Einem Sachverständigen, der der Umsatzsteuerpflicht unterliegt, ist grundsätzlich die auf den gesamten Vergütungsanspruch entfallende Umsatzsteuer zu erstatten. Dies schließt auch in Rechnung gestellte Fremdleistungen ein, die selbst umsatzsteuerfrei sind (hier: Portokosten).
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Antragsteller für die Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zustehenden Vergütung. Streitig ist im Beschwerdeverfahren nur noch, ob dem umsatzsteuerpflichtigen Antragsteller Umsatzsteuer auch auf das Porto zu erstatten ist.
Der Antragsteller ist Neurologe und Psychiater. Er erstattete in dem schwerbehindertenrechtlichen Verfahren zum Az. S 22 SB 408/16 im Juli 2019 ein fachärztliches Sachverständigengutachten, das am 22. Juli 2019 beim Sozialgericht Lübeck einging. Mit Rechnung vom 11. Juli 2019 machte er einen Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 2.974,48 EUR geltend. Dabei ging er von einem Gesamtaufwand von 31,75 Stunden gemäß Honorargruppe M 2 aus und machte u.a. Portokosten in Höhe von 16,00 EUR sowie Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent auf das Stundenhonorar und die Auslagen (Schreibgebühr und Kopierkosten) geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung (Bl. 22 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 15. August 2019 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 2.093,44 EUR fest und begründete die Kürzung im Wesentlichen damit, dass der geltend gemachte zeitliche Aufwand sich lediglich in geringerem Umfang (22 Stunden) objektiv nachvollziehen lasse. Auch die Portokosten könnten nicht in vollem geltend gemachtem Umfang erstattet werden. Die Übersendung des Gutachtens habe Portokosten in Höhe von 7,49 EUR, die Einbestellung des Klägers zur Untersuchung Portokosten von 0,70 EUR verursacht. Umsatzsteuer auf die Portokosten könne nicht erstattet werden, weil die Vergütung für eine Universaldienstleistung der Postdienste umsatzsteuerfrei sei.
Dagegen hat der Antragsteller am 10. September 2019 richterliche Festsetzung beantragt und seinen Vergütungsanspruch aufrechterhalten. Der Antragsgegner hat im Rahmen seiner Anhörung einen Vergütungsanspruch in Höhe von 2.048,81 EUR für gerechtfertigt erachtet und ist dabei von einem anzuerkennenden zeitlichen Aufwand von 21,5 Stunden ausgegangen. Portokosten seien nur in Höhe von 8,19 EUR angefallen. Auf diesen Betrag könne der Antragsteller keine Umsatzsteuer berechnen.
Mit richterlichem Beschluss vom 14. Januar 2020 hat das Sozialgericht Lübeck die Vergütung auf 2.050,37 EUR festgesetzt und ist bei seiner Festsetzungsentscheidung im Wesentlichen den Ausführungen des Antragsgegners zum anzuerkennenden Zeitaufwand und zur Beschränkung des Ersatzes von Portokosten auf die tatsächlichen Aufwendungen gefolgt. Allerdings sei der Antragsteller auch zur Abrechnung der Umsatzsteuer auf diese Protokosten berechtigt. Soweit der Antragsgegner auf die ständige Rechtsprechung des Kostensenats beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht verweise, sei dem nicht zu folgen. Der Sachverhalt werde in einer Vielzahl von Entscheidungen anderer Gerichte und in der einschlägigen Kommentarliteratur anders bewertet. Steuerbarer Umsatz i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) sei alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, in diesem Falle also die gesamte Sachverständigenvergütung mit Ausnahme der Umsatzsteuer selbst. Der Antragsteller schulde daher die Umsatzsteuer ohne Rücksicht auf eine Steuerbefreiung des Postdienstleisters und sei der Finanzverwaltung insoweit auch zur Voranmeldung verpflichtet. Es handele sich nicht nur um einen durchlaufenden Posten. Das Sozialgericht hat in seinem Beschluss die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Gegen den ihm am 17. Januar 2020 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 30. Januar 2020 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde richte sich allein gegen die Erstattung von Mehrwertsteuer auf die Portokosten und trage dem Umstand Rechnung, dass das Sozialgericht von der ständigen Rechtsprechung des Kostensenats abweiche. Es bestehe daher das Bedürfnis einer Klärung durch den Senat.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Januar 2020 zu ändern und die Vergütung des Antragstellers auf 2.048,81 EUR festzusetzen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verzichtet auf eine inhaltliche Stellungnahme.
