L 4 KR 2289/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 1127/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2289/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

I.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von Kosten einer selbstbeschafften Haushaltshilfe, die ihr nach einem Krankenhausaufenthalt im Zeitraum vom 23. Februar 2019 bis 31. März 2019 von Verwandten und Nachbarn geleistet worden ist.

Die 1954 geborene, alleinstehende Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Vom 7. Januar 2019 bis 25. Januar 2019 wurde sie aufgrund mehrerer Wirbelsäulenoperationen im L-Krankenhaus F vollstationär behandelt. Der Chefarzt der behandelnden Krankenhausabteilung für Wirbelsäulenchirurgie H stellte der Klägerin unter dem 10. Januar 2019 eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe aus. Darin attestierte er, die Klägerin dürfe nach dem durchgeführten Eingriff (dorsale Fusion im Bereich der Lendenwirbelsäule) für 12 Wochen nicht schwer heben, sich nicht bücken und auch nicht tief sitzen und sei deswegen bis voraussichtlich Ende März 2019 nur eingeschränkt in der Lage, ihren Haushalt weiterzuführen, weshalb eine Haushaltshilfe für sechs Stunden pro Woche benötigt werde.

Unter Vorlage der ärztlichen Bescheinigung beantragte die Klägerin am selben Tag (10. Januar 2019) bei der Beklagten die Gewährung einer Haushaltshilfe. Im Antragsformular gab sie an, ihren Haushalt bislang selbst geführt zu haben und nun bis März 2019 hierzu jeweils dienstags und donnerstags von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr die Unterstützung einer Haushaltshilfe für das Zubereiten von Mahlzeiten, die Wohnungsreinigung, das Einkaufen und das Waschen und Bügeln ihrer Wäsche zu benötigen.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2019 bewilligte die Beklagte die beantragte Haushaltshilfe im unmittelbaren Anschluss an die stationäre Krankenhausbehandlung für die Dauer von längstens vier Wochen. Sofern die Leistung durch eine selbstbeschaffte Ersatzkraft erbracht werde, würden Kosten i.H.v. 5,25 € je Stunde für max. drei Stunden an zwei Tagen in der Woche erstattet.

Nach Erhalt des Bescheids teilte die Klägerin zunächst mit, dass die Haushaltshilfe durch die Sozialstation S D erbracht werden solle. Dementsprechend erklärte die Beklagte gegenüber dem Pflegedienst mit Schreiben vom 21. Januar 2019 die Kostenübernahme für die Haushaltshilfe im bewilligten Umfang zu den gültigen Vertragssätzen. Am 29. Januar 2019 informierte die Klägerin die Beklagte sodann telefonisch darüber, dass die Haushaltshilfe des Pflegedienstes zum ersten Termin nicht erschienen sei. Nach telefonischer Rücksprache mit der Sozialstation erklärte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Januar 2019 ihr „Schreiben vom 10. Januar 2019 […..] für ungültig“: Da bei der Klägerin neben der hauswirtschaftlichen Versorgung auch Hilfe bei der Körperpflege erforderlich sei, könne der Arzt eine häusliche Krankenpflege verordnen, die neben der Grund- und Behandlungspflege auch die Hauswirtschaft mitumfasse. Hierbei handele es sich aber nicht um eine Leistung der Haushaltshilfe.

In der Folge „widerrief“ die Klägerin schriftlich „die häusliche Pflege über die Caritas“ und teilte der Beklagten mit Schreiben vom 6. Februar 2019 mit, nach der Krankenhausentlassung sei zunächst ihr Sohn bei ihr gewesen. Dann sei zeitnah der Pflegedienst morgens und abends zur Körperpflege gekommen. Allerdings sei es zu Unstimmigkeiten gekommen. Inzwischen benötige sie keine Körperpflege sowie medizinische Betreuung mehr. Bislang habe sie keine Haushaltshilfe erhalten. Mit E-Mail vom 7. Februar 2019 benachrichtigte die Klägerin die Beklagte, dass nun die Haushaltshilfe ab 6. Februar 2019 durch einen anderen Pflegedienst erbracht werde. Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit zwei gesonderten Bescheiden vom 8. Februar 2019 rückwirkend häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 25. Januar bis 31. Januar 2019 sowie eine Haushaltshilfe für die Zeit vom 6. Februar 2019 bis 22. Februar 2019 im Umfang von je drei Stunden an zwei Tagen pro Woche.

