Eine abschließende Entscheidung über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die auf einer rechtswidrigen Schätzung des Einkommens nach dem bis zum 31.07.2016 geltenden Recht beruht, ist nicht aufheben, wenn die Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen ist.
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- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 18. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
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- Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
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- Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Im Streit sind abschließende Entscheidungen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Schätzung des Einkommens aus selbständiger Arbeit bzw. Gewerbebetrieb und über die zu erstattenden, vorläufig bewilligten und erbrachten, Leistungen für Januar und Februar 2012. In einem weiteren Verfahren der Beteiligten sind Zeiten von März 2008 bis Januar 2009, April bis Juni 2010 und Dezember 2010 bis Oktober 2011 streitig (vgl. Senatsentscheidung v. heutigen Tag - L 7 AS 246/18).
Der 1974 geborene, ledige Kläger erwarb nach eigenen Angaben einen Studienabschluss als Ingenieur (Elektrotechnik). Der Beklagte erbrachte dem Kläger seit Januar 2005 mit zeitlichen Unterbrechungen Arbeitslosengeld (Alg) II.
Als Privatgirokonto gab der Kläger beim Beklagten zunächst ein Konto mit der Nummer …. bei der X.... A.... an (Erstantrag v. 19.08.2004), später das Konto mit der Nummer …. (Zusatzblatt 3 v. 18.04.2007). Weiterhin hatte er bei einer W.... zwei Sparbücher (Nr. …. / ….; …. / ….) und seit April 2011 einen Altersvorsorgevertrag (W....-RiesterRente, Versicherungsnummer ….), beitragsfrei ab Juni 2012 (W....-Versicherung V...., Schreiben v. 28.09.2012) sowie bei der U.... ein Sparkonto (SparCard 3000 plus, Kontonummer ….), bei der T…. Bank ein Konto (Nr. ….), seit August 2004 einen Bausparvertrag (Vertragsnummer: ….) bei der S.... (3.298,08 € Bausparguthaben nach Zuteilung, vgl. S...., Schreiben v. 13.10.2010; nach Kündigung 621,77 € ausgezahlt, vgl. Schreiben der S.... v. 26.01.2012). Nach Kündigung des Girokontos bei der W.... (Veränderungsmitteilung v. 08.05.2012) hatte der Kläger ein Konto (Nr. ….) bei der R…. Bank.
Der Kläger ist seit November 2002 Mieter einer 2-Raum-Wohnung in der Q….- straße in A.... mit einer Wohnfläche von 40,90 m², für die zunächst insgesamt 244,29 € (167,29 € Grundmiete + Vorauszahlungen <VZ> von 15,- € für Strom, 37,- € für Heizkosten / Warmwasser und 25,- € für sonstige Betriebskosten) monatlich zu zahlen waren (Mietvertrag v. 18.10.2002). Nach Abrechnung der Nebenkosten für 2006 ergab sich eine Nachzahlung von 21,70 € und erhöhte sich ab Februar 2008 die Gesamtmiete auf 278,29 € (167,29 € Grundmiete + 111,- € VZ) monatlich (Vermieter, Schreiben v. 18.12.2007). Nach Abrechnung der Nebenkosten für 2007 ergab sich eine Nachzahlung von 74,33 € und erhöhte sich ab Februar 2009 die Gesamtmiete auf 296,29 € (167,29 € Grundmiete + 129,- € VZ) monatlich (Vermieter, Schreiben v. 17.12.2008). Nach Abrechnung der Nebenkosten für 2008 ergab sich eine Nachzahlung von 1,14 € ohne Änderung der Gesamtmiete (Vermieter, Schreiben v. 14.12.2009). Nach Abrechnung der Nebenkosten für 2009 ergab sich ein Guthaben von 39,21 € ohne Änderung der Gesamtmiete (Vermieter, Schreiben v. 06.12.2010). Das Guthaben rechnete der Vermieter mit Mietschulden des Klägers auf (Vermieter, Schreiben v. 04.03.2011). Zum 01.01.2011 stimmte der Kläger der Erhöhung der Grundmiete auf 184,02 € monatlich zu (Erklärung v. 10.01.2011). Nach Abrechnung der Nebenkosten für 2010 ergab sich eine Nachzahlung von 68,31 € und erhöhte sich ab Februar 2012 die Gesamtmiete auf 329,02 € (184,02 € Grundmiete + 145,- € VZ) monatlich (Vermieter, Schreiben v. 17.12.2008). Ab Juni 2012 wurde das Haus nicht mehr über ein eigenes Blockheizkraftwerk mit Heizenergie, Warmwasser und elektrischen Strom versorgt, wodurch die Vorauszahlung für Strom von 45,- € entfiel und sich die monatliche Gesamtmiete auf 284,02 € reduzierte (Vermieter, Schreiben v. 26.04.2012).
Ab November 2004 arbeitete der Kläger als Call Center Agent (dhi, A…. Handelshaus für Immobilien GmbH, Bescheinigungen v. 14.02.2005 und 03.03.2005), ab Mai 2005 als wissenschaftliche Hilfskraft im Korrekturdienst für eine Fernuniversität (Veränderungsmitteilung v. 14.03.2005; Bescheinigung des Landesamts für Besoldung und Versorgung P…. v. 14.06.2005 sowie Vergütungsmitteilungen für Mai bis August 2005), ab November 2006 als Webdesigner für den Pro O.... e.V. (Veränderungsmitteilung v. 28.11.2006; Bescheinigungen des Vereins v. 16.11.2006, 08.01.2007 und 14.10.2008 für November und Dezember 2006; Schreiben des Klägers v. 08.03.2012) bzw. die Sanierungskommission A....-O.... (undatierte Vereinbarung; Rechnung v. 15.11.2006), von Mai bis November 2010 als Veranstaltungskaufmann (so Veränderungsmitteilung v. 18.05.2010) bzw. Mitarbeiter für Hilfstätigkeiten (Qualifizierungs- und Arbeitsförderungsgesellschaft <QAD> mbH, Arbeitsvertrag v. 17.05.2010, Bescheinigung v. 20.05.2010 sowie Lohn-/Gehaltsabrechnungen für Oktober und November 2010) und von November 2010 bis Januar 2012 als Prospektverteiler (vgl. z.B. Veränderungsmitteilung v. 07.12.2010; N…. GmbH, Rahmenarbeitsvertrag v. 23.11.2010; Direkt Prospekt V...., M…. GmbH, undatiertes Schreiben über einen Betriebsübergang nebst Deckblatt eines Rahmenarbeitsvertrags ab Juli 2011, Bescheinigungen v. 03.11.2011, 05.01.2012 und 07.02.2012 für Juli 2011 bis Januar 2012; Aktenvermerk des Beklagten über ein Telefonat mit der M…. GmbH v. 03.05.2012).