II.
Über die Beschwerde entscheidet das Landessozialgericht durch den Senat, weil der Berichterstatter diesem die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen hat (§ 4 Abs. 7 Satz 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz [JVEG]). Der Senat entscheidet ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 4 Abs. 7 Satz 3 JVEG).
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]; § 4 Abs. 6 Satz 1 und 3 JVEG). Sie ist statthaft, weil das Sozialgericht die Beschwerde zugelassen hat (§ 4 Abs. 3 JVEG) und der Senat an diese Zulassungsentscheidung gebunden ist (§ 4 Abs. 4 Satz 4 JVEG).
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich der Erstattungsanspruch wegen der auf die Portokosten entfallenden Umsatzsteuer nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG. Auf diesen Anspruch hat der Antragsgegner seine Beschwerde beschränkt, nachdem er den Vergütungsanspruch im Übrigen bereits im Rahmen der Anhörung zur richterlichen Festsetzung in später festgesetzter Höhe für begründet erachtet hatte. Der Antragsteller hingegen hat keine Beschwerde erhoben.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht dem Festsetzungsantrag des Antragstellers wegen der auf die Portokosten entfallenden Umsatzsteuer entsprochen. Der Anspruch folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG. An seiner entgegenstehenden Rechtsprechung, wie sie insbesondere aus der Entscheidung vom 18. Juni 2015 – L 5 SF 46/15 B KO folgt, hält der Senat nicht mehr fest.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG wird die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer gesondert ersetzt, sofern diese nicht nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt. Welche Umsatzsteuer auf die Vergütung entfällt, bemisst sich dabei allein nach dem UStG (Senatsbeschluss vom 11. März 2021 – L 5 AR 368/20 B KO – juris Rn. 19). Umsatzsteuerrechtlich aber schuldet der Antragsteller, der nicht der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG unterfällt, die auf die dem Antragsgegner in Rechnung gestellten Portokosten entfallende Umsatzsteuer auch dann, wenn die Beförderungsleistung des Postdienstleisters selbst als Universaldienstleistung (§ 4 Nr. 11b UStG) umsatzsteuerfrei sein sollte. Denn von Umsatzsteuerbefreiungen nach § 4 UStG profitiert nur derjenige Unternehmer, der die steuerbefreite Leistung selbst erbringt. Für Unternehmer, die – wie der Antragsteller – in der Wertschöpfungskette nachgelagerte Leistungen erbringen, wirkt sich die Umsatzsteuerbefreiung lediglich insoweit aus, als sie für die vom Universaldienstleister erbrachte Leistungen keinen Vorsteuerabzug geltend machen können, weil keine Vorsteuer geschuldet worden ist (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Soweit ein Unternehmer seinem Leistungsempfänger auf der nächsten Wertschöpfungsstufe seine Aufwendungen für derartige Universaldienstleistungen als Teil seines Entgelts berechnet, sind die darauf anfallenden Umsatzsteuern vollumfänglich an den Fiskus abzuführen. Dies entspricht dem Zweck der Umsatzsteuer als Abschöpfungssteuer.
