L 7 R 4160/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 643/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 4160/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. November 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Beginn der dem Kläger bewilligten Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1959 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Von 1984-1997 war er als Berufskraftfahrer selbständig tätig. Seit 1998 war er als Pflegeperson seiner pflegebedürftigen, am 1. August 2016 verstorbenen Ehefrau tätig. Seit 6. Dezember 2016 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie das Merkzeichen G festgestellt (zuvor seit September 2013 GdB 30).

Am 28. Februar 2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung führte er an, dass er sich seit Herbst 2015 wegen Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, Diabetes, einer defekten rechten Achillessehne, Polyneuropathie, Herzrhythmusstörungen, chronischen Schmerzen, Inkontinenz und Karpaltunnelsyndrom für erwerbsgemindert halte.

Die Beklagte ließ den Kläger durch den Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. L. begutachten. Im Gutachten vom 2. Mai 2016 stellte der Gutachter folgende Diagnosen:

  1. Verschleißbedingte höhergradige Bewegungseinschränkung der gesamten Wirbelsäule ohne Hinweise auf Beeinträchtigung von Nervenstrukturen (etwa im Bereich austretender Nervenwurzeln),
  2. leichtgradige Funktionsstörungen der Schultergelenke bei Rotatoren-Syndrom,
  3. insulinpflichtiger Diabetes mellitus (Kohlenhydratstoffwechselstörung) mit leichtgradiger diabetogener Nervenschädigung (Polyneuropathie),
  4. schlafbezogene Atmungsstörung (obstruktives Schlafapnoesyndrom) mit nächtlicher Atemunterstützung (BiPAP),
  5. Adipositas (Körperübergewicht).

Als sonstige Diagnosen teilte er einen Bluthochdruck, medikamentös behandelt, unkompliziert, eine Fettstoffwechselstörung sowie arteriosklerotische Gefäßveränderungen (Carotisplaques beidseits) mit. Zumindest körperlich leichte überwiegend oder ständig sitzend zu verrichtende Tätigkeiten könnten weiterhin täglich sechs Stunden und mehr verrichtet werden. Höhere Anforderungen an die Wirbelsäulenfunktion und an die Schultergelenksfunktionen seien auszuschließen. Das Gehvermögen sei leicht beeinträchtigt, die Wegefähigkeit gegeben.

Mit Bescheid vom 19. Mai 2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2017 zurück.

Am 28. Februar 2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Radiologe Prof. Dr. M., Diabetologe Dr. Z., der Facharzt für Urologie Dr. S. und Facharzt für Neurologie H. haben wegen möglicher Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers auf das orthopädische Fachgebiet verwiesen. Der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S. hat unter dem 17. Oktober 2017 mitgeteilt, aus pneumologischer Sicht sei der Kläger in der Lage mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Fachärztin für Psychiatrie Dr. S. konnte aufgrund einer nur einmaligen Vorstellung des Klägers im Juni 2016 keine Angaben zu dessen beruflicher Leistungsfähigkeit machen. Der Arzt für Innere Medizin - Kardiologie Dr. H. hat eine berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers für sechs Stunden arbeitstäglich auf seinem Fachgebiet bestätigt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. I. hat mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 mitgeteilt, aufgrund der Entwicklung der beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen sei sie der Meinung, dass dieser nicht in der Lage sei, mindestens sechs Stunden erwerbstätig zu sein, wobei maßgeblich die enormen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule seien. Diese Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bestehe seit ca. drei Jahren.

Das SG hat den Facharzt für Orthopädie Dr. M. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 3. Mai 2018 hat der Gutachter folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

  1. Mittelgradige Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule bei bildgebend nachgewiesenem Facettensyndrom und Bandscheibenvorfall L3/4 ohne Nervenwurzelreizungen, ausgeprägte spondylotische Spangenbildung der Brust- und Lendenwirbelsäule, endgradige Bewegungsstörungen der Halswirbelsäule ohne radikuläre Befunde,
  2. Funktionsstörung beider Schultergelenke bei degenerativ bedingtem Impingement durch ein degeneratives Rotatorenmanschettensyndrom,
  3. Achillodynie beiderseits, derzeit links führend.

Der Kläger sei in der Lage im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche leichte körperliche Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen mit der selbstbestimmten Möglichkeit des Aufstehens und Umhergehens sechs Stunden täglich und mehr auszuüben. Zu vermeiden seien schwere und mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über fünf Kilogramm, dauerndes Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen oder in gleichförmiger Körperhaltung, häufiges Bücken und Überkopfarbeiten. Der Kläger sei in der Lage, täglich viermal einen Fußweg von 500 Metern in jeweils 20 Minuten als Arbeitsweg zurückzulegen, öffentliche Verkehrsmittel oder einen eigenen Pkw zu benutzen. Eine Besserung der Leistungsfähigkeit könne gegebenenfalls durch eine ambulant durchzuführende schmerztherapeutische Behandlung erreicht werden.

