S 12 KA 385/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 385/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 59/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

1.    Der Bescheide der Beklagten vom 28.02.2012 bzgl. der Praxisabrechnung für das Quartal III/10 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abrechnung für die Praxis für das Quartal III/10 durchzuführen. 

2.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.    Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und die Hälfte der Gerichtskosten zu tragen. Die Klägerin hat die weitere Hälfte der Gerichtskosten zu tragen. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Verlust der Abrechnungsansprüche der hausärztlichen Praxis für die Quartale III (ca. 65.973,60 €) und IV/10 (ca. 56.507,20 €) und des ärztlichen Bereitschaftsdienstes C-Stadt für das Quartal III/10 (ca. 2.394,56 €) in Höhe von insgesamt ca. 124.875,36 € wegen Überschreitens der Abrechnungsfrist und hierbei insb. um die Frage, ob die Abrechnung innerhalb der Fristen zugegangen ist.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. 

Die Beklagte schloss die Klägerin mit Bescheid vom 28.02.2012 mit ihrer am 25.01.2012 online übermittelten Abrechnungsdatei für ihre hausärztliche Praxis (BSNR XXX1) für das Quartal III/10 von der Abrechnung aus. Sie stellte fest, dass die hierauf beruhenden Honoraransprüche verwirkt seien. Zur Begründung verwies sie auf § 3 Nr. 3 ihrer Abrechnungsrichtlinie hin, wonach Abrechnungsunterlagen, die nicht innerhalb von 12 Monaten nach dem in § 3 Nr. 1 für das Quartal III/10 vorgeschriebenen Abgabetermin eingereicht werden, von der Abrechnung ausgeschlossen seien. Die hierauf beruhenden Honoraransprüche seien verwirkt. Sie habe erst mit Datum vom 25.01.2012 die Abrechnungsdatei erhalten, die dazugehörige Quartalserklärung sei erst am 20.01.2012 eingegangen. Spätester Abgabetermin sei der 10.10.2011 gewesen. 

Die Beklagten schloss die Klägerin mit einem weiteren Bescheid vom 28.02.2012 mit ihren am 25.10.2011 eingereichten Abrechnungsscheinen von der Abrechnung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes C-Stadt (BSNR XXX3) für das Quartal III/10 mit gleichlautender Begründung aus. Sie stellte ebf. die Verwirkung der hierauf beruhenden Honoraransprüche fest. 

Die Beklagten schloss die Klägerin mit einem dritten Bescheid vom 28.02.2012 mit ihrer am 25.01.2012 online übermittelten Abrechnungsdatei für ihre hausärztliche Praxis für das Quartal IV/10 von der Abrechnung mit gleichlautender Begründung aus. Sie stellte ebf. die Verwirkung der hierauf beruhenden Honoraransprüche fest.