Am 20. Februar 2019 reichte die Klägerin bei der Beklagten eine ärztliche Folgeverordnung für häusliche Krankenpflege ein. Darin verordnete der G unter dem 18. Februar 2019 aufgrund der Diagnosen Spondylolisthesis Lumbosakralbereich (M 43.17), Radikulopathie Lumbalbereich (M 54.16) und Instabilität der Wirbelsäule im Lumbalbereich (M 53.26) für den Zeitraum vom 23. Februar 2019 bis 31. März 2019 eine hauswirtschaftliche Versorgung für zweimal drei Stunden pro Woche. Die Beklagte verstand dies als Antrag auf Verlängerung der Kostenübernahme für die Haushaltshilfe. Mit Bescheid vom 21. Februar 2019 lehnte sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der gesetzliche Anspruch auf Haushaltshilfe bestehe für maximal vier Wochen, wenn aufgrund einer schweren Erkrankung die Weiterführung des Haushalts nicht möglich sei. Der gesetzlich vorgesehene Leistungsanspruch sei damit am „22.01.2019“ (gemeint wohl 22. Februar 2019) erschöpft und es dürften keine weiteren Kosten mehr übernommen werden.

Die Klägerin legte daraufhin zunächst ein hausärztliches Attest vor, mit dem G die weitere Notwendigkeit einer Haushaltshilfe für die Zeit vom 26. Februar 2019 bis 31. März 2019 nochmals bescheinigte. In der Folge erhob sie gegen die Einstellung der Haushaltshilfe Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend, die medizinische Notwendigkeit einer weiteren Haushaltshilfe ergebe sich aus den Verordnungen ihres Hausarztes. Nach den ärztlichen Anweisungen müsse sie für die Dauer von drei Monaten nach der Operation (19. Januar 2019) sich schonen und ständig eine Korsage tragen und dürfe kein Auto fahren, keine Lasten tragen sowie keinen Sport oder Ähnliches treiben. Bislang habe sie überhaupt nur 13,5 Stunden Haushaltshilfe erhalten. Bei Verweigerung der Haushaltshilfe müsse eine stationäre Einweisung erfolgen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2019 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 6. Mai 2019 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihr die Kosten für eine Haushaltshilfe in der Zeit vom 23. Februar 2019 bis zum 31. März 2019 an je zwei Tagen in der Woche zu erstatten. Sie vertrat die Auffassung, die Interpretation der Beklagten bezüglich des Zeitraums, in dem ihr der Anspruch auf Haushaltshilfe zustehe, sei nicht haltbar. Mit dem Anspruch auf Haushaltshilfe solle auf besondere Lebenslagen reagiert werden und zwar in dem Umfang, der erforderlich sei, um den Verbleib in der eigenen Wohnung zu ermöglichen und sich nicht in stationäre Versorgung begeben zu müssen. Dieser Intention werde nur Rechnung getragen, wenn die Haushaltshilfe tatsächlich auch zur Verfügung stehe. Bis zum Ablauf von vier Wochen nach der Krankenhausentlassung, also im Zeitraum vom 26. Januar 2019 bis 22. Februar 2019 habe sie lediglich 13,5 Stunden der bewilligten Haushaltshilfe in Anspruch nehmen können. Genehmigt sei aber eine Haushaltshilfe für vier Wochen im Umfang von wöchentlich zwei Tagen á drei Stunden, also insgesamt 24 Stunden gewesen. Damit müsse die Beklagte die Kosten der Haushaltshilfe noch für weitere 10,5 Stunden erstatten. Zur Überbrückung der Zeiten, in denen ihr keine Haushaltshilfe zur Verfügung gestanden habe, sei sie gezwungen gewesen, auf die Hilfe ihrer Söhne Maik und Carlo sowie ihrer Nachbarin zurückzugreifen (vgl. zu den Einzelheiten die Stundenaufstellung der Klägerin, Bl. 10 f. der SG-Akte). Wie sich aus der ärztlichen Bescheinigung von H vom 10. Januar 2019 ergebe, habe von Anfang an festgestanden, dass sie eine Haushaltshilfe für 12 Wochen nach der Operation benötige. Nachdem die Beklagte sie unter Verletzung ihrer Aufklärungspflicht nicht davon in Kenntnis gesetzt habe, dass die Kosten für eine Haushaltshilfe nicht für den gesamten Zeitraum übernommen würden, und sie auch nicht auf die Alternative einer Unterbringung in einer geriatrischen Rehaklinik hingewiesen habe, schulde sie ihr nun den Ersatz des Schadens, der dadurch entstanden sei, dass sie auf eigene Kosten eine Haushaltshilfe habe organisieren müssen. Sie habe die Haushaltshilfe jeweils für sechs Stunden pro Woche in Anspruch genommen und die geleistete Hilfe mit dem Mindestsatz der Erstattung von 5,25 € je Stunde vergütet.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide entgegen.

