1. Die verfassungsrechtlichen Grenzen, die dem Gesetzgeber in Bezug auf den ihm bei der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips aus Artikel 20 GG und der Ausgestaltung von Sozialleistungen zustehenden Gestaltungsspielraum gezogen sind, hat er bei der Neufassung von § 65 Abs. 1 SGB III zum 1. April 2012 nicht überschritten.
2. Es bestand kein Vertrauensschutz für Auszubildende, die bereits mittels einer Berufsausbildungsbeihilfe geförderten worden waren, in Bezug auf eine Beibehaltung der bis zum 1. April 2012 geltenden Rechtslage. Der Gesetzgeber war deshalb auch nicht verpflichtet, eine Übergangsregelung für diesen Personenkreis zu schaffen.
3. Selbst wenn man verfassungsrechtliche Zweifel an der Neuregelung von § 65 Abs. 1 SGB III teilen wollte, wäre zu prüfen, ob diesen auf einfachgesetzlicher Ebene, zum Beispiel durch eine analoge Anwendung von Gesetzesbestimmungen wie der in § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB III, begegnet werden kann.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. Oktober 2013 wird zurückgewiesen. II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu 50 Prozent. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand
Der Kläger erstrebt die Verpflichtung der Beklagten, ihm höhere Berufsausbildungsbeihilfe in Gestalt höherer Fahrkosten für die Zeit des Berufsschulunterrichts in Blockform zu bewilligen.
Der am 9. Januar 1985 geborene Kläger absolvierte von September 2004 bis August 2005 ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität A...., von September 2005 bis August 2006 ein Studium der Politikwissenschaften und Geschichte an der Universität Y...., von September 2006 bis August 2007 ein Studium der Politikwissenschaften und Geschichte an der X.... -Universität W.... und von September 2008 bis August 20010 eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Weder eines der Studien noch die Berufsausbildung beendete er mit einem Abschluss.
Der Kläger, der im streitbefangenen Zeitraum in einer eigenen Wohnung A.... wohnte, nahm am 1. September 2011 eine Ausbildung zum Altenpfleger auf. Die Ausbildungsstätte lag in A...., der Berufsschulunterricht erfolgte in V.... . Die Beklagte förderte die Ausbildung durch Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe.
Am 28. November 2012 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistung ab 1. März 2013.
Mit Bescheid vom 3. April 2013 bewilligte die Beklagte Berufsausbildungsbeihilfe für den Zeitraum vom 1. März 2013 bis zum 31. August 2014 in Höhe von monatlich 125,00 EUR. Darin enthalten war ein "Bedarf für Fahrkosten und sonstige Aufwendungen" in Höhe von 56,60 EUR. Auf Fahrkosten entfiel dabei ein Teilbetrag von 44,60 EUR. Einkommen der Mutter wurde in Höhe von 203,83 EUR monatlich angerechnet.
Den Widerspruch des Klägers vom 12. April 2013, mit dem der Anfall von Fahrkosten für eine Monatskarte in Höhe von monatlich 192,80 EUR für Zeiträume des Berufsschulunterrichts geltend gemacht worden war, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2013 zurück. Für die Zeit des Berufsschulunterrichts in Blockform sei nach § 65 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) der Bedarf zu Grunde zu legen, der für Zeiten ohne Berufsschulunterricht zu Grunde zu legen wäre. Gegebenenfalls höhere Aufwendungen wie etwa die Fahrkosten während der Berufsschule blieben unberücksichtigt. Der Kläger hat am 15. August 2013 Klage erhoben.
Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 9. September 2013, nachdem die Steuerbescheide der Eltern für das Jahr 2011 vorgelegen haben, dem Kläger für März 2013 bis August 2014 Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von monatlich 148,00 EUR bewilligt. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend gemacht hatte, dass er keinen Unterhaltsanspruch mehr habe und deshalb kein Elterneinkommen angerechnet werden dürfe, hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2014 als unzulässig verworfen. Der Änderungsbescheid sei Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Nach dem Umzug des Klägers in A.... hat die Beklagte ihm mit Änderungsbescheid vom 1. November 2013 für Oktober 2013 bis August 2014 Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von monatlich 156,00 EUR bewilligt. Seinen Widerspruch hiergegen hat der Kläger erneut mit der Nichtanrechenbarkeit von Elterneinkommen begründet. Diesen Widerspruch hat die Beklagte mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2014 ebenfalls als unzulässig verworfen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. Oktober 2013 abgewiesen. Der Bescheid vom 3. April 2013 sei weder hinsichtlich des festgestellten Gesamtbedarfs noch in der Anrechnung der Einkommen des Klägers und seiner Eltern zu beanstanden. Nach § 65 Abs. 1 SGB III würden nur noch die Kosten übernommen, die ohne den Berufsschulunterricht zu zahlen wären.