Auch danach war der Kläger zunächst wechselhaft beschäftigt, von Juni bis November 2012 bei der L…. Digital GmbH (Abrechnung v. 26.10.2012, Kündigung v. 01.11.2012, Bescheinigungen v. 04.07.2012 und 04.03.2013), im Januar 2013 als Servicemitarbeiter bei der K…. Dienstleistungs- und Service GmbH (Arbeitsvertrag v. 21.12.2012, Abrechnung v. 08.02.2013), von Januar bis März 2013 als Mitgliederwerber bei der J…. GmbH (Arbeitsvertrag v. 15.01.2013, Kündigung v. 15.03.2013), von Dezember 2013 bis Februar 2014 als Leiharbeitnehmer bei der I…. GbR (Arbeitsvertrag v. 20.12.2013, Kündigung v. 26.02.2014), von Februar bis April 2014 als Bauhelfer bei der Fa. H…. (Arbeitsvertrag v. 22.02.2014, Kündigung v. 30.03.2014) und von Dezember 2014 bis März 2015 als Programmierer bei der G…. Technologie (Arbeitsvertrag v. 28.11.2014, Kündigung v. 23.03.2015). Ab Juni 2015 arbeitete er als Lagerhelfer bei der F…. Personal-Service e.K. (Arbeitsvertrag v. 28.05.2015).
Im November 2007 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er nehme eine freiberufliche Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden auf (Veränderungsmitteilung v. 09.11.2007). Im April 2008 teilte er mit, er werde voraussichtlich in den nächsten sechs Monaten keine Einnahmen erzielen (Schreiben v. 28.03.2008). Über sein Einkommen erklärte sich der Kläger wie folgt: für Januar bis März 2008 (IT-Consulting, gewerbliche Nutzung eines Raums von ca. 25 m² in seiner Wohnung) voraussichtlich und abschließend keine Einnahmen und Ausgaben (Anlagen EKS v. 28.03./07.04.2008 und 25.06.2008), für März bis September 2008 (IT-Consulting, gewerbliche Nutzung eines Raums von ca. 25 m² in seiner Wohnung) voraussichtlich keine Einnahmen und 2.200,- € Ausgaben (Anlage EKS v. 28.03.2008), für März bis September 2009 (Webdesign, Beginn 2009, gewerbliche Nutzung eines Raums von 40 m² in seiner Wohnung) voraussichtlich keine Einnahmen und Ausgaben (Anlage EKS v. 02.05.2009), für November 2010 bis Mai 2011 (Ingenieurbüro, Beginn 2002, gewerbliche Nutzung eines Raums von 20 m² in seiner Wohnung) voraussichtlich keine Einnahmen und Ausgaben (Anlage EKS v. 13.12.2010), für Mai bis November 2011 (Ingenieurbüro, Beginn 2002, gewerbliche Nutzung eines Raums von ca. 20 m² in seiner Wohnung) voraussichtlich jeweils 5.096,- € Einnahmen und Ausgaben (Anlage EKS v. 20.05.2011), für November 2011 bis April 2012 (Webdesign, Beginn seit 2002, gewerbliche Nutzung eines Raums von 20 m² in seiner Wohnung, im Moment max. 1 Person beschäftigt) voraussichtlich 3.160,- € Einnahmen und 2.299,- € Ausgaben (Anlage EKS v. 09.11.2011) bzw. „korrigiert“ (PC-Service, Beginn seit 2002 fortlaufend, gewerbliche Nutzung eines Raums von 40 m² in seiner Wohnung) voraussichtlich 400,- € (durchgestrichen: 1.200,- €) Einnahmen und 200,- € (durchgestrichen: 600,- €) Ausgaben (Anlage EKS v. 05.03.2012).
Abschließend erklärte der Kläger, im April und Mai 2011 jeweils 48,- € Einnahmen und sonst für Mai bis Oktober 2011 weder weitere Einnahmen noch Ausgaben (Schreiben v. 24.10.2011) bzw. weder Einnahmen erzielt noch Ausgaben getätigt zu haben (Abschließende Angaben v. 14.02.2012). Die „signifikanten Änderungen“ seiner „Gewinnprognose (Anlage EKS)“ seien durch nicht wie im erhofften Umfang akquirierte Aufträge zustande gekommen (E-Mail v. 12.03.2012).
Zum 17.04.2012 meldete der Kläger ein Gewerbe mit den Tätigkeiten IT-Consulting, Programmierung, Umzugsservice, Tapezieren von Raufasertapete und Überstreichen mit Binderfarbe, Web-Design, Internet-Service, EDV-Dienstleistungen ab (Gewerbe-Abmeldung v. selben Tag).
Der Beklagte forderte den Kläger auf, „alle Kontoauszüge aller Konten“ für 2008 bis 2011 und „Nachweise der ggf. gezahlten Umsatzsteuer“ vorzulegen (Schreiben v. 23.02.2012). Darauf reagierte der Kläger am 09.03.2012 (Schreiben v. 08.03.2012 nebst Anlagen). Danach bat der Beklagte ihn um Stellungnahme zur Herkunft von Geldbeträgen (900,- € am 24.05.2011, 3.621,08 € am 19.08.2011, 2.033,22 € am 13.09.2011 und 1.000,- € am 18.11.2011), forderte die „komplette Offenlegung: Sparcardkonto … S…. … PlusSparen“ ab Januar 2008 und erinnerte an die Vorlage der „Kontoauszüge aller Konten beginnend ab 01.01.2008 (eingereicht ab 2010)“(Schreiben v. 16.03.2012, Erinnerung v. 29.05.2012). Weiterhin forderte der Beklagte vom Kläger die Vorlage vollständig ausgefüllter und unterschriebener Anlagen für abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit von März 2008 bis April 2012 und weiterer Nachweise (Schreiben v. 03.05.2012).