Der Kläger hat das Pflegegutachten der Ärztin A. vom 26. Juli 2018 vorgelegt.

Des Weiteren hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. B. im Rahmen seiner sachverständigen Zeugenaussage mit Schreiben vom 27. August 2018 ausgeführt, der Kläger sei aus rein orthopädischer Sicht in der Lage, einer wenig körperlich belastenden Tätigkeit nachzugehen. Aufgrund einer ausgeprägten psychosomatischen und internistischen Komorbidität (chronische Schmerzproblematik und Adipositas permagna) halte er es allerdings für unwahrscheinlich, dass der Kläger dazu noch bzw. wieder in der Lage sei.

Auf Antrag des Klägers hat Dr. S1 ein weiteres orthopädisches Gutachten erstattet. Im Gutachten vom 6. Mai 2019 hat der Gutachter folgende Gesundheitsstörungen angegeben:

  1. Eingeschränkte Mobilität und Gehfähigkeit bei absoluter Spinalkanalstenose lumbal L3/4 und relative Spinalkanalstenose HWK 5/6 mit eingeschränkter Wegefähigkeit,
  2. DISH = diffuse idiopathische skelettale Hyperostose mit Mobilitätseinschränkung von Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule,
  3. Rotatorenmanschettendefekt Schultergelenke mit Impingementsyndrom Schultergelenke beidseits,
  4. Bewegungseinschränkung Hüftgelenke beidseits bei sonographischer Coxarthrose beidseits,
  5. chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren,
  6. insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit leichtgradiger diabetogener Nervenschädigung Polyneuropathie der Hände und Füße,
  7. schlafbezogene Atmungsstörung im Sinne des obstruktiven Schlafapnoesyndroms mit nächtlicher Atemunterstützung,
  8. Adipositas,
  9. Bluthochdruck,
  10. Fettstoffwechselstörung,
  11. Arteriosklerose Gefäßveränderungen der Halswirbelsäule mit Schwindelneigung und Synkopenneigung bei Kopfdrehung/Gangunsicherheit,
  12. Achillodynie beidseits.

Möglich seien noch leichte körperliche Tätigkeiten bis unter drei Stunden ohne wesentliche fingerfeinmotorische Tätigkeiten. Zu vermeiden seien schwere und mittelschwere Tätigkeiten, Heben von Lasten über fünf Kilogramm, häufiges Bücken, Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit Gehen und Stehen, gleichförmige Körperhaltungen, Arbeiten in Kälte, Nässe und Zugluft, Tätigkeiten mit Publikumsverkehr sowie Tätigkeiten unter nervlicher Belastung. Der Kläger sei auch nicht in der Lage, viermal täglich einen Fußweg von 500 Metern in 20 Minuten als Arbeitsweg zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Er könne auch keinen Pkw eigenständig führen. Die Leistungseinschränkung bestehe seit Rentenantragstellung. Nachdem dem Gutachten ein falsches Messblatt „Wirbelsäule“ beigefügt war, hat der Gutachter unter dem 17. September 2019 ein nach Gedächtnisprotokoll erstelltes Messblatt „Wirbelsäule“ vorgelegt.

Die Beklagte hat eine ausführliche sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. B-K. vom 27. August 2019 vorgelegt.

Mit Urteil vom 11. November 2019 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2017 verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. November 2019 bis 31. Januar 2021 zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kammer gehe von einem Leistungsfall am 29. April 2019 aus. Im Vordergrund ständen die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet. Die bestehenden Gesundheitsstörungen führten dazu, dass die qualitativ noch angemessenen Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden täglich ausgeübt werden könnten. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte, von der Beurteilung des Gutachters Dr. S1 abzuweichen. Dieser habe sich intensiv mit den beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen auseinandergesetzt. Die erhobenen Befunde seien entsprechend gewürdigt worden. Dr. M. habe die Leistungseinschätzung der Beklagten im Verwaltungsverfahren bestätigt und schlüssig und nachvollziehbar ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für zumutbar erachtet. Die Kammer sehe es aber als erwiesen an, dass seit der Begutachtung des Klägers durch Dr. M. eine wesentliche Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten sei. Es sei auch zu beachten, dass zwischenzeitlich ein Pflegebedarf von 95 Minuten im Rahmen des Pflegegutachtens vom 26. Juli 2018 festgestellt worden sei. Es sei von einem Leistungsfall zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S1, mithin am 29. April 2019 auszugehen. Die befristet zu gewährende Erwerbsminderungsrente beginne daher ab dem 1. November 2019.

Am 11. Dezember 2019 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Rentenantragstellung auf Dauer. Entsprechend den medizinischen Feststellungen von Dr. S1 seien die Rentenleistungen ab Antragstellung zu gewähren. Dem Urteil lasse sich nicht entnehmen, wie das Gericht zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Gesundheitssituation des Klägers zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S1 gekommen sei. Das Gutachten von Dr. M. sei schon deshalb unverwertbar, weil die Untersuchung weniger als 30 Stunden nach einer Injektionstherapie des Klägers in der Lendenwirbelsäule auf Höhe L5/S1 erfolgt sei. Zudem ergebe sich aus den von Dr. M. nicht berücksichtigten radiologischen Untersuchungen eine deutliche Spinalkanalstenose im Bereich der Lendenwirbelsäule. Diese sei wesentlich für die festgestellten Funktionseinschränkungen mit der Folge, dass der Kläger keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne. Die von Dr. M. nicht berücksichtigte Diagnose einer DISH (Morbus Forestier) könne alleine auf Röntgennativaufnahmen gestellt werden. Schon im September 2013 sei nach kernspintomografischer Untersuchung und danach durchgeführter Funktionsaufnahmen der LWS festgestellt worden, dass die Beweglichkeit zwischen L2 und L5 nahezu aufgehoben sei und eine ankylosierende Spondylose im Segment L4/5 und eine beginnende ventrale Spondylose aller Abschnitte vorliege. Schon zu diesem Zeitpunkt sei festgestellt worden, dass der Kläger seine Analregion nicht mehr habe erreichen können und mit einer weiteren Einsteifung habe gerechnet werden müssen. Infolgedessen sei der Kläger auch vom MDK untersucht wurden, der die Bewilligung des Aqua-Clean nach der Untersuchung am 30. Oktober 2013 befürwortet habe. Es habe sich zwischen der Begutachtung durch Dr. M. und Dr. S1 keine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes ergeben. Im Gutachten des Dr. M. seien maßgebliche Befunde nicht gewürdigt worden. Zudem sei im Gutachten der Dipl.-Medizinerin A. eine Pflegebedürftigkeit entsprechend der Pflegestufe I seit Februar 2016 festgestellt worden. Zudem bestehe beim Kläger eine COPD GOLD III. In diesem Stadium trete bereits bei leichten körperlichen Anstrengungen Atemnot auf.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. November 2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis 31. Oktober 2019 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat dem Kläger mit Bescheid vom 11. März 2020 entsprechend dem Urteil des SG Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt und für die Zeit ab 1. Februar 2021 zunächst mit Bescheid vom 15. Dezember 2020 Altersrente für schwerbehinderte Menschen und sodann mit Bescheid vom 7. Juli 2021 stattdessen die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bis zum Erreichen des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wird, weitergewährt.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass bei der erstmaligen Rentenbewilligung noch keine dauerhafte Leistungsminderung vorgelegen habe; es habe zu diesem Zeitpunkt noch eine Besserungswahrscheinlichkeit vorgelegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Gegenstand des Verfahren war zunächst der Bescheid vom 19. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2017, mit dem Beklagte die Beklagte die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente abgelehnt hat. Diesen Bescheid hat das SG im angefochtenen Urteil vom 11. November 2019 aufgehoben und die Beklagte zu einer Rentengewährung ab 1. November 2019 bis 31. Januar 2021 verurteilt. In Umsetzung des Urteils hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11. März 2020 dementsprechend zunächst für die Zeit ab 1. November 2019 eine bis 31. Januar 2021 befristete und mit Bescheid vom 7. Juli 2021 ab 1. Februar 2021 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bewilligt. Soweit der Kläger damit seit 1. November 2019 durchgehend und nunmehr auf Dauer Erwerbsminderungsrente erhält, hat sich der Rechtsstreit erledigt. Streitig ist damit lediglich noch ein Anspruch für die Zeit ab 1. Februar 2016 (Beginn des Monats der Rentenantragstellung) bis zum 31. Oktober 2019.

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung vor dem 1. November 2019.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 103 SGG) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG) zu ermitteln und festzustellen, a) Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der Krankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet, b) Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen)  sowie den c) Ursachenzusammenhang („wegen“) zwischen a) und b) (z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris Rdnr. 13).

Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung und die Zeit bis zum 31. Oktober 2019 erfüllt, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger in der streitgegenständlichen Zeit vom 1. Februar 2016 bis 31. Oktober 2019 erwerbsgemindert war. Bei der Beurteilung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit stehen im Vordergrund die Gesundheitsstörungen des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet. Der Senat ist jedoch nicht überzeugt, dass diese in der maßgeblichen Zeit von einer solchen Schwere waren, dass sie das Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt und nicht qualitative Einschränkungen genügt haben, um dessen Leiden gerecht zu werden. Der Eintritt einer rentenberechtigenden Leistungsminderung muss im Wege des Vollbeweises festgestellt sein, vernünftige Zweifel am Bestehen der Einschränkungen dürfen nicht bestehen. Gemessen daran vermag der Senat nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass bezüglich dem Kläger zumutbarer Tätigkeiten eine rentenrechtlich relevante qualitative oder eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich vorliegt.