Gegen das ihm am 23. Oktober 2012 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 11. November 2013. Für ihn habe ein Platz für die theoretische Berufsschulausbildung damals nur in V.... zur Verfügung gestanden; für einen Platz in A.... hätte er seinen Ausbildungsbeginn um ein Jahr hinausschieben müssen. Den Mehrbedarf für die monatlichen Fahrkosten könne er nicht aus eigenen Mitteln aufbringen. Einen Unterhaltsanspruch gegen seine Mutter habe er für die nunmehr vierte Ausbildung nicht mehr. Die neu gefasste Regelung des § 65 Abs. 1 SGB III verstoße "nach Geist, Buchstaben und tatsächlichen Auswirkungen der Regelung" gegen die Menschenwürde (Artikel 1 des Grundgesetzes [GG]), den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 GG, den "Sozialcharakter des Grundgesetzes" (Artikel 20 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsgebot (Artikel 20 Abs. 3 GG). Der Kläger stellt Rechtsprechung zur früheren Rechtslage dar. Hierauf habe der Gesetzgeber reagiert. Da zur dualen beruflichen Ausbildung sowohl Schul- als auch Praxismonate gehörten, könne nicht nachvollzogen werden, weshalb die mit Berufsausbildungsbeihilfe geförderten Auszubildenden unterschiedlich gefördert würden, je nachdem ob sie zu einer auswärtigen Praxis oder zu einer auswärtigen Schulausbildung pendeln müssten. Der Kläger legt weiter ausführlich dar, aus welchen Gründen er die Neufassung von § 65 Abs. 1 SGB III für gesetzgeberisch verfehlt hält. Schließlich moniert er, dass eine Übergangsregelung für laufende Ausbildungsverfahren fehle.
In der mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2020 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass bei der Berechnung der Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen Elterneinkommen nicht berücksichtigt wird. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen. Mit Änderungsbescheid vom 9. Juli 2020 hat die Beklagte dieses Teilanerkenntnis umgesetzt und Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 329,00 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1. März 2013 bis zum 30. September 2013 und in Höhe von monatlich 366,00 EUR für den Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. August 2014 bewilligt. Der im Bescheid vom 3. April 2013 berücksichtigte "Bedarf für Fahrkosten und sonstige Aufwendungen" in Höhe von 56,60 EUR ist (aufgeschlüsselt in "ÖVM" 44,60 EUR und "Arbeitskleidung" 12,00 EUR) unverändert geblieben.
Nachdem dem Kläger der Terminbericht des Bundessozialgerichtes zum Revisionsverfahren Az. B 11 AL 8/19 R übersandt worden ist, hat er im Schreiben vom 20. November 2020 ausgeführt, dass und weshalb die Ausführungen des Bundessozialgerichtes nicht seinen Fall treffen würden. Die dortige Klägerin habe bei ihrer Entscheidung für die Berufsausbildung mit Berufsschulunterricht in Blockform im Jahr 2015 die bereits zum 1. April 2012 geänderte Gesetzeslage gekannt oder zumindest kennen können. Sein Fall liege jedoch anders.
In der mündlichen Verhandlung am 25. November 2021 hat der Kläger unter anderem mitgeteilt, dass er den zweiten Ausbildungsabschnitt mit Hilfe von Geldzahlungen seiner Eltern habe absolvieren können. Er habe jeden einzelnen Cent an seine Eltern zurückgezahlt. Ein Bankdarlehen oder etwas Ähnliches habe er nicht in Anspruch genommen.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichtes Leipzig vom 10. Oktober 2013 zu verpflichten, in Abänderung ihres Berufsausbildungsbeihilfebescheides vom 3. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2013 für die Zeit in der theoretischen Berufsschulausbildung des Klägers an der U.... Schule in V.... (7. Januar bis 26. April 2013, 26. August bis 20. Dezember 2013, 31. März bis 13. Juni 2014 und 30. August 2014) einen Fahrtkostenbedarf in einer monatlichen Höhe von 192,80 EUR ab 1. August 2013 in Höhe von 200,30 EUR zu berücksichtigen. 2. die Revision zuzulassen
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält – unter Einbeziehung des Änderungsbescheides vom 9. Juli 2020 – die Höhe der dem Kläger bewilligten Leistungen für zutreffend bestimmt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Urteil des Sozialgerichtes Leipzig vom 10. Oktober 2013 und dem Bewilligungsbescheid vom 3. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2013 auch der Änderungsbescheid vom 9. Juli 2020.