Auf Fortzahlungsantrag des Klägers vom 25.10.2011 (am 24.10.2011 unterzeichnetes Formular) bewilligte ihm der Beklagte vorläufig für November 2011 bis April 2012 Alg II, für Januar und Februar 2012 monatlich 421,42 € (Bescheid v. 15.12.2011; Widerspruchsbescheid v. 23.02.2012, W ….; Überprüfungsbescheid v. 05.03.2012). Eine Minderung des Alg II von Februar bis April 2012 um 108,40 € monatlich (Bescheid v. 19.01.2012, Widerspruchsbescheid v. 24.02.2012, W ….) verkürzte sich nach einem gerichtlichen Vergleich (Sozialgericht Dresden <SG> v. 05.11.2015 - S 45 AS 1427/12) auf die Zeit vom 01. bis 14.02.2012 (Umsetzungsbescheid v. 08.12.2015). Für Januar 2012 änderte der Beklagte die vorläufige Bewilligung auf 472,55 € und für Februar 2012 auf 372,60 € (Bescheid v. 12.03.2012). Am 23.03.2012 erhob der Kläger vorsorglich Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.12.2011 und beantragte zugleich dessen Überprüfung sowie erhob er Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.03.2012 (Schreiben seiner Bevollmächtigten v. 23.03.2012). Der Beklagte führte den Widerspruch unter dem Zeichen W …. (Schreiben v. 26.03.2012). Für Dezember 2011 (Bescheid v. 16.03.2012; Überprüfungsbescheid v. 08.05.2012) und März bis April 2012 (Bescheid v. 03.05.2012) änderte der Beklagte die vorläufige Bewilligung.
Mit einem Bescheid vom 18.12.2012 („Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruches“) entschied der Beklagte, der Kläger habe nach Schätzung seines Einkommens aus Selbständigkeit von November 2011 bis April 2012 keinen Anspruch auf Leistungen und insgesamt 2.385,53 € zu erstatten (zu weiteren Bescheiden v. 08.12.2012 für andere Zeiten vgl. Senatsentscheidung v. heutigen Tag - L 7 AS 246/18). Der Kläger habe auf die Aufforderungen vom 23.02.2012, 16.03.2012 und 29.05.2012 nicht reagiert. Daher werde das „Einkommen aus Selbständigkeit … auf mindestens den errechneten und bislang vorläufig gewährten Anspruch … geschätzt“. Mit vorgenannten (Umsetzungs-) Bescheid vom 08.12.2015 seien die „Rückforderungen (Bescheid vom 18.12.2012) … gemindert“ worden, „für … Februar 2012 um 59,84 EUR“.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2013 (W ….) wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.03.2012 in der Fassung des Bescheids vom 18.12.2012 zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 04.02.2013 (Schreiben seiner Bevollmächtigten v. selben Tag) beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage (Az.: S 45 AS 697/13) mit dem Antrag, ihm u.a. 687,07 € für Januar 2012 und 703,02 € für Februar 2012 zu gewähren.
Bereits am 08.01.2013 (Schreiben v. 04.01.2013) bat die Bevollmächtigte des Klägers den Beklagten „um Übersendung des Festsetzungs- und Erstattungsbescheides vom 18.12.2012“ und erhob „Widerspruch hiergegen“. Der Beklagte führte den Widerspruch unter dem Zeichen W …. (Schreiben v. 06.02.2013). Am 15.01.2013 (Schreiben v. selben Tag) erhob der Kläger „gegen Ihren Bescheid vom 18.12.2012“ Widerspruch. Der Beklagte führte den Widerspruch unter dem Zeichen W …. (Schreiben v. 01.02.2013). Mit Widerspruchsbescheiden vom 31.03.2014 (W ….) und 14.05.2014 (W ….) verwarf der Beklagte die Widersprüche vom 08.01.2013 und 15.01.2013, da sie sich gegen den Bescheid vom 18.12.2012 für November 2011 bis April 2012 richten würden und kein Rechtsschutzbedürfnis wegen des bereits anhängigen Rechtsstreits bestehe.
Im Termin zur Erörterung am 05.11.2015 hat das SG u.a. darauf hingewiesen, dass nur die Monate Januar und Februar 2012 Gegenstand des Verfahrens seien, da sich der Bescheid vom 12.03.2012 und der Widerspruch vom 23.03.2012 nur auf diesen Zeitraum beziehe (Niederschrift v. selben Tag, S. 2). Daraufhin hat der Kläger seinen Klageantrag „berichtigt, bzw. geändert“, ohne sich zeitlich auf Januar und Februar 2012 zu beschränken (Schreiben seiner Bevollmächtigten v. 14.12.2015, S. 2 f.). Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.01.2018 - ebenso gemeinsam mit dem Verfahren S 45 AS 3581/14 - hat das SG an seinem Hinweis zum zeitlichen Gegenstand des Verfahrens festgehalten und der Kläger u.a. seinen Klageantrag auf Januar und Februar 2012 beschränkt (Niederschrift v. selben Tag, S. 4).
Der Kläger hat im Klageverfahren Kontoauszüge seines Privatgirokontos (Nr. …) für März bis April 2012 vorgelegt. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen (Bl. 9 ff. und 215 ff. der Gerichtsakte).
Das SG hat - mit Zustimmung des Klägers (vgl. Niederschrift v. 05.11.2015, S. 3) - vom Finanzamt für 2008 bis 2012 ergangene Einkommensteuerbescheide (Schreiben v. 10.11.2015) bzw. Angaben zu Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit (Schreiben v. 23.11.2015, 03.12.2015), von der X.... Kontoauszüge für November 2011 bis April 2012 sowie die Guthabenstände 2011 und 2012 der Sparbücher des Klägers (Schreiben v. 10.11.2015, 19.11.2015, 25.11.2015) und von der U.... die Guthabenstände des SparCard 300 plus (Schreiben v. 10.11.2015, 25.11.2015) angefordert. Auf den Inhalt der jeweiligen Stellungnahmen nebst Anlagen wird Bezug genommen (Finanzamt, Schreiben v. 17.11.2015, 07.12.2015, Bl. 107, 118 f. der Gerichtsakte; W...., Schreiben v. 13.11.2015, 09.12.2015, Bl. 102 f., 120 ff. der Gerichtsakte; U.... v. 20.11.2015, 01.12.2015, Bl. 110, 115 der Gerichtsakte).
