Auch wenn ein erstinstanzliches Gericht durch seine bisherigen Hauptsacheentscheidungen in Musterverfahren zu erkennen gegeben hat, dass es die zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidungen für rechtswidrig hält, kann in einem sozialgerichtlichen Eilverfahren dennoch nicht auf das Vorliegen einer unbilligen Härte verzichtet werden. Der pauschale Verweis, dass sich allein aus der drohenden Vollstreckung der streitgegenständlichen Bescheide (hier: Gesamtforderung für die Jahre 2019 und 2020 mit einem Umfang von 276,38 €, von denen 153,38 € bereits entrichtet wurden) die Eilbedürftigkeit ergibt, kann eine solche Härte nicht begründen.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 02.01.2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019 und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 12.03.2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.03.2020 wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 69,09 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage vom 02.01.2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019 und seines Widerspruchs vom 12.03.2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.03.2020.
Der Antragsteller ist als niedergelassener Privatarzt in A-Stadt tätig.
Mit Schreiben vom 20.03.2019 und vom 15.05.2019 versandte die Antragsgegnerin an alle Privatärzte gerichtete Rundschreiben über die Einbeziehung der Privatärzte in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (kurz: ÄBD). In den Schreiben teilte die Antragsgegnerin mit, dass eine Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD ab dem 01.07.2019 geplant sei. Sie informierte über das Procedere zur Teilnahme und machte Ausführungen zu den bestehenden Teilnahmevoraussetzungen und die beizubringenden Nachweise und informierte über Befreiungsgründe. Weiter stellte sie die finanziellen Rahmenbedingungen dar und verwies auf zukünftig jährlich ergehende Beitragsbescheide. Das Schreiben schloss mit der Bitte, sich bei Bedarf rechtzeitig zu einem Seminar anzumelden und die erforderlichen Unterlagen einzureichen, damit ein reibungsloser Beginn der Mitwirkung im ÄBD gewährleistet werden könne.
Mit Bescheiden vom 18.09.2019 (Quartale III/19 und IV/19, Bl. 9 f. d. Gerichtsakte) und vom 09.03.2020 (I/20 bis IV/20, Bl. 42 f. d. Gerichtsakte) setzte die Antragsgegnerin die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD von dem Antragsteller zu leistenden Beitrages auf 750,00 Euro pro Quartal fest.
Mit eigenem Schreiben vom 07.10.2019 (Bl. 61 d. Gerichtsakte) und Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 12.03.2020 (Bl. 44 d. Gerichtsakte) legte der Antragsteller jeweils Widerspruch gegen die Beitragsbescheide ein. Er beantragte zudem jeweils eine individuelle Beitragsreduzierung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2019 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch vom 07.10.2019 als unbegründet zurück (Bl. 11 ff. d. Gerichtsakte).
Der Antragsteller erhob am 02.01.2020 Klage gegen den Widerspruchsbescheid zum Sozialgericht Marburg und beantragte, den Bescheid vom 18.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019 aufzuheben (Bl. 15 ff. d. Gerichtsakte). Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 11 KA 264/21 WA geführt und ruht nach Ruhensbeschluss vom 23.12.2021.
Mit Bescheid vom 12.10.2020 reduzierte die Antragsgegnerin den ÄBD-Beitrag des Antragstellers für das Jahr 2019 auf 76,69 Euro pro Quartal, also auf insgesamt 153,38 Euro (Bl. 56 f. d. Gerichtsakte). Diese Beiträge wurden vom Antragsteller an die Antragsgegnerin gezahlt (Bl. 72 d. Gerichtsakte). Mit Bescheid vom 22.12.2020 reduzierte die Antragsgegnerin den ÄBD-Beitrag des Antragstellers für das Jahr 2020 auf 30,75 Euro pro Quartal, also auf insgesamt 123,00 Euro (Bl. 56 f. d. Gerichtsakte).
Am 08.12.2020 hat der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche beim Verwaltungsgericht Frankfurt gestellt. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat durch Beschluss vom 18.10.2021 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das vorliegende Eilverfahren an das Sozialgericht Marburg verwiesen (Bl. 148 ff. d. Gerichtsakte). Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat diese Entscheidung durch Beschluss vom 19.11.2021 bestätigt (Bl. 507 ff. d. Gerichtsakte).