Nach § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Dies traf zunächst auf den Änderungsbescheid vom 9. September 2013 zu. Mit diesem wurde nach dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2013 und der Klageerhebung am 15. August 2013 der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 3. April 2013 für den gesamten Weiterbewilligungszeitraum zu Gunsten des Klägers abgeändert. Ebenfalls von § 96 Abs. 1 SGG wird der Änderungsbescheid vom 1. November 2013 erfasst. Mit der darin enthaltenen höheren Leistungsbewilligung änderte dieser Bescheid den Bewilligungsbescheid vom 3. April 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. September 2013 ab, allerdings nur für die Monate Oktober 2013 bis August 2014. Da beide Änderungsbescheide kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahren geworden waren, verwarf die Beklagte die zwei Widersprüche gegen die beiden Änderungsbescheide zutreffend als unzulässig. Schließlich wurde diese Bescheidlage nochmals zu Gunsten des Klägers durch den Änderungsbescheid vom 9. Juli 2020 geändert, nunmehr wieder für den gesamten Bewilligungszeitraum vom 1. März 2013 bis zum 31. August 2014. Dadurch sind die beiden Änderungsbescheide aus dem Jahr 2013 überholt.
II. Die Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet. Zwar erfüllt der Kläger alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe nach § 56 Abs. 1 SGB III in der hier maßgebenden, vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 219 geltenden Fassung (vgl. Artikel. 2 Nr. 18 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]) (1). Jedoch hat der Kläger keinen Anspruch auf Berücksichtigung seiner tatsächlichen Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform (2). Einen Anspruch auf höhere Leistungen hat der Kläger auch nicht aus anderen Gründen (3).
1. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe. Die von ihm absolvierte Ausbildung zum Altenpfleger war gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a. F., § 57 Ab. 1 Satz 1 SGB III in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) in der hier maßgebenden, bis zum 30. Dezember 2019 geltenden Fassung, des vom 1. August 2003 bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege (Altenpflegegesetz – AltPflG) und der vom 25. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers (Altenpflege-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung – AltPflAPrV) vom 26. November 2002 (BGBl. I S. 4418) förderfähig. Der Kläger gehörte zum förderfähigen Personenkreis (vgl. § 56 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 SGB III a. F.), weil er Deutscher im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der hier maßgebenden, bis zum 31. Juli 2019 geltenden Fassung ist. Er erfüllte die sonstigen persönlichen Voraussetzungen (vgl. § 56 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 SGB III a. F.), weil er außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils wohnte (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 2019 geltenden Fassung von Artikel 2 Nr. 18 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]). § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a. F., wonach die Berufsausbildungsförderung zusätzlich voraussetzte, dass die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus nicht in angemessener Zeit erreicht werden konnte, findet beim Kläger keine Anwendung, weil er älter als 18 Jahre war (vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a. F.). Schließlich standen ihm die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten und die sonstigen Aufwendungen (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung (vgl. § 56 Abs. 1 Nr. 3 SGB III a. F.); diesbezüglich wird auf die in der Verwaltungsakte befindlichen Berechnungen der Beklagten verwiesen.
2. Zu Recht hat die Beklagte in Anwendung von § 65 Abs. 1 SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 2 Nr. 18 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]) als Fahrkosten für die Pendelfahrten zum Besuch des Berufsschulunterrichts in Blockform nur 44,60 EUR berücksichtigt. Diesen Betrag hatte der Kläger als monatliche Kosten der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (ohne Pendelfahrten zur Berufsschule) geltend gemacht.
a) § 65 Abs. 1 SGB III bestimmt, dass für die Zeit des Berufsschulunterrichts in Blockform ein Bedarf zu Grunde gelegt wird, der für Zeiten ohne Berufsschulunterricht zu Grunde zu legen wäre. Nach den Angaben des Klägers fand ein solcher Unterricht vom 7. Januar 2013 bis zum 26. April 2013, vom 26. August 2013 bis zum 20. Dezember 2013, vom 31. März 2014 bis zum 30. Juni 2014 und am 30. August 2014 statt. Anzusetzen ist folglich der vom Kläger für den Erwerb der LVB-Monatskarte für Zeiten der praktischen Ausbildung geltend gemachte Betrag in Höhe von 44,60 EUR monatlich.