Gegen alle drei Bescheide legte die Klägerin am 01.03.2012 Widerspruch ohne nähere Begründung ein.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Darin wies sie erneut auf die Abrechnungsrichtlinie hin. Umstände, die eine Ausnahmeregelung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Aus den ihr vorliegenden Unterlagen zu dem von der Klägerin am 27.10.2011gestellten Antrag auf Erlass von Verspätungsabschlägen für die Quartale ab I/09 sei ersichtlich, dass die Klägerin in den letzten Jahren durch familiäre sowie berufliche Umstände betroffen gewesen sei (Tod des Schwiegervaters und des Ehemanns, Erkrankung der Mutter, Personalwechsel in der Praxis). Ein direkter zeitlicher Zusammenhang mit der deutlich verspäteten Einreichung der Abrechnungsunterlagen für die hier streitbefangenen Quartale sei nicht erkennbar. Im Zeitraum der festgelegten Abgabetermine am 10.10.2010 und 10.01.2011 ließen sich als Verspätungsgründe allenfalls der Umzug der Klägerin (Mitte 2010) und die verbunden Schwierigkeiten beim Hauskauf sowie ggf. bereits eine Erkrankung der Mutter ausmachen. Die ebf. beschriebene hohe Personalfluktuation werde nicht näher dargelegt. Ausweislich der Fallzahlen habe die Klägerin den Praxisbetrieb nicht wesentlich eingeschränkt. Alle individuellen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Art und Weise der Führung des Praxisbetriebes unterlägen dem eigenen Risiko der Klägerin als Freiberuflerin. Eine Berücksichtig der weiteren besonderen privaten bzw. beruflichen Situation sei daher nicht möglich. Soweit es darüber hinaus wegen Softwareproblemen oder aufgrund einer veralteten Computeranlage zu Schwierigkeiten bei der Abrechnungserstellung gekommen sein sollte, könne dies nicht zu ihren (der Beklagten) Lasten gehen. Softwarefehler seien vielmehr gegenüber der Computerfirma geltend zu machen. Zudem liege es im Verantwortungsbereich der Klägerin für eine funktionstüchtige Praxisausstattung zu sorgen. Hierbei sei ebf. zu berücksichtigen, dass die Klägerin etwaige Computerprobleme im Rahmen der Abrechnung der vorliegenden Quartale nicht angezeigt habe, z. B. durch einen Antrag auf Verlängerung der 10-Tagesfrist. Die Ausführungen der Klägerin seien im Ergebnis nicht ausreichend, um eine Verzögerung der Abgabe um mehr als zwölf Monate zu erklären. 

Nachdem die Klägerin im Klageverfahren zum Az.: S 12 KA 355/13 bzgl. der Festsetzung einer Honorarrückforderung wegen Überzahlung des Honorarkontos in den Quartalen III und IV/10 vorgetragen hatte, dass ihr der Widerspruchsbescheid nicht zugegangen sei, wurde ihr der Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 in einem zweiten Versand mit Begleitschreiben mit Datum vom 23.07.2014 zur Verfügung gestellt. 