Der Gutachter Dr. M. ist in seinem Gutachten vom 3. Mai 2018 im Einklang mit den erhobenen Befunden für den Senat schlüssig und überzeugend zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leistungsfähig hinsichtlich körperlich leichter Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen mit der selbstbestimmten Möglichkeit des Aufstehens und Umhergehens und unter Vermeidung von Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über fünf Kilogramm, dauernden Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen oder gleichförmiger Körperhaltung, häufigem Bücken und Überkopfarbeiten ist. Bei der Begutachtung durch Dr. M. saß der Kläger während der gesamten Anamneseerhebung auf der Untersuchungsliege und legte die Hände auf den Griffen seines Rollators ab, wobei er diese Haltung während der gesamten Anamneseerhebung nicht veränderte. Er nahm keinen Haltungswechsel vor. Auch bei spontanen Bewegungen der Halswirbelsäule war diese nicht erkennbar eingeschränkt. Das Be- und Entkleiden konnte vom Kläger (bis auf die Strümpfe) selbsttätig durchgeführt werden. Ebenso ergab sich im Rahmen der Untersuchung durch Dr. M. keine wesentliche Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Er hat auch keinen Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression der Halswirbelsäule gefunden. Der Foramenkompressionstest nach Spurling (Test auf halswirbelsäulenbedingte Nervenwurzeleinklemmungen) war nach beiden Richtungen negativ. Auch bei der segmentalen Untersuchung waren die Kopfgelenke frei beweglich, es bestanden keine Hypo- oder Hypermobilitäten und keine wesentlichen Muskelverspannungen im Trapezius- und Levator-scapulae-Bereich. Die Rumpfvorwärtsbeuge konnte bis zu einem Fingerspitzen-Boden-Abstand von 30 Zentimeter durchgeführt werden. Dabei betrug der S.-Index 10/13 Zentimeter, womit die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule geringfügig eingeschränkt war. Den O.-Index hat Dr. M. mit 30/33 Zentimeter erhoben, woraus sich eine ebenfalls geringfügig eingeschränkte Entfaltbarkeit der Brustwirbelsäule ergab. Das Aufrichten aus gebückter Position erfolgte ohne Abstützvorgänge und ohne spontane Schmerzangabe. Auch die Rotationsbeweglichkeit im Sitzen war mit 40/0/40 Grad nicht eingeschränkt. An beiden Beinen fanden sich keine vertebragen einzuordnenden Sensibilitätsstörungen. Achilles- und Patellarsehnenreflex waren seitengleich lebhaft auslösbar. Eine Hyposensibilität an der linken Kleinzehe und an der fibularen Seite der linken Großzehe ließ sich keinem vertebragenen Schema unterordnen. Im Bereich des Beckens hat der Gutachter Dr. M. im Rahmen der Befunderhebung keinen Hinweis auf eine Hüftgelenkserkrankung festgestellt. Im Bereich der unteren Extremitäten hat er eine freie Beweglichkeit beider Kniegelenke erhoben. Ebenso waren die Sprunggelenke seitengleich frei beweglich. Es fand sich eine spindelförmige Verdickung beider Achillessehnen mit Druckschmerzen links. Ein wesentliches Unterschenkelödem war nach Ablegen der Unterschenkelkompressionsstrümpfe nicht feststellbar. Die Muskelumfangsmessungen waren seitengleich, sodass keine einseitige Schonungsverschmächtigung der Muskulatur, wie sie bei einem etwa linksseitig betonten vertebragenen Schmerz zu erwarten wäre, vorlag. Auch im Bereich der oberen Extremitäten hat Dr. M. keine isolierten Myatrophien der schulterdeckenden Muskulatur festgestellt. Die Beweglichkeit der Schultergelenke war insbesondere für die Seitwärtshebung endgradig eingeschränkt. Die Vorwärtshebung als Hauptfunktionsebene der Schulter gelang rechts bis 120 Grad, links bis 130 Grad. Eine wesentliche Einschränkung der Rotation bestand nicht. Die Impingement-Zeichen waren positiv. Weitere wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der oberen Extremitäten sind den von Dr. M. erhobenen Befunden nicht zu entnehmen. Danach waren bei Begutachtung durch Dr. M. mit der bereits bestehenden fortgeschrittenen Spondylose der Brust- und Lendenwirbelsäule und dem degenerativen Rotatorenmanschettensyndrom keine schwerwiegenden Funktionsbeeinträchtigungen verbunden. Aus welchen Gründen die im Segment L5/S1 erfolgte Injektionstherapie 30 Stunden vor der Begutachtung zu einer Unverwertbarkeit des Gutachtens von Dr. M. führen sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Die beim Kläger bestehenden Beschwerden lagen vielmehr im Bereich L3/4, wo gerade keine Behandlung erfolgt war. Gleichwohl konnte Dr. M. keine erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen feststellen. Im Übrigen spricht eine Verminderung von Funktionsbeeinträchtigungen durch therapeutische Maßnahmen für eine bestehende Beeinflussbarkeit der Funktionsbeeinträchtigungen und damit gegen einen auf nicht absehbare Zeit bestehenden Zustand.

Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf das Pflegegutachten der Ärztin A. vom 26. Juli 2018 geltend macht, dass von Dr. M. wesentliche Diagnosen nicht berücksichtigt worden seien, ist darauf hinzuweisen, dass nicht Diagnosen für die Frage des Vorliegens einer rentenrechtlich relevanten Erwerbsminderung entscheidend sind, sondern alleine Funktionsbeeinträchtigungen anhand der festzustellenden objektiv-klinischen Befunde (Senatsurteil vom 17. März 2016 – L 7 R 1752/14 – n.v.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 2012 – L 13 R 6087/09 – juris Rdnr. 22). Zudem hat die Ärztin A. den Kläger nicht im Hinblick auf seine Erwerbsfähigkeit untersucht. Im Gutachten wurden vielmehr im Hinblick auf eine Feststellung der Pflegebedürftigkeit die vom Kläger gezeigten Funktionseinschränkungen dokumentiert und unter deren Zugrundelegung der Hilfebedarf bei einzelnen Verrichtungen ermittelt. Die Pflegegutachterin hat jedoch – entsprechend ihrer Aufgabe – keine eigenen Feststellungen hinsichtlich der bestehenden Gesundheitsstörungen getätigt und die gezeigten Funktionsbeeinträchtigungen auch nicht unter Einbeziehung der bestehenden Gesundheitsstörungen gewürdigt und objektiviert. Das Fehlen einer mindestens sechsstündigen Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Tätigkeiten lässt sich auf das Gutachten nicht stützen. Dem Gutachten ist allerdings zu entnehmen, dass der Kläger sinnvolle Beschäftigungen gefunden habe, z.B. als Berater, bei denen er sein Wissen einsetzen könne, ohne durch Bewegungseinschränkungen limitiert zu werden, was eher die Annahme des Bestehens der Leistungsfähigkeit für qualitativ angemessene Tätigkeiten stützt.