b) Der Wortlaut von § 65 Abs. 1 SGB III lässt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keine Auslegung zu, die die Anerkennung eines höheren Bedarfs ermöglicht, wenn die tatsächlichen Fahrkosten wegen der Entfernung zur Berufsschule bei Berufsschulunterricht in Blockform höher sind. Denn die Regelung stellt ausdrücklich und ohne Ausnahme allein auf die – letztlich fiktiven – Fahrkosten zur Ausbildungsstelle und eben nicht auf die tatsächlichen Fahrten zur Berufsschule ab, unabhängig davon, welche Strecke hierfür zurückgelegt wird und welche Kosten anfallen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2020 – B 11 AL 8/19 R – SozR 4-4300 § 65 Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 13). Das Bundessozialgericht führt dazu aus (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2020, a. a. O., Rdnr. 14): "Diese Auslegung nach dem Wortlaut entspricht dem in der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 65 SGB III zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. § 65 Abs 1 SGB III hat seine hier anwendbare, ab dem 1.4.2012 geltende Fassung durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I 2854) erhalten und knüpft an die bis zum 31.3.2012 geltende Regelung in § 73 Abs 1a SGB III aF an, der bestimmte, dass für die Zeit des Berufsschulunterrichts in Blockform die BAB 'unverändert' weiter erbracht wird. Mit dieser Änderung war ausdrücklich eine Klarstellung der Rechtsprechung des BSG zu § 73 Abs 1a SGB III aF bezweckt (vgl BT-Drucks 17/6277 S 98 f). Nach dieser Rechtsprechung durfte die Bundesagentur einen von Anfang an bekannten und feststehenden Bedarf für Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform jedenfalls dann nicht unberücksichtigt lassen, wenn sie ohnehin im Fall der BAB-Bewilligung Berechnungen für Fahrkosten durchführte oder diese Berechnungen änderte (vgl BSG vom 6.5.2009 – B 11 AL 37/07 R – SozR 4-4300 § 73 Nr 1 RdNr 21). Wörtlich ist in der Gesetzesbegründung weiter ausgeführt: *Für diese Zeiten wird ein fiktiver Bedarf angenommen, der dem Bedarf für Zeiten ohne Berufsschulunterricht entsprechen würde. Entstehen Auszubildenden beispielsweise Fahrkosten zur Ausbildungsstätte und zur Berufsschule, die in Blockform organisiert ist, dann werden als Bedarf für Fahrkosten die Kosten für Fahrten zur Ausbildungsstätte fiktiv für jeden Arbeitstag als Bedarf zugrunde gelegt' (BT-Drucks 17/6277 S 99). Ergänzend wird zudem auf Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und auf eine bundeseinheitliche Förderungspraxis unter Berücksichtigung der verfassungsgemäßen Zuständigkeit der Länder für die Organisation des Berufsschulunterrichts verwiesen (BT-Drucks 17/6277 S 99). […]"
Die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (etwa Urteil vom 6. Mai 2009 a. a. O.) ist damit überholt und § 65 Abs. 1 SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung zu Anwendung zu bringen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2020, a. a. O.).
Zur Vereinbarkeit der neuen Fassung von § 65 Abs. 1 SGB III mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat das Bundessozialgericht im zitierten Urteil vom 14. Oktober 2020 ausgeführt (Rdnr. 15 – 20): "Der Senat vermochte sich auch nicht davon zu überzeugen, dass diese Regelung den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Art 3 Abs 1 GG verlangt, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Verboten ist also auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Dabei verwehrt Art 3 Abs 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Es gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (stRspr des BVerfG; zuletzt BVerfG vom 26.5.2020 – 1 BvL 5/18 – BVerfGE 153, 358 – NJW 2020, 2173 – juris RdNr 94; BSG vom 24.6.2020 – B 4 AS 7/20 R –, juris RdNr 43 mwN). Die hier anwendbaren Vorschriften zur BAB können zwar eine ungleiche Begünstigung von Auszubildenden zur Folge haben, abhängig davon, ob Berufsschulunterricht regelmäßig (wöchentlich) oder in Blockform durchgeführt wird. Im ersten Fall werden nach § 63 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III als Bedarf für Fahrkosten auch die Fahrten zur Berufsschule anerkannt, im zweiten Fall auf der Grundlage von § 65 Abs 1 SGB III – wie hier – nur die (fiktiven) Fahrkosten zur Ausbildungsstelle, die niedriger, aber durchaus auch höher sein können als bei Berücksichtigung der Fahrkosten zur Berufsschule. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern (vgl BVerfG vom 26.5.2020 – 1 BvL 5/18 – BVerfGE 153, 358 – NJW 2020, 2173 – juris RdNr 95; BSG vom 24.6.2020 – B 4 AS 7/20 R –, juris RdNr 43; jeweils mwN). Unter Berücksichtigung der genannten Maßstäbe ist die vorliegende Ungleichbehandlung durch Sachgründe gerechtfertigt, die den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die Anknüpfung an die Form des Berufsschulunterrichts stellt einen rechtfertigenden Sachgrund dar und die konkrete Differenzierung ist in ihren Auswirkungen noch angemessen. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass (Fahr-)Kosten für Berufsschulunterricht in Blockform typisierend betrachtet höher sind als solche bei regelmäßigem Berufsschulunterricht, denn Blockunterricht wird insbesondere dann angeboten, wenn sich Berufsschulen weiter entfernt vom Ausbildungs- bzw Wohnort des Auszubildenden befinden. Das in den Gesetzesmaterialien mit dem Hinweis auf die von den Ländern – und nicht dem Bund – zu tragenden Mehrkosten (vgl BT-Drucks 17/6277 S 99) zum Ausdruck kommende Ziel von § 65 Abs 1 SGB III, Ausgaben für diese Kosten über den bereits in § 65 Abs 2 SGB III (vgl zu dieser bereits seit dem 31.12.2005 bestehenden Einschränkung iE Brecht-Heitzmann in Gagel, SGB II/SGB III, § 65 SGB III RdNr 10 f, Stand Dezember 2013) enthaltenen Leistungsausschluss hinaus weiter zu begrenzen, stellt einen nachvollziehbaren und auch ausreichenden Differenzierungsgrund dar. Diese Regelung erscheint zudem im Hinblick auf den ersparten Verwaltungsaufwand – Fahrkosten zur Ausbildungsstelle sind ohnehin zu ermitteln – sachgerecht. Die Differenzierung ist auch in ihren Auswirkungen nicht unangemessen. Zwar ist das Anknüpfungsmerkmal für den einzelnen Schüler nicht verfügbar, er hat nämlich keinen unmittelbaren Einfluss darauf, in welcher Form der Berufsschulunterricht angeboten wird, und auch keine Möglichkeit, zwischen verschiedenen Formen zu wählen, wenn – wie hier – der Unterricht nur in einer einzigen Form durchgeführt wird. Doch sind die Folgen der Differenzierung abgemildert und werden in Einzelfällen sogar völlig kompensiert, weil Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform jedenfalls in Höhe eines fiktiven Bedarfs übernommen werden. Durch die an die Form des Berufsschulunterrichts anknüpfende Differenzierung werden schließlich weder spezielle Gleichheitsrechte iS von Art 3 Abs 3 GG – etwa das Verbot der Differenzierung wegen Geschlecht und Abstammung – tangiert noch andere Grundrechte beeinträchtigt. Insbesondere ist eine stets vollständige Übernahme aller mit der Berufsausbildung verbundenen Kosten verfassungsrechtlich nicht geboten. […]"
Diesen Ausführungen des Bundessozialgerichtes schließt sich der erkennende Senat an.
c) Die Einwände des Klägerbevollmächtigten führen zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.
(1) Soweit der Klägerbevollmächtigte die Erwägungen des Gesetzgebers für nicht überzeugend hält, ist zu beachten, dass in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips aus Artikel 20 GG und der Ausgestaltung von Sozialleistungen ein Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 7/20 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 107 = juris Rdnr. 43, m. w. N.; BSG, Urteil vom 3. November 2021 – B 11 AL 2/21 R – juris Rdnr. 26, m. w. N.; vgl. auch die umfangreichen Nachweise bei Sächs. LSG, Urteil vom 24. Mai 2012 – L 3 AS 206/11 – juris Rdnr. 40 und Sächs. LSG, Urteil vom 15. Januar 2015 – L 3 AL 30/13 – juris Rdnr. 35; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 21. September 2017 – L 3 AL 211/15 – juris Rdnr. 39, m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 23. Januar 2020 – L 3 AL 67/18 – info also 2021, 64 ff. = juris Rdnr. 29, m. w. N.). Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten zu entscheiden, in welcher Weise er die Ausgestaltung von Sozialleistungen regelt, und diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an denen er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Willkürlich handelt er nicht bereits dann, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählt (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2011 – 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 [Verletztenrentenanrechnung auf Hartz IV-Leistungen] – NZS 2011, 895 ff. = juris Rdnr. 31, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 [menschenwürdiges Existenzminimum] – BVerfGE 137, 34 ff. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 20 = NJW 2014, 3425 ff. = juris Rdnr. 80, m. w. N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 9. September 1998 – B 13 RJ 5/98 R – SozR 3-5050 § 22 Nr. 6 = juris Rdnr. 28, m. w. N.; BSG, Urteil vom 10. November 2011 – B 8 SO 12/10 R – SozR 4-3500 § 30 Nr. 4 = juris Rdnr. 24, m. w. N.). Entscheidend ist vielmehr, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 21. September 1993 – 12 RK 39/91 – SozR 3-2500 § 6 Nr. 6 = juris Rdnr. 18, m. w. N.; BSG, Urteil vom 9. September 1998, a. a. O.; BSG, Urteil vom 10. November 2011, a. a. O.; BSG, Urteil vom 29. Juni 2017 – B 10 EG 4/16 R – BSGE 123, 276 ff. = SozR 4-7837 § 2f Nr. 1 juris Rdnr. 27, m. w. N.).
Diese verfassungsrechtlichen Grenzen hat der Gesetzgeber, wie dargelegt wurde, bei der Neufassung von § 65 Abs. 1 SGB III nicht überschritten.
(2) Soweit der Klägerbevollmächtigte den Ausführungen des Bundessozialgerichtes zur Verwaltungsvereinfachung – und damit einer der Intentionen des Gesetzgebers für die gesetzliche Neuregelung der Berücksichtigung von Zeiten des Berufsschulunterrichtes in Blockform – entgegentritt und unter anderem vorträgt, dass von 54 beim Antrag auszufüllenden Feldern nur eines weggefallen sei, lässt er die Gesetzesbegründung außer Acht. Dort ist ausgeführt (vgl. BT-Drs. 17/6277 S. 99): "Eine Berücksichtigung von Zeiten des Berufsschulunterrichtes in Blockform, wie sie das Bundessozialgericht vorsieht, wäre sowohl für die Auszubildenden als auch für die Agenturen für Arbeit mit erheblichen Nachteilen verbunden: Der Zeitpunkt der Kenntnis über die genauen Zeiten des Berufsschulunterrichtes in Blockform fällt auf Grund der unterschiedlichen Abläufe bei der Organisation des Berufsschulunterrichtes in den Ländern und der unterschiedlichen Regelungen in den Ausbildungsberufen sehr differenziert aus. So können zwischen dem Abschluss des Berufsausbildungsvertrages, dem Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe, der Kenntnis, dass der Berufsschulunterricht in Blockform organisiert ist, und der Kenntnis über die genauen Zeiten des Berufsschulunterrichtes in Blockform Wochen oder teilweise Monate vergehen. Dies führt dazu, dass ein erheblicher Verwaltungsmehraufwand in den Agenturen für Arbeit durch erhöhten Prüfaufwand entsteht, die Anträge in der Regel auf Grund der verzögert vorliegenden vollständigen Antragsunterlagen erst deutlich später bewilligt werden können und die Auszubildenden somit in der Regel erst deutlich später Berufsausbildungsbeihilfe erhalten können. Gerade bei jungen Menschen mit vorherigem Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann es im Zusammenhang mit solchen Verzögerungen zu weiteren Finanzierungslücken kommen, da es bei diesen jungen Menschen zu einem Wechsel von einer Zahlungsweise monatlich im Voraus zu einer monatlich nachträglichen Zahlung der Ausbildungsvergütung und der Berufsausbildungsbeihilfe kommt."
Der Gesetzgeber hatte danach zum einen den Verwaltungsmehraufwand in den Agenturen für Arbeit und zum anderen die damit möglicherweise verbundene verzögerte Auszahlung der Berufsausbildungsbeihilfe an die Auszubildenden vor Augen. Demgegenüber stand die Verringerung des Aufwandes, den die Auszubildenden bei der Antragsstellung haben, nicht im Fokus. Dies war anders auch nicht zu erwarten, weil sich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von bedürftigkeitsabhängigen Berufsausbildungsbeihilfe kaum änderten, mithin die zu prüfenden Punkte und die hierfür erforderlichen Informationen nicht weniger wurden. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob sich die Reglungsintention für eine abstrakt-generelle Regelung im Einzelfall, hier beim Kläger, verwirklicht.