Auf Grund vorgenannter mündlicher Verhandlung vom 18.01.2017 hat das SG die Klage abgewiesen (am selben Tag verkündetes Urteil). Die auf Januar und Februar 2012 beschränkte Klage sei unbegründet. Der Beklagte habe das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit schätzen dürfen, da der Kläger außer Kontoauszügen für 2010 und 2011 sowie zwei Rechnungen aus 2006 und 2011 keine Unterlagen über seine selbständige Tätigkeit vorgelegt habe. Für keine der beim SG anhängigen Zeiten von 2008 bis 2012 habe er eine Einnahme-Überschussrechnung, ein Kassenbuch oder Aufzeichnungen nach § 22 UStG vorgelegt. Die EKS seien ohne Realitätsbezug und willkürlich ausgefüllt sowie beliebig abgeändert worden. Nach den (Giro-) Kontoauszügen seien erhebliche Fixkosten für Versicherungen, Telefonverträge und sonstige Abonnements entstanden. Im Gegensatz hierzu habe der Kläger durchgehend geringe Ausgaben für Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs gehabt. Das Girokonto sei im Wesentlichen nur für den Transfer der erheblichen Fixkosten genutzt worden. Die offensichtliche Gewerbeanmeldung 2002 beziehe sich auf Branchen mit starker Nachfrage. Die Akquirierung nur eines Auftrags von 2007/2008 bis April 2012 erscheine lebensfremd. Nach den Kontoauszügen habe der Kläger kontinuierlich in seine selbständige Tätigkeit investiert (Zeitungsabonnement für „Ingenieurbüro A....“, Mitgliedsbeiträge im VDI, Premium-Mitglied bei „Xing“), die er nach seinem Vortrag nicht ausgeübt habe. Unklare, vom Kläger nicht näher aufgeklärte, Bareinzahlungen in den Jahren 2008 bis 2011 auf (Giro-) Konto und Sparbuch würden auf Aufträge in seiner selbständigen Tätigkeit hindeuten. Die Zusammenschau der Kontoausgaben mit den Angaben des Klägers zu seinen Gewerbeeinnahmen deute auf eine unterlassene Offenlegung seines Geschäftsgebarens. Auch im Klageverfahren habe der Kläger keine Anstrengungen zur Aufklärung unternommen. Einkommensteuererklärungen habe er ebenso nicht abgegeben. Sein Vortrag, keine Aufträge erhalten und keine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit erzielt zu haben, sei erheblich zweifelhaft. Unter Gesamtwürdigung aller Umstände sei es ausnahmsweise zulässig, die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit auf die Höhe der erhaltenen Leistungen zu schätzen.
Gegen das - ihm am 20.02.2018 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 14.03.2018 (Schreiben seiner Bevollmächtigten v. selben Tag) beim SG Berufung eingelegt. Sein im April 2012 abgemeldetes Gewerbe habe er 2002 angemeldet. Während der gesamten Zeit seiner selbständigen Tätigkeit habe er keine Aufträge akquirieren können, um seinen Lebensunterhalt sichern zu können. Daher habe er beim Finanzamt für 2008 bis 2011 auch keine Einkünfte erklärt. Als Darlehen habe er 2008 von seiner Schwester (E….) 1.200,- € sowie 2010 und 2011 von seiner Mutter (D….) insgesamt 2.000,- € erhalten. Auf deren Schreiben vom 27.04.2009 (Schwester) und 08.02.2018 (Mutter) werde verwiesen (Bl. 199 f. der Gerichtsakte). Er sei nicht gut darin, sich angemessen zu verkaufen und seine Finanzen ordnungsgemäß zu verwalten. Insbesondere habe er weit unter dem Marktpreis liegende Aufträge gesucht, bei denen der Stundenlohn nicht dem Aufwand entspräche. Dies könne seine Schwester bestätigen (Schreiben v. 06.03.2018, Bl. 201 der Gerichtsakte). So habe er zum Beispiel für vier Stunden Webdesign nur 96,- € abgerechnet (Rechnung v. 05.04.2011), obwohl Stundensätze zwischen 50,- € und 100,- € marktüblich seien (Auszug aus www.bewertet.de, Anlage 6, Bl. 204 der Gerichtsakte). Das Missverhältnis zwischen den Kosten bei laufenden Verträgen und sonstigen Ausgaben für Lebensmittel oder Drogerieartikel zeige seine Unfähigkeit, mit Geld umgehen zu können. Die größeren Geldeingänge von insgesamt 3.435,30 € aus 2009 bzw. 2011 auf seinem Konto seien nicht endgültig aufklärbar, da er sich an die Details nicht mehr richtig erinnern könne. Als Freiberufler sei er am Markt gescheitert. Für die vorläufige EKS habe er mangels einer tatsächlichen Grundlage Phantasiezahlen verwandt. Im streitigen Zeitraum habe er kein Einkommen erzielt. Das SG habe keine Schätzung vorgenommen, sondern Widersprüche gesehen und ihm ohne Beweise unterstellt, er verschleiere Einnahmen. Eine gesetzliche Vermutung für ausreichendes Einkommen bei ungenügender Mitwirkung sei erst mit § 41a SGB II eingefügt worden. Weiterhin hat der Kläger Auszüge seines Girokontos (Nr. 4120 3727 88) für Februar bis April 2012 vorgelegt (Bl. 215 ff. der Gerichtsakte).
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen (vgl. Berufungsschrift, S. 2),
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 18.01.2018 aufzuheben sowie den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 18.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.01.2013 (W 4242/12) zu verurteilen, ihm 687,07 € für Januar 2012 und 703,02 € für Februar 2012 zu bewilligen sowie die Differenz zu den vorläufig bewilligten und erbrachten Leistungen auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Vortrag des Klägers bestätige die Entscheidung des SG. Er stelle nicht in Abrede, dass es sich um eine Branche mit hoher Nachfrage handele, es keine Unterlagen gebe und bestimmte Beträge nicht aufklärbar seien. Für eine solche Sachverhaltskonstellation sei von einer fehlenden Hilfebedürftigkeit auszugehen.
