L 7 AS 119/22 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 26 AS 165/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 119/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 20.01.2022 zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe:

 

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Eingliederungsbescheid des Antragsgegners.

Der Antragsteller bezieht vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Gemäß einem Vermerk des Antragsgegners vom 28.09.2021 sprach der Antragsteller am 27.09.2021 beim Antragsgegner vor. Er wolle weder seine Telefonnummer noch seine E-Mail-Adresse beim Antragsgegner hinterlegen. Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit, dann müsse dieser zu jedem Termin persönlich erscheinen. Der Antragsteller teilte weiter mit, seine Meisterprüfung zum zweiten Mal nicht bestanden zu haben. Er habe die Möglichkeit, an einem fünftägigen Vorbereitungskurs teilzunehmen, überlege sich allerdings, auf die Teilnahme zu verzichten, wenn er die Kurszeiten dem Antragsgegner mitteilen müsse. Der Antragsgegner händigte dem Antragsteller im Rahmen des Termins den Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung aus. Der Antragsteller gab an, diese zu Hause näher durchlesen zu wollen. Mit Schreiben vom 05.10.2021 unterbreitete der Antragsteller dem Antragsgegner mehrere Änderungsvorschläge. So sei die Übernahme von Bewerbungskosten iHv 5 € pro Bewerbung verbindlich zuzusagen, seiner Verpflichtung zur Bewerbung auf Beschäftigungsverhältnisse  als „Helfer-Hochbau“ bzw. im Tätigkeitsbereich in Vollzeit sei ein „unter anderem“ hinzuzufügen und seine festgelegte Verpflichtung zu Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge solle nicht am dritten Tag, sondern erst am dritten Werktag nach deren Erhalt bestehen. Die in der Eingliederungsvereinbarung festgehaltene Verpflichtung, seinem Vermittler auf Ankündigung zu Beratungsgesprächen zur Verfügung zu stehen, sei zu streichen, denn sie stelle eine Umgehung der gesetzlichen Regelungen zur Meldepflicht dar. Die Regelungen zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit sollten mit § 56 SGB II in Einklang gebracht werden. Da die im Rahmen seiner Vermittlungsbemühungen entstehenden Kosten nicht im Regelsatz enthalten seien, seien sie möglichst detailliert zu regeln. Der Antragsgegner berücksichtigte einige Änderungsvorschläge und übersandte dem Antragsteller am 07.10.2021 den neuen Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung, auf die der Antragsteller mit Schreiben vom 19.10.2021 mit weiteren Korrekturvorschlägen reagierte. Am 20.10.2021 kam es zu einem weiteren Termin zwischen dem Antragsteller und seiner Arbeitsvermittlerin, in dem letztere erläuterte, anregungsgemäß redaktionelle Änderungen vorgenommen zu haben, die Regelungen insbesondere zur Fahrtkostenerstattung jedoch nicht ändern zu können. Der Antragsteller erklärte gemäß einem Vermerk, dies zu akzeptieren und keine weiteren Änderungsvorschläge zu haben. Er wolle die unterschriebene Vereinbarung zum nächsten Termin mitbringen. Bei dem Folgetermin am 08.11.2021 gab der Antragsteller an, die unterschriebene Eingliederungsvereinbarung zu Hause vergessen zu haben. Der Antragsgegner setzte ihm daraufhin erfolglos eine Frist zur Abgabe der Eingliederungsvereinbarung zum 15.11.2021.

