschwerdeverfahren hat sie mit Schreiben vom 31. Dezember 2021 mitgeteilt, er habe Anfang des Jahres ein Kfz für 600,- Euro gekauft. Ein Mehrbedarf des Ehemanns wegen einer chronischem Schmerzerkrankung wird behauptet, ebenso Unterhaltspflichten gegenüber drei Kindern. Die monatlich geschuldeten Beträge werden aber nicht genannt, Belege zu Mehrbedarf und Unterhaltspflichten nicht vorgelegt.

Damit hat die Antragstellerin zu 1) ihre Mitwirkungspflichten allenfalls teilweise erfüllt und die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert (§ 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Dass ihr die vom Antragsgegner erbetenen Informationen selbst nicht vorliegen, hat die Antragstellerin weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Gleichwohl dürfte in einem solchen Fall die Entziehung von Leistungen nach den §§ 60, 66 SGB I ermessensfehlerhaft sein, wenn der Antragsgegner sich die zur Leistungsberechnung notwendigen Informationen nach § 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II von einem Dritten beschaffen kann. Vorliegend konnte der Antragsgegner die fehlende Mitwirkung der Antragstellerin zu 1) allerdings nicht dadurch ersetzen, dass er die notwendigen Auskünfte von dem Ehegatten der Antragstellerin einholte. 

§ 60 Abs. 4 SGB II eröffnet dem Grundsicherungsträger die Möglichkeit, sich unmittelbar an den Dritten zu wenden. Nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II hat der Partner der Agentur für Arbeit auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit Einkommen oder Vermögen des Partners zu berücksichtigen sind. Während § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I nur den Antragsteller oder Leistungsempfänger selbst betrifft, erfasst § 60 SGB II Auskunftspflichten Dritter, die für den Leistungsanspruch des Antragstellers von Bedeutung sein können. (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 78/08 R, juris Rn. 16). Damit ist Auskunftspflicht des Ehemanns nach § 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II grundsätzlich auf dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse beschränkt.
Der Ehemann der Antragstellerin zu 1) hat im Antragsverfahren vor dem Sozialgericht mit (offensichtlich falsch datiertem) Schreiben vom 23. Juni 2021, eingegangen bei Gericht am 15. November 2021 (GA BL. 47), unmissverständlich klargemacht, dass er sich zwar als auskunftspflichtig sehe, aber nicht bereit sei, Belege zu seinen Auskünften vorzulegen. Weiter heißt es: „Ich befinde mich seit 2017 in einer vollen Erwerbsminderungsrente und beziehe von der Knappschaft Bahn See seit dem 01.12.2017 eine mtl. Rente iHv 862,91 €, aktuell nun 921,11 € mtl. Aufgrund meiner chronischen Erkrankung wurden mir GdB 60 zugesprochen. Ich bin drei minderjährigen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig, besitze kein Vermögen und habe Schulden beim Finanzamt.“

Nach dieser Einlassung lagen dem Antragsgegner zwar bestimmte Auskünfte des Ehegatten vor. Es fehlt allerdings eine Auskunft darüber, ob er neben der Erwerbsminderungsrente weitere monatliche regelmäßige oder gelegentliche Einkünfte hat. Damit ist die hier gegebene Auskunft in einem wesentlichen Punkt unvollständig. 

Ein ausdrückliches Auskunftsersuchen hat der Antragsgegner dann während des Beschwerdeverfahrens mit Schreiben vom 3. Dezember 2021 an den Ehemann der Antragstellerin zu 1) gerichtet (Gerichtsakte Bl. 91), darin allerdings auch die Vorlage von Nachweisen, darunter den Rentenbescheid sowie lückenlose Kontoauszüge der letzten drei Monate verlangt. Außerdem hat der Antragsgegner das vollständige Ausfüllen und die Unterschrift unter die Anlagen WEP, EK und VM verlangt. Das BSG sieht es indessen als unverhältnismäßig an, von einer Person, die „selbst keinen eigenen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt hat, ebenfalls alle Angaben zu verlangen, die im Zusammenhang mit einer Antragstellung auf Grundsicherungsleistungen regelmäßig abgefragt werden“ (so BSG v. 24. Februar 2011, B 14 AS 87/09 R, juris Rn. 21). Im konkreten Fall ging es um die Vorlage eines vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Antragsformulars und wurde eine Bedarfsgemeinschaft vom Jobcenter allerdings nur vermutet. Vorliegend dürfte vom Ehemann der Antragstellerin zu 1) nicht zu verlangen sein, die genannten Formulare vollständig auszufüllen und zu unterschreiben, da sie für die Antragstellerin/den Antragsteller konzipiert sind und er kein Antragsteller ist. Das ändert aber nichts daran, dass er die dort gestellten Fragen zu seinem Einkommen und Vermögen dem Antragsgegner umfänglich zu beantworten hat.