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Der Vollzug des angefochtenen Beitragsbescheides sei objektiv gehemmt. Zudem habe die Antragsgegnerin schon keine Verwaltungsaktbefugnis gegenüber Nichtmitgliedern. Es gebe keine Rechtsgrundlage, welche die Antragsgegnerin ermächtige, durch Verwaltungsakt gegenüber dem Antragsteller zu handeln. An dem sofortigen Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht zudem kein öffentliches Interesse, da die vollziehende Gewalt wegen Art. 20 Abs. 3 GG keine rechtswidrigen Maßnahmen ergreifen dürfe. Das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung überwiege das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung. Die Heranziehung des Antragstellers zu ÄBD-Beiträgen durch die Antragsgegnerin habe schließlich keine gesetzliche Grundlage. Die Antragsgegnerin habe kein Beitragserhebungsrecht.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 17.10.2019 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 18.09.2019 sowie der Klage vom 02.01.2020 gegen den Bescheid vom 18.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019 anzuordnen sowie
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 12.03.2020 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 09.03.2020 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, die Widersprüche hätten nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung, da es sich um Entscheidungen über Beitragspflichten und mithin Festsetzungen einer Zahlungspflicht gegenüber der Antragsgegnerin handele. Der Antrag sei unbegründet, da das Vollzugsinteresse überwiege. Die angegriffenen Bescheide seien nach summarischer Prüfung nicht offensichtlich rechtswidrig. Die Beitragsbescheide seien rechtmäßig. Wirksame Rechtsgrundlage sei § 23 Nr. 2 HessHeilberG i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO. Auch das Gericht würde von der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Teilnahme- und Kostenbeteiligungspflicht der Privatärzte am ÄBD ausgehen. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Beitragsbemessung fehle es bislang an einer Entscheidung des Sozialgerichts bzw. einer höherinstanzlichen Entscheidung, weshalb keine offensichtliche Rechtswidrigkeit zu erkennen sei. Im Übrigen könne aufgrund der ungeklärten Rechtslage nicht von einer Interessenabwägung abgesehen werden. Eine Unzumutbarkeit der Vollstreckung sei weder vorgetragen, noch ersichtlich.
Mit Schreiben vom 17.11.2021 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller an die Zahlung für die Quartale I/20 bis IV/20 erinnert und darauf hingewiesen, dass keine aufschiebende Wirkung bestehe (Bl. 504 d. Gerichtsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller begehrt nach sinngemäßer Auslegung seines Begehrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage vom 02.01.2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019 und seines Widerspruchs vom 12.03.2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.03.2020 gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –. Der Antrag des Antragstellers ist aufgrund des offensichtlich fortbestehenden Interesses an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung und der entsprechenden Begründung des Antrags einer solchen Auslegung zugänglich.
Dafür ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Wegen des akzessorischen Charakters des Eilverfahrens bestimmt das Hauptsacheverfahren den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 SGG. Zuständig ist das Gericht, das mit der Hauptsache befasst ist oder befasst wäre (Wahrendorf in: Roos u.a., Beck OGK SGG, Stand: 01.11.2021, § 86b Rn. 30). Vorliegend geht es um die Erhebung von Beiträgen zur Finanzierung des ÄBD durch die Antragsgegnerin. Hierfür wären in der Hauptsache die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur BSG, Beschluss vom 05.05.2021, Az. B 6 SF 1/20 R) an. Danach ist für Streitigkeiten über die Teilnahme am ÄBD der Antragsgegnerin einschließlich der Verpflichtung zur Kostenbeteiligung der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, d. h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, nicht eröffnet ist. Ist das – wie hier – nicht der Fall, entscheidet das angegangene Gericht des zulässigen Rechtsweges nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.
Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).
Nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt aber nach den in § 86a Abs. 2 SGG genannten Fällen. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ordnet das Entfallen der aufschiebenden Wirkung zum Beispiel bei der Entscheidung über Beitragspflichten an. Darunter ist jedenfalls die Festsetzung einer Zahlungspflicht zu verstehen (Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 86a Rn. 13).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Die zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemachte Anfechtungsklage vom 02.01.2020 richtet sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2019. Der Widerspruch vom 12.03.2020 richtet sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.03.2020. In diesen Bescheiden setzte die Antragsgegnerin Beiträge zur Finanzierung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes fest. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage entfällt in diesen Fällen gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Ein allgemeines Rechtsschutzinteresse besteht, weil die Antragsgegnerin durch ihre Zahlungserinnerungen zu erkennen gegeben hat, die Beiträge vor Abschluss der anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahren beizutreiben.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers, also des Interesses, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden, mit dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin vorzunehmen (vgl. Harks in: Hauck/Behrend, SGG, Stand: Dezember 2020, § 86b Rn. 60).
Bei der Abwägung der gegenteiligen Interessen sind die Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren von entscheidender Bedeutung. Die summarische Prüfung erfolgt nicht aufgrund eines starren Prüfungsschemas. Vielmehr gilt: Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Leitlinie ist, dass bei einem offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt, wenn der Betroffene in seinen subjektiven Rechten verletzt ist, das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnet. Denn am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, ist von einem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug auszugehen. Sind die Erfolgsaussichten nicht endgültig abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei der Grad der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen ist (Bay. LSG, Beschl. v. 30.07.2009, Az. L 12 B 1074/08 KA ER, Juris Rn. 16; Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 12e ff.).
Bei der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der vorliegenden Konstellation ein Regel-/Ausnahmeverhältnis angeordnet hat: Aus der Wertung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ergibt sich, dass der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individualinteressen und der öffentlichen Interessen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. In der Regel überwiegt daher in solchen Fällen das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin (vgl. BSG, Beschl. v. 29.08.2011, Az. B 6 KA 18/11 R, Juris Rn. 12). Eine Abweichung von diesem Regel-/Ausnahmeverhältnis durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs kommt in Betracht, wenn eine besondere Sachlage im Einzelfall ausnahmsweise zu einem Überwiegen des privaten Interesses der durch den Bescheid belasteten Person führt.
Diese Wertung folgt auch aus § 86a Abs. 3 S. 2 SGG, nach dem eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde in den Fällen erfolgen soll, in denen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen, wenn auf der Basis einer summarischen Prüfung der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Hess. LSG, Beschl. v. 26.03.2009, Az. L 1 KR 331/08 B ER, Juris, Rn. 25; Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 86a Rn. 27a m. w. N.). Insbesondere dann, wenn die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines belastenden Verwaltungsaktes in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren besonders schwierig oder ohne weitere Ermittlungen nicht möglich ist, weil sie von der Klärung komplizierter Rechtsprobleme, etwa von einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm abhängt, die Entscheidung nur auf der Grundlage einer weiteren Sachaufklärung möglich ist, insbesondere die Anhörung der Beteiligten, von Zeugen oder die Beiziehung von Akten oder weiterer Unterlagen erfordert oder der Erörterung des Falles in der mündlichen Verhandlung unter Beteiligung der sachkundigen ehrenamtlichen ärztlichen Beisitzer bedarf, können die Sozialgerichte auf die summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes verzichten. In einem solchen Fall ist der Erfolg eines Widerspruchs oder einer Klage regelmäßig ebenso wahrscheinlich wie ihr Misserfolg, so dass es für ein Obsiegen in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes darauf ankommt, ob Widerspruch und Klage nach der Entscheidung des Gesetzgebers kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommen soll oder nicht. Ist die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes ausgeschlossen, kann ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG nur dann Erfolg haben, wenn die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.03.2008, Az. L 7 B 10/08 KA ER, Juris Rn. 2).
Eine unbillige Härte liegt dann vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wiedergutgemacht werden können. Insoweit ist regelmäßig der Vortrag vollständiger, nachvollziehbarer und schlüssiger Tatsachen über die aktuelle wirtschaftliche Situation des Antragstellers durch diesen erforderlich (Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 86a Rn. 27b).