Am 23.11.2021 erließ der Antragsgegner einen Eingliederungsbescheid. Dieser hat vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung einen Geltungszeitraum vom 23.11.2021 bis zum 22.05.2022. Eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Antragsteller sei nicht zustandegekommen. Ziel des Eingliederungsbescheides sei die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit durch den Antragsteller. Unter dem Punkt „Unterstützung durch das Jobcenter“ führt der Antragsgegner unter anderem die Übernahme von Fahrtkosten zu Meldeterminen, die Übernahme von Bewerbungskosten auf Nachweis pro Versand einer Bewerbungsmappe iHv 5 € monatlich, höchstens jedoch iHv 300 € jährlich an. Erstattungen seien erst für zwei Bewerbungen (ab 10 €) möglich, weil bei niedrigeren Beträgen von einer Eigenleistungsfähigkeit  des Antragstellers auszugehen sei. Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen mit öffentlichen Verkehrsmitteln würden übernommen, wobei ein 4er - Ticket nur erstattet würde, wenn es tatsächlich zu Fahrten zu zwei Vorstellungsgesprächen genutzt werde. Unter dem Punkt „Zur Integration in Arbeit“ verpflichtete der Antragsgegner den Antragsteller zur Bewerbung auf monatlich mindestens fünf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse „unter anderem als Helfer-Hochbau in Vollzeit“, wobei diesbezüglich bis zum 5. eines jeden Monats eine ausgefüllte Tabelle vorzulegen sei. Eine Beschränkung auf schriftliche Bewerbungen enthielt die Verpflichtung nicht. Der Antragsteller habe sich spätestens am dritten Tag nach Erhalt des Stellenangebots auf Vermittlungsvorschläge des Antragsgegners zu bewerben und sich nach vorheriger Ankündigung Beratungsgesprächen mit seinem Vermittler zur Verfügung zu stellen. Unter dem Punkt 8,  „Fortschreibung des ersetzenden Verwaltungsaktes“ verpflichtet der Antragsgegner sich, die Inhalte des Bescheides regelmäßig, spätestens nach Ablauf von sechs Monaten zu überprüfen und gegebenenfalls mit neuem ersetzenden Verwaltungsakt fortzuschreiben. Sofern der Antragsteller sich doch noch mit dem Erlass einer Eingliederungsvereinbarung für einverstanden erkläre, werde der Eingliederungsbescheid für die Zukunft aufgehoben (Punkt 9). In der Rechtsfolgenbelehrung heißt es, wenn der Antragsteller gegen die sich aus dem Eingliederungsbescheid ergebenden Pflichten verstoße, werde das ihm zustehende Arbeitslosengeld II für einen Zeitraum von drei Monaten, beginnend mit dem Kalendermonat nach Zugang des Sanktionsbescheides, in Höhe von 30 Prozent des für ihn maßgebenden Regelbedarfs gemindert.

Am 11.12.2021 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Eingliederungsbescheid vom 23.11.2021, ohne diesen näher zu begründen. Am 13.12.2021 beantragte er beim Sozialgericht Köln die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs (S 44 AS 3861/21 ER). Der Antragsgegner habe die Übernahme der Bewerbungskosten nicht hinreichend konkretisiert und allein die gesetzlichen Vorschriften wiedergegeben. Mit der Festlegung von festen Stichtagen zur Vorlage von Bewerbungsbemühungen würden die gesetzlichen Regelungen zur Meldepflicht umgangen, deren Verletzung allein mit einer Sanktionierung iHv 10 % der gesetzlichen Regelleistung zu begegnen sei. Weiter sei es rechtswidrig, von einem Hilfebedürftigen nicht nur Bewerbungsbemühungen, sondern auch deren Nachweis zu einem bestimmten Stichtag einzufordern, denn der Nachweis der Bewerbungsbemühungen diene nicht der Eingliederung in Arbeit. Der Antragsgegner verwies auf die Rechtmäßigkeit des von ihm erlassenen Eingliederungsbescheids. Mit Beschluss vom 07.01.2022 lehnte das Sozialgericht den Antrag ab. Der Antrag sei als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zulässig, denn der Widerspruch habe nach § 39 Nr. 1 2. Alt. SGB II keine aufschiebende Wirkung. Er sei aber nicht begründet. Da der Bescheid nicht offenkundig rechtswidrig sei, überwiege das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse. Der Antragsgegner könne den Eingliederungsbescheid auf § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II stützen, denn dem Verwaltungsakt  seien mehrere Versuche vorausgegangen, mit dem Antragsteller einvernehmlich zu einer Eingliederungsvereinbarung zu kommen. Der Antragsgegner habe sein Ermessen zutreffend ausgeübt und den Verpflichtungen des Antragstellers zu Eigenbemühungen mit angemessenen Gegenleistungen entsprochen. Es sei angemessen, vom Antragsteller fünf Bewerbungsbemühungen pro Monat einzufordern und von ihm zu verlangen, zeitnah auf Vermittlungsvorschläge des Antragsgegners zu reagieren. Die Übernahme von Bewerbungs- und Fahrtkosten sei hinreichend konkret geregelt und in der Sache nicht zu beanstanden. Eine Sanktionierung iHv 30 % der Regelleistung bei einem Verstoß gegen den Eingliederungsbescheid entspreche der Regelung des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2022 wies der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Eingliederungsbescheid vom 23.11.2021 zurück und nahm im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sozialgerichts vom 07.01.2022 in der Sache S 44 AS 3861/21 ER Bezug. Am 12.01.2022 legte der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss vom 07.01.2022 (L 7 AS 57/22 B ER) ein, mit der er weiterhin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragte.

