L 4 KR 3424/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 4432/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3424/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Für die Frage der Hauptberuflichkeit im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V ist nicht allein die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit von Bedeutung, sondern vor allem ihr zeitlicher Umfang maßgeblich. Dies gilt selbst dann, wenn zwar eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, aus dieser jedoch zeitweise gar keine oder nur geringe Einkünfte erzielt werden.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin in der Zeit vom 11. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 familienversichert war.

Die 1966 in der Türkei geborene Klägerin war vom 1. März 2005 bis 31. Mai 2014 über ihren bei der Beklagten versicherten Ehemann, den Beigeladenen, familienversichert. Seit dem 16. Dezember 2016 ist sie erneut über ihn familienversichert.

In der Zeit von April bis 31. August 2014 betrieb die Klägerin in Vollzeit einen Schuh- und Schlüsseldienst in C (Gewerbeabmeldung vom 28. August 2014; Bl. 15 der Verwaltungsakte <VA>). Bereits zum 1. Juni 2014 (Beginn der Tätigkeit) meldete die Klägerin beim Gewerbeamt der Stadt S den Betrieb eines Friseursalons (namens „C“) in der Mstraße   in S an und gab hierbei an, es handle sich um eine Neugründung und die Tätigkeit werde nicht im Nebenerwerb betrieben. Die Handwerkskammer S habe am 24. September 2014 eine entsprechende Handwerkskarte (Friseur) ausgestellt (Gewerbeanmeldung vom 24. September 2014, Bl. 1 VA). Zum 15. Dezember 2016 meldete sie das Gewerbe wieder ab und gab hierbei an, dass die aufgegebene Tätigkeit nicht im Nebenerwerb betrieben worden sei (Gewerbeabmeldung vom 15. Dezember 2016; Bl. 53 VA).

Bereits am 19. Mai 2014 hatte die Klägerin der Beklagten telefonisch den Beginn einer selbstständigen Tätigkeit ab dem 10. April 2014 angezeigt. Im Hinblick auf eine deswegen erforderliche freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung wurde der Klägerin ein entsprechender Antrag übersandt, wobei sich die Klägerin in der Folgezeit persönlich erst wieder am 2. Juni 2014 bei der Beklagten meldete. Hierbei wurde ein Antrag zur freiwilligen Weiterversicherung ausgefüllt und der Klägerin zur Besprechung mit ihrem Steuerberater mitgegeben (vgl. Aktenvermerke der Beklagten, Bl. 43 der Senatsakte).

Am 23. April 2015 legte die Klägerin der Beklagten die Gewerbeanmeldung vom 24. September 2014 (Friseursalon) vor, woraufhin sie von der Beklagten aufgefordert wurde, weitere Unterlagen vorzulegen, um die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung durchzuführen. Darüber hinaus forderte sie den Beigeladenen mehrfach auf, den „Familienfragebogen“ auszufüllen und zu übersenden. Nachdem der Beigeladene nicht geantwortet hatte, stellte die Beklagte diesem gegenüber mit Bescheid vom 3. Februar 2016 die Beendigung der Familienversicherung der Klägerin und der Kinder B und B1 zum 31. Oktober 2015 fest. Sollte kein anderweitiger Krankenversicherungsschutz bestehen, sei man gezwungen, eine freiwillige Versicherung durchzuführen. Daraufhin legte der Beigeladene den Fragebogen zur Überprüfung der Familienversicherung vom 20. Februar 2016 vor, wonach die Klägerin vom „10.04. bis 31.08 und 01.6. bis 31.12.“ selbstständig tätig gewesen sei und hierbei einen Verlust von 20.000 € erzielt habe. Am 1. April 2016 legte die Klägerin eine Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit vor, wonach sie das Unternehmen C demnächst abmelde, da sich dieses wegen Verluste nicht mehr lohne. Sie beschäftige derzeit zwei Arbeitnehmer, davon einen geringfügig. Ihre selbstständige Tätigkeit umfasse in der Woche ca. 40 Stunden. Die Frage, ob die selbstständige Tätigkeit den Mittelpunkt ihrer Erwerbstätigkeit darstelle, verneinte sie und gab an, folgende andere Tätigkeit auszuüben: „Mithilfe im Betrieb meines Ehemannes“. Mit den Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit bestreite sie nicht ihren Unterhalt. Sie habe weitere Einnahmen aus der Mithilfe im Betrieb ihres Ehemannes. Die Arbeitszeit in ihrer Beschäftigung umfasse durchschnittlich zwölf Wochenstunden.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2016 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass die Familienversicherung der Klägerin am 31. Mai 2014 ende. Bei hauptberuflicher Selbstständigkeit sei es notwendig, eine eigene Kranken- und Pflegeversicherung abzuschließen. Dieser Bescheid ersetze den Bescheid vom 3. Februar 2016.

Mit weiterem Bescheid vom 3. Mai 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre kostenfreie Familienversicherung aufgrund ihrer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit am 31. Mai 2014 ende und es deshalb notwendig sei, mitzuteilen, ob sie ab dem 1. Juni 2014 anderweitig Krankenversicherungsschutz genieße. Ansonsten werde die Versicherung nahtlos als freiwillige Versicherung fortgesetzt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass dieser den Bescheid vom 3. Februar 2016 ersetze.

Mit jeweils getrennten Schreiben vom 19. Mai 2016 wandten sich die Klägerin und der Beigeladene gegen die Bescheide vom 3. Mai 2016. Die Klägerin machte im Wesentlichen geltend, sie habe ihr Gewerbe in C am 28. August 2014 wieder abgemeldet und eine „Frau S von der B2“ habe ihr im Beisein eines Vertreters einer privaten Krankenversicherung zugesagt, weiterhin familienversichert zu sein. Mit weiterem Schreiben vom 19. Mai 2016 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie gegen „irgendwelche Bescheide […] pauschal Widerspruch“ einlege.