Der Berichterstatter hat den Beteiligten die Absicht des Senats, die Berufung des Klägers durch Beschluss der Berufsrichter zurückzuweisen, mitgeteilt (Schreiben v. 28.01.2022, dem Kläger am 09.02.2022 zugestellt).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zutreffend abgewiesen, da der gegenständliche Bescheid für die in diesem Verfahren streitigen Monate Januar und Februar 2012 rechtmäßig ist.
Gegenstand des Verfahrens ist neben der vorinstanzlichen Entscheidung der Bescheid vom 18.12.2012 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 03.01.2013 (W ….) in der Fassung des Bescheids vom 08.12.2015. Mit dem Bescheid vom 18.12.2012 entschied der Beklagte abschließend, dass der Kläger u.a. für Januar und Februar 2012 keinen Anspruch auf Alg II (sog. Nullfestsetzung) sowie die ihm vorläufig bewilligten und erbrachten Leistungen (472,55 € für Januar 2012 und 343,60 € für Februar 2012, insgesamt 816,15 €) zu erstatten hat. Der Verwaltungsakt über die abschließende Entscheidung im vorgenannten Bescheid ersetzte (§ 39 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II) den Bescheid (Verwaltungsakt) vom 12.03.2012 über die Änderung der vorläufigen Bewilligung von Alg II für Januar und Februar 2012, der wiederum für die hier streitige Zeit den Erstbescheid vom 15.12.2011 über die vorläufige Bewilligung ersetzte, der zuvor durch den (Sanktions-) Bescheid vom 19.01.2012 (in der Fassung des gerichtlichen Vergleichs v. 05.11.2015 - S 45 AS 1427/12, umgesetzt durch Bescheid v. 08.12.2015) für die Zeit vom 01. bis 14.02.2012 geändert wurde. Damit wurde vorgenannter Verwaltungsakt im Bescheid vom 18.12.2012 Gegenstand des Vorverfahrens (§ 86 Halbs. 1 SGG; zur Ersetzung als Abänderung vgl. z.B. BSG v. 24.06.2020 - B 4 AS 7/20 R - Rn. 18) zum Bescheid vom 12.03.2012, da der Kläger gegen den letztgenannten Bescheid Widerspruch erhoben hatte (Schreiben seiner Bevollmächtigten v. 23.03.2012; vom Beklagten unter dem Zeichen W …. geführt, vgl. Schreiben v. 26.03.2012). Dieses Vorverfahren endete durch den Widerspruchsbescheid v. 03.01.2013 (W ….), gegen den der Kläger am 04.02.2013 Klage erhoben hat (Klageschrift v. selben Tag). Der Bescheid vom 08.12.2015 wurde zum Gegenstand des (Klage-) Verfahrens, obwohl er in „Umsetzung des Vergleichs vom 18.12.2013 S 45 AS 1427/12“ erging, da er über Ziffer 1 des sozialgerichtlichen Vergleichs vom 05.11.2015 („Die Dauer der Sanktion … wird auf den Zeitraum vom 01.02.2012 bis 14.02.2012 verringert“) hinausgehend eine eigenständige Regelung (§ 31 Satz 1 SGB X) über den Verwaltungsakt der Festsetzung der zu erstattenden Leistungen im Bescheid vom 18.12.2012 enthält, soweit er die „Rückforderungen (Bescheid vom 18.12.2012) … für … Februar 2012 um 59,84 EUR … gemindert“ hat (zur eigenständigen Regelung eines Verwaltungsakts, der einen sozialgerichtlichen Vergleich konkretisierend ausführt, vgl. z.B. Engelmann in: Schütze, 9. Aufl., SGB X § 31 Rn. 53; vgl. entsprechend zu Bescheiden in Ausführung eines noch nicht rechtskräftigen Urteils z.B. BSG v. 14.07.2021 - B 6 KA 1/20 R - Rn. 20 f. und Klein in: jurisPK-SGG, § 96 Rn. 33 ff.). Nach dem Vorstehenden hat der Kläger für Januar und Februar 2012 keinen Anspruch auf Alg II und insgesamt 756,31 € (472,55 € für Januar 2012 + 283,76 € [343,60 € - 59,84 €] für Februar 2012) zu erstatten.
Nur die Monate Januar und Februar 2012 sind noch Streitgegenstand, da der Kläger seine Klage auf diesen Teil des Bewilligungszeitraums (vgl. Erstbescheid v. 15.12.2011 für November 2011 bis April 2012) beschränkt hatte (vgl. Niederschrift v. 18.01.2018, S. 4; zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitgegenstands auf einzelne Monate eines Bewilligungszeitraums vgl. z.B. BSG v. 12.05.2021 - B 4 AS 88/20 R - Rn. 11), das SG nur über diese Zeit entschieden hat (vgl. SG-Urteil, z.B. S. 2, 6) und der Kläger zeitlich uneingeschränkt sein Begehren auch in der Berufung weiterverfolgt.
Die Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), da sie aufgrund eines 750,- € übersteigenden Werts des Beschwerdegegenstands nicht der Zulassung bedurfte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstands richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt, wobei bei einer Geldleistung der Wert des Beschwerdegegenstands nach dem Geldbetrag zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung zu berechnen ist, um den unmittelbar gestritten wird (stRspr., vgl. nur BSG v. 24.06.2021 - B 7 AY 3/20 R - Rn. 12). Das SG hat dem Kläger für Januar und Februar 2012 nicht nur die Aufhebung des gegenständlichen Bescheids, sondern auch das weitergehende Begehren auf abschließend höhere als vorläufig bewilligte Leistungen versagt, welches er im Berufungsverfahren uneingeschränkt weiterverfolgt (vgl. Klage- bzw. Berufungsantrag, Niederschrift v. 18.01.2018, S. 4 bzw. Berufungsschrift v. 14.03.2018, S. 2). Selbst unter Berücksichtigung der Minderung der Erstattungsforderung für Februar 2012 um 59,84 € (Bescheid v. 08.12.2015) übersteigt bereits die Beschwer von 756,31 € durch den gegenständlichen Bescheid (vgl. zuvor) auch dann 750,- €, wenn die sog. Nullfestsetzung und Festsetzung der zu erstattenden Leistungen nicht nach § 5 ZPO (i.V.m. § 202 Satz 1 SGG, vgl. hierzu z.B. BSG v. 30.06.2021 - B 4 AS 70/20 R - Rn. 19) addiert werden, soweit sie wirtschaftlich identisch sind (zur Geltung des § 144 Abs. 1 Satz Nr. 1 SGG bei einer Klage gegen eine vom Leistungsträger geltend gemachte Erstattung erbrachter Geldleistungen vgl. z.B. Wehrhahn in: jurisPK-SGG, § 144 Rn. 13 f.; zum Additionsverbot bei wirtschaftlicher Identität zwischen Aufhebung einer Leistungsbewilligung und Erstattungsforderung in gleicher Höhe vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 18).