Am 18.01.2022 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Köln Klage gegen den Bescheid vom 23.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.01.2022 erhoben. Gleichzeitig hat er beantragt, die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen (S 26 AS 165/22 ER). Er hat vorgetragen, die Übernahme von Bewerbungs- und Fahrtkosten durch den Antragsgegner ohne eine weitergehende „maßgeschneiderte Ausrichtung von Eingliederungsleistungen“ sei nicht hinreichend und erschöpfe sich in der Wiedergabe gesetzlicher Ansprüche. Der Verzicht auf entsprechende Leistungen setze jedenfalls weitergehende Ermessenserwägungen voraus. Mit Beschluss vom 20.01.2022 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und in diesem Rahmen inhaltlich auf den Beschluss vom 20.01.2022 Bezug genommen. Am 26.01.2022 hat der Antragsteller Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt. Er wiederholt inhaltlich seinen bisherigen Vortrag.

 

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Zunächst scheitert ihre Zulässigkeit nicht gemäß §§ 172 Abs. 3 Nr. 2 b), 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG  daran, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € nicht übersteigt. Zwar würde eine auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II gestützte Sanktion im Fall eines Verstoßes gegen den Eingliederungsbescheid nur zu einer Minderung des Arbeitslosengelds II des Antragstellers um 30 Prozent des für ihn maßgeblichen Regelbedarfs führen. Die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG greift im Falle des Rechtsschutzes gegen einen Eingliederungsbescheid aber nicht, denn dieser ist nicht auf eine betragsmäßig konkret berechenbare Geldleistung gerichtet, sondern konkretisiert das Sozialrechtsverhältnis zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Jobcentern mit wechselseitigen Rechten und Pflichten und dem Ziel der Eingliederung in Arbeit, ohne bloße Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen zu sein (BSG Urteil vom 21.03.2019 – B 14 AS 28/18 R). Weiter scheitert die Zulässigkeit der Beschwerde nicht an einer doppelten Rechtshängigkeit iSv § 202 SGG iVm § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nicht Gegenstand des beim Senat anhängigen Beschwerdeverfahrens L 7 AS 57/22 B ER, denn dieses ist auf eine – inzwischen überholte – Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23.01.2022 und nicht auf eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 23.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2022 gerichtet. Zwar ist – im Wege der Auslegung –  regelmäßig davon auszugehen, dass sich ein zunächst auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gerichteter Antrag anschließend auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bezieht,  wenn das Widerspruchsverfahren während des gerichtlichen Eilverfahrens abgeschlossen und Klage erhoben, das Eilverfahren aber fortgesetzt wird (LSG Schleswig-Holstein Beschluss 02.05.2017 - L 5 KR 40/17 B ER; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 86b SGG). Eine solche Auslegung ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht geboten, wenn ein Antragsteller – wie hier – bei Klageerhebung einen neuen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage stellt und damit dessen Vorrangigkeit zu erkennen gibt.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 23.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2022 abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen – wie hier gem. § 39 Nr. 1 SGB II –  Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 39 Nr. 1 SGB II das Vollzugsrisiko bei Sanktionsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 30.08.2018 – L 7 AS 1097/18 B ER und vom vom 02.03.2017 – L 7 AS 57/17 B ER; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 86b Rn. 12f ff. mwN).

Hier überwiegt das Aussetzungsinteresse nicht das Vollzugsinteresse. Der angefochtene Eingliederungsbescheid ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht rechtswidrig.