Nach diesem Maßstab war die aufschiebende Wirkung im vorliegenden Fall nicht anzuordnen, da die Interessenabwägung nicht zu einer Umkehr des gesetzlich vorgeschriebenen Regel-/Ausnahmeverhältnisses führt. Hieran ändern auch Zweifel der Kammer an der Rechtmäßigkeit der zugrundliegenden Verwaltungsentscheidung im sozialgerichtlichen Eilverfahren nichts, da auch in einem solchen Fall nicht auf das Vorliegen einer unbilligen Härte verzichtet werden kann. Vorliegend sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Die Kammer hat durch ihre bisherigen Hauptsacheentscheidungen in den Musterverfahren vom 28.01.2022 und vom 04.02.2022 zu erkennen gegeben, dass sie die zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidungen für rechtswidrig hält. Nach den skizzierten Grundsätzen der Interessenabwägung streitet dies für den Antragsteller, wobei aufgrund der ausstehenden Entscheidungen weiterer Instanzen auch zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende Prognose der Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache möglich ist. Die Einschätzung der Kammer führt im Rahmen der Interessenabwägung zu einer Absenkung der Anforderung an das Vorliegen einer unbilligen Härte, kann die Notwendigkeit des Vorliegens aber nicht gänzlich beseitigen. Dies gebietet schon die durch eine stattgebende Entscheidung verursachte Abweichung vom oben skizzierten Regel-/Ausnahmeverhältnis, welches der Gesetzgeber in derartigen Konstellationen vorgegeben hat. Es ist Wesensmerkmal des sozialgerichtlichen Eilrechtsschutzes, dass nur drohende erhebliche Nachteile für den Antragsteller abgewendet werden können.
Das Vorliegen einer unbilligen Härte durch den Vollzug der Zahlungspflicht ist jedoch nicht im Ansatz erkennbar, da der Antragsteller trotz ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises auf die Notwendigkeit der Darlegung einer unbilligen Härte keine Einzelheiten zu den wirtschaftlichen Folgen der Belastung durch die Beitragszahlung vorgebracht hat. Der pauschale Verweis des Antragstellers, dass sich allein aus der drohenden Vollstreckung der streitgegenständlichen Bescheide die Eilbedürftigkeit des vorliegenden Verfahrens ergibt, verfängt nicht, sondern rekurriert nur auf die übliche Konsequenz einer Zahlungspflicht. Eine über diese reine Zahlungspflicht hinausgehende, besondere wirtschaftliche Belastung kann die Kammer im Fall des Antragstellers nicht erkennen. Für die Annahme einer unbilligen Härte ist gerade nicht ausreichend, dass Geld aus der Hand gegeben werden muss. Im Falle des Antragstellers ist die streitgegenständliche Gesamtforderung für die Jahre 2019 und 2020 mit einem Umfang von 276,38 Euro, von denen der Antragsteller einen Anteil von 153,38 Euro bereits an die Antragsgegnerin entrichtet hat, derart gering, dass die Annahme erheblicher Nachteile durch eine Vollstreckung der ausstehenden Zahlung lebensfremd ist. Der Vortrag vollständiger, nachvollziehbarer und schlüssiger Tatsachen über die aktuelle wirtschaftliche Situation des Antragstellers ist weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren erfolgt. Insofern ist es zur Überzeugung der Kammer zumutbar, zunächst eigenes Vermögen einzusetzen und auf den Ausgang der Hauptsacheverfahren zu warten (so auch überzeugend die 12. Kammer des hiesigen Gerichts: SG Marburg, Beschl. v. 20.12.2021, S 12 KA 305/21 ER, Juris Rn. 48 ff.).
Auch im Rahmen einer allgemeinen Interessenabwägung ergäbe sich kein anderes Ergebnis, da das behördliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers zur Überzeugung der Kammer überwiegt. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist ungewiss. Das Vorliegen besonderer Härten hat der Antragsteller nicht vorgetragen. An der Erhebung der Beiträge zur Durchführung und Aufrechterhaltung des Bereitschaftsdienstes als Bestandteil der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung besteht indes ein überwiegendes öffentliches Interesse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 4, § 52 Abs. 1, 3 S. 1, § 1 Abs. 2 Nr. 3 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG. Beim vorliegenden Verfahren nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist ein Viertel des Hauptsachestreitwertes anzusetzen, weil mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wie bei einer Sicherungsanordnung ein bestehendes Rechtsverhältnis gegen Veränderungen auf Grund der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Bescheide gesichert werden soll (vgl. Nr. 10.2 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit).