L 10 R 3259/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 612/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3259/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24.09.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

 

I.

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.

Der 1965 geborene Kläger absolvierte von 1981 bis 1984 seinen eigenen Angaben nach eine Berufsausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur. In der Folgezeit war er zeitweise in diesem Beruf, jedoch u.a. auch als Produktionsarbeiter, Kunststoffschlosser, Keramikschleifer, Stanzer und Maschinenführer sowie zuletzt bis Mitte August 2009 als Buchbinder tätig (Bl. 5 VA-ÄT, Bl. 116/Rs VA-Rente). Eine versicherungspflichtige Tätigkeit nahm er seither nicht mehr auf. Seit dem 08.05.2013 besteht beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und ihm wurden die Merkzeichen G und B zuerkannt.

Am 15.06.2018 stellte er einen (erneuten) Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den er mit einer starken Bewegungseinschränkung, Depression und Angstzuständen begründete. Sein Leistungsvermögen sei aufgehoben. Die Beklagte zog u.a. einen MRT-Bericht der Halswirbelsäule (HWS) von Mai 2018 (Beurteilung: u.a. multisegmentale Bandscheibenprotrusionen Höhe C6/7 links lateral, V.a. Übergang in einen kleinen NPP, Spinalkanal Höhe C5/6 und C6/7 bereits eingeengt, jedoch kein eindeutiges Myelopathiesignal) sowie einen Befundbericht des behandelnden B (Diagnosen: chronifizierte Depression, schwere rezidivierende Schmerzzustände, chronisches WS-Syndrom, Adipositas) bei.

Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2018 den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2019 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2019 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat (schriftlich) sachverständige Zeugenauskünfte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. Die W hat im April 2019 keine Angaben über die Leistungsfähigkeit des Klägers machen können, da der Kläger letztmals im Juli 2018 dort behandelt worden und zu den Folgeterminen nicht mehr erschienen sei (Diagnosen: chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Wurzelreizung im HWS-Bereich C5/6 mit Z.n. PRTs, gesteigerte Schmerzempfindlichkeit, Z.n. Radiosynoviorthese 2010 linkes Knie bei rezidivierenden Ergüssen mit Synovialitis, medial betonte Gonarthrose und Retropatellararthrose nach Knieinfekt 2008, Bl. 20 f. SG-Akte). Die F hat mitgeteilt (Bl. 24 f. SG-Akte), der Kläger befinde sich seit Juni 2011 ein- bis zweimal im Quartal in ihrer ambulanten nervenärztlichen Behandlung. Er könne ihrer Einschätzung nach noch leichte sitzende Tätigkeiten täglich vier Stunden ausüben. Der Chefarzt des Fachzentrums für Wirbelsäulenchirurgie der S Klinik Lorsch E ist nicht in der Lage gewesen, eine Leistungseinschätzung abzugeben, nachdem sich der Kläger im Anschluss an die am 08.05.2018 vorgenommene mikrochirurgisch assistierte Foraminotomie C6/7 links nicht mehr zur Verlaufskontrolle und Nachsorge vorstellte (Bl. 30 ff. SG-Akte). Der B hat dem SG seine im Rahmen des zeitgleich geführten sozialgerichtlichen Verfahrens gegen die gesetzliche Pflegeversicherung (S 6 P 125/19) abgegebene sachverständige Zeugenauskunft übersandt und daher keine Leistungseinschätzung abgegeben (Bl. 40 SG-Akte). Im Juli 2019 ist beim Kläger eine mikrochirurgische Dekompression mittels ventraler Diskektomie der HWK 5/6 und HWK 6/7 mit Implantation von Titan-Cage-Interponaten durchgeführt worden (Bl. 76 ff. SG-Akte).

Der Kläger hat das in dem Verfahren gegen die gesetzliche Pflegeversicherung (S 6 P 125/19) eingeholte Sachverständigengutachten des B1 von August 2019 vorgelegt, wonach beim Kläger seit April 2019 ein Pflegegrad II anzunehmen sei (Bl. 46 ff. SG-Akte).