Mit Urteil vom 4. Juni 2020 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Haushaltshilfe seien bei der Klägerin nur bis zum 22. Februar 2019 gegeben. Denn auch bei Vorliegen der Voraussetzungen habe ein Anspruch auf Haushaltshilfe längstens für die Dauer von vier Wochen beginnend mit der Entlassung aus dem Krankenhaus bestanden. Ein darüberhinausgehender Anspruch auf Haushaltshilfe ergebe sich auch nicht aus der Satzung der Beklagten. Denn danach werde Haushaltshilfe über den gesetzlichen Anspruch hinaus für maximal zwei weitere Wochen je Kalenderjahr geleistet, wenn hierdurch eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nach Maßgabe der Krankenhauseinweisungs-Richtlinie vermieden werde. Nach dieser Richtlinie komme die Verordnung stationärer Krankenhausbehandlung allein aus medizinischen Gründen in Betracht. Solche Gründe hätten bei der Klägerin vier Wochen nach der Entlassung aus der L-Klinik eindeutig nicht mehr vorgelegen. Hierfür genüge es nicht, dass die Klägerin sich noch habe schonen müssen, nicht habe Autofahren dürfen und eine Korsage habe tragen müssen. Bereits am 6. Februar 2019 habe die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie keine häusliche Krankenpflege mehr benötige. Damit sei erst recht keine stationäre Krankenhausbehandlung mehr erforderlich gewesen. Auch eine geriatrische Rehabilitation sei bei der Klägerin nach Einschätzung der behandelnden Ärzte offenbar nicht indiziert gewesen. Denn andernfalls hätte die Klägerin eine entsprechende Verordnung erhalten. Eine Verletzung von Beratungspflichten seitens der Beklagten liege ebenfalls nicht vor, da die Klägerin ein Informationsblatt über die Voraussetzungen für die Gewährung von Haushaltshilfe erhalten habe. Das Urteil, in dem die Berufung nicht zugelassen und in der Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen wurde, dass die Entscheidung mit der Berufung angefochten werden könne, wurde der früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. Juni 2020 zugestellt.

Hiergegen hat die Klägerin am 15. Juli 2020 beim SG Berufung eingelegt, das daraufhin die Akten dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) vorgelegt hat (Eingang am 23. Juli 2020).

Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin vor, die Beklagte müsse nach ihrer Satzung die Kosten der Haushaltshilfe für weitere zwei Wochen übernehmen. Denn ihr (der Klägerin) habe nach den durchgeführten Operationen ein Anspruch auf eine geriatrische Rehabilitationsmaßnahme zugestanden, welche ihr jedoch nicht angeboten worden sei. Die Tatsache, dass seitens der Ärzte keine Rehabilitation eingeleitet worden sei, besage nichts über die Erforderlichkeit der Maßnahme. Wie aus der Praxis bekannt sei, erfolge seitens der Krankenhäuser nicht immer eine vollständige Belehrung und oft müssten medizinisch indizierte Maßnahmen erst durch die Patienten selbst angesprochen werden. Nur durch den Einsatz des Pflegepersonals zu Hause habe eine erneute Aufnahme ins Krankenhaus wegen einer Dekompensation infolge Überforderung vermieden werden können.