Die auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGG), Berufung ist unbegründet. Darüber konnte der Senat durch Beschluss seiner zuständigen Berufsrichter (§ 30 Abs. 1, § 33 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Hierfür sprach insbesondere, dass im vorinstanzlichen Verfahren ein nahezu einstündiger Termin zur Erörterung des Sachverhalts und ein nahezu zweieinhalbstündiger Termin zur mündlichen Verhandlung stattfanden, in denen der Sachverhalt jeweils umfassend erörtert wurde, der Kläger bereits in allen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren anwaltlich vertreten war und die Beteiligten ihr Vorbringen erschöpfend ausgetauscht haben sowie weder neue Tatsachen noch bisher unbekannte Auffassungen angekündigt oder aus anderen Gründen in einem weiteren Termin zu erwarten sind. Der Entscheidungsart steht auch nicht die bisherige Verfahrensdauer in beiden Instanzen entgegen, da sie vorrangig auf der - beim Senat anhaltend - hohen Belastung beruht (vgl. allgemein zur Situation beim erkennenden Gericht z.B. http://www.justiz.sachsen.de > Gerichte > Sozialgerichtsbarkeit > Sächsisches Landessozialgericht > Presse > Jahresberichte). Die Anhörung der Beteiligten (Schreiben v. 28.01.2022) ergab ebenso keine Gesichtspunkte für ein Absehen von einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Für das Begehren des Klägers (§ 123 SGG) auf Aufhebung des gegenständlichen Bescheids und Verurteilung zu höheren als ihm bisher vorläufig bewilligten und erbrachten Leistungen ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) statthaft (vgl. z.B. BSG v. 12.09.2018 - B 4 AS 39/17 R - Rn. 11 unter Bezug auf BSG v. 08.02.2017 - B 14 AS 22/16 R - Rn. 10 f.). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - der Bescheid über die abschließende Entscheidung auf einer Schätzung des Einkommens beruht, da in Verfahren nach dem SGB II die isolierte Anfechtung einer abschließenden Entscheidung ohne Geltendmachung dessen, was als Leistung tatsächlich beansprucht wird, prozessual ausgeschlossen ist (vgl. z.B. BSG v. 26.02.2020 - B 14 AS 133/19 B - Rn. 6 unter beispielhaften Verweis auf BSG v. 12.09.2018 - B 4 AS 39/17 R - Rn. 11 zu § 41a SGB II i.d.F. des Gesetzes v. 26.07.2016, BGBl. I S. 1824, da das dort Ausgeführte sinngemäß für die Rechtslage davor ebenfalls gelte).
Die Klage ist unbegründet. Zwar hat der Beklagte seine Schätzung nicht ausreichend begründet, indes hat der Kläger jedenfalls seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen.
Ermächtigungsgrundlage für die Schätzung des Beklagten ist § 3 Abs. 6 Alg II-V (mit Wirkung zum 01.01.2008 eingefügt durch Verordnung v. 17.12.2007, BGBl. I S. 2942; mit Wirkung zum 01.07.2011 geändert durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. b, Art. 2 Abs. 1 der Verordnung v. 21.06.2011, BGBl. I S. 1175; mit Wirkung zum 01.08.2016 aufgehoben durch Art. 1 Nr. 3, Art. 2 der Verordnung v. 26.07.2016, BGBl. I S. 1858). Danach kann - soweit über die Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 (bis zum 30.06.2011: § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a) SGB II vorläufig entschieden wurde - das Einkommen im Bewilligungszeitraum für die abschließende Entscheidung geschätzt werden, wenn das tatsächliche Einkommen nicht innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Ende des Bewilligungszeitraums nachgewiesen wird. Diese Voraussetzungen für eine Schätzung des Einkommens liegen vor.
Der Kläger hatte nach eigenen Angaben 2002 ein Gewerbe angemeldet, das er zum 17.04.2012 mit den Tätigkeiten IT-Consulting, Programmierung, Umzugsservice, Tapezieren von Raufasertapete und Überstreichen mit Binderfarbe, Web-Design, Internet-Service, EDV-Dienstleistungen abgemeldet hat (Gewerbe-Abmeldung v. selben Tag). Weiterhin übte er nach eigenen Angaben eine freiberufliche Tätigkeit aus (vgl. erstmals die Veränderungsmitteilung v. 09.11.2007). Beides gilt auch für den Bewilligungszeitraum von November 2011 bis April 2012 (vgl. Anlage EKS v. 09.11.2011: Webdesign, Beginn seit 2002, gewerbliche Nutzung eines Raums von 20 m² in seiner Wohnung, im Moment max. 1 Person beschäftigt, voraussichtlich 3.160,- € Einnahmen und 2.299,- € Ausgaben bzw. „korrigiert“ Anlage EKS v. 05.03.2012: PC-Service, Beginn seit 2002 fortlaufend, gewerbliche Nutzung eines Raums von 40 m² in seiner Wohnung, voraussichtlich 400,- € [durchgestrichen: 1.200,- €] Einnahmen und 200,- € [durchgestrichen: 600,- €] Ausgaben).
Einkommen aus selbständiger Arbeit und Gewerbewerbetrieb ist nach § 3 Alg II-V zu berechnen, ohne dass es hier einer Abgrenzung beider Einkommensarten (zu deren Bestimmung nach den Begriffen des Steuerrechts vgl. z.B. BSG v. 15.06.2016 - B 4 AS 41/15 R - Rn. 19) bedarf, da die Berechnungsvorschriften dieselben sind (vgl. z.B. Lange in: Eicher u.a., SGB II, 5. Aufl., § 13 Rn. 51).
Der Beklagte hatte für Januar und Februar 2012 vorläufig über die Bewilligung von Alg II entschieden (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.d.F. der Bekanntmachung v. 13.05.2011, BGBl. I S. 850, i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III), da er trotz Änderung der Bewilligung deren Vorläufigkeit aufrechterhalten hat (vgl. Bescheid v. 12.03.2012: „vorläufig in folgender Höhe bewilligt“).