Hiergegen hat die Klägerin am 11.08.2014 die Klage erhoben. Sie trägt vor, selbst nach dem eigenen Vortrag der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid sei zumindest der Honoraranspruch für das Quartal IV/10 nicht verwirkt. Maßgeblicher Abgabetermin für die Honorarabrechnung sei der 10.01.2011 gewesen. Die Unterlagen seien am 25.10.2011, also innerhalb der Frist von zehn Monaten, eingereicht worden. Ihre Erklärung zur Quartalsabrechnung für das Quartal IV/10 für die Betriebsstätten-Nr. XXX3 (Honorarabrechnungsunterlagen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst C-Stadt) sei von ihr bereits am 31.12.2010 unterschrieben worden. Die Erklärung sei mit einem Eingangsstempel vom 25.10.2011 versehen. Hieraus folge, dass die Abrechnungsunterlagen bereits am 25.10.2011 vorgelegen hätten. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte nicht auch die Abrechnungsunterlagen für das Quartal IV/10 betreffend die Praxis am 25.10.2011 erhalten haben will, da sie beide Abrechnungsunterlagen für das Quartal IV/10 tatsächlich innerhalb von 10 Tagen nach Ende des Abrechnungsquartals persönlich übermittelt habe. Eine Verwirkung sei auch im Übrigen nicht eingetreten. Sie habe die Abrechnungsunterlagen ordnungsgemäß und vollständig innerhalb von 10 Tagen nach Ende des jeweiligen Abrechnungsquartals bei der Beklagten hereingereicht. Sie habe sie per CD rechtszeitig persönlich übermittelt. Dies sei bis einschließlich zum Quartal IV/10 noch ausreichend gewesen. Die Beklagte habe ab dem Quartal I/10 einen Abholservice zur Sammlung von Abrechnungsunterlagen zur Verfügung gestellt. Da sie in der ersten Jahreshälfte 2010 auch Abrechnungsunterlagen für das Jahr 2009 eingereicht habe, habe dies für die Logistik des beauftragten Transportunternehmens eine „nicht überwindbare Belastung" dargestellt und habe im Chaos gemündet. Die entsprechenden CDs seien trotz telefonischer Bestellung und Aufklärung letztendlich nicht abgeholt worden, sodass sie diese zunächst per Post, dann aber auch „zur Sicherheit“ persönlich bei der Beklagten hereingereicht habe. So sei es auch in den streitgegenständlichen Quartalen Ill und IV/10 gewesen. Sie habe die Abrechnungsunterlagen für die Quartale Ill und IV/10 unmittelbar selbst innerhalb von 10 Tagen nach Ende des jeweiligen Abrechnungsquartals bei der Beklagten hereingereicht. Bei dieser Übergabe seien ihre beiden Kinder, Frau D. A. (geb. 1993) und Herr E. A. (geb. 1998) zugegen gewesen. Diese können ihre Angaben bezeugen. Sie könne nicht mehr eruieren, an welchem Tag genau sie die Honorarabrechnungsunterlagen für die Quartale Ill und IV/10 bei der Beklagten hereingereicht hat. Aufgrund der beschriebenen Probleme bei der Abholung der Honorarabrechnungsunterlagen für die Vorquartale habe sie aber peinlich genau darauf geachtet, dass sie diese jedenfalls innerhalb von 10 Tagen nach Ende des jeweiligen Abrechnungsquartals, also bis zum 10.10.2010 für das Quartal III/10 bzw. 10.01.2011 für das Quartal IV/10 bei der Beklagten hereingereicht habe. Sie könne sich lediglich noch daran erinnern, dass sie - im Beisein ihrer beiden Kinder - jeweils die Honorarunterlagen mit einem PKW, sie sei damals einen silbernen BMW 525d gefahren, „im Dunkeln“ von A-Stadt nach Frankfurt gebracht habe. Bereits mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.01.2017 habe sie darauf hingewiesen, dass sie die Honorarabrechnung für die Quartale III und IV/10 nicht erstmalig, sondern erneut erstellt habe. Die Erstellung habe sie erneut vorgenommen, weil ihr in einem zuvor bei der Beklagten geführten Gespräch mitgeteilt worden war, dass ihre Abrechnungsdateien nicht lesbar seien. Ursächlich für die „Nichtlesbarkeit“ seien anscheinend Einschränkungen des Datenübernahmesystems auf der Beklagtenseite gewesen. Aus dem Online Anlieferstatus Quartal 4-2011 der Beklagten ergebe sich, dass sie am 10.01.2012 die Honorarunterlagen für das Quartal IV/10, also am letzten Tag vor der Verwirkung, an die Beklagte übermittelt habe. Das diese Daten nicht lesbar gewesen sein sollen, könne nicht zu ihren Lasten gehen. Sie habe noch aus den Vorquartalen z. T. erhebliche Honorarzahlungen erwartet. Daher sei sie davon ausgegangen, dass auch die Auszahlung des Honorars für die streitgegenständlichen Quartale verspätet ausgezahlt werden würden. Dies sei auch der Grund gewesen, weshalb sie nicht nach ca. 5-6 Monaten bei der Beklagten nach dem ausbleibenden Honorar nachgefragt habe. 

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 28.02.2012, allesamt in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 12.12.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Abrechnung für die Praxis für die Quartale III und IV/10 und des ärztlichen Bereitschaftsdienstes C-Stadt für das Quartal III/10 durchzuführen. 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, soweit in dem Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 die Rede davon sei, dass die Abrechnungsunterlagen für die Quartale III/10 (BSNR XXX4 und XXX2) und IV/10 (BSNR XXX4) bei ihr am 25.10.2011 abgegeben worden seien, so treffe dies nur für die Abrechnungsunterlagen mit der BSNR XXX2 für das Quartal III/10 zu. Die Abrechnungsunterlagen der BSNR XXX4 für die Quartale III/10 und IV/10 seien erst am 25.01.2012 eingereicht worden, wie sie dies auch in den Bescheiden vom 28.02.2012 ausgeführt habe. Offenbare Unrichtigkeiten könne sie nach § 38 SGB X berichtigen. Aus dem Abgabetermin für die Abrechnung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes könnten keine Rückschlüsse im Hinblick auf den Abgabetermin für die Abrechnung der Praxis geschlossen werden. Sie verweist auf die von ihr zur Gerichtsakte gereichte Aufstellung „Online Anlieferungsstatus Quartal 4-2011“, wonach die Unterlagen bei ihr am 25.01.2012 eingegangen seien. Ferner verweist sie auf ein Schreiben der Klägerin mit Datum vom 25.01.2012 an sie. In diesem Schreiben sei u. a. die Rede von der Nicht-Lesbarkeit der Abrechnungsdateien für die Quartale III/10 und IV/10. Weiter sei am Ende des Schreibens noch die Rede davon, dass die CDs heute „per Boten" zu dem Briefkasten der Beklagten gebracht werden sollten und dass davon unabhängig die Dateien erneut per Internet auf die Abrechnungsstelle übertragen werden sollten. Sie bestreite, dass die Einreichung sämtlicher Abrechnungsunterlagen rechtzeitig per CD erfolgt sei. Die Abrechnung für den Bereitschaftsdienstes C-Stadt für das Quartal III/10 sei in Papierform erfolgt. Diese sei mit der Quartalserklärung am 25.10.2011 bei ihr eingegangen. Die Quartals- und Sammelerklärungen habe sie an die Klägerin zurückgeschickt. Eine Testanlieferung, wie im Online Anlieferstatus Quartal 4-2011 verzeichnet, ersetze nicht die echte Anlieferung. Anhand der Honorare und Behandlungsfälle von jeweils vier Vorquartalen sei ein Durchschnittsfallwert ermittelt und für die BSNR XXX4 anhand der in der GO-Statistik für die Quartale III/10 und IV/10 angegebenen Fallzahl ein eventuell zu erzielendes Honorar dargestellt worden. Für die BSNR XXX2 sei auf diese Weise erst eine eventuelle Fallzahl für das Quartal III/10 und dann ein Honorar dargestellt worden. Auf diese Weise errechneten sich folgende Werte als Honorarverlust: BSNR XXX4, Quartal III/10: 65.973,60 €, BSNR XXX4, Quartal IV/10: 56.507,20 € und BSNR XXX2 Quartal III/10: 2.394,56 €. 

Die Kammer hat am 06.11.2019 die Zeugen D. A. und E. A. vernommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG). 

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. 

Eine Verfristung der Klage liegt nicht vor. Die einmonatige Klagefrist (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) beginnt nach Bekanntgabe und damit Zugang des Widerspruchsbescheides zu laufen (§ 87 Abs. 2 SGG). Die Übersendung erfolgte aber erst mit dem - aus Sicht der Beklagten - zweiten Versand mit Begleitschreiben mit Datum vom 23.07.2014, da für den ersten Versand kein Nachweis für den Zugang besteht. Die Klagefrist lief daher frühestens ab 24.07.2014 bis wenigstens zum 23.08.2014. Die Klage wurde innerhalb dieser Frist am 11.08.2014 erhoben. 

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28.02.2012 bzgl. der Praxisabrechnung für das Quartal III/10 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 ist rechtswidrig und war aufzuheben. Die Beklagte ist verpflichtet, die Abrechnung für die Praxis für das Quartal III/10 durchzuführen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 28.02.2012 bzgl. der Praxis für das Quartal IV/10 und des ärztlichen Bereitschaftsdienstes C-Stadt für das Quartal III/10, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012, sind rechtmäßig und waren daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat insofern keinen Anspruch auf Durchführung der Abrechnung. Die Klage war im Übrigen abzuweisen. 

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28.02.2012 bzgl. der Praxisabrechnung für das Quartal III/10 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 ist rechtswidrig. 

Rechtsgrundlage für die Ablehnung der Abrechnung ist § 3 Nr. 3 der Abrechnungsrichtlinien der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, gültig ab 01.04.2010 mit Wirkung ab dem 2. Quartal 2010 in der von der Vertreterversammlung am 20. Februar 2010 beschlossenen Fassung (im Folgenden: ARL). 