Nach Vorlage zweier sozialmedizinischer Stellungnahmen der W1 von Oktober (Bl. 71 ff. SG-Akte) und November 2019 (Bl. 83 SG-Akte), hat das SG von Amts wegen ein Sachverständigengutachten bei dem W2 (Bl. 124 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 31.03.2020) sowie ein Zusatzgutachten bei dem W3 eingeholt (Bl. 97 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 31.03.2020). Als Gesundheitsstörungen hat der Sachverständige W3 geklagte chronische Schmerzen bei Beschwerden seitens des Stütz- und Bewegungsapparates, anhaltende Anpassungsstörungen, einen Z.n. zweifacher HWS-Operation (2018/2019) mit sensiblem Defizit HWK 6 links, einen diskreten Anhalt für eine sensible, symmetrisch distale Polyneuropathie und einen leichten Tinnitus beidseits mitgeteilt. Eine überdauernde leistungsmindernde psychiatrische Störung hat er ausgeschlossen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sei der Kläger noch in der Lage, sowohl den zuletzt ausgeübten Beruf als auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch bestünden keine weitergehenden qualitativen Leistungseinschränkungen auf seinem Fachgebiet. In Anbetracht der gemachten Angaben und der körperlichen Untersuchungsbefunde hat es der Sachverständige für wahrscheinlich gehalten, dass der Kläger die Leiden zum Teil simuliere oder aggraviere bzw. diese bei aller zumutbaren Willensanstrengung zumindest teilweise aus eigener Kraft überwinden könne. Auch läge auf nervenärztlichem Gebiet keine Einschränkung der Wegefähigkeit vor. Der W2 hat Kniegelenksarthrosen links mehr als rechts - aktuell ohne Reizerscheinungen - mit Bewegungseinschränkung links, eine Halswirbelsäulenerkrankung mit Bandscheibenersatzoperation durch Zwischenwirbelkörper HWK 5/6 und 6/7 im Juli mit sensiblem Defizit im Dermatom C 6 links sowie angegebene Rückenschmerzen am Übergang der Brustwirbelsäule (BWS) zur Lendenwirbelsäule (LWS) ohne Funktionseinschränkungen diagnostiziert. Er hat die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers für seinen zuletzt ausgeübten Beruf auf unter drei Stunden täglich und für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Tätigkeiten überwiegend im Sitzen bzw. im Wechselrhythmus ohne ständiges Treppensteigen, keine hockenden oder knienden Tätigkeiten, keine Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Standsicherheit, keine Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, keine Akkordarbeit, kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, keine andauernden Zwangshaltungen des Kopfes, kein ständiges Überkopfarbeiten, keine hohe Schwingungsbelastung im Sitzen) auf mehr als sechs Stunden täglich eingeschätzt. Der W2 hat auch auf Grund der auffällig gut definierten Beinmuskulatur und der an typischer Stelle gelegenen, normal kräftigen und fast symmetrischen Fußsohlenbeschwielung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Einschränkung der Wegefähigkeit ausgeschlossen.