Mit Bescheid vom 26. August 2016, den die Beklagte mit einem (Überprüfungs-)Schreiben vom 2. September 2016 übermittelte, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie das Versicherungsverhältnis ab dem 1. Juni 2014 als freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung auf Basis ihrer selbstständigen Tätigkeit fortführe. Solange man die tatsächlichen Einnahmen aus der hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit nicht kenne, würden die Beiträge aus der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze berechnet (vorliegend 603,45 € Krankenversicherung <KV> und 93,15 € Pflegeversicherung <PV> bis Dezember 2014, ab 1. Januar 2015: 614,63 € KV und 107,25 € PV sowie ab dem 1. Januar 2016: 635,63 € KV und 110,18 € PV). Für den Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis 30. Juli 2016 ergebe sich eine Beitragsforderung in Höhe von insgesamt 18.759,43 €. Nur wenn die Klägerin geringere Einkünfte nachweise, könne man eine abweichende Berechnung vornehmen. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass dieser den Bescheid vom „18. März 2016“ [gemeint wohl 3. Februar 2016] mit Wirkung zum 1. Juni 2014 ersetze. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und bezog sich wiederum auf die Zusage von Frau S.

Nachdem die Beklagte die schriftliche Auskunft ihrer Mitarbeiterin S vom 29. November 2016 („Hiermit bestätige ich, dass ich mich an das folgende Beratungsgespräch vom 31.10.2014 mit Frau B3 leider nicht mehr erinnern kann“) eingeholt und die Klägerin die Gewerbeabmeldung vom 15. Dezember 2016 vorgelegt hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2017 fest, dass die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin am 15. Dezember 2016 geendet habe und sie „ab dann“ bei ihnen familienversichert sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2017 gab der Widerspruchsausschuss der Beklagten dem Widerspruch der Klägerin „wegen Ausschluss aus einer Familienversicherung in der Zeit vom 01.06.2014 bis 15.12.2016“ nicht statt und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien unter anderem Ehegatten von Mitgliedern krankenversichert, wenn diese nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätig seien. Im Hinblick auf den zeitlichen Umfang von 40 Wochenstunden habe man auch ohne Kenntnis der Höhe des Einkommens der Klägerin feststellen können, dass es sich um eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit handle. Deshalb lägen die Voraussetzungen für die kostenfreie Familienversicherung in der Zeit vom 1. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 nicht vor (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB V bezüglich der KV und § 25 Abs. 1 Nr. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB XI> bezüglich der PV). Nach § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei vor Erlass eines Verwaltungsaktes dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Die für die Entscheidung der Widerspruchsstelle erheblichen Tatsachen habe die Klägerin ausreichend dargelegt, sodass das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass er auch im Namen der Pflegekasse ergehe.

Hiergegen erhob die anwaltlich vertretene Klägerin am 22. Dezember 2017 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) und begehrte die Verurteilung der Beklagten, sie auch im Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 als familienversichertes Mitglied zu führen. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, der Beigeladene sei selbstständig tätig und seit 2004 Inhaber eines Schuh- und Schlüsseldienstes in C. Sie habe dort mitgearbeitet und es sei vereinbart gewesen, dass sie gemeinsam den Schuh- und Schlüsseldienst betreiben und sie nicht als Mitarbeiterin eingestellt werde. 2014 sei sie dann mit der Eröffnung eines eigenen Schuh- und Schlüsseldienstes im City Center in C gescheitert, den sie lediglich in der Zeit von April bis August 2014 betrieben habe. Sie habe dann einen Frisörsalon in S eröffnet und dort einen Meister und weitere Mitarbeiter beschäftigt, deren Arbeitsverhältnisse jedoch gekündigt worden seien. Zum Schluss seien nur der Meister und eine geringfügig Beschäftigte übriggeblieben. Sie sei weiterhin hauptsächlich im Schuh- und Schlüsseldienst tätig gewesen und nur wenige Stunden im Friseursalon, in dem auch ihre Tochter und ihr Sohn ausgeholfen hätten. Die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass sie 40 Stunden wöchentlich im Friseursalon gearbeitet habe. Bei der Abfassung ihrer Erklärung im Verwaltungsverfahren habe sie beabsichtigt, sowohl ihre Zeiten im Schuh- und Schlüsseldienst als auch im eigenen Friseursalon anzugeben. Beides sei für sie eine selbstständige Tätigkeit gewesen. Die Tatsache, dass sie in der Rubrik „Unternehmen“ lediglich den Friseursalon angegeben habe, beruhe darauf, dass sich diese Angabe zur selbstständigen Tätigkeit auf den von der Beklagten zuvor eingetragenen Geschäftssitz in S bezogen habe. Die Gesamtarbeitszeit im Schuh- und Schlüsseldienst ihres Mannes und im Friseursalon habe sich auf ca. 40 Stunden wöchentlich belaufen, davon lediglich 12 Stunden für ihren Friseursalon. Deswegen habe sie auch die Frage, ob die selbstständige Tätigkeit den Mittelpunkt ihrer Erwerbstätigkeit darstelle, verneint. Sie habe daher nicht mehr als halbtags für ihren Friseursalon gearbeitet, sodass nicht von einer hauptberuflichen Ausübung dieser Tätigkeit ausgegangen werden könne.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, aus den Angaben der Klägerin ergebe sich nicht, ob die Klägerin bei ihrem Ehemann in einem Umfang mitgearbeitet habe, der bereits eine Familienversicherung ausschließe oder ob gar die Voraussetzungen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmerin vorgelegen hätten. Nachdem die Klägerin angegeben habe, im streitigen Zeitraum zwei selbstständige Tätigkeiten (im Schuh- und Schlüsseldienst in C und im Friseursalon) ausgeübt zu haben mit einem Umfang von wöchentlich 40 Stunden, lägen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung nicht vor, da es unerheblich sei, ob sich der genannte zeitliche Umfang durch eine oder mehrere selbstständige Tätigkeiten ergebe.

Die Klägerin erwiderte hierauf, sie habe im Schuhgeschäft des Beigeladenen lediglich ausgeholfen, sie sei dort nicht angestellt gewesen und auch nicht mit dem Beigeladenen selbstständig tätig gewesen. Inhaber des Schuhgeschäfts sei ausschließlich der Beigeladene gewesen. Es habe sich um eine familienhafte Mitarbeit im Schuhgeschäft des Beigeladenen gehandelt. Nach Aufforderung des SG legte die Klägerin die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 bis 2016 vor (jeweils negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei der Klägerin; vgl. Bl. 41 bis 52 der SG-Akte) und teilte mit, zwischen 2014 bis zur Schließung des Friseursalons in S seien insgesamt fünf (fremde) Arbeitnehmer und vier Familienangehörige dort beschäftigt oder tätig gewesen. Am 27. November 2018 hat das SG den Rechtsstreit mit der Klägerin erörtert. Hierbei gab sie unter anderem an, sie habe für ihre Tätigkeit bei dem Beigeladenen kein Entgelt erhalten und es existiere auch kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen (Bl. 62 bis 64 der SG-Akte).

Mit Urteil vom 1. Oktober 2020 wies das SG die Klage ab. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 3. Mai 2016, 26. August 2016 und 27. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids am 30. November 2017 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Unter Bezugnahme auf die Begründung im Widerspruchsbescheid führte es ergänzend aus, die Beklagte habe die Klägerin im Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 zu Recht nicht in der Familienversicherung geführt, sondern freiwillig versichert, da in diesem Zeitraum von einer Hauptberuflichkeit der Tätigkeit der Klägerin als Inhaberin eines Friseursalons auszugehen sei. Eine solche sei in der Regel dann gegeben, wenn die selbstständige Erwerbstätigkeit mehr als halbtags ausgeübt werde. Dies sei vorliegend der Fall. Das ergebe sich aus den schriftlichen Angaben der Klägerin vor Erlass der sie belastenden Bescheide durch die Beklagte. So habe sie in der Gewerbeanmeldung vom 24. September 2014 angegeben, das Gewerbe vorerst nicht im Nebenerwerb zu betreiben. In ihrer Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit vom 5. März 2016 habe sie eingetragen, dass diese einen zeitlichen Umfang von ca. 40 Stunden pro Woche umfasse. Entgegen dem Vortrag im Klageverfahren sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin diese Angabe auf sämtliche und damit auch auf ihre Arbeiten für den Schlüsseldienst ihres Ehemannes bezogen habe. Letztere habe sie nämlich auf die zuvor im Formular gestellte Frage, welche selbstständige Tätigkeit in dem von ihr angegebenen zeitlichen Umfang sie ausübe, nicht erwähnt. Vielmehr habe sie erst im Fragebogen weiter unten angegeben, dass sie noch weitere andere Tätigkeiten bzw. Beschäftigungen ausübe und hierbei die Mithilfe im Betrieb ihres Ehemannes angegeben. Die Angabe der Klägerin, wonach die Arbeitszeit ihrer Beschäftigung durchschnittlich 12 Wochenstunden umfasst habe, könne sich nicht auf ihre Tätigkeit im Friseursalon bezogen haben, denn sonst hätte sich die Klägerin im Formular widersprochen. Diese Angabe habe sich vielmehr auf die Mithilfe im Betrieb ihres Ehemannes bezogen. Die Angaben im Verwaltungsverfahren seien im Hinblick auf die anderslautenden Angaben im Klageverfahren glaubhafter. Sie seien von der Klägerin zeitnah im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit im Friseursalon gemacht worden. Zudem könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass die abweichenden Angaben im Klageverfahren im Bewusstsein der Bedeutsamkeit des zeitlichen Umfangs der selbstständigen Tätigkeit im Friseursalon für den Ausgang des Rechtsstreits erfolgt und im Verlauf des Klageverfahren zudem modifiziert worden seien. Ihre Angaben, wonach sie bloß aushilfsweise für ihren Ehemann in einem Umfang von 28 Stunden pro Woche gearbeitet und demgegenüber ihr eigenes Erwerbsgeschäft mit nur 12 Stunden pro Woche betrieben habe, seien nicht glaubhaft. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, dass die Führung eines Friseursalons in einem solch geringen zeitlichen Umfang möglich gewesen sei. Auch wenn die Klägerin selbst keine gelernte Friseurin sei, habe sie als Inhaberin eines Friseursalons mit mehreren angestellten Mitarbeitern umfangreiche Arbeiten zu erledigen, wie beispielsweise Buchführung, Lohnbuchhaltung, Bankgeschäfte bzw. sonstige Verwaltungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Friseursalon, Erledigung der Wareneinkäufe, Preiskalkulation, Werbemaßnahmen, Akquise, Einstellung und Entlassung der Mitarbeiter, Führen von Bewerbungsgesprächen und Überwachung der Mitarbeiter. Ein zeitlicher Umfang von lediglich 12 Stunden wöchentlich zur Erledigung dieser Arbeiten sei nicht plausibel. Sofern die Klägerin ihren Anspruch auf Familienversicherung auf eine vermeintliche Zusage einer Mitarbeiterin der Beklagten stütze, sei dies nicht relevant, da eine Zusicherung lediglich in schriftlicher Form bedeutsam wäre.