Für den Antragsteller bedeutet dies: Sein Umsatz, der Bemessungsgrundlage für die geschuldete Umsatzsteuer ist, wird gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG nach dem vereinnahmten Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Dazu gehören, da es sich nicht um durchlaufende Posten i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG handelt, neben dem mit Rechnung vom 11. Juli 2019 geltend gemachten Nettohonorar auch Auslagen wie Schreibgebühren, Kopierkosten und eben Portokosten (dazu FG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juli 1982 – III 417/81 U; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. August 2011 – 2 Ws 111/11 – juris Rn. 11; KG Berlin, Beschluss vom 14. Januar 2009 – 1 Ws 359/08 – juris Rn. 10 m.w.N.; vgl. auch Korn in: Bunjes, UStG, 20. Aufl. 2021, § 10 Rn. 17).
Sachverständigenvergütungsrechtlich ist der gesonderte Umsatzsteuerersatz allerdings auf die Nettoauslagen beschränkt. Da der umsatzsteuerpflichtige Sachverständige Vorsteuerabzug geltend machen kann (§ 15 Abs. 1 UStG), würde ihm die Geltendmachung von Bruttoauslagen zuzüglich der darauf nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG entfallenden Umsatzsteuer einen zusätzlichen Gewinn verschaffen, der über den bloßen Auslagenersatz hinausgeht (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 20. August 2001 – 15 W 5/01 – juris Rn. 3 f.). Sind hingegen die in Rechnung gestellten Auslagen selbst umsatzsteuerfrei, handelt es sich bereits um Nettobeträge. Die darauf entfallende Umsatzsteuer ist deshalb nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG vollumfänglich gesondert zu ersetzen (vgl. zur Berechnung Schneider, JVEG, 4. Aufl. 2021, § 12 Rn. 94).
Dass Umsatzsteuer in diesem Sinne auch für Fremdleistungen zu erstatten ist, für die – wie eben bei Portokosten – selbst keine Umsatzsteuer zu zahlen ist, entspricht der ganz herrschenden Meinung im wissenschaftlichen Schrifttum (Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, § 12 JVEG Rn. 30; Schneider, a.a.O., § 12 Rn. 91 f.; Simon/Pannen in: Schneider/Volptert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 12 Rn. 36; vgl. auch Bleutge, BeckOK-Kostenrecht, 35. Edition, Stand: 1. Oktober 2021, § 12 JVEG Rn. 70 m.w.N.) und der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung (OLG Oldenburg, Beschluss vom 1. April 1993 – 2 U 190/90, NdsRpfl 1993, 195; SG Fulda, Beschluss vom 3. Juni 2015 – S 4 SF 58/14 E – juris Rn. 37 ff.). Soweit das Sächsische Landessozialgericht dies in seinem Beschluss vom 10. März 2015 – L 8 SF 99/13 E – juris Rn. 11 anders gesehen hat, ist diese – in der Entscheidung nicht näher begründete – Rechtsprechung vereinzelt geblieben.
Die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses wird letztlich durch die – hier nicht maßgebliche – zum 1. Januar 2021 in Kraft getretene Einfügung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 JVEG durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 vom 21. De-zember 2020 (BGBl. I S. 3229) bestätigt. Nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift kann der Sachverständige nunmehr anstelle der tatsächlichen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsleistungen eine Pauschale in Höhe von 20 Prozent des Honorars fordern, höchstens jedoch von 15,00 EUR. Auch auf diese Pauschale als Teil des Entgelts (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG) ist – wie dort unstreitig auch im Bereich des Rechtsanwaltsvergütungsrechts – die Umsatzsteuer zu berechnen, die nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG zu erstatten ist. Es kann aber letztlich weder für die Erhebung der Umsatzsteuer noch für den Aufwendungsersatz nach Sachverständigenvergütungsrecht einen Unterschied machen, ob der Sachverständige die Portokosten spitz abrechnet oder pauschaliert geltend macht.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 4 Abs. 8 JVEG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Dr. Groth Kossiski Gebhardt
Vizepräsident des LSG Richterin am LSG Richterin am LSG