Mit Urteil vom 24.09.2020 - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 01.10.2020 zugestellt - hat das SG die Klage - in erster Linie gestützt auf die Sachverständigengutachten der W3 und W2 - abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme leide der Kläger - nach dem Sachverständigengutachten des W2 - auf orthopädischem Fachgebiet an einer Kniegelenksarthrose des linken Knies, einer HWS-Erkrankung mit Bandscheibenersatzoperationen durch Zwischenwirbelkörper der HWK 5/6 und 6/7 im Juli 2019 mit sensiblem Defizit des sechsten Halswirbels links sowie - entsprechend den Angaben des Klägers - an Rückenschmerzen am Übergang der BWS zur LWS ohne Funktionseinschränkungen sowie - nach dem Sachverständigengutachten des W3 - auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet an geklagten chronischen Schmerzen bei Beschwerden seitens des Stütz- und Bewegungsapparates, an anhaltenden Anpassungsstörungen und an einem leichten Tinnitus beidseits. Zudem bestünden diskrete Anhaltspunkte für eine sensible, symmetrisch distale Polyneuropathie. Eine überdauernde leistungsmindernde psychiatrische Störung könne ausgeschlossen werden. Entsprechend der Leistungsbeurteilungen der W2 und W3 könne der Kläger dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr zu Verfügung stehen. Die qualitativen Einschränkungen im Leistungsbild beruhten vor allem auf dem orthopädischen Befinden des Klägers. Dabei sei es ihm auf Grund der Kniegelenkserkrankung nicht mehr möglich, Arbeiten überwiegend im Stehen und Gehen, Arbeiten in der tiefen Hocke, Arbeiten mit mehr als nur gelegentlichem Treppensteigen, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Standsicherheit, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkordarbeiten und mittelschwere sowie schwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg auszuüben. Auf Grund der Erkrankung der HWS seien ihm zudem andauernde Zwangshaltungen des Kopfes, mehr als gelegentliche Arbeiten über Kopf und hohe Schwingungsbelastungen im Sitzen nicht möglich. Aus orthopädischer Sicht seien ihm leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg, Arbeiten überwiegend im Sitzen bzw. im Wechselrhythmus, Arbeiten an Büromaschinen sowie Arbeiten mit Publikumsverkehr möglich. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne der Kläger - ohne Gefährdung seiner Gesundheit - eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Auch liege keine Einschränkung der Wegefähigkeit vor, da der Kläger sowohl Fußwegstrecken von etwa 500 m Länge viermal täglich in etwa je 20 Minuten zurücklegen könne und er auch in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Diese Überzeugung hat das SG ebenfalls auf die Ausführungen des W2 in seinem Sachverständigengutachten gestützt. Der Sachverständige habe eine beidseits auffallend gut definierte und eher überdurchschnittlich kräftige Beinmuskulatur beschrieben. Würde der Kläger - seinem eigenen Vortrag gemäß - nur zehn bis fünfzehn Minuten am Stück gehen und sich für weite Wegstrecken grundsätzlich im Rollstuhl schieben lassen sowie nie länger als zehn Minuten am Tag spazieren gehen, wäre - dem Sachverständigen W2 gemäß - eine erhebliche Muskelminderung an beiden Beinen zwingend zu erwarten. Die gute Beinmuskulatur könne auch nicht mit Kräftigungsübungen erklärt werden, weil der Kläger angegeben habe, keine Gymnastik durchzuführen. Auch spreche - nach den Ausführungen des Sachverständigen W2 - die beidseits normal kräftige Fußsohlenbeschwielung dafür, dass beide Füße regelmäßig belastet würden. Die nahezu symmetrische Fußsohlenbeschwielung passe auch nicht zu dem seitens des Klägers demonstrierten linkshinkenden Gangbild mit stark gestörtem Abrollverhalten links. Auch hätten die Röntgenaufnahmen keine Hinweise für eine Inaktivitätsknochenmasseminderung ergeben. Die beiden Sachverständigengutachten seien nachvollziehbar und überzeugend und wiesen auch keine Widersprüchlichkeiten auf. Zudem hätten beide Sachverständige Anhaltspunkte für eine Aggravation der Beschwerden gesehen. Der Sachverständige W3 habe sich auch mit der sachverständigen Zeugenauskunft der behandelnden F auseinandergesetzt und schlüssig dargetan, dass die von ihr beschriebene schwergradige depressive Erkrankung nicht plausibel habe festgestellt werden können und zudem die Behandlungsfrequenz von einem Termin im Quartal nicht für eine schwere depressive Störung spreche. Weitere rentenrelevante Erkrankungen des Klägers ließen sich den übrigen aktenkundigen medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Dass beim Kläger ein GdB von 100 und Merkzeichen vorlägen, stehe dieser Leistungseinschätzung nicht entgegen. Ob eine festzustellende Behinderung im Sinne des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) vorliege, richte sich nach den Auswirkungen der Behinderung in sämtlichen Lebensbereichen, nicht nur auf die Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Daher spiele der GdB bei der Beurteilung einer Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung keine entscheidende Rolle. Der Leistungseinschätzung stehe auch der zugunsten des Klägers festgestellte Pflegegrad II nicht entgegen. Dieser sei auf der Grundlage eines nicht ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 02.08.2019 und nach den Vorschriften des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) festgestellt worden. Die Pflegebedürftigkeit spiele im Rahmen der Beurteilung der Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung daher ebenfalls keine entscheidende Rolle. Auch scheide ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) aus. Dieser scheitere schon daran, dass der Kläger nach dem Stichtag - 02.01.1961 - geboren sei.