Hiergegen richtet sich die am 28. Oktober 2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie geltend macht, sie habe im Gegensatz zur Auffassung des SG allenfalls 12 Stunden pro Woche den Friseursalon betrieben. Aus der Gewerbeanmeldung vom 24. September 2014 ergebe sich noch nicht, dass sie mehr als halbschichtig im Friseursalon gearbeitet habe. Sie habe den Friseursalon am 1. Juni 2014 in S eröffnet, weil sich ihr Schlüsseldienst im Kaufland nicht rentiert habe. Sie sei davon ausgegangen, dass der Betrieb des Friseursalons künftig ihre einzige selbstständige Tätigkeit sein werde, daher habe sie nicht das Kreuzchen „ja“ in der Rubrik 16 mit der Frage „wird die Tätigkeit im Nebenerwerb betrieben?“ angekreuzt, sondern das Kästchen „nein“. Der Umfang der Tätigkeit sei im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung nicht abzusehen gewesen. Tatsächlich sei sie im Friseursalon allenfalls 12 Stunden pro Woche tätig gewesen. Das SG habe zu Unrecht allein darauf abgestellt, dass bei der Frage nach der selbstständigen Tätigkeit 40 Stunden eingetragen seien. Dass sich dies nicht notwendigerweise ausschließlich auf die Tätigkeit im Friseursalon beziehe, ergebe sich im Gegensatz zur Meinung des SG bereits daraus, dass im folgenden Satz danach gefragt werde, ob die selbstständige Tätigkeit den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit der Klägerin darstelle, dass die Rubrik „ja“ nicht angekreuzt sei und vielmehr darauf hingewiesen werde, dass der Friseursalon abgemeldet werde, da es sich nicht gelohnt habe. Sodann sei die Rubrik ,,nein ich übe noch folgende andere Tätigkeit/Beschäftigung aus“ angekreuzt und es heiße dort zusätzlich: ,,Mithilfe im Betrieb meines Ehemannes“. Ersichtlich bezögen sich dann die 40 Stunden nicht ausschließlich auf die Arbeit im Friseursalon. Die Frage, ob sie mit der selbstständigen Tätigkeit ihren Lebensunterhalt bestreiten könne, habe sie eindeutig mit „nein“ beantwortet und sodann darauf hingewiesen, dass sie im Betrieb des Beigeladenen mithelfe. Sähe man dies anders, wäre sie insgesamt auf eine Arbeitszeit von 52 Stunden pro Woche gekommen, wozu sie im Hinblick auf den von ihr zu erledigenden Haushalt nicht in der Lage gewesen wäre. Während eines Gesprächs mit Mitarbeitern der AOK S am 31. Oktober 2014 sei ihr von einer Frau S mitgeteilt worden, dass sie bei dieser Sachlage in der Familienversicherung verbleibe. Das SG habe auch seine Sachaufklärungspflicht verletzt, indem es nicht die Mitarbeiter des Friseurbetriebs als Zeugen vernommen habe. Der Umfang der vom SG angenommenen Tätigkeiten der Klägerin für den Friseursalon sei sehr gering gewesen, auch habe sie ihre Mitarbeiter nicht überwacht. Dies habe ein bei ihr angestellte Friseurmeister erledigt.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich ausgelegt),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Oktober 2020 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids vom 3. Mai 2016 in der Fassung der Bescheide vom 26. August 2016 und 27. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2017 festzustellen, dass sie auch vom 1. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 als Familienangehörige in der Krankenversicherung des Beigeladenen versichert war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, Frau S könne sich an ein Gespräch mit der Klägerin am 31. Oktober 2014 nicht mehr erinnern, was sich aus der Aktennotiz vom 29. November 2016 (Bl. 47 VA) ergebe. Die Beklagte hat zudem einen „System-Ausdruck“ vom 19. Mai 2014 (Dokumentation über eine telefonische Beratung zur freiwilligen Versicherung und Zusendung eines Antragsformulars) und vom 2. Juni 2014 (Dokumentation über ein persönliches Beratungsgespräch zu einer Freiwilligen Mitgliedschaft, bei dem das Antragsformular gemeinsam in der AOK ausgefüllt wurde und dann mitgegeben worden sei) vorgelegt; auf Bl. 43/44 der Senatsakte wird Bezug genommen.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 2021 mitgeteilt, die Mitarbeiterinnen des Friseursalons seien schon durch den Steuerberater des Vorbesitzers bei den Einzugsstellen angemeldet gewesen, sie und ihr Ehemann und teilweise auch ihre Tochter oder ihr Sohn hätten am Abend die von der Kasse registrierte Summe der Einnahmen notiert, das Geschäftskonto habe sie selbst geführt, der Betriebsleiter (Herr W) habe die Friseurprodukte, die im Salon verwendet worden seien, nach Bedarf bestellt, die Lohnbuchhaltung sei durch den Buchhalter (Steuerberater D) auf dem PC erfolgt, die Preise für den Endkunden seien durch den Vorbesitzer kalkuliert worden (aufgrund des Konkurrenzdrucks hätten keine neue Preise kalkuliert werden können), die Mitarbeiter seien vom Vorbesitzer übernommen worden und Neueinstellungen seien nicht erfolgt, hinsichtlich der Erfüllung der Arbeitszeit und der Arbeitsqualität seien die Mitarbeiter beinahe vollständig durch Herrn W und selten durch sie kontrolliert worden, zwei Mitarbeiter hätten Schlüssel für den Friseursalon besessen, ferner sie selbst, ihr Ehemann und die Kinder. Sie habe mit ihrer Familie im selben Gebäude des Friseursalons gewohnt. Die Öffnungen und Schließungen seien morgens und abends zu gleichen Teilen sowohl durch die Kinder sowie durch den Ehemann und sie selbst erfolgt. Des Weiteren seien Öffnungen und Schließungen auch durch den Betriebsleiter oder dessen Stellvertreterin erfolgt. Sie sei im Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 nicht als abhängige Beschäftigte bei einer Einzugsstelle gemeldet gewesen.

Die Beklagte hat hierzu Stellung genommen und unter anderem darauf hingewiesen, dass der von der Klägerin angegebene Konkurrenzdruck hinsichtlich der Preisgestaltung normaler Bestandteil der allermeisten Selbstständigen sei und dass der Umstand, dass dies erkannt worden sei, ein Indiz dafür sei, dass die Preise sehr wohl kalkuliert worden seien.