Unabhängig davon hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 14. Oktober 2020 angemerkt, dass selbst wenn die Gesetzesbegründung nicht vollständig überzeugend sei, soweit auf einen erheblichen Verwaltungsmehraufwand, die Gefahr von Finanzierungslücken bei dem Auszubildenden und auf die verfassungsmäßige Zuständigkeit der Länder für den Berufsschulunterricht verwiesen werde, dies keine Verletzung von Artikel 3 Abs. 1 GG zu begründen vermöge. Denn allein eine möglicherweise unzutreffende oder eine beabsichtigte Kostenbegrenzung nur ansatzweise offenlegende Gesetzesbegründung führe noch nicht zu einem Verfassungsverstoß, wenn tatsächlich – wie hier – ein ausreichender Differenzierungsgrund anzunehmen sei und die Auswirkungen noch hinnehmbar seien (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2020, a. a. O., Rdnr. 21).
(3) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen.
Das Bundesverfassungsgericht hat zu dem allgemeinen Vertrauensschutzgebot aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 GG im Urteil vom 7. Dezember 2010 ausgeführt, dass das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen, begrenzten. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung sei eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Jedoch gehe der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht so weit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, sei verfassungsrechtlich nicht geschützt (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Dezember 2010 –1 BvR 2628/07 [Arbeitslosenhilfe Abschaffung] – BVerfGE 128, 90 ff. = SozR 4-1100 Art 14 Nr. 23 = NJW 2011, 1058 ff. = juirs Rdnr. 43, m. w. N.).
In seiner ständigen Rechtsprechung unterscheidet das Bundesverfassungsgericht zwischen einer echten und einer unechten Rückwirkung. Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, etwa wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17 [WindSeeG, Offshore-Windpark] – BVerfGE 155, 238 ff. = NVwZ-RR 2021, 177 ff. = juris Rdnr. 128 ff., m. w. N.; vgl. hierzu auch z. B. Sachs, in: Sachs, Grundgesetz [9. Aufl., 2021], Art. 20 Rdnr.132 ff., m. w. N.).
Das Bundesverfassungsgericht hat in der Einbeziehung von Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderte Ausbildung aufgenommen hatten, in den Anwendungsbereich der Volldarlehensregelung einen Fall der unechten Rückwirkung gesehen. Denn der Gesetzgeber habe damit auf den noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt des Studiums und seiner Finanzierung durch eine staatliche Leistung für die Zukunft zum Nachteil der Betroffenen eingewirkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997 – 1 BvL 5/93 [Volldarlehen, Wohngeldausschluß bei BAföG] – BVerfGE 96, 330 ff. = NJW 1998, 973 ff. = juris Rdnr. 40 f.). Einschränkungen könnten sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. Artikel 12 Abs. 1 i. V. m. Artikel 20 Abs. 3 GG) und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben. Das sei dann der Fall, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich sei oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwögen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997, a. a. O., Rdnr. 41, m. w. N.).
Gemessen hieran war die zum 1. April 2012 erfolgte Umstellung der Berücksichtigung von Zeiten des Berufsschulunterrichtes in Blockform geeignet und erforderlich, die oben beschriebenen Ziele des Gesetzgebers zu erreichen. Das Interesse der bereits mittels einer Berufsausbildungsbeihilfe geförderten Auszubildenden an einer Beibehaltung der bis dahin geltenden Rechtslage ist nicht höher zu bewerten als die Gründe, die den Gesetzgeber bei seiner Entscheidung für einen sofortigen Wechsel in der gesetzlichen Regelung bewogen haben. Ob sich mit Rücksicht auf die in der dreijährige Altenpflegerausbildung (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 AltPflG in bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 2003 [BGBl. I S. 1690]) grundsätzlich erforderliche Weiterbewilligung der Berufsausbildungsbeihilfe nach einer ersten, in der Regel 18-monatigen Bewilligung (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III) ein schutzwürdiges Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand von Art und Umfang der Förderung bilden konnte, kann dahingestellt bleiben (so auch in Bezug auf die grundsätzlich erforderliche jährliche Neubewilligung von Ausbildungsförderung: BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997, a. a. O., Rdnr. 43). Denn die Auszubildenden konnten jedenfalls darauf vertrauen, dass ihnen auch im Falle der gesetzlichen Neuregelung Berufsausbildungsbeihilfe erhalten blieb, die eine Beendigung der Ausbildung ohne wesentliche Verringerung des monatlich verfügbaren Geldbetrages ermöglichen würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997, a. a. O., Rdnr. 40 f.).