Hiergegen hat der Kläger - vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten - am 03.10.2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das SG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen, da es den B nicht zur Vorlage der seinerseits gefertigten - und vermeintlich auch an das SG übersandten, dort jedoch nicht eingegangenen - Stellungnahme aufgefordert habe. Auch habe sich das SG im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Kläger machen können und es hätte sich ihm aufdrängen müssen, dass der tatsächliche Eindruck nicht mit den Gutachtenergebnissen korrespondiere. Der Kläger sei auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen und habe eine Begleitperson dabeigehabt, auf die er angewiesen sei. Das SG habe sich jedoch trotzdem an die Ergebnisse der eingeholten Gutachten „geklammert“. Auch sei der Anregung der Beklagten, ein Schmerzgutachten einzuholen, nicht nachgekommen worden. Außerdem habe der Kläger weiterhin extreme Probleme mit der HWS und der BWS. Die Schmerzintensität sei weiter gestiegen, zusätzlich habe sich auch noch eine Zyste im Hals gebildet, die beobachtet werden müsse bzw. operativ entfernt werden solle. Es habe auch ein Knoten neben der Wirbelsäule entfernt werden müssen. Wegen der Zyste und dem Knoten befinde sich der Kläger im Uklinikum M in Behandlung. Der eingesetzte Pflegedienst habe auch empfohlen, einen Antrag auf Erhöhung des Pflegegrades zu stellen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24.09.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat eine Stellungnahme des B (Bl. 37 f. der Senatsakte) und (weitere) medizinische Unterlagen beigezogen (Bl. 51 ff. der Senatsakte). Die Beklagte hat daraufhin eine (weitere) sozialmedizinische Stellungnahme der W1 vorgelegt, die die Ergebnisse der Begutachtungen durch die W2 und W3 bestätigt hat (Bl. 76 ff. der Senatsakte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

 

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 05.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI zutreffend dargelegt und gestützt auf die Sachverständigengutachten der W2 und W3 mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten bei Berücksichtigung der aufgeführten qualitativen Einschränkungen zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten, und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Ebenso zutreffend hat es dargelegt, dass und warum der entgegenstehenden Einschätzung der behandelnden F nicht gefolgt werden kann und weshalb auch die zugunsten des Klägers erfolgte Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft und die Zuerkennung von Merkzeichen sowie die Anerkennung eines Pflegegrades keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers entsprechend den Vorschriften des SGB VI haben. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Zu einer anderen Einschätzung gelangt der Senat auch nicht nach der im Berufungsverfahren durchgeführten weiteren medizinischen Sachaufklärung. Das am 08.10.2020 durchgeführte Hals-CT hat keinen Nachweis einer Lymphadenopathie bei zahlenmäßig akzentuierten zervikalen Lymphknoten erbracht (Bl. 56 der Senatsakte). Dem Ambulanzbrief der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie des Uklinikums M vom 23.11.2020 ist zu entnehmen, dass von der am 26.10.2020 cervikal bestehenden geröteten, geschwollenen und schmerzhaften Raumforderung am 23.11.2020 nur noch eine leichte Raumforderung paralaryngeal links tastbar gewesen ist und keine Schmerzen mehr bestanden haben. Der Befund ist also - worauf auch W1 in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme, die als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbar ist, zu Recht hingewiesen hat - rückläufig gewesen. Auch der anlässlich einer Entfernung eines am Rücken bestehenden Fettgeschwulstes gefertigte Histologiebefund vom 10.12.2020 hat keinen Anhalt für eine Bösartigkeit erbracht (Bl. 54 der Senatsakte). Eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers durch die von ihm behauptete „Zyste am Hals“ bzw. einen „Knoten neben der Wirbelsäule“ ist somit nicht ersichtlich. Auch ist für den Senat nicht nachvollziehbar, inwiefern beim Kläger auf Grund der Befunde auf allergologischem Fachgebiet eine quantitative Leistungsminderung vorliegen soll. Zwar lassen sich dem vorgelegten Befundbericht der K (Bl. 65 der Senatsakte) von Mai 2020 Sensibilisierungen gegenüber Kobalt(II)-Chlorid, Nickel(II)-Sulfat, Zinkbis, Epoxidharz, Sorbitansesquioleat, (Chlor)-Methylisothazolon, Erle, Hasel, Birke, Kaninchen, Alternaria tenuis, Mehlmilbe und Hausstaubmilbe entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben könnten, sind jedoch weder ersichtlich, noch sind irgendwelche hierdurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen vom Kläger konkret geltend gemacht worden.