Die zwischen den Beteiligten besonders streitige Frage, ob ein Jobcenter Kontoauszüge der letzten drei Monate des Partners nach § 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II von diesem verlangen kann, ist, höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Leistungsempfänger nach dem SGB II auch ohne konkreten Verdacht des Leistungsmissbrauchs im Rahmen der auch im Bereich des SGB II ergänzend geltenden Mitwirkungspflichten gemäß §§ 60 ff. SGB I verpflichtet, bei jeder Leistungsbeantragung ihre Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 10/08 R). 

Ob eine solche Vorlagepflicht ausnahmsweise auch den Partner im Sinne des § 60 Abs. 4 SGB II treffen kann, ist offen. Allerdings deutet eine Aussage des BSG in seinem Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 87/09 R, Rn. 19 darauf hin, dass dies nicht der Fall sein könnte. Dort heißt es: „Aus den Absätzen 2 und 4 des § 60 SGB II ergeben sich zudem unterschiedliche Auswirkungen auf den konkreten Umfang der von dem Träger benötigten und vom Auskunftspflichtigen zu leistenden Auskünfte. So kann der Leistungsträger im Rahmen unterhaltsrechtlicher Beziehungen die Vorlage von Belegen über die Höhe der Einkünfte fordern (§ 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II iVm § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gegenüber einem Partner, der selbst keine Leistungen beantragt, kann dagegen nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II nur die Erteilung von Auskünften verlangt werden (…).“ 

Für eine Vorlagepflicht auch des Dritten spricht allerdings, dass das Zusammenspiel der Mitwirkungspflichten (Auskunfts- und Nachweispflichten) der Antragstellerin zu 1) nach § 60 SGB I und der Auskunftspflicht ihres Ehemanns als nicht antragstellendem Dritten nach § 60 Abs. 4 SGB II nicht dazu führen kann, dass der Antragsgegner außer Stande gesetzt wird, die gemachten Angaben auf ihre Richtigkeit zu kontrollieren, und im Fall einer gemischten Bedarfsgemeinschaft blind den Angaben des Ehegatten zu seinem Einkommen vertrauen muss. Hinzu kommt, dass nach der Heirat zumindest zwischen der Antragstellerin zu 1) und ihrem Ehemann durchaus auch unterhaltsrechtliche Beziehungen bestehen, so dass sich auch hieraus eine Pflicht zur Vorlage entsprechender Unterlagen ergeben könnte.
Letztlich können diese Fragen für den hier zu entscheidenden Fall dahinstehen. Denn die Antragstellerin zu 1) hat sich weigert, nach § 60 SGB I die Anlagen WEP; EK, VM vollständig ausgefüllt und von ihr unterschreiben vorzulegen, und ihr Ehemann hat keine vollständige Auskunft erteilt, denn seine Angaben lassen offen, ob neben der Erwerbsminderungsrente noch weiteres regelmäßiges Einkommen vorliegt oder gelegentlich erzielt wird. 

Das Gericht hat versucht, dem Ehemann eine Brücke zu bauen, indem es die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen über die Einkommens-und Vermögenssituation angeregt hat. Da der Ehemann der Antragstellerin zu 1) allerdings die Weitergabe der dem Gericht übermittelten eidesstattlichen Versicherungen an den Antragsgegner verweigert, können diese im vorliegenden Verfahren schon wegen der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) nicht verwertet werden. Der Ehemann der Antragstellerin zu 1) ist damit seiner dem Antragsgegner gegenüber bestehenden Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II nicht vollständig nachgekommen. Damit konnte die mangelhafte Mitwirkung der Antragstellerin zu 1) nicht durch eine vollständige Auskunft ihres Ehegatten nach § 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II ersetzt werden. 

Es bleibt damit bei den in dem Entziehungsbescheid geschilderten Unsicherheiten über die Höhe eines etwaigen Leistungsanspruchs der drei Antragstellerinnen. Auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB I durch die Antragstellerin zu 1) konnte der Antragsgegner seine Entziehungsentscheidung somit rechtmäßig stützen. Denn sie hat die geforderten Unterlagen, bei denen lediglich fraglich ist, ob auch die Kontoauszüge des Ehemanns vorzulegen sind, nicht fristgerecht eingereicht. Diese fehlende Mitwirkung konnte auch nicht durch die Auskunft des Ehegatten kompensiert werden. 