Schließlich hat der Kläger sein tatsächliches Einkommen nicht innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Ende des Bewilligungszeitraums (April 2012) nachgewiesen, da er auch für November 2011 bis April 2012 der Aufforderung des Beklagten, eine „vollständig … ausgefüllt und unterschrieben(e) … Anlage für abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit von 11/11 bis 04/12“ und konkret genannte „Nachweise“ vorzulegen (Schreiben v. 03.05.2012), nicht nachgekommen ist. Die anderen im gegenständlichen Bescheid genannten (Aufforderungs-) Schreiben des Beklagten beziehen sich hingegen auf das „Einkommen in den Bewilligungszeiträumen 2008 … 2011“ (vgl. Schreiben des Beklagten v. 23.02.2012; nach Schreiben des Klägers v. 08.03.2012, konkretisiert und teils wiederholend durch Schreiben v. 16.03.2012 sowie erinnernd durch Schreiben v. 29.05.2012).
Damit war der Beklagten ermächtigt („kann“; zum sog. Kompetenz-Kann" in Abgrenzung zum Ermessen vgl. z.B. Mrozynski, SGB I, 6. Aufl., § 39 Rn. 4), „das Einkommen im Bewilligungszeitraum für die abschließende Entscheidung“ zu schätzen“ (§ 3 Abs. 6 Alg II-V). Diese Schätzbefugnis ermöglicht keine, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare, Ermessensentscheidung (§ 39 Abs. 1 SGB I, § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG) des Beklagten, sondern nur eine gebundene, gerichtlich uneingeschränkt überprüfbare Entscheidung (vgl. z.B. Mecke in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 13 Rn. 72 i.V.m. 46 und - dem folgend - LSG Baden-Württemberg v. 24.05.2016 - L 13 AS 5120/14 - Rn. 37). Eine rechtmäßige Schätzung setzt die Ermittlung und Benennung der Schätzungsgrundlagen voraus, sie darf nicht "völlig in der Luft hängen" (zu den Anforderungen an Schätzungen im Rahmen der Bedarfsbemessung vgl. z.B. BSG v. 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R - Rn. 23). Sie ist so exakt vorzunehmen, wie dies bei noch verhältnismäßigem Verwaltungsaufwand möglich ist, und nur dann nicht zu beanstanden, wenn sie auf sorgfältig ermittelten Tatsachen gründet und nachvollziehbar ist, weil sie insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (zur Schätzung nach § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV vgl. z.B. BSG v. 27.04.2021 - B 12 R 18/19 R - Rn. 39). Dem entsprechend sind bei fehlender Mitwirkung i.S.d. § 3 Abs. 6 Alg II-V von Amts wegen Ermittlungen zu den Grundlagen einer Schätzung anzustellen und die dazu maßgeblichen Überlegungen im Bescheid über die abschließende Bewilligung im Einzelnen wiederzugeben (vgl. z.B. BSG v. 12.09.2018 - B 4 AS 39/17 R - Rn. 42). Für die gerichtliche Überprüfung der Schätzung ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids abzustellen (zu § 3 Abs. 6 Alg II-V vgl. z.B. Mecke, a.a.O., § 13 Rn. 72 i.V.m. 46; zur Schätzung nach § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV vgl. z.B. BSG v. 27.04.2021 - B 12 R 18/19 R - Rn. 37, 39 f.).
Nach diesen Maßstäben ist die Schätzung des Beklagten im gegenständlichen Bescheid zu beanstanden, da sie sich nach Feststellung der mangelnden Mitwirkung des Klägers auf die schlichte Mitteilung beschränkt, es sei "davon auszugehen, dass genügend Einkommen zum Leben vorhanden war", weshalb das "Einkommen aus Selbständigkeit … auf mindestens den errechneten und bislang vorläufig gewährten Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II geschätzt" werde (Bescheid v. 18.12.2012, S. 2; Widerspruchsbescheid v. 03.01.2013, W 4242/12, S. 3). Diese Begründung lässt jegliche konkrete Auseinandersetzung mit den - teils widersprüchlichen - Angaben des Klägers zur Ausübung seines Gewerbes bzw. seiner freiberuflichen Tätigkeit vermissen. Auch ein naheliegender Hinweis auf die unklare Herkunft der im Schreiben vom 16.03.2012 benannten Geldbeträge erfolgten ebenso wenig wie weitergehende, vorherige Ermittlungsversuche (z.B. Einholung einer Auskunft des Finanzamts nach §§ 31, 31a AO über vom Kläger erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. selbständiger Arbeit; Vernehmung des Pro O.... e.V. bzw. der Sanierungskommission A....-O.... über weitere Tätigkeiten des Klägers nach 2006; ggf. Vorgehen nach § 64 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 319 Abs. 1 SGB III).
Weiterhin hat der Beklagte den Kläger vor der Schätzung nicht angehört (zum Erfordernis vgl. z.B. Mecke, a.a.O., § 13 Rn. 72 i.V.m. 46; LSG Baden-Württemberg v. 24.05.2016 - L 13 AS 5120/14 - Rn. 37), da sich das einen entsprechenden Hinweis enthaltene Schreiben vom 29.05.2012 auf das Schreiben vom 16.03.2012, dieses sich auf das Schreiben vom 23.02.2012, dieses sich wiederum auf das "Einkommen in den Bewilligungszeiträumen 2008 / 2009 / 2010 / 2011" bezog (vgl. bereits oben) und der hier teilweise erfasste Bewilligungszeitraum von November 2011 bis April 2012 zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet gewesen ist. Eine Nachholung der Anhörung im Vorverfahren erfolgte ebenso nicht, da der Bescheid vom 18.12.2012 im laufenden Vorverfahren zum Bescheid vom 12.03.2012 (vgl. bereits oben) und der Widerspruchsbescheid vom 03.01.2013 (W ….) vor Ablauf der Monatsfrist erging, innerhalb derer ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.12.2012 eingelegt werden könne (vgl. dessen Rechtsbehelfsbelehrung) und erfolgte (vgl. Schreiben v. 04./15.01.2013).