In den Abrechnungsrichtlinien werden die Einzelheiten der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen geregelt. Sie sind für alle im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zugelassenen Vertragsärzte, psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Medizinischen Versorgungszentren, angestellten Ärzte sowie die ermächtigten Ärzte, psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen und die in Notfällen in Anspruch genommenen Ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen sowie die Laborgemeinschaften verbindlich (Präambel Satz 2 ARL). Im Übrigen folgt die Verbindlichkeit bereits aus dem Rechtscharakter der ARL als Satzung der Beklagten. 

Nach § 3 Nr. 3 ARL sind Abrechnungsunterlagen, die nicht innerhalb von 12 Monaten nach dem in § 3 Nr. 1 vorgeschriebenen Abgabetermin eingereicht werden, von der Abrechnung ausgeschlossen. Hierauf beruhende Honoraransprüche sind verwirkt. In begründenden, nicht vom Arzt zu vertretenden Einzelfällen kann der Vorstand der KV Hessen Ausnahmen zulassen. Abrechnungsunterlagen, die nicht den gesetzlichen oder vertraglichen Grundlagen entsprechen, sind von der laufenden Abrechnung ausgeschlossen. Sie werden zur Korrektur an die Praxis zurückgereicht. Hierdurch werden keine neuen Fristen nach § 3 in Gang gesetzt. Nach § 3 Nr. 1 Satz 1 ARL sind die Abrechnungsunterlagen vollständig, spätestens 10 Tage nach Ende des Abrechnungsquartals bei der KV Hessen einzureichen. 

Das Bundessozialgericht hat bereits wiederholt entschieden, dass Abrechnungsfristen grundsätzlich und die Sanktionierung von Fristüberschreitungen durch Honorarabzüge rechtmäßig sind. Die Aufnahme solcher Bestimmungen in den Honorarverteilungsmaßstab ist von der Rechtsgrundlage des § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V gedeckt. Solche Regelungen sind deshalb gerechtfertigt, weil die Honorierung der in einem Quartal erbrachten Leistungen möglichst aus dem für dieses Quartal zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungsvolumen zu erfolgen hat, nachträgliche Honorierungen dem Ziel zügiger und zeitgerechter Honorierung zuwiderlaufen sowie zusätzlichen Verwaltungsaufwand erfordern. Durch diese Ziele ist der mit dem Abrechnungsausschluss verbundene Eingriff grundsätzlich verhältnismäßig und stellt eine rechtmäßige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BSG, Urt. v. 29.08.2007 - B 6 KA 29/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 37, juris Rdnr. 11 m.w.N.; BSG, Beschl. v. 02.04.2014 - B 6 KA 59/13 B - BeckRS 2014, 68496, Rdnr. 6; BSG, Beschl. v. 12.12.2018 - B 6 KA 38/18 B - juris Rdnr. 12 m.w.N.). Lediglich sehr kurze Fristen sind von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Vertragsärzte, die auf Grund eines Versehens oder einer möglicherweise nicht sofort erkennbaren Störung im elektronischen Übermittlungssystem oder in der praxiseigenen Software einen größeren Teil ihrer Abrechnungen nicht zu dem von der Kassenärztlichen Vereinigung gesetzten Termin innerhalb der ersten zwei Wochen des neuen Quartals vorlegen, laufen Gefahr, keinerlei Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistungen zu erhalten. Solche Auswirkungen einer nicht weiter differenzierten und abgestuften Ausschlussfrist sind durch die Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V nicht gedeckt und stellen zugleich eine unverhältnismäßige Einschränkung des durch Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rechts der Vertragsärzte auf eine Honorierung ihrer Leistungen dar (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 19, juris Rdnr. 25). Ein endgültiger Honorarausschluss steht aber nicht stets unter dem Vorbehalt lediglich geringer wirtschaftlicher Auswirkungen, sondern bei ausreichend langen Fristen kann er trotz im Einzelfall möglicherweise gravierender Folgen als noch verhältnismäßige Ausgestaltung bewertet werden (vgl. BSG, Beschl. v. 29.08.2007 - B 6 KA 48/06 B - juris Rdnr. 13). Eine neunmonatige Ausschlussfrist ist nicht unverhältnismäßig kurz (vgl. BSG, Beschl. v. 12.12.2018 - B 6 KA 38/18 B - juris Rdnr. 13), ebenso wenig eine Frist von einem Jahr (vgl. BSG, Beschl. v. 29.08.2007 - B 6 KA 48/06 B - juris Rdnr. 13) oder eine längste Abrechnungsfrist auf den Ablauf des achten Quartals nach dem Leistungsquartal (vgl. BSG, Urt. v. 29.08.2007 - B 6 KA 29/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 37, juris Rdnr. 12). 