Auch die Ermessenserwägungen des Antragsgegners sind nicht zu beanstanden. Zwar trifft der Entzug der Grundsicherungsleistungen die Antragstellerinnen in einem für sie existenziellen Bereich. Allerdings hat die Unsicherheit, ob überhaupt noch ein Leistungsanspruch besteht, ihre Ursache allein in der Sphäre der Antragstellerin zu 1). Würde sie die vom Antragsgegner zulässigerweise geforderten Formulare (Anlagen WEP, EK und VM) vollständig ausgefüllt einreichen, wäre der Antragsgegner in der Lage zu berechnen, ob und, wenn ja, in welcher Höhe ab Dezember 2021 noch ein Leistungsanspruch der Antragstellerinnen besteht, und könnte diese Leistungen zumindest vorläufig bewilligen.

Ein Überwiegen der Interessen der Antragstellerinnen an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber den Interessen des Antragsgegners an der Durchsetzung der Entziehung kann auch nicht deshalb festgestellt werden, weil wie vorgetragen kein Krankenversicherungsschutz der Antragstellerinnen bestehe. Denn der Antragsgegner hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auch nach Beendigung des Leistungsbezugs der Krankenversicherungsschutz der Antragstellerinnen weiterhin gewährleistet ist. Dies ergibt sich aus der automatischen freiwilligen Versicherung nach § 188 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) bzw. für die Antragstellerin zu 1) u.U. auch aus § 10 SGB V (Familienversicherung der Antragstellerin zu 1) über den Ehemann, falls dieser gesetzlich versichert sein sollte). 

b) Der Hilfsantrag der Antragstellerinnen auf vorläufige Leistungsgewähr in gesetzlicher Höhe ab Dezember 2021 ist als Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zulässig.

Das Gericht kann eine vorläufige Regelungsanordnung erlassen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein solcher Nachteil ist (nur) anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO –). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert neben-, vielmehr in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit beziehungsweise Schwere des drohenden Nachteils, dem Anordnungsgrund, zu verringern sind und umgekehrt (vgl. für die ständige Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts, Beschluss vom 11. Dezember 2019 – L 6 AS 528/19 B ER –, juris, Rn. 31; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 27 ff.). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn auf diesen nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Bei der Abwägung sind grundrechtliche Belange des Antragstellers, soweit diese durch die Entscheidung berührt werden, umfassend zu berücksichtigen: Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen; namentlich haben sie eine Verletzung der grundgesetzlichen Gewährleistung der Menschenwürde zu verhindern, auch wenn diese nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, juris; BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Februar 2009 – 1 BvR 120/09 –, juris Rn. 11; dem folgend u.a. erk. Senat, Beschluss vom 11. Dezember 2019 – L 6 AS 528/19 B ER –, juris Rn. 32).

Ob die Antragstellerinnen weiterhin einen Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner haben, ist aus den oben dargestellten Gründen offen. Die gegebenen Auskünfte sind schon deshalb lückenhaft, weil offenbleibt, ob der Ehemann neben der Erwerbsminderungsrente weitere Einnahmen hat. Zwar hat der Ehemann von ihm gemachte Angaben gegenüber dem Gericht mit eidesstattlichen Versicherungen über sein Einkommen in den Monaten September bis Dezember 2021 glaubhaft gemacht. Allerdings sind diese Versicherungen vorliegend nicht verwertbar, weil der Ehemann der Antragstellerin zu 1) eine Weiterleitung der Versicherungen an den Antragsgegner verboten hat. Das Gericht würde gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs verstoßen, wenn es seine Entscheidung auf diese Versicherungen stützen würde, ohne dass der Antragsgegner Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen. 

Nach allem ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Es liegen dem Gericht keinerlei verwertbare Belege des Ehemanns zur bezogenen Rente, der Höhe der bestehenden Unterhaltspflicht gegenüber seinen drei Kindern, zu seinem Mehrbedarf wegen einer chronischen Schmerzerkrankung und auch keinerlei Belege (z.B. Kontoauszüge) vor, aus denen hervorgeht, dass er außer der angegebenen Erwerbsminderungsrente keine sonstigen Einnahmen erzielt. Dass die Angaben der Antragstellerin zu 1) vom Gericht nicht ohne Belege ungeprüft übernommen und einer Entscheidung zugrunde gelegt werden können, ergibt sich schon daraus, dass sie das Einzugsdatum ihres jetzigen Ehemannes (früheren Partners) dem Antragsgegner nicht zeitnah, also im Februar 2020, mitgeteilt und dem Gericht gegenüber falsch angegeben hat (Zuzug von E-Stadt und Einzug bereits am 1. Februar 2020).

Mangels Vorliegen eines Anordnungsanspruchs kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht mehr an. Zum Krankenversicherungsschutz der Antragstellerinnen gilt das oben Gesagte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG). 
 

Rechtskraft
Aus
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