Gleichwohl war der gegenständliche Bescheid nicht aufzuheben, da er sich nach den vorinstanzlichen Ermittlungen aus anderen Gründen als materiell-rechtlich richtig erweist (zur Aufhebung eines auf nicht ausreichender Sachverhaltsermittlung beruhenden Verwaltungsakts nur dann, wenn er auch materiell-rechtlich falsch ist, vgl. z.B. z.B. BSG v. 27.04.2021 - B 12 R 18/19 R - Rn. 39). Dabei kann dahinstehen, ob die Schätzung des Beklagten durch das SG "geheilt" werden konnte (dies offenbar ablehnend z.B. Mecke, a.a.O., § 13 Rn. 71, wonach nur überprüft werden könne, ob die Schätzung als solche ordnungsgemäß durchgeführt worden ist; daran wiederum - für den Fall einer sog. reinen bzw. isolierten Anfechtungsklage anknüpfend - z.B. LSG Baden-Württemberg v. 24.05.2016 - L 13 AS 5120/14 - Rn. 40 ff.; wohl ebenso für die Schätzung nach § 2 Abs. 7 Alg II-V z.B. Lange in: Eicher u.a., 5. Aufl., § 13 Rn. 49), da der Kläger hier nicht nur die Aufhebung des gegenständlichen Bescheids, sondern abschließend höhere als ihm vorläufig bewilligte und erbrachte Leistungen begehrt. Eine (Grund-) Voraussetzung hierfür ist die Hilfebedürftigkeit (vgl. insb. § 19 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II) des Klägers. Wenn Einkommensverhältnisse im streitgegenständlichen Zeitraum nach Ausschöpfung sämtlicher verfügbarer Erkenntnisquellen nicht mehr aufgeklärt werden können und keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine realistische Schätzung vorhanden sind, darf eine Beweislastentscheidung getroffen und kann eine Person, die ihre Hilfebedürftigkeit geltend macht, so behandelt werden, als ob ihre Hilfebedürftigkeit durchgehend nicht vorgelegen hätte (vgl. hierzu z.B. BSG v. 15.06.2016 - B 4 AS 41/15 R - Rn. 29 ff.; zur objektiven Beweislast im sozialgerichtlichen Verfahren vgl. weiterhin z.B. BSG v. 11.07.2019 - B 14 AS 51/18 R - Rn. 35). Nichts Anderes hat das SG in den Gründen seiner Entscheidung dargelegt (vgl. SG-Urteil, S. 7 ff.). Darauf nimmt der Senat Bezug, da er sie für zutreffend hält, und sieht von einer weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Denn auch das wiederholende Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist weder geeignet, seine Hilfebedürftigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum zu begründen, noch ergeben sich daraus Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen.
Nach seinem Vorbringen im Berufungsverfahren habe er als freiberuflich Tätiger von 2002 bis 2012 insgesamt 796,- € (100,- € + 600,- € + 96,- €) an Einkünften erzielt (vgl. hierzu die Rechnung v. 15.12.2006, Quittung v. 30.08.2008 und Rechnung v. 15.04.2011). Weitere Einkünfte habe er nicht erzielt, da er als Freiberufler am Markt gescheitert sei. Wie dies mit seinem Vorbringen vereinbar sein soll, wonach er "Aufträge über online ausgeschriebene Projekte, die weit unter dem Marktpreis bezahlt wurden" (vgl. Schreiben seiner Bevollmächtigten v. 27.04.2018, S. 3) gesucht habe, erschließt sich nicht, da die Unterbietung marktüblicher Preise bei ausreichender Qualität in der Regel zu mehr und nicht weniger Anfragen bzw. Aufträgen führt. Davon abgesehen sind drei Aufträge in ca. zehn Jahren in einer Branche mit - selbst nach eigenen Angaben - hoher Nachfrage (vgl. Schreiben seiner Bevollmächtigten v. 27.04.2018, S. 11) nicht glaubhaft, zumal der Kläger nach seiner Gewerbeanmeldung ein sehr breit gefächertes, wenn auch nicht aufeinander abgestimmtes, Unternehmensangebot unterbreiten konnte. Insoweit erschließt sich dem Senat auch nicht, aus welchen Gründen die - seit 2010 / 2011 in den USA lebende - Schwester (vgl. deren E-Mail an den Beklagten v. 29.01.2014) und - in einem anderen Bundesland wohnende - Mutter des Klägers konkrete und verwertbare Aussagen über dessen (Un-) Fähigkeit, "eine selbständige Tätigkeit als Programmierer auszuüben" (vgl. z.B. Schreiben der Mutter an die Bevollmächtigte des Klägers v. 08.02.2018) tätigen können, zumal deren schriftliche Ausführungen sehr allgemein gehalten sind und sich teils nahezu wörtlich mit der Berufungsbegründung decken (vgl. insb. das Schreiben der Schwester an die Bevollmächtigte des Klägers v. 06.03.2018) sowie sich wiederum nur auf einen Teil der Tätigkeiten des angemeldeten Gewerbes beziehen. Die Erklärungen des Klägers zu den kaum nachgewiesenen Ausgaben für Lebensmittel oder Drogerieartikel, wonach er daran gespart habe, "da hierfür kein Geld mehr übrig war" (vgl. Schreiben seiner Bevollmächtigten v. 27.04.2018, S. 10 f.), sind ebenso nicht geeignet, die Entscheidungsgründe des SG ernsthaft in Frage zu stellen oder weitere Ermittlungsansätze zu begründen. Gleiches gilt für die "größeren Geldeingänge auf dem Konto des Klägers", da sie sich selbst nach eigenem Vorbringen "nicht endgültig aufklären lassen" (vgl. Schreiben seiner Bevollmächtigten v. 27.04.2018, S. 11 f.).
Dahinstehen kann unter diesen Umständen, ob der Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für die gemietete Wohnung des Klägers anzuerkennen ist, nachdem er diese teils (20 m²) bzw. nahezu ausschließlich (40 m²) gewerblich genutzt habe (vgl. Anlage EKS v. 09.11.2011 bzw. „korrigiert“ v. 05.03.2012; vgl. hierzu z.B. BSG v. 06.08.2014 - B 4 AS 37/13 R - Rn. 21, wonach Räume zum Zwecke der Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht vom Unterkunftsbedarf i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfasst sind).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) liegen nicht vor.