Mit Beschluss vom 17. November 2020 hat der Senat den Ehemann der Klägerin als Stammversicherten zum Verfahren beigeladen. Dieser hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die nach §§ 143151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG, denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Feststellung, dass sie auch vom 1. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 als Familienangehörige in der Krankenversicherung des Beigeladenen versichert war.

Streitgegenstand ist nur die Familienversicherung in der Kranken-, nicht aber auch in der sozialen Pflegeversicherung. Bereits der an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 3. Mai 2016 traf eine Regelung zur Beendigung der Familienversicherung allein in der Krankenversicherung. Maßstab der Auslegung dieses Bescheids ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 KR 21/18 R – juris, Rn. 14 m.w.N.). Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat danach ausgehend von seinem Verfügungssatz und unter Heranziehung des in § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedankens so zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der Behörde bzw. des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG, Urteil vom 16. Juni 2021 – B 5 RE 4/20 R – juris, Rn. 20). In Anwendung dieser Maßstäbe betraf der Bescheid vom 3. Mai 2016 allein den Krankenversicherungsschutz der Klägerin. Im Bescheid heißt es unter der Überschrift „Familienversicherung“, dass die kostenfreie Familienversicherung aufgrund der hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit am 31. Mai 2014 ende. Es sei notwendig, eine eigene Kranken- und Pflegeversicherung abzuschließen. Es sei der Beklagten ein Anliegen, dass mit der Krankenversicherung alles klappe. Wenn die Klägerin über keinen anderweitigen Krankenversicherungsschutz ab dem 1. Juni 2014 verfüge, setze man die Versicherung als freiwillige Versicherung fort. Sobald der angeforderte Fragebogen eingehe, könne man ihr (der Klägerin) Auskunft darüber geben, wie es mit ihrem Krankenversicherungsschutz weitergehe. Die weitere Versicherung in der sozialen Pflegeversicherung oder deren rechtliche Grundlagen werden danach nicht erwähnt. Insbesondere enthält dieser Bescheid keinen Hinweis darauf, dass er auch im Namen der Pflegekasse ergehe. Soweit darin geregelt wurde, dass der Bescheid vom 3. Februar 2016 voll ersetzt werde, ist darauf hinzuweisen, dass auch dieser Bescheid allein auf den Krankenversicherungsschutz und das diesbezügliche Ende der Familienversicherung abstellte. Der spätere Bescheid vom 26. August 2016 erging zwar unter der Überschrift „Ihre freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung“. Die Beklagte teilte hierin aber zum einen mit, dass die kostenfreie Familienversicherung nach ihrer aktuellen Prüfung bereits am 31. Mai 2014 ende, und zum anderen wies sie auf die Folgen eines fehlenden Austritts bzw. einer fehlenden anderweitigen Absicherung im Sinne von § 188 Abs. 4 SGB V und die daraus resultierende Beitragspflicht in der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung hin. Nur im Hinblick darauf, dass Beklagte nochmals das Ende der kostenfreien Familienversicherung am 31. Mai 2014 prüfte (vgl. „nach unserer aktuellen Prüfung“) ist dieser Bescheid kraft Gesetzes gemäß § 86 SGG in das laufende Widerspruchsverfahren einbezogen worden.

Sowohl der Bescheid vom 27. März 2017, der das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft zum 15. Dezember 2016 und zugleich den Beginn der Familienversicherung ab diesem Zeitpunkt feststellte - weshalb er (bezogen auf die Feststellung des Beginns der Familienversicherung) gemäß § 86 SGG in das laufende Widerspruchsverfahren einbezogen wurde -, als auch der Widerspruchsbescheid vom 30. November 2017 ergingen zwar auch im Namen der Pflegekasse. Zum einen ersetzten oder änderten die zuletzt genannten Bescheide aber nicht den Bescheid vom 3. Mai 2016, da dieser gerade keine Regelung zur Pflegeversicherung traf. Zum anderen war auch das Begehren bei Klageerhebung erkennbar (§ 123 SGG) auf die Feststellung der Familienversicherung in der Krankenversicherung beschränkt. Dies ergibt sich aus dem von der anwaltlich vertretenen Klägerin bereits in der Klageschrift formulierten und im Rahmen des Erörterungstermins vor dem SG wiederholten Antrag, die Beklagte zu verurteilen, sie als in der Familienversicherung erfasstes Mitglied im Zeitraum vom 31. Mai 2014 bis 15. Dezember 2016 zu führen. Allein hierzu hat das SG in dem angefochtenen Urteil entschieden. Damit ist im Übrigen auch nicht die im Bescheid vom 26. August 2016 angekündigte Beitragsfestsetzung in der freiwilligen Krankenversicherung (und der Pflegeversicherung) sowie die Beitragsnachforderung der Beklagten Streitgegenstand des Verfahrens. Denn diesbezüglich hat die anwaltlich vertretene Klägerin schon keine Klage erhoben (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2016 – B 12 KR 1/15 R – juris, Rn. 11).