Solche Regelungen können auch von der Vertreterversammlung der Beklagten als Satzung beschlossen werden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 08.06.2011 - L 4 KA 75/10 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 25 ff.). 

Die Kammer geht davon aus, das die Abrechnung für die Praxis für das Quartal III/10 bei der Beklagten vorliegt, die Beklagte aber nicht in der Lage ist, das Datum des Eingangs nachzuweisen. Insoweit geht die Kammer vom Zugang dieser Abrechnung aus, so dass es in die Sphäre der Beklagten fällt, die Verspätung des Zugangs nachzuweisen. 

Die zur Gerichtsakte gereichte Aufstellung „Online Anlieferungsstatus Quartal 4-2011“ der Beklagten gibt für die am 25.01.2012 erfolgte Anlieferung der Abrechnungsdaten „VQ nicht erfolgreich“ an. Nach den Erläuterungen der Beklagten, woran die Kammer zu zweifeln keinen Anlass sieht, erscheint diese Angabe immer dann, wenn die Daten bereits vorgelegen haben. Nur wenn die Daten noch nicht vorgelegen haben, erscheint die Angabe „VQ erfolgreich“. Entsprechend erscheint für die erste Übermittlung der Daten im Quartal IV/10 die Angabe „VQ erfolgreich“ und erst für die weiteren Übermittlungen die Angabe „VQ nicht erfolgreich“, woraus die Beklagte schlussfolgert, das die erfolgreiche Übermittlung erstmals am 25.01.2019 erfolgt ist. Die vorherige „Testanlieferung“, für das Quartal IV/10 am 10.01.2012, ist dabei für die Angabe „VQ erfolgreich“ oder „VQ nicht erfolgreich“ unerheblich bzw. ohne Bedeutung. Warum deshalb für das Quartal III/10 auch bei der erstmaligen Anlieferung der Abrechnungsdaten die Angabe „VQ nicht erfolgreich“ erscheint, hat die Beklagte keine Erklärung. Die Kammer sah daher als einzige Erklärung nur die Möglichkeit, dass damit angezeigt wird, das die Abrechnungsdaten für die Praxis für das Quartal III/10 bereits bei der Beklagten vorhanden waren. Insofern ist alleinig die Beklagte für ihr Registrierungssystem verantwortlich. Soweit sie weder den Verbleib der Daten noch den Zeitpunkt ihres Eingangs erklären kann, fällt dies in ihre Sphäre. Insofern war für die Kammer von einem Zugang der Abrechnungsdaten innerhalb der Jahresfrist auszugehen. 

Soweit die Aufstellung für die Quartals- und Sammelerklärung erst einen Eingang für den 20.01.2012 vermerkt, wäre es bei dieser Sachlage unverhältnismäßig, allein deshalb die Abrechnung scheitern zu lassen. Auszugehen ist von einem rechtzeitigen Eingang der Abrechnung. Insofern besteht dann die Verpflichtung der Beklagten, jedenfalls wenn die komplette Abrechnung einer hausärztlichen Praxis auf dem Spiel steht, an die fehlende Abrechnungsunterlage zu erinnern. 

Für den Eingang der Abrechnung für die Praxis für das Quartal IV/10 und für den ärztlichen Bereitschaftsdienst C-Stadt für das Quartal III/10 fehlt es an einem entsprechenden Nachweis. Nachweispflichtig ist aber die Klägerin. 