Da nach alledem kein Vertrauensschutz für Auszubildende, die bereits mittels einer Berufsausbildungsbeihilfe geförderten worden waren, in Bezug auf eine Beibehaltung der bis zum 1. April 2012 geltenden Rechtslage bestand, war der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, eine Übergangsregelung für diesen Personenkreis zu schaffen.
Vertrauensschutz kann der Kläger auch nicht aus Verwaltungshandeln der Beklagten herleiten. Ein Bescheid, der unter Geltung der Rechtslage vor der Neufassung von § 65 Abs. 1 SGB III die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen einschließlich Fahrkosten mit Wirkung über den Zeitpunkt der Gesetzesänderung hinaus bestimmt, ist zugunsten des Klägers nicht ergangen. Die bloße Hoffnung oder Erwartung, das Niveau sozialer Leistungen werde sich nicht – zumindest nicht nachteilig – ändern, ist nicht schutzwürdig.
Ohnehin hat der Kläger eine Vertrauensbetätigung im Hinblick auf die vor dem 1. April 2012 geltende Rechtslage ebenso wenig dargelegt, wie eine nachhaltig negative Auswirkung des Vorenthaltens der Anerkennung erhöhter Fahrkosten auf den Verlauf seiner Ausbildung.
(4) Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen und mit dem Kläger verfassungsrechtliche Zweifel an der Neuregelung von § 65 Abs. 1 SGB III teilen wollte, wäre zu prüfen, ob diesen auf einfachgesetzlicher Ebene, zum Beispiel durch eine analoge Anwendung von Gesetzesbestimmungen, begegnet werden kann. So hat das Bundessozialgericht in dem bereits mehrfach zitierten Urteil vom 14. Oktober 2020 als möglichen – allerdings streitigen – Lösungsansatz erwogen, ob bei einer Gefährdung der Ausbildung eine Kostenübernahme nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB III in Betracht kommen kann, der sich auf sonstige Aufwendungen bezieht (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2020, a. a. O., Rdnr. 20, m. w. N.). Die im Ermessen stehende Anerkennung sonstiger Kosten hängt von drei Voraussetzungen ab. Nach der zweiten ist sie möglich, soweit unter anderem die Berufsausbildung oder die Teilnahme an der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme andernfalls gefährdet ist (vgl. § 64 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB III).
Ob die hier streitigen weiteren Fahrkosten – entgegen der Systematik des Gesetzes, das zwischen Fahrkosten und "sonstigen Aufwendungen" unterscheidet – als sonstige Kosten im Sinne von § 64 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB III unter Härtefallgesichtspunkten zur Abwendung der Gefährdung der weiteren Teilnahme des Klägers an der Ausbildung anerkannt werden könnten, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn die Ausbildung des Klägers zum Altenpfleger war tatsächlich nicht gefährdet. Es war ihm möglich, den zweiten Ausbildungsabschnitt mit Hilfe von darlehensweise gewährten Geldzahlungen seiner Eltern absolvieren zu können.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf höhere als die zuletzt mit Änderungsbescheid vom 9. Juli 2020 bewilligten Leistungen. Denn die vom Kläger gerügte Berücksichtigung von Elterneinkommen bei der Bemessung der Höhe seiner Berufsausbildungsbeihilfe (zum Anspruch eines Kindes auf Ausbildungsunterhalt nach § 1610 Abs. 2 BGB und den Grenzen dieses Anspruches: Sächs. LSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – L 3 AL 59/10 – info also 2014, 72 ff. = juris Rdnr. 25 ff., m. w. N.; Klinkhammer, in: Staudinger, BGB [2018], § 1610 BGB, Rdnr. 69 ff.; Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB [9. Aufl., 2020], § 1610 BGB, Rdnr. 396 ff.) ist mit diesem Änderungsbescheid beseitigt worden. Andere Berechnungsfehler, die einen höheren Leistungsanspruch begründen könnten, sind nicht festzustellen. Auch der Kläger selbst hat wiederholt, unter anderem in seinen Widerspruchsschreiben, erklärt, dass die Leistungsberechnung, abgesehen von der streitigen Höhe der zu berücksichtigenden Fahrkosten, rechnerisch korrekt sei.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. |
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S 1 AL 282/13 Leipzig
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