S 25 KR 490/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 490/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 7/21 DS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 SF 1/22 R
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist unzulässig und der Rechtsstreit wird an das zuständige Landgericht Düsseldorf verwiesen. 

Gründe

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger macht mit der am 23. Juni 2021 beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO [VO (EU) 2016/679]) wegen nicht fristgerecht erteilter Auskunft gemäß Art. 12 Abs. 3 DSGVO geltend. Für dieses Klagebegehren ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit unzulässig. 

Art. 82 Abs. 6 DSGVO bestimmt, dass die Gerichte mit Schadenersatzklagen zu befassen seien, die „nach den in Artikel 79 Abs. 2 genannten Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zuständig sind“. Art. 79 Abs. 2 DSGVO regelt nur Fragen des internationalen Prozessrechts, nicht aber die sachliche und örtliche Zuständigkeit innerhalb des Mitgliedstaates, wie ohnehin die DSGVO an keiner Stelle innerstaatliche Zuständigkeiten bestimmt. Das jeweils zuständige Gericht ist dann nach den nationalen Gesetzen des Mitgliedstaates zu bestimmen. 

Aufgrund der unmittelbaren Geltung des Art. 82 DSGVO enthalten weder das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) noch das Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) Regelungen zum Schadenersatz wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Für die gerichtliche Durchsetzung eines Schadenersatzanspruchs gelten nicht die §§ 81a und 81b SGB X. Vielmehr erfolgt wie nach bisherigem Recht eine Aufspaltung. Hinsichtlich der Feststellung eines Verstoßes eines Verantwortlichen oder eines Auftragsverarbeiters gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen der DSGVO und des Sozialgesetzbuchs ist über § 81b Abs. 1 SGB X die Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Soweit – wie vorliegend - eine Verletzung von Rechten festgestellt ist, sind Schadensersatzansprüche entsprechend Art. 34 Satz 3 Grundgesetz (GG) sowie § 40 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bei Amtspflichtverletzungen vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen: Dies gilt auch bei Klagen gegen Auftragsverarbeiter von Sozialleistungsträgern, weil kraft Sachzusammenhangs hier eine hoheitliche Tätigkeit vorliegt (vgl. Bieresborn/Giesberts-Kaminski, Auswirkungen der EU-Datenschutz-Grundverordnung und der Anpassungsgesetze auf die Sozialgerichtsbarkeit (Teil III), Die Sozialgerichtsbarkeit 2018, 609, 613; Rombach in: Hauck/Noftz, SGB, 08/19, § 81b SGB X, Rn. 31; BeckOK DatenschutzR/Quaas, 37. Ed. 1.8.2021, DSGVO Art. 82 Rn. 48). 

Ausgehend von diesen prozessrechtlichen Grundsätzen betrifft das Klagebegehren des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nicht eine öffentlich – rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist deshalb nicht gemäß § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eröffnet. Es handelt sich vielmehr um eine bürgerlich – rechtliche Streitigkeit, für die gemäß § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) die Zivilgerichte ausschließlich zuständig sind. Für Amtshaftungsansprüche nach Artikel 34 Satz 3 GG in Verbindung mit § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG ausschließlich die Landgerichte sachlich zuständig. Dies gilt auch dann, wenn zivilrechtliche Schadensersatzansprüche ihre Wurzeln in einem öffentlich – rechtlichen Versicherungsverhältnis haben (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 1975, 5 RKn U 18/74, Die Sozialgerichtsbarkeit 1975, Seite 409). 

Dem hilfsweise gestellten Antrag des Klägers auf Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Neuruppin als dem Gericht des Tatortes (§ 32 ZPO) ist nicht zu folgen. § 839 BGB regelt die Verantwortlichkeit des Amtswalters abschließend und verdrängt in seinem Anwendungsbereich als lex specialis die allgemeinen Deliktstatbestände der §§ 823 ff. BGB sowie diejenigen außerhalb des BGB, die Verschulden voraussetzen. Hieraus ergibt sich, dass derjenige Amtswalter, der in Ausübung seines Amtes den Tatbestand der unerlaubten Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB erfüllt, damit zugleich eine Amtspflichtverletzung begeht (Zimmerling/Wingler in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 839 BGB (Stand: 27.09.2021), Rn. 8).

Da der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz verklagt, ist der Rechtsweg nach § 51 SGG zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht zulässig, so dass der Rechtsstreit gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 17 a Absatz 2 GVG an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Düsseldorf zu verweisen ist. 

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten (§ 17 b Absatz 2 GVG). 

Rechtskraft
Aus
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