Die Zehntagesfrist für die Abrechnung des Quartals III/10 lief bis zum 11.10.2010 (Montag), für die Abrechnung des Quartals IV/10 bis zum 10.01.2011 (Montag). Die Jahresfrist für die Abrechnung des Quartals III/10 lief bis zum 11.10.2011 (Dienstag), für die Abrechnung des Quartals IV/10 bis zum 10.01.2012 (Dienstag). 

Aus der Aufstellung „Online Anlieferungsstatus Quartal 4-2011“ ergibt sich kein Nachweis für den rechtzeitigen Zugang. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sie die Abrechnungen innerhalb der der Zehntagesfrist eingereicht hat. Für den ärztlichen Bereitschaftsdienst C-Stadt für das Quartal III/10 fehlt es an einem Nachweis in der Aufstellung. Für die Praxisabrechnung für das Quartal IV/10 verzeichnet die Aufstellung erst einen Eingang für den 25.01.2012, also nach Fristablauf. Bei der Testanlieferung am 10.01.2012 handelt es sich um einen Probelauf, der nicht die Übermittlung der Abrechnungsdaten beinhaltet. 

Aus der Einreichung der Quartalsabrechnung für das Quartal IV/10 für die Betriebsstätten-Nr. XXX3 (Honorarabrechnungsunterlagen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst C-Stadt) am oder bis zum 25.10.2011 kann nicht gefolgert werden, dass auch die Abrechnungsunterlagen für die Praxis rechtzeitig vorgelegt wurden. Hierfür fehlt es an einem Nachweis. Die fehlerhaften Angaben im angefochtenen Widerspruchsbescheid hat die Beklagte im Gerichtsverfahren klargestellt. In der Sache handelt es sich insoweit nur um einen Begründungsmangel, der ohne Auswirkung auf den Honoraranspruch der Klägerin ist. 

Es fehlt auch an einem Nachweis für die persönliche Überbringung der Unterlagen durch die Klägerin. Sie selbst hat keine spezifischen Erinnerungen daran, wann genau sie die Unterlagen bei der Beklagten vorbeigebracht haben will. Sie kann nur angeben, dass dies innerhalb der Zehntagesfristen nach Praxisende, zusammen mit ihren beiden Kindern, den Zeugen D. und E. A., im Dunkeln durch Einwurf in den Briefkasten des Verwaltungsgebäudes der Beklagten in Frankfurt a. M. geschehen sei. Die von der Kammer einvernommenen Zeugen D. und E. A., Kinder der Klägerin, seinerzeit 16/17 bzw. 11/12 Jahre alt, haben insofern glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass, insb. auch nach dem Tod des im Dezember 2009 verstorbenen Vaters, sie versucht haben, viel Zeit miteinander zu verbringen, also mit der Mutter, der Klägerin, und deshalb schon davor, aber gerade auch danach des Öfteren mit der Klägerin zum Verwaltungsgebäude der Beklagten mitgefahren sind, wenn die Klägerin dort Unterlagen vorbeigebracht habe. Beide konnten sich aber nicht an den konkreten Inhalt der Unterlagen erinnern und wann genau die Fahrten geschehen sein sollen. Für die Kammer fehlt es daher am Nachweis, dass die hier strittigen Unterlagen tatsächlich innerhalb der Zehntagesfristen bei der Beklagten zugegangen sind. 

Die Beklagte hat auch zu Recht einen Ausnahmefall abgelehnt. Nur in begründenden, nicht vom Arzt zu vertretenden Einzelfällen, kann von der Verwirkung nach § 3 Nr. 3 ARL abgesehen werden. Ein solcher liegt nicht vor. Soweit die Klägerin aufgrund der persönlichen Umstände eine schwierige Zeit durchlaufen hat, ist nicht ersichtlich, weshalb sie den Praxisbetrieb aufrechterhalten konnte, nicht aber für die rechtzeitige Abgabe der Abrechnung Sorge tragen konnte. 

Nach allem war der Klage im tenorierten Umfang stattzugeben und war sie im Übrigen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 VwGO. Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Hieraus folgte die tenorierte Kostenquote.

Rechtskraft
Aus
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