Auch die Stellungnahme des B veranlasst den Senat zu keiner anderen Einschätzung. Er hat lediglich die sachverständige Zeugenauskunft der F sowie die erstinstanzlichen Gutachten der W3 und W2 kommentiert, ohne von ihm selbst erhobene Befunde mitzuteilen. Soweit er kritisiert hat, dass W3 seine Diagnosen nicht in den ICD-10-Schlüssel eingeordnet, sondern „allenfalls Zustandsbeschreibungen“ mitgeteilt hat, verkennt er, dass das Bestehen einer rentenrelevanten Erwerbsminderung nicht von Diagnosen, sondern von tatsächlich bestehenden funktionellen Einschränkungen abhängt, für deren Vorliegen der Kläger selbst beweisbelastet ist (BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90, juris; s. hierzu Senatsurteil vom 17.09.2009, L 10 R 3827/07). Es kommt folglich nicht darauf an, ob W3 seine Diagnosen in das richtige Diagnosesystem eingeordnet hat oder nicht, zumal W3 auf Grund des von ihm erhobenen klinischen Befunds (s.o.) eine überdauernde psychiatrische Störung ausgeschlossen und Funktionsstörungen mit Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen nicht zu objektivieren vermocht hat. Entgegen der Auffassung des B ist auch die Annahme einer aggravierenden bzw. simulierenden Beschwerdedarstellung nicht unsachlich, sondern vielmehr für eine sozialmedizinische Begutachtung unerlässlich, da sie Rückschlüsse darauf zulässt, ob die geklagten - und unter Umständen für das Leistungsvermögen relevanten - Beschwerden überhaupt vorliegen. Im Übrigen kommt aus den bereits vom SG näher dargelegten Gründen weder der Anerkennung des Pflegegrads II, noch der Zuerkennung eines GdB von 100 und von Merkzeichen ausschlaggebende Bedeutung zu.

Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung noch gemeint hat, das SG habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, da es sich ihm auf Grund des im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks des Klägers hätte „aufdrängen“ müssen, dass dieser nicht mit den Gutachtensergebnissen übereinstimme, wird darauf hingewiesen, dass eine entsprechende medizinische Fachkompetenz der erkennenden Kammer des SG nicht ersichtlich ist (vgl. dazu nur BSG, Beschluss vom 31.01.2008, B 2 U 311/07 B, juris; Senatsurteil vom 12.12.2019, L 10 R 2401/19), weswegen sich das SG auch zu Recht veranlasst gesehen hat, fachärztliche Sachverständigengutachten einzuholen. Beide Sachverständige haben indes - insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen - auch für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass und warum die beim Kläger bestehenden Leiden lediglich zu qualitativen Leistungseinschränkungen führen, nicht jedoch eine zeitliche Leistungslimitierung bedingen. Dagegen ist nichts zu erinnern.

Der Senat hat sich auch nicht zur Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen gedrängt gesehen, nachdem ihm - wie ebenfalls bereits dargelegt - namentlich die vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten sowie die sozialmedizinische Stellungnahme der W1 die notwendigen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermitteln. Der medizinische Sachverhalt ist mithin hinreichend geklärt.

Damit steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, einen Arbeitsplatz aufzusuchen und jedenfalls leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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