3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Familienversicherung der Klägerin in der Krankenversicherung über den Beigeladenen als Stammversicherten bestand in der Zeit vom 1. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 nicht mehr. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2016 in der Fassung der Bescheide vom 26. August 2016 und 27. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2017 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

a) Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (BSG, Urteil vom 29. Juni 2016 – B 12 KR 1/15 R – juris, 11; Urteil vom 29. Juni 1993 – 12 RK 48/91 – juris, Rn. 14; Senatsurteil vom 16. Oktober 2020 – L 4 KR 3586/19 – juris, Rn. 62). Die Familienversicherung besteht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kraft Gesetzes (Just, in: Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 10 Rn. 45 m.w.N.), ohne dass es einer konstitutiven Entscheidung des jeweiligen Versicherungsträgers bedarf. Einer Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes bedarf es daher ebenso wenig wie einer Verurteilung zur Durchführung der Familienversicherung.

b) Der angefochtenen Entscheidung der Beklagten steht eine vorherige (positive) Entscheidung über das Bestehen einer Familienversicherung nicht entgegen. Ein Verwaltungsakt mit solchem Inhalt ist zu keinem Zeitpunkt ergangen. Dies macht auch die Klägerin nicht geltend. Liegt jedoch ein entgegenstehender Verwaltungsakt nicht vor, ist die Krankenkasse nicht gehindert, rückwirkend festzustellen, dass ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt eine Familienversicherung nicht bestanden hat (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 33; Senatsurteil vom 16. Oktober 2020 – L 4 KR 3586/19 – juris, Rn. 63).

c) Die streitgegenständlichen Bescheide sind nicht bereits wegen fehlender Anhörung rechtswidrig. Eine Anhörung der Klägerin war zwar nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderlich. Die fehlende vorherige Anhörung hat die Beklagte jedoch im Widerspruchsverfahren nachgeholt. Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die - wie hier - nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird, was grundsätzlich bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens möglich ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Im Widerspruchsverfahren wird die unterlassene Anhörung geheilt, wenn der Betroffene nachträglich die Gelegenheit erhält, sich sachgerecht zu äußern. Dazu ist - anders als im Falle der Heilung während des gerichtlichen Verfahrens - ein gesondertes Verwaltungsverfahren nur notwendig, wenn sich der Widerspruchsbescheid - wie hier nicht - auf wesentliche neue Gründe stützt. Durch den Erlass des Widerspruchsbescheides ist der Fehler jedoch nur dann geheilt, wenn der Betroffene aus der Begründung des Verwaltungsaktes wissen kann, welche Tatsachen entscheidungserheblich sind. Auch vor dem Erlass des Widerspruchsbescheides ist der Mangel unter den genannten Voraussetzungen bereits geheilt, wenn die Behörde dem Betroffenen zu erkennen gibt, dass sie unter Berücksichtigung seines Vorbringens prüfen wird, ob sie an ihrer Entscheidung festhält (S-Danwitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand: Dezember 2017, § 41 Rn. 31 m.w.N.; Littmann, in: Hauck/Noftz SGB X, Stand: 2021, § 41 Rn. 24 m.w.N.). Vorliegend wurde die Klägerin im Verwaltungsverfahren hinreichend in die Lage versetzt, zu den Voraussetzungen der Familienversicherung im streitigen Zeitraum Stellung zu nehmen. Die Klägerin hat hierzu ausführlich im Widerspruchsverfahren vorgetragen und auch die Gewerbeabmeldung vom 15. Dezember 2016 vorgelegt. Dies hat die Beklagte gewertet und auch berücksichtigt, was sich unter anderem in dem Bescheid vom 27. März 2017 zeigt (rückwirkende Feststellung der Familienversicherung ab dem 16. Dezember 2016).

d) Die Klägerin war im Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis 15. Dezember 2016 nicht über den Beigeladenen als Stammversicherten bei den Beklagten familienversichert.

aa) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 8. April 2013; BGBl. I 2013, 730) sind unter anderem Ehegatten von Mitgliedern versichert, wenn sie (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, (2.) nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 SGB V oder nicht freiwillig versichert sind, (3.) nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind (dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 SGB V außer Betracht), (4.) nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind und (5.) kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a SGB IV beträgt das zulässige Gesamteinkommen 450,00 €. Eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 Nr. 4 ist nicht deshalb anzunehmen, weil eine Versicherung nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte vom 29. Juli 1994 (BGBl. I S. 1890, 1891) besteht (Satz 2). Das Gleiche gilt bis zum 31. Dezember 2015 für eine Tagespflegeperson, die bis zu fünf gleichzeitig anwesende, fremde Kinder in Tagespflege betreut (Satz 3).

bb) Die Klägerin war im streitigen Zeitraum nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V wegen einer hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit als Betreiberin des Friseursalons C in S von der Familienversicherung ausgeschlossen. Denn die Klägerin hat eine insoweit relevante Erwerbstätigkeit ausgeübt und diese erfolgte hauptberuflich.

Die Klägerin betrieb zunächst in der Zeit von April bis 31. August 2014 einen Schuh- und Schlüsseldienst in C. Dies entnimmt der Senat den eigenen Angaben der Klägerin und der Gewerbeabmeldung vom 28. August 2014. Parallel hierzu hat die Klägerin zum 1. Juni 2014 (Beginn der Tätigkeit) als Betriebsinhaberin auch einen Friseursalon (namens „C“) in der Mstraße   in S betrieben. Diese Betreibstätigkeit übte sie bis zum 15. Dezember 2016 (Datum der Betriebsaufgabe) aus. Auch dies entnimmt der Senat den eigenen Angaben der Klägerin. Diese Angaben werden gestützt durch die Gewerbeanmeldung vom 24. September 2014 und die Gewerbeabmeldung vom 15. Dezember 2016. Darüber hinaus war die Klägerin im streitigen Zeitraum auch im Schuh- und Schlüsseldienstes des Beigeladenen in C tätig. Nach ihren Angaben im Erörterungstermin vor dem SG am 27. November 2018 erhielt sie für ihre Tätigkeit bei dem Beigeladenen kein Entgelt und es existierte auch kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Zu ihren dortigen Aufgaben zählten die Buchhaltung, der Wareneinkauf, die Rechnungserstellung und die Führung des Kassenbuchs. Dies entnimmt der Senat dem Protokoll vom 27. November 2018.