Der Senat ist auch durch das Gutachten von Dr. S1 nicht von einer zeitlichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers überzeugt. Insbesondere kann der Senat dem Gutachten nicht mit hinreichender an Gewissheit grenzender Wahrscheinlich eine wesentliche Verschlechterung der Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den Feststellungen des Gutachters Dr. M. entnehmen. Hinsichtlich der von ihm dargestellten Befunde hat Dr. S1 nicht dargelegt, inwieweit diese zu objektivieren sind. So konnte das Be- und Entkleiden bei der Begutachtung durch Dr. M., bis auf das Aus- und Anziehen der Socken, vom Kläger selbständig durchgeführt werden. Die Pflegekraft S. war bei dieser Begutachtung nicht anwesend. Nach dem Gutachten von Dr. S1 hat bei der dortigen Untersuchung das Entkleiden des Klägers die Pflegekraft durchgeführt, ohne dass eine entsprechende Notwendigkeit sowie die Gründe für die Anwesenheit der Pflegekraft aufgezeigt worden sind. Bezüglich der als deutlich eingeschränkt beschriebenen Wirbelsäulenbeweglichkeit ist der Senat vom Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen nicht überzeugt. Dr. S1 hat zwar angegeben, dass die bestehende Beeinträchtigung mit aktuell durchgeführten Kernspinaufnahmen korreliere. Wieso jedoch die Feststellungen einer tatsächlich vorhandenen Beweglichkeit durch eine Dr. M. vorliegende veraltete konventionelle Radiologie bedingt sein sollten, ist nicht nachvollziehbar. So wurde auch bei Dr. M. die Beweglichkeit der Halswirbelsäule hinsichtlich der Rotation zunächst auf 30/0/30 Grad eingeschränkt gezeigt. Nach mehrfachen Versuchen war dann aber eine normwertige Rotationsbeweglichkeit erreichbar. Nach den Angaben von Dr. S1 war eine Rotation rechts/links bis 35/0/35 Grad möglich, was im Übrigen lediglich eine mittelgradige Beweglichkeitseinschränkung bedeutet. Dass Dr. S1 wie Dr. M. entsprechende Versuche zur Objektivierung der Beeinträchtigungen abverlangt hat, ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen, obgleich er selbst darauf hingewiesen hat, dass die Bewegungsuntersuchung mitarbeitsabhängig sei. Hinsichtlich der vom Kläger im Bereich der Halswirbelsäule geklagten Beschwerden mit Ausstrahlung in den Hinterkopf hat Dr. M. dargelegt, dass diese kein wesentliches klinisches Korrelat haben. Nervenausfälle hat er nicht erhoben. Die Sensibilitätsstörungen im Kleinfinger und ulnaren Handbereich links sind nach seinen Angaben nicht orthopädisch zu erklären. Ein Kompressionseffekt vonseiten der Halswirbelsäule auf die abgehenden Nerven lag bei negativem Foramenkompressionstest nach Spurling nicht vor. Auch bezüglich der von Dr. S1 angegebenen Funktionsbeeinträchtigungen der Rumpfwirbelsäule ist der Senat nicht überzeugt, dass diese aufgrund ihrer Schwere eine zeitliche Leistungsminderung begründen. Die Behauptung von Dr. S1, der Gutachter Dr. M. habe sich auf ältere radiologische Materialien verlassen, ist unzutreffend, da Dr. M. Bilder einer kernspintomographischen Untersuchung vom 30. April 2018 vorlagen, die nach seinen Ausführungen – wie schon die Vorbefunde – einen Bandscheibenvorfall bei L3/4 rechts mit Tangierung der Nervenwurzeln zeigten. Auch hat Dr. M. eine ausgeprägte spondylotische Spangenbildung der Brust- und Lendenwirbelsäule beschrieben. Gleichwohl konnte Dr. M. keine schwerwiegend eingeschränkte Beweglichkeit objektivieren. Dazu hat Dr. M. darauf hingewiesen, dass es sich bei der auch von ihm festgestellten Einschränkung der globalen Beweglichkeit der Rumpfwirbelsäule um einen semiobjektiven Befund handelt, der von der intensiven Mitarbeit des Probanden abhängig ist. Eine gravierende Verschlechterung der Funktionsbeeinträchtigungen bis zur Begutachtung durch Dr. S1 kann der Senat nicht feststellen. Nach dem Bericht über das MRT der Lendenwirbelsäule vom 8. November 2018 hat sich im Vergleich zum letzten MRT der Lendenwirbelsäule vom 30. April 2018 keine Änderung ergeben. Als Hauptbefund ist ein Diskusprolaps im Segment L3/4 mit absoluter Spinalkanalstenose aufgeführt, wobei keine Änderung des Diskusprolapses im Vergleich zur Voruntersuchung im April 2018 besteht. Für das Segment L5/S1 ist eine flache Bandscheibenprotrusion mit möglicher Beeinträchtigung der L5-Nervenwurzeln beidseits angegeben, darüber hinaus das Bestehen einer leichtgradigen beidseitigen ISG-Arthrose. Vor diesem Hintergrund sind auch die von Dr. S1 angegebenen Befunde, wonach S. und O. aufgrund der geringen Vorneigung nicht messbar gewesen und sowohl Seitneigung rechts/links als auch Drehung rechts/links auf 10/0/10 Grad eingeschränkt gewesen seien, nicht ausreichend objektiviert. Dem angegebenen beidseits positiven Laseguè-Zeichen kann schon mangels Winkelangabe keine weitere Bedeutung beigemessen werden. Hinsichtlich der von Dr. S1 bestätigten Achillessehnenreizung hat auch dieser auf die Möglichkeit des Tragens von Fersenerhöhungen verwiesen. Dass solche beim Kläger nicht feststellbar waren, begründet keine zeitliche Leistungseinschränkung. Vielmehr spricht das Fehlen trotz seit der Begutachtung durch Dr. M. fortbestehender Achillessehnenreizung gegen das Vorliegen mit dieser verbundener schwerwiegender Funktionsbeeinträchtigungen. Schließlich sind die von Dr. S1 beschriebene endgradige Bewegungseinschränkung der Schultergelenke und der Hüftgelenke nicht geeignet, eine quantitative Leistungsminderung zu begründen. Die eingeschränkte Schulterbeweglichkeit steht der Verrichtung von qualitativ zumutbaren Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten und längere Armvorhalte nicht entgegen. Die Beugefähigkeit der Hüftgelenke überschreitet 90 Grad, so dass das Sitzen nicht eingeschränkt ist. Soweit der Gutachter die angenommene Leistungseinschränkung auf ein chronisches Schmerzsyndrom stützen will, ist dies für den Senat ebenfalls nicht überzeugend. Dr. S1 beschreibt im Wesentlichen in der Lebenssituation des Klägers liegende Gründe, die die Ausbildung eines Schmerzsyndroms begünstigen können, und hat den Selbstauskunftsbögen eine starke subjektive Beeinträchtigung des Klägers entnommen. Die Feststellung und das Ausmaß tatsächlich resultierender Funktionsbeeinträchtigungen beim Kläger sind seinem Gutachten jedoch nicht zu entnehmen. Der im Gutachten beschriebene Tagesablauf ergibt keine Hinweise auf schmerzbedingte Beeinträchtigungen. Der von Dr. S1 dargestellte psychische Befund bietet ebenfalls keinen Hinweis auf schwerwiegende Beeinträchtigungen, insbesondere wurden vom Gutachter objektive Hinweise auf Einschränkungen der kognitiven Leistungen im Bereich der Aufmerksamkeit und Konzentration verneint, eine erhaltene affektive Modulationsfähigkeit und eine lediglich subdepressiv ausgelenkte Stimmung angegeben und eine wesentliche Antriebsminderung nicht festgestellt. Psychomotorisch erschien der Kläger ruhig, was ebenfalls gegen eine zeitliche Leistungsminderung infolge eines Schmerzgeschehens spricht. Inwieweit danach der klinische Eindruck mit den subjektiv angegebenen Beeinträchtigungen konsistent sein kann, erschließt sich nicht.

