L 3 AS 336/21

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 29 AS 6188/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 336/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Das Verhalten eines Rechtsmittelführers ist willkürlich, wenn es es ihm mit seiner Berufung "in erster Linie um die Korrektur der Kostenentscheidung" geht, er aber gleichwohl auch im Übrigen Berufung einlegt, "da eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nicht möglich ist".

     
   
 

 

I.     Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 17. März 2021 werden als unzulässig verworfen

II.    Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten

III.   Die Revision wird nicht zugelassen

 

 

Tatbestand

 

Die Kläger wenden sich "in erster Linie" gegen die Kostenentscheidung im Gerichtsbe-scheid des Sozialgerichtes Dresden vom 17. März 2021.

 

Die jeweils 1982 geborenen Kläger zu 1 und 2 sowie ihre 2002 und 2008 geborenen Kinder, die Kläger zu 3 und 4, bezogen im streitbefangenen Zeitraum, in Bedarfsgemeinschaft lebend, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).

 

Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 16. Juli 2010 vorläufig Leistungen für die Zeit vom 14. Juli 2010 bis zum 31. Dezember 2010. Unter dem 21. Januar 2011 erließ der Beklagte zwei Bescheide, mit denen er die Leistungsbewilligungen für Oktober und Dezember 2011 endgültig festsetzte.

 

Der Klägerbevollmächtigte stellte mit Schriftsatz vom 26. Januar 2012 in Bezug auf diese zwei bestandskräftigen Bescheide Überprüfungsanträge, weil die dem Kläger zu 2 von seinem Arbeitgeber gezahlten Auslösen als Einkommen angerechnet worden waren.

 

Die Überprüfungsanträge lehnte der Beklagte mit zwei Bescheiden vom 18. Januar 2012 ab. Die Widersprüche wies er mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 5. November 2011 (betr. Oktober 2010: Az. W-….; betr. Dezember 2010: Az. W-….) zurück.

 

Auf die Klagen vom 8. Dezember 2015 (zunächst Az. S 16 AS 6188/15, später Az. S 29 AS 6188/15) hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 17. März 2021 den Beklagten der Sache nach verurteilt, den Klägern für Oktober 2010 unter Anrechnung der bereits geleisteten Zahlungen endgültig weitere, im Einzelnen bezifferte Leistungen zu gewähren (Ziffer I des Urteilstenors). Im Übrigen hat es die Klagen abgewiesen (Ziffer II des Urteilstenors). Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger hat es zu 1/10 für erstattungsfähig erklärt (Ziffer III des Urteilstenors). Zur Kostenentscheidung hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen angemerkt, dass sie der Entscheidung in der Sache folge.

 

Die Kläger haben am 23. März 2021 Berufung eingelegt. Der Klägerbevollmächtigte hat vorgetragen, dass es den Klägern "in erster Linie um die Korrektur der Kostenentscheidung in dem Gerichtsbescheid" gehe. Die Obsiegensquote liege bei 38 %. Weiter hat er ausgeführt: "Und da eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nicht möglich ist, wird auch im übrigen Berufung eingelegt, soweit in 1. Inst. Nicht obsiegt wurde."

 

Die Kläger beantragen,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 17. März 2021 abzuändern und die zwei Überprüfungsbescheide des Beklagten vom 18. Januar 2012 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 5. November 2015 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die den Klägern zustehenden Leistungen nach dem SGB II für die Monate Oktober und Dezember 2010 ohne Berücksichtigung der vom Kläger zu 2 erzielten "Auslöse" zu berechnen, soweit dies nicht bereits in dem angefochtenen Gerichtsbescheid geschehen ist.

 

Der Beklagte hat zunächst unter Verweis auf die Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beteiligten sind – mit der Gelegenheit zur Stellungnahme – mit richterlichem Schreiben vom 8. Oktober 2021 darauf hingewiesen worden, dass Bedenken in Bezug auf die Statthaftigkeit der Berufung bestünden. Es liege der Verdacht nahe, dass die Kläger mit der Art und Weise, wie sie die Berufung eingelegt hätten, die Zulässigkeit des Rechtsmittels hätten erschleichen wollen. Die Klägerseite hat hierauf nicht reagiert.

 

Der Beklagte beantragt nunmehr,

 

die Berufung zu verwerfen.

 

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten (8 Bände, 1 Heftung) Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Kläger verhandeln und entscheiden, weil sie hierauf in der Ladung hingewiesen worden sind (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II. Die Berufungen der Kläger sind nicht statthaft und deshalb gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.

 

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes liegt ein willkürliches Verhalten des Rechtsmittelführers vor, wenn der Verdacht naheliegt, dass der Rechtsmittelführer die Zulässigkeit des Rechtsmittels habe erschleichen wollen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 1983 – 7 RAr 65/82 – SozR 1500 § 144 Nr. 24 = Breithaupt 1984, 535 ff. = juris Rdnr. 17). Willkür setzt voraus, dass für das Verhalten des Rechtsmittelführers ein vernünftiger Grund nicht erkennbar ist, dieses Verhalten nach den Umständen des Einzelfalles nicht als sachgerecht erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1978 – 4 RJ 73/77SozR 1500 § 146 Nr. 7 = juris Rdnr. 10; BSG, Urteil vom 7. Dezember 1983, a. a. O.).

 

Vorliegend geht es den Kläger, wie in der Berufungsschrift formuliert wird, "in erster Linie um die Korrektur der Kostenentscheidung". Nach § 144 Abs. 4 SGG ist die Berufung jedoch ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt. Da dies den Klägern bekannt ist ("da eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nicht möglich ist"), ist "auch im übrigen Berufung eingelegt" worden, soweit nicht in der ersten Instanz obsiegt worden ist. Daraus erschließt sich, dass die Berufung gegen die Hauptsacheent-scheidung nur eingelegt worden ist, um die Statthaftigkeit der Berufung zu erreichen, die ansonsten wegen § 144 Abs. 4 SGG nicht gegeben wäre. Für die Berufung der Kläger gegen die Hauptsacheentscheidung gibt es somit keinen vernünftigen Grund.

 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

 

IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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