Einen konkreten Berufungsantrag hat die Klägerin nicht gestellt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der frühere Berichterstatter hat die Klägerin mit Verfügung vom 2. Dezember 2020 aufgefordert, die Klage zu beziffern und die entstandenen Kosten durch entsprechende Rechnungen und Zahlungsnachweise zu belegen. Nachdem die Klägerin der Aufforderung auch nach nochmaliger Erinnerung nicht nachgekommen ist, hat ihr der vormalige Berichterstatter hierfür mit Verfügung vom 6. Mai 2021 zuletzt eine Frist bis 31. Mai 2021 gesetzt und darauf hingewiesen, dass das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann, wenn ihre Zulassung nach freier Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Klägerin die Verspätung nicht genügend entschuldigt (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 106a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Auch hierauf hat die Klägerin nicht reagiert. Mit richterlichem Hinweis vom 6. Oktober 2021 hat der Berichterstatter die Klägerin darauf aufmerksam gemacht, dass nach Aktenlage der Beschwerdewert von 750 € nicht erreicht wird und deshalb beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Der Klägerin ist bis zum 26. November 2021 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, von der sie keinen Gebrauch gemacht hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des streitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht statthaft und daher gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Entscheidung über die Verwerfung der Berufung kann nach § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen. Die Verfahrensweise steht im Ermessen des Gerichts (vgl. Rieke, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, Stand: November 2021, § 158 SGG, Rn. 23). Der Senat übt das eingeräumte Ermessen vorliegend dahingehend aus, dass er über den Streitfall durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Die Klägerin ist mit Schreiben des Senats vom 6. Oktober 2021 hierzu angehört worden. Dabei ist sie darauf hingewiesen worden, dass die Berufung unzulässig sein könnte, aus welchem Grund dies der Fall ist und dass eine Entscheidung durch Beschluss beabsichtigt ist. Ihr ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, von der sie trotz antragsgemäß bis 26. November 2021 verlängerter Frist keinen Gebrauch gemacht hat. Rechtliches Gehör ist damit gewährt worden (§ 62 SGG; vgl. zu den Anforderungen: BSG, Beschluss vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 8/14 B – juris, Rn. 17 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 158 Rn. 8 m.w.N.).

Einer Entscheidung durch Beschluss steht nicht entgegen, dass damit weder in der ersten noch in der zweiten Instanz eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist. Zwar gebietet es das Recht auf eine mündliche Verhandlung auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Grundsatz, von einer Entscheidung durch Beschluss abzusehen, wenn sich beispielsweise die Berufung gegen einen Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) richtet, auch wenn dies in § 158 Satz 2 SGG nicht ausdrücklich geregelt ist (ständige Rspr., vgl. nur BSG, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – B 14 AS 7/19 B – juris, Rn. 2 m.w.N.). Allerdings hat das SG vorliegend nicht durch Gerichtsbescheid entschieden, sondern nach § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil. Verzichtet aber ein Rechtsmittelführer – wie im Streitfall die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Januar 2020 – bereits in der ersten Instanz auf die Durchführung einer Verhandlung, so sind seine durch Art. 6 Abs. 1 EMRK geschützten prozessualen Rechte nicht verletzt, wenn das Rechtsmittelgericht nach entsprechender Anhörung die Berufung mangels Erreichens des Beschwerdewertes ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter (§ 33 Abs. 1 Satz 2 SGG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss verwirft (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2020 – L 4 KR 194/20 – juris, Rn. 20).

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 4. Juni 2020 ist nicht statthaft und damit unzulässig. Denn die Berufung hätte der Zulassung bedurft, ist aber weder vom SG in der angefochtenen Entscheidung noch vom LSG durch entsprechenden Beschluss zugelassen worden.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt, es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach dem Umfang, in dem das SG dem Begehren des Rechtsmittelführers nicht gefolgt ist und was davon mit den Berufungsanträgen weiterverfolgt wird (BSG, Urteil vom 6. September 2017 – B 13 R 20/14 R – juris, Rn. 22; Senatsbeschluss vom 21. September 2020 – a.a.O., Rn. 23).