Eine andere Einschätzung folgt auch nicht aus den Angaben des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. B.. Dieser hat vielmehr in seinem Schreiben vom 27. August 2018 bestätigt, dass die bestehenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet nicht gegen die Verrichtung körperlich leichter Tätigkeiten sprechen. Soweit er auf ein bestehendes chronisches Schmerzsyndrom verweist, hat auch er keine Befunde mitgeteilt, die daraus resultierende Funktionsbeeinträchtigungen belegen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich in schmerztherapeutischer oder psychiatrischer Behandlung befunden hätte. Bei der Fachärztin für Psychiatrie Dr. S. hat sich der Kläger offenbar nur einmalig insbesondere im Zusammenhang mit den Belastungen durch die Erkrankung und die Pflegesituation seiner Ehefrau vor deren Tod vorgestellt, wobei Dr. S. nach ihren sachverständigen Zeugenangaben vom 21. Juni 2016 lediglich eine Anpassungsstörung im Sinne einer Erschöpfungsdepression, mithin keine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung diagnostiziert hat. Den vorliegenden medizinischen Unterlagen ist auch sonst kein Hinweis auf eine psychiatrische oder selbstständige Schmerzerkrankung zu entnehmen.

Eine zeitliche Limitation der beruflichen Leistungsfähigkeit hinsichtlich leichter Tätigkeiten wurde sowohl durch den Kardiologen Dr. H. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 8. Dezember 2017 als auch hinsichtlich des pneumologischen Fachgebiets durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. S. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 17. Oktober 2017 verneint. Im Arztbrief des Dr. S. vom 23. Juli 2018 ist zwar eine Verschlechterung um etwa zehn Prozent bezüglich der Lungenleistung im Vergleich zur letzten Vorstellung (am 13. Juni 2018) angegeben. Hieraus kann jedoch nicht auf einen überdauernden Zustand geschlossen werden, zumal zunächst eine Therapieintensivierung ohne inhalative Steroide empfohlen worden ist, so dass noch therapeutische Möglichkeiten zur Verminderung der Funktionsbeeinträchtigungen gegeben waren.

Eine Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich ist damit nicht belegt. Zur Überzeugung des Senats steht daher fest, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum noch in der Lage war, mindestens sechs Stunden täglich jedenfalls eine körperlich leichte Tätigkeit unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen zu verrichten.

Steht das krankheits- bzw. behinderungsbedingte (Rest-)Leistungsvermögen fest, ist im nächsten Prüfungsschritt die Rechtsfrage zu klären, ob der Versicherte damit außerstande ist, „unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts“ tätig zu sein (dazu BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rdnr. 17 ff. m.w.N.). Diese Frage ist hier zu verneinen. „Bedingungen“ sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind. Hierzu gehört vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen. Die Bedingungen sind „üblich“, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl. Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten, für die es faktisch „Angebot“ und „Nachfrage“ gibt. Das Adjektiv „allgemein“ grenzt den ersten vom zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte Einrichtungen.

Der Kläger konnte - wie dargelegt - an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit benötigte er keine Sonderbehandlung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Er hatte auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf und war in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Dabei ist der Senat der Auffassung, dass der Kläger über die für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit notwendigen kognitiven Grundfähigkeiten verfügte. Nach der Rechtsprechung des BSG werden unter den Begriff der üblichen Bedingungen „auch tatsächliche Umstände“ verstanden, wie z.B. die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz, mithin ausschließlich kognitive Grundfähigkeiten (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rdnr. 29). Wie dargelegt, lag beim Kläger kein Leiden vor, das leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausschloss. Die angesprochenen kognitiven Grundfähigkeiten waren nicht betroffen.

Die gesundheitlichen Einschränkungen waren auch weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen (dazu BSG, a.a.O. Rdnr. 24 ff.). Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch in der Lage ist, körperlich leichte und geistige einfache Tätigkeiten – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten regelmäßig gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 79/09 RBSGE 109, 189; Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – juris). Der Senat ist der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen des Klägers es diesem erlaubte, die oben genannten Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, auszuüben. Es lag weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.

Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum beim Kläger die erforderliche Wegefähigkeit vorlag (vgl. dazu BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 RBSGE 110, 1). Nach dem Gutachten von Dr. M. war der Kläger in der Lage Wegstrecken von 500 Metern in angemessener Zeit, also innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Entgegenstehende Befunde sind dem Gutachten nicht zu entnehmen. Insbesondere folgt ein Ausschluss der Wegefähigkeit nicht durch die bereits bei Begutachtung durch Dr. M. beidseits bestehende Achillodynie. Diesbezüglich hat zwar der Gutachter Dr. S1 ausgeführt, dass die Gehfähigkeit eingeschränkt sei durch die an beiden Achillessehnen festzustellenden Verdickungen, die einer Achillessehnenreizung entsprächen. Allerdings hat er insoweit darauf hingewiesen, dass das Tragen von Fersenerhöhungen in den Schuhen möglich sei, was zu einer Entlastung der Achillessehnen beitrage, beim Kläger jedoch nicht vorhanden war. Ein dauerhafter Zustand und Wegfall der Wegefähigkeit kann vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden. Hinsichtlich des Ausmaßes der aufgrund der Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist das Gutachten für den Senat, wie ausgeführt, nicht überzeugend, so dass der Senat insoweit auch nicht von einer eingeschränkten Wegefähigkeit überzeugt ist. Eine Gefäßerkrankung, insbesondere eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, war ausweislich des Berichts der Gefäßchirurgin Dr. B. vom 4. August 2017 ausgeschlossen worden. Schließlich enthält das Pflegegutachten vom 26. Juli 2018 keine für die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Wegefähigkeit verwertbaren Befunde. Es befindet sich zum Gehen der Hinweis, dass der Kläger in der Wohnung mit zwei Unterarmstützen selbständig gehe. Außerhalb der Wohnung nutzte der Kläger den Rollator zur selbstständigen Fortbewegung. Über die objektive Fähigkeit des Klägers zum Zurücklegen von Wegstrecken von 500 Metern in 20 Minuten und zur Möglichkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel besagt das Gutachten nichts. Letztendlich liegen auch keine objektiven Befunden vor, die dagegensprächen, dass dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die Benutzung eines Kraftfahrzeuges möglich war.

Selbst wenn ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S1 von einer eingeschränkten Wegefähigkeit oder sonstigen arbeitsmarktunüblichen Beeinträchtigungen auszugehen wäre, würde dies keinen früheren Rentenanspruch begründen. Denn Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI auf Zeit geleistet, wobei nach § 101 Abs. 1 SGB VI befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet werden. Eine unbefristete Rente mit Zahlungsbeginn ab dem Kalendermonat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI), kommt für von der Arbeitsmarktlage abhängige Renten gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI nicht in Betracht.

Einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht der Kläger zwar im Berufungsverfahren nicht mehr geltend. Eine solche steht ihm auch nicht zu. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Bei der Frage, ob Versicherte berufsunfähig sind, ist von ihrem bisherigen Beruf, das ist in der Regel die zuletzt und nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit, auszugehen (ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. SozR 2200 § 1246 Nrn. 104, 107, 130, 164, 169). Dabei liegt Berufsunfähigkeit nicht schon dann vor, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Vielmehr sind anhand des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes zumutbare Tätigkeiten zu ermitteln, auf die die Versicherten verwiesen werden können. Das BSG hat in dem Zusammenhang das so genannte Mehrstufenschema entwickelt. Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Danach sind zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3); Berufe, die zusätzliche Qualifikation oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung; Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (Stufe 5); Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe 6). Eine „Verweisung“, die grundsätzlich durch eine konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten. Eine konkrete Benennung ist grundsätzlich dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein so genannter einfacher Angelernter (Stufe 2, aber Ausbildung bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird (siehe hierzu insgesamt Urteil des BSG vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe konnte der Kläger auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden. Einen Beruf hat der Kläger nicht erlernt. Auf die vom Kläger ausgeübte selbständige Tätigkeit kommt es nicht an, da es sich gerade nicht um eine versicherungspflichtige Tätigkeit gehandelt hat. Die vom Kläger über Jahre verrichtete (nicht erwerbsmäßige) Pflegetätigkeit kann nicht berücksichtigt werden, weil hierfür keine Pflichtbeiträge für eine Erwerbstätigkeit zu entrichten waren. Der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedurfte es daher nicht. Nachdem der Kläger – wie bereits dargelegt – in der maßgeblichen Zeit in der Lage war, noch mindestens sechs Stunden täglich jedenfalls eine körperlich leichte Tätigkeit zu  verrichten, war auch keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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