Ermächtigungsgrundlage für den Eingliederungsbescheid sind die §§ 15 Abs. 2, Abs. 3 Satz 3 SGB II. Hiernach sollen die in einer Eingliederungsvereinbarung vorgesehenen Regelungen durch Verwaltungsakt getroffen werden, wenn eine Vereinbarung nach § 15 Abs. 2 SGB II nicht zustande kommt. Der Antragsgegner war hiernach befugt, einen Eingliederungsbescheid zu erlassen. Der Senat lässt offen, ob es sich bei § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II um eine reine Verfahrensvorschrift handelt und der Grundsicherungsträger selbst entscheiden kann, welchen Weg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wählt (so BSG Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 13/09 R; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 02.05.2011 – L 19 AS 344/11 B ER, L 19 AS 345/11 B) oder die Regelung einen Vorrang der konsensualen Lösung durch eine in gegenseitigem Einvernehmen geschlossene Vereinbarung vor dem Ersatz der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt anordnet (so BSG Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 195/11 R; vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 29.01.2015 – L 7 AS 1305/14). Auch nach letztgenannter Ansicht wären hier die Voraussetzungen für den Erlass des Eingliederungsbescheids gegeben, denn die Verhandlungen des Antragsgegners mit dem Antragsteller über eine Eingliederungsvereinbarung sind gescheitert. Der Antragsgegner hat über einen Zeitraum von fast zwei Monaten in Gesprächen und im schriftlichen Kontakt versucht, eine konsensuale Regelung mit dem Antragsteller herbeizuführen und ist hierbei – wenn auch nicht vollständig – auf Änderungswünsche des Antragstellers eingegangen. Die Bemühungen sind gemäß den vom Antragsgegner festgehaltenen Vermerken letztlich an dem nachlässigen Verhalten des Antragstellers gescheitert, dem es nicht gelungen ist, dem Antragsgegner eine von ihm unterschriebene Version der zuletzt von ihm gebilligten Eingliederungsvereinbarung abzugeben. Punkt 9) des Eingliederungsbescheides eröffnet dem Antragsteller überdies die Möglichkeit des erneuten Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung auch während seiner Laufzeit.

Der Eingliederungsbescheid vom 23.11.2021 ist inhaltlich rechtmäßig. Zu beanstanden ist zunächst nicht die vom Antragsgegner gewählte Laufzeit von sechs Monaten. Dass es in der seit dem 01.08.2016 geltenden Fassung des § 15 SGB II entgegen dem früheren § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht mehr heißt, dass eine Eingliederungsvereinbarung und damit auch ein Eingliederungsbescheid für sechs Monate geschlossen werden soll und hierdurch eine flexiblere Gestaltung ermöglicht wird, bedeutet nicht, dass die Zeitspanne von sechs Monaten nicht mehr gewählt werden kann. Sie bleibt auch insoweit Orientierungspunkt, als § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II n.F. regelt, dass die Eingliederungsvereinbarung regelmäßig, spätestens nach sechs Monaten überprüft und fortgeschrieben werden soll (vgl. hierzu BSG Urteil vom 21.03.2019 – B 14 AS 28/18 R). Mit Hinweis auf dieses Erfordernis hat der Beklagte die gewählte Geltungsdauer in den Punkten 2 (Gültigkeit)  und 8 (Fortschreibung des ersetzenden Verwaltungsaktes) hinreichend begründet.  

Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 23.11.2021. Ein Eingliederungsbescheid ist an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden Eingliederungsvereinbarung verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der Eingliederungsvereinbarung zu wahren sind. Auch die Regelungen eines Eingliederungsbescheids müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs. 2 Satz 2 SGB II abzuleiten sind (BSG Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R, Senatsurteil vom 06.09.2018 – L 7 AS 562/18). Auch für den Eingliederungsbescheid sind die für den öffentlich-rechtlichen Vertrag in § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X formulierten Maßgaben entscheidend, d.h. einem an den Hilfebedürftigen gerichteten zumutbaren Verlangen muss eine mit diesem in Zusammenhang stehende, angemessene und konkret bestimmte Gegenleistung der Behörde gegenüberstehen. Dies ist hier der Fall. Die Verpflichtungen des Antragstellers zur Integration in Arbeit sind ihrem Umfang und ihrer konkreten Ausgestaltung nach sinnvoll und zumutbar. Es ist dem Antragsteller insbesondere zumutbar, pro Monat fünf – nicht zwingend schriftliche – Bewerbungen zu tätigen (vgl. zum  zumutbaren Umfang von Bewerbungen Senatsurteil vom 29.01.2015 – L 7 AS 1305/14). Weiter ist es nachvollziehbar und zumutbar, dass der Antragsteller seine Bewerbungsbemühungen zu dokumentieren und dem Antragsgegner monatlich zu einem festen Termin vorzulegen hat, denn nur so können diese kontrolliert und ggf. durch weitere Hinweise des Antragsgegners optimiert werden. Soweit der Antragsgegner vom Antragsteller einfordert, auf vorherige Ankündigung Beratungsgesprächen mit seinem Vermittler zur Verfügung zu stehen, handelt es sich hierbei nicht um eine wiederholende Darstellung der Meldepflicht iSv § 59 SGB II iVm § 309 SGB III, sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass der Antragsteller dem Antragsgegner weder seine Telefonnummer noch seine E-Mail-Adresse angeben will und ohne seine Präsenz damit weder eine Beratung noch eine Kontrolle der dem Antragsteller gemäß dem dem SGB II zugrundeliegenden „Grundsatz des Forderns“ (§ 2 SGB II) obliegenden Eingliederungsbemühungen möglich sind.