Bei Personen, die - wie vorliegend - neben der zu beurteilenden selbstständigen Tätigkeit (hier: Betriebsinhaberin eines Friseursalons in S ab dem 1. Juni 2014) eine weitere Erwerbstätigkeit (hier: Betriebsinhaberin eines eigenen Schuh- und Schlüsseldienst in C von April bis 31. August 2014 und eine Tätigkeit im Schuh- und Schlüsseldienstes des Beigeladenen in C) ausüben, sind zur Feststellung/Abgrenzung der Hauptberuflichkeit die Tätigkeiten gegeneinander abzuwägen (Gerlach, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB V, Stand: Februar 2021, § 10 Rn. 125).

Der Senat ist - unter Beachtung der übrigen genannten Tätigkeiten der Klägerin - davon überzeugt, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Betriebsinhaberin des Friseursalons in S im streitigen Zeitraum hauptberuflich ausübte. Dabei kommt es nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht darauf, dass nach den Angaben der Klägerin im Klageverfahren zwischen 2014 bis zur Schließung des Friseursalons insgesamt fünf (fremde) Arbeitnehmer und vier Familienangehörige dort beschäftigt oder tätig waren (zuletzt ein Meister und eine Beschäftigte auf 450 €-Basis) und die Klägerin in diesem Zeitraum als Arbeitgeberin zu qualifizieren ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. Februar 2012 – B 12 KR 4/10 R – juris, Rn. 12, 19 ff.). Denn ob jemand eigene Arbeitnehmer hat, ist im Hinblick auf die Ausschlussregelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V nach der genannten Rechtsprechung des BSG unerheblich. Nachdem mit Ergänzung des § 5 Abs. 5 durch Satz 2 SGB V durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen KV vom 11. Juni 2015 (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, BGBl. I, 1211) mit Wirkung ab 1. August 2015 die Hauptberuflichkeit gesetzlich bei Personen vermutet wird, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, ist zwar fraglich, ob das BSG an dieser Rechtsprechung bei der Beurteilung der Hauptberuflichkeit im Zusammenhang von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB V festhält. Denn nach den Gesetzesmaterialien soll die Vermutungsregelung des § 5 Abs. 5 Satz 2 SGB V auch im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB V „Auswirkungen entfalten“ (vgl. BT-Drs 18/4095, Seite 71; s. zur nicht zwingenden analogen Anwendung von § 5 Abs. 5 Satz 2 bei § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB V: Vossen, in Krauskopf, Soziale KV/PV, Stand: August 2021, § 10 SGB V Rn. 40). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht entscheidungserheblich an, da der Senat davon überzeugt ist, dass bereits der zeitliche Umfang der Tätigkeit der Klägerin als Betriebsinhaberin des Friseursalons in S für eine Hauptberuflichkeit spricht.

Für die Frage der Hauptberuflichkeit ist nicht allein die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit von Bedeutung, sondern vor allem ihr zeitlicher Umfang maßgeblich (Felix, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, Stand: Juli 2021, § 10 SGB V Rn. 62). Denn der Ausschluss der Familienversicherung gilt unabhängig von der Höhe des aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkommens. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V flankiert den Ausschluss selbstständig Erwerbstätiger aus der Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 5 SGB V. Diese sollen auch nicht „auf dem Umweg über die Familienversicherung“ in den Genuss von Leistungen der GKV kommen (Moritz-Ritter, in: LPK-SGB V, 5. Aufl. 2016, § 10 Rn. 23). Dies gilt selbst dann, wenn zwar eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, aus dieser jedoch zeitweise gar keine oder nur geringe Einkünfte erzielt werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. Februar 2012 – B 12 KR 4/10 R – juris, Rn. 16; Just, in: Becker/Kingreen, Kommentar zum SGB V, 7. Aufl. 2020, SGB V § 10 Rn. 15; Peters, in: Kasseler Kommentar, Stand: September 2021, § 10 SGB V Rn. 15), da andernfalls Nr. 4 neben Nr. 5 keine eigenständige Bedeutung zukäme (vgl. Gerlach, a.a.O., § 10 Rn. 126; Ulmer, in: BeckOK SozR, Stand: Dezember 2021, § 10 SGB V Rn. 13). Für die Annahme einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit kommt es daher nicht entscheidend auf die wirtschaftliche Bedeutung der Erwerbstätigkeit an. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Tätigkeit vom zeitlichen Aufwand her den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit des Angehörigen bildet (Felix, a.a.O.; Moritz-Ritter, a.a.O.). Für den Vergleich der aufgewandten Arbeitszeit kommt es im Übrigen nur auf die des Unternehmers persönlich an (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 2014 – B 12 KR 16/12 R – juris, Rn. 26; Vossen, a.a.O., § 10 SGB V Rn. 39) Darüber hinaus kann bei der Klärung des Begriffs „Hauptberuflichkeit“ auch die Anzeige bzw. Genehmigung eines Gewerbes (§§ 14 ff. Gewerbeordnung <GewO>) berücksichtigt werden (vgl. Gerlach, a.a.O., Rn. 124).

Zu berücksichtigen ist weiter, dass bei Statusentscheidungen im Versicherungsrecht - und um eine derartige Entscheidung handelt es sich bei der Feststellung des Bestehens einer Familienversicherung - grundsätzlich eine vorausschauende Betrachtungsweise angezeigt ist (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 29 m.w.N.; zuletzt BSG, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 KR 38/19 R – juris, Rn. 16; s. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2021 – L 11 KR 1765/20 – juris, Rn. 36): Der Betreffende muss beim Entfallen der Familienversicherung für eine anderweitige Versicherung sorgen können und bei plötzlich auftretender Krankheit zuverlässig wissen, wie und wo er versichert ist. Dies erfordert eine Prognose unter Einbeziehung der mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden Veränderungen. Das hierbei gewonnene Ergebnis bleibt dann auch verbindlich, wenn die Entwicklung später anders verläuft als angenommen. Die Änderung kann jedoch Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Beurteilung sein. Dies gilt auch für rückwirkende Entscheidungen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 30 m.w.N.). Auch dann bestand - rückblickend - nur für solche Zeiträume keine Familienversicherung, zu deren Beginn - ggf. anhand der durchschnittlichen Verhältnisse der vergangenen Zeit - bereits absehbar war, dass die insoweit geltenden Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt würden.

In Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze stellt der Senat fest, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Betriebsinhaberin des Friseursalons in der Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 15. Dezember 2016 in einem Umfang von 40 Stunden wöchentlich und mithin hauptberuflich ausgeübt hat. Wie bereits dargelegt, ist bei Statusentscheidungen im Versicherungsrecht grundsätzlich eine vorausschauende Betrachtungsweise angezeigt. Maßgeblich ist danach der Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit als Betriebsinhaberin des Friseursalons am 1. Juni 2014. Zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte die Klägerin, diese Tätigkeit im Vollerwerb auszuüben und ihre Tätigkeit als Betriebsinhaberin ihres eigenen Schuh- und Schlüsseldienstes in C aufzugeben. Dies entnimmt der Senat der Gewerbeanmeldung der Klägerin vom 24. September 2014. In dieser Anmeldung hat sie die Frage, ob die Tätigkeit vorerst im Nebenerwerb betrieben werde, ausdrücklich verneint. Auch bei ihrer Gewerbeabmeldung zum 15. Dezember 2016 gab sie an, dass die aufgegebene Tätigkeit nicht im Nebenerwerb betrieben worden ist. Dies entnimmt der Senat der Gewerbeabmeldung der Klägerin vom 15. Dezember 2016. Auch in ihrer Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit vom 5. März 2016 gab die Klägerin an, dass ihre selbstständige Tätigkeit („Friseursalon“) für das „Unternehmen C“ in der Woche „ca. 40 Stunden“ umfasse. Die Klägerin hat in diesem Auskunftsbogen, der sich auf die von der Klägerin selbst konkretisierte selbstständigen Tätigkeit als Inhaberin des Friseursalons C bezog, zwar weiter angegeben, dass diese Tätigkeit nicht den Mittelpunkt ihrer Erwerbstätigkeit darstelle. Sie hat dies jedoch auf die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit bezogen. Dies entnimmt der Senat der in diesem Zusammenhang von der Klägerin selbst eingefügten handschriftlichen Ergänzung „wird demnächst abgemeldet, da nicht lohnend“. Darüber hinaus hat sie angegeben, dass sie Verluste aus der selbstständigen Tätigkeit erzielt habe. Dies stimmt mit den im Klageverfahren vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2014 bis 2016 überein. Darauf, dass sie mit ihrer selbstständigen Tätigkeit als Betriebsinhaberin eines Friseursalons keinen Gewinn erzielte, kommt es jedoch - wie bereits dargelegt - für die Frage der Beurteilung der Hauptberuflichkeit dieser Tätigkeit nicht an.

Soweit die Klägerin im streitigen Zeitraum zugleich im Schuh- und Schlüsseldienst des Beigeladenen in C mitgearbeitet hat, ist der Senat davon überzeugt, dass diese Arbeitszeit durchschnittlich zwölf Wochenstunden umfasste. Der Senat stützt sich hierbei auf die Angaben der Klägerin in der Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit vom 5. März 2016. In diesem Formular gab die Klägerin an, sie habe weitere Einnahmen aus der Mithilfe im Betrieb des Beigeladenen, wobei die Arbeitszeit in dieser Beschäftigung durchschnittlich zwölf Wochenstunden umfasse. Zu ihren dortigen Aufgaben zählten die Buchhaltung, der Wareneinkauf, die Rechnungserstellung und die Führung des Kassenbuchs. Dies entnimmt der Senat dem Protokoll des SG vom 27. November 2018. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben im streitigen Zeitraum hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Betriebsinhaberin eines Friseursalons fünf (fremde) Arbeitnehmer und vier Familienangehörige im Friseursalon (zuletzt ein Meister und eine Beschäftigte auf 450 €-Basis) beschäftigt hatte, sie (zum Teil mit dem Beigeladenen und teilweise auch durch ihre Tochter oder ihren Sohn) abends die von der Kasse registrierte Summe der Einnahmen notiert hat, das Geschäftskonto selbst geführt hat und sie auch die Preise kalkuliert hat (auch wenn die Preise des Vorbesitzers übernommen worden sind), sie teilweise (wenn auch selten) mit dem Mitarbeiter W die übrigen Mitarbeiter kontrolliert hat (die diesbezüglichen Feststellungen stützt der Senat auf die schriftliche Beantwortung der Fragen des Senats im Berufungsverfahren), hält der Senat die Angaben der Klägerin in ihrer Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden für ihre selbstständigen Tätigkeit für plausibel und nachvollziehbar. Ihr bis 31. August 2014 angemeldetes eigenes Gewerbe eines Schuh- und Schlüsseldienstes in C erwähnte die Klägerin in ihrer Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit vom 5. März 2016 nicht.

Soweit die Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren hinsichtlich der zeitlichen Verteilung der Arbeitszeit andere Angaben gemacht hat (28 Stunden für die Mithilfe im Schuh- und Schlüsseldienst des Beigeladenen in C und 12 Stunden für ihre selbstständige Tätigkeit als Betriebsinhaberin des Friseursalons), hält der Senat dies im Hinblick auf die vorherigen Feststellungen nicht für glaubhaft. Denn diese Angaben widersprechen nicht nur den zeitlich früher getätigten Angaben im Verwaltungsverfahren. Sie sind auch in sich nicht kohärent und vermögen daher - ebenso wie das SG - den Senat nicht zu überzeugen. Es handelt sich vielmehr um einen verfahrensangepassten Vortrag, der durch keine objektiven Anhaltspunkte gestützt wird. So hat die Klägerin beispielsweise im Schriftsatz vom 22. März 2018 gegenüber dem SG behauptet, dass für sie sowohl ihre Tätigkeit als Inhaberin des Friseursalons in S als auch ihre Tätigkeit beim Beigeladenen