Der erforderliche Beschwerdewert wird im Streitfall nicht erreicht. Zwar hat die anwaltlich vertretene Klägerin die geltend gemachte Erstattungsforderung weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren beziffert. Ihren Klageanträgen und ihrem Vorbringen ist auch nicht eindeutig zu entnehmen, welchen konkreten Geldbetrag die Klägerin von der Beklagten mit der Klage erstattet verlangt. Denn die Klägerin hat in erster Instanz einerseits beantragt, die Beklagte zur Erstattung der Kosten für eine Haushaltshilfe vom 23. Februar 2019 bis zum 31. März 2019 an je zwei Tagen in der Woche zu verurteilen, anderseits zur Begründung der Klage jedoch ausgeführt, die Beklagte müsse ihr die Kosten einer Haushaltshilfe noch für weitere 10,5 Stunden erstatten, da die Leistung im Umfang von 24 Stunden genehmigt, tatsächlich aber nur im Umfang von 13,5 Stunden in Anspruch genommen worden sei. Nach einem Hinweis des SG hat sie sodann eine Aufstellung über die geleistete Haushaltshilfe vorgelegt, der zufolge ihr Sohn Maik im Streitzeitraum ab dem 2. März 2019 wöchentlich sechs Stunden Haushaltshilfe erbracht hat, also bis 31. März 2019 insgesamt 30 Stunden. Im Berufungsverfahren macht die Klägerin – wiederum abweichend – auf der Grundlage der Satzung der Beklagten die Erstattung von Kosten der Haushaltshilfe für weitere zwei Wochen geltend. Einen Berufungsantrag hat sie nicht gestellt und trotz Aufforderung des Senats auch keine Nachweise über die entstandenen Kosten vorgelegt. Insgesamt bleibt damit unklar, welche Kosten der Klägerin für eine Haushaltshilfe tatsächlich entstanden sind und was davon mit der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG geltend gemacht wird. Selbst wenn jedoch zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass sie im gesamten streitigen Zeitraum vom 23. Februar 2019 bis 31. März 2019 eine Haushaltshilfe im Verordnungsumfang von sechs Stunden wöchentlich erhalten und dabei für die Leistungen der selbst organisierten Haushaltshilfe – wie sie vorgetragen hat – eine Vergütung von 5,25 €pro Stunde bezahlt hat, errechnet sich daraus eine Erstattungsforderung i.H.v. lediglich 157,50 € (fünf Wochen je sechs Stunden = 30 Stunden x 5,25 €). Der Geldbetrag, auf den sich der Wert des Beschwerdegegenstandes im Streitfall maximal belaufen kann, erreicht demnach nicht die Berufungssumme von mehr als 750 €.

Die danach erforderliche Zulassung der Berufung liegt nicht vor. Eine Entscheidung über die Berufungszulassung hat das SG im angefochtenen Urteil vom 4. Juni 2020 nicht getroffen. Zwar hat es dem Urteil eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, wonach die Entscheidung mit der Berufung angefochten werden kann. Diese (unzutreffende) Rechtsmittelbelehrung genügt jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Zulassung der Berufung; denn es handelt sich dabei lediglich um eine Belehrung und nicht um eine positive Entscheidung des Sozialgerichts über die Zulassung des Rechtsmittels (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 14/17 R – juris, Rn. 15 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl. § 144 Rn. 45 m.w.N.). Das Fehlen einer ausdrücklichen Berufungszulassung im Tenor und in den Entscheidungsgründen bewirkt vielmehr kraft Gesetzes, dass das Rechtsmittel als nicht zugelassen gilt (vgl. zur weiteren Beschwerde: BSG, Beschluss vom 4. Dezember 1997 – 3 BS 1/97 – juris, Rn. 11; Keller, a.a.O., § 140 Rn 2c m.w.N.). Dies ist auch dann der Fall, wenn die Entscheidung irrtümlich unterblieben ist (vgl. Bolay, in: Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 6. Aufl. 2021, § 140 SGG Rn. 4).

Schließlich kann das Rechtsmittel der Klägerin auch nicht als Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt oder in eine solche umgedeutet werden. Die (damals noch) anwaltlich vertretene Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15. Juli 2020 ausdrücklich „Berufung“ gegen das Urteil des SG eingelegt. Darüber hinaus hat sie auch im Rahmen der Rechtsmittelbegründung inhaltlich keinen Bezug zu den Zulassungsgründen des § 144 Abs. 2 SGG hergestellt. Von daher bestand bei der gebotenen Auslegung der Prozesserklärung unter Berücksichtigung der Begleitumstände (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) für das Gericht als Erklärungsempfänger kein Anlass für Zweifel daran, dass entsprechend dem Wortlaut des Schriftsatzes das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden sollte. Zumal bei der Auslegung von Anträgen, die ein Rechtsanwalt gestellt hat, regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 30. März 2021 – B 10 ÜG 1/21 C – juris, Rn. 6 m.w.N.). Eine Umdeutung der eingelegten Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) kommt schon wegen der unterschiedlichen Zielrichtungen der beiden Rechtsmittel nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 25/01 R – juris, Rn. 20). Wird trotz nicht statthafter Berufung vom SG – wie hier – über eine Berufung belehrt, liegt darin zwar – wie dargelegt – eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, dies eröffnet jedoch nicht die Möglichkeit, eine Berufung ohne Rücksicht auf die Unterschiede der beiden Rechtsmittel in eine Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten. Die Folge ist vielmehr, dass das falsche Rechtsmittel – hier die nicht statthafte Berufung – vom Senat nach § 153 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen ist (BSG, Urteil vom 4. Juli 2018, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 21. September 2020, a.a.O., Rn. 25).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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