Die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsbescheids scheitert auch nicht an unzureichenden oder nicht ausreichend konkret festgesetzten Gegenleistungen des Antragsgegners. Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die Pflichten des Antragsgegners in dem Eingliederungsbescheid vom 05.10.2020 weniger konkret formuliert sind als die des Antragstellers. Zwar sind die Leistungen, die der Hilfebedürftige nach § 16 SGB II zur Eingliederung erhalten soll, möglichst verbindlich und konkret zu bezeichnen. Jedoch ist zu beachten, dass zum Zeitpunkt des Erlass eines Eingliederungsbescheids die weitere Entwicklung noch nicht in allen Einzelheiten überblickt werden kann. Daher besteht ein Bedürfnis, die Förderungsmaßnahmen zunächst allgemeiner zu formulieren. Dies ist auch nach den gesetzlichen Vorgaben (§ 15 Abs. 2 Satz 2 SGB II) so vorgesehen. Nach dieser Vorschrift sind nicht nur die Eigenbemühungen des Hilfebedürftigen zu vereinbaren, sondern auch Häufigkeit und Form ihres Nachweises. Die Leistungspflicht des Leistungsträgers wird dagegen nur allgemein beschrieben (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 20.03. 2014 – L 19 AS 373/14 B ER, LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 18.04.2013 - L 5 AS 91/12 m.w.N.). Im Hinblick darauf, dass dem Antragsteller hier nicht die Pflicht zu schriftlichen und damit grundsätzlich kostenträchtigen Bewerbungsmaßnahmen auferlegt wird, ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter die Kosten einer Beschäftigungssuche grundsätzlich selbst zu tragen hat, der Antragsgegner hinsichtlich der Übernahme von Bewerbungskosten als Leistungen aus dem Vermittlungsbudget ein Entschließungs- und Auswahlermessen hat und die Bedingungen für die Erstattung von Kosten - vorherige Antragstellung bzw. Rücksprache, Erstattung auf Nachweis - ausdrücklich formuliert sind (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 20.03.2014 – L 19 AS 373/14 B ER) - sind die Regelungen zur Übernahme von Bewerbungskosten im Eingliederungsbescheid vom 23.11.2020 nicht zu beanstanden. Dasselbe gilt für die Regelungen zur Übernahme von Fahrtkosten. Soweit der Antragsteller moniert, die in dem Eingliederungsbescheid vorgesehenen Unterstützungsleistungen des Antragsgegners seien allgemein und nicht „maßgeschneiderter Natur“, ist darauf hinzuweisen, dass ein Leistungsträger Eingliederungsmaßnahmen nur insoweit individualisieren kann, wie sein in Kooperation mit dem Hilfebedürftigen zu gewinnender Erkenntnisstand es zulässt. Hier hat der Antragsgegner – in Übereinstimmung mit der beruflichen Vorprägung des Antragstellers – dessen Verpflichtung zu Bewerbungsbemühungen auf den Bereich „Helfer-Hochbau“ fokussiert. Dass ihm in Anbetracht der – wie aus der Verwaltungsakte hervorgehend – nur sehr eingeschränkten Mitarbeit des Antragstellers  eine weitere Individualisierung seiner Unterstützungsleistungen möglich war, ist nicht naheliegend.

Die Rechtsfolgenbelehrung ist nicht ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsbescheids, sondern für die einer späteren Sanktion. Ungeachtet dessen bestehen keine Bedenken an der Rechtsfolgenbelehrung. Der Antragsgegner weist den Kläger im Hinblick auf die Höhe und den Zeitraum der Sanktion auf die Folgen hin, die er bei einem Verstoß gegen den Eingliederungsbescheid zu erwarten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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