L 5 R 2689/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 654/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2689/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.07.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Regelaltersrente unter Berücksichtigung von zusätzlichen Pflichtbeitragszeiten von März 1985 bis März 1986 und von April 1986 bis April 1988 im Wege eines Überprüfungsverfahrens.

Der 1950 geborene Kläger studierte ab Herbst 1970 an der Universität H und der Universität M in zahlreichen Studiengängen. Mit Arbeitsvertrag vom 15.03.1985 verrichtete er eine Tätigkeit als studentische Aushilfe in der Bibliothek der Universität H. Im Wintersemester 1986/1987 und im Sommersemester 1987 war er als studentischer Tutor im Praktikum und Hilfskraft im Labor an der medizinischen Poliklinik der R-Universität H beschäftigt.

Seit 01.06.2015 bezieht der Kläger auf der Grundlage des Rentenbescheids vom 17.11.2015 eine Regelaltersrente von der Beklagten. Mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2018 (S 5 R 23/17) wies  das Sozialgericht Mannheim (SG) eine Klage des Klägers u.a. gegen seine Rentenbescheide mit dem Begehr auf höhere Rente unter Berücksichtigung von weiteren Pflichtbeitragszeiten vom 15.03.1985 bis 14.03.1986, 13.10.1986 bis 26.01.1987 und 27.04.1987 bis 13.07.1987 ab. Es führte u.a. aus, dass die Beklagte die Höchstdauer von acht Jahren für Ausbildungszeiten (Zeitraum von Februar 1967 bis Januar 1975) bereits bei der Rentenberechnung berücksichtigt habe. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Klägers waren erfolglos (vgl. Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 17.07.2018 - L 9 R 1071/18 -, sowie Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 31.07.2019 - B 13 R 215/18 B - in juris).

Bereits am 05.05.2017 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich seines Rentenbescheides vom 17.11.2015 mit der Begründung, seine Beitragszeiten seien nicht vollständig in die Berechnung der Rente eingestellt worden. Dies seien zum einen die Zeiten für das Studium der Medizin, abgeschlossen mit Erstem Staatsexamen im Jahre 1979, wobei das Staatsexamen erst im Jahr 1990 anerkannt worden sei. Zum anderen sei er in den Jahren 1989 und 1990 als pflichtversicherter Student immatrikuliert gewesen. In den Jahren 1990 bis 1993 sei er für das klinische Semester an der Universität M wieder immatrikuliert gewesen. Zudem seien seine Zeiten der Berufstätigkeit nicht zutreffend berücksichtigt worden. Dies betreffe eine Tätigkeit als Bibliotheksangestellter von März 1985 bis März 1986 sowie eine Tätigkeit als studentischer Tutor und Hilfskraft im Labor von April 1986 bis April 1988. Zum Beweis legte er unter anderem einen Arbeitsvertrag vom 15.03.1985, die Mitteilungen der Universität H über die Zusammensetzung der Bezüge von Mai 1985 bis Mai 1986, seine Steuerbescheide der Jahre 1985, 1986 und 1987 und eine Bescheinigung des Klinikums der Universität H vom 30.12.1986 vor.

Mit Bescheid vom 20.07.2017 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Rentenbescheides vom 17.11.2015 ab. Dies begründete sie damit, dass weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die eingereichten Unterlagen seien nicht geeignet, eine günstigere Entscheidung zu treffen. Die Zeit vom 01.04.1986 bis 30.04.1988 könne nicht als Beitragszeit anerkannt werden, weil weder Beiträge bescheinigt seien noch die Beitragszahlung glaubhaft erscheine und Beiträge im Übrigen auch nicht als gezahlt gelten würden. Nach § 5 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien Personen bis zum 30.09.1996 versicherungsfrei gewesen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende gegen Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen seien. Im Rahmen dessen habe eine Versicherungsfreiheit bestanden, wenn die Arbeitszeit unter 20 Stunden pro Woche gelegen habe. Das Arbeitsentgelt selbst sei in der Fassung bis zum 30.09.1996 ohne Bedeutung gewesen. Entsprechend der vorgelegten Bescheinigungen des Klägers habe die wöchentliche Arbeitszeit unter 20 Stunden betragen.

Gegen den Bescheid vom 20.07.2017 legte der Kläger am 22.08.2017 Widerspruch ein, ohne ihn zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 05.03.2018 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 20.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2018 wiederum Klage zum SG erhoben und sinngemäß höhere Rente beansprucht. Die Klage hat der Kläger nicht begründet.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.07.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen nach § 44 SGB X zur Rücknahme des Bescheides lägen nicht vor. Entgegen des Vorbringens des Klägers im Verwaltungsverfahren habe die Beklagte bei der Berechnung und Festsetzung der Regelaltersrente des Klägers keine Beitragszeiten für die Tätigkeit als Bibliotheksangestellter von März 1985 bis März 1986 sowie die Tätigkeit als studentischer Tutor und Hilfskraft im Labor von April 1986 bis April 1988 berücksichtigen müssen. Vorliegend würden sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass Beitragszeiten des Klägers bei der Berechnung der Rente fälschlicherweise nicht berücksichtigt worden wären. Insbesondere seien die Ausbildungszeiten des Klägers mit der Höchstdauer von acht Jahren für den Zeitraum von Februar 1967 bis Januar 1975 bereits bei der Rentenberechnung berücksichtigt, wie durch Gerichtsbescheid des SG vom 16.02.2018 - S 5 R 23/17 - feststehe. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen seien ebenfalls nicht geeignet, die Beitragszeiten des Klägers zu erhöhen. Denn es habe in den hier streitgegenständlichen Zeiten Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung bestanden. Maßgeblich sei die Regelung des § 1228 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung vom 23.12.1976 bis einschließlich 31.12.1988. Hiernach sei versicherungsfrei, wer während der Dauer seines Studiums als ordentlicher Studierender einer Hochschule oder einer sonstigen der wissenschaftlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Entgelt beschäftigt sei. Nach dem Wortlaut des § 1228 RVO komme es auf die Anzahl der abgeleisteten Arbeitsstunden und auf das erzielte Arbeitsentgelt für die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung nicht an. Wie der Kläger selbst im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 03.05.2017 vortrage, sei er während des Rechtsstreits über die Anerkennung seines Staatsexamens für das Studium der Medizin seit 1979 bis „noch“ in die Jahre 1998 und 1990 als pflichtversicherter Student immatrikuliert gewesen. Daneben stehe auch ausweislich der Mitteilungen über die Zusammensetzung der Bezüge der Universität H von Mai 1985 bis Mai 1986 zur Überzeugung des Gerichts fest, dass während der Tätigkeit als Bibliotheksangestellter ebenso Versicherungsfreiheit bestanden habe. Auf allen vorgelegten Lohnnachweisübersichten sei in der Rubrik „Versicherungspflicht“ das Wort „FREI“ maschinell eingetragen. Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers als studentischer Tutor und Hilfskraft im Labor von April 1986 bis April 1988 sei der Kläger ebenso versicherungsfrei gewesen, weil er während der Dauer seines Studiums als ordentlicher Studierender gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei. Auch in den Jahren 1990 bis 1993 sei der Kläger ausweislich seines eigenen Vortrags für das klinische Semester an der Universität M wieder immatrikuliert und damit nicht versicherungspflichtig in der Rentenversicherung gewesen. Denn erst im Jahr 1996 sei die Regelung des § 1228 RVO in der Fassung vom 23.12.1976 bis einschließlich 31.12.1988 bzw. des nachfolgenden § 5 Abs. 3 SGB VI in der Fassung ab dem 01.01.1992 geändert und die Versicherungsfreiheit von Studierenden bei einer – mehr als geringfügigen – Nebenerwerbstätigkeit während des Studiums beendet worden. Gemessen an diesen rechtlichen Maßstäben habe eine Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung für den Kläger, der während der Dauer seines Studiums als ordentlicher Studierender in den streitgegenständlichen Zeiträumen gegen Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen sei, bestanden.

Gegen den dem Kläger am 25.07.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 25.08.2020 Berufung zum LSG eingelegt.

Der Senat hat den ehemaligen Postzusteller H1 als Zeugen hinsichtlich der Umstände der Zustellung des Gerichtsbescheids schriftlich befragt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass sowohl die Tätigkeit als Aushilfe in der Bibliothek der Universität als auch die Tätigkeit als studentischer Tutor von März 1985 bis April 1988 als Beitragszeiten zu berücksichtigen seien und verweist hierzu auf seine Ausführungen und vorgelegten Unterlagen im Klageverfahren.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.07.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 20.07.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.02.2018 zu verpflichten, den Bescheid vom 17.11.2015 abzuändern und ihm eine höhere Altersrente zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des SG und meint, dass eine ununterbrochene Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit von März 1985 bis April 1988 weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.

Die am 25.08.2020 beim LSG eingegangene Berufung ist insbesondere fristgemäß innerhalb eines Monats nach Zustellung erhoben worden. Ausweislich der glaubhaften Zeugenaussage des ehemaligen Postzustellers H1 hat dieser selbst am 25.07.2020 den Umschlag der Postzustellungsurkunde ausgefüllt und unterzeichnet, sowie diesen an diesem Tag in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingeworfen. Auch wenn die Zustellungsurkunde selbst als Tag der Zustellung die Angabe „24.07.2020“ enthält, ist deshalb eine Zustellung an den Kläger erst für den 25.07.2020 nachgewiesen.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2018, mit dem der Antrag des Klägers auf Rücknahme des Regelaltersrentenbescheides vom 17.11.2015 und Gewährung einer höheren Regelaltersrente abgelehnt worden ist.

Ausweislich der rudimentären Berufungsbegründung begehrt der Kläger im Berufungsverfahren die Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten für seine Tätigkeit als Aushilfe in der Bibliothek der Universität von März 1985 bis März 1986 als auch für die Tätigkeit als studentischer Tutor von April 1986 bis April 1988.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten bei der Rentenberechnung. Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen wird auch auf die rechtskräftige Entscheidung des 9. Senats des LSG vom 17.07.2018 (L 9 R 1971/18, n.v.) verwiesen.

Aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte. Der Berücksichtigung der begehrten Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung von März 1985 bis März 1986 und von April 1986 bis April 1988 steht schon die fehlende Abführung von Pflichtbeiträgen entgegen. Auch wenn das SG zutreffend ausführt, dass für die in diesen Zeiträumen ausgeübten Tätigkeiten gar keine Versicherungspflicht bestand, kann dies letztlich dahinstehen.

Gem. § 55 Abs. 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind und Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.12.2011 - L 3 R 908/11 -, in juris). Für die Zeiten von März 1985 bis März 1986 und von April 1986 bis April 1988 wurden – vom Kläger auch nicht behauptet – keine Beiträge gezahlt. Auf die vorgelegten Lohnnachweise wird verwiesen. Ausnahmetatbestände (vgl. §§ 199, 203, 247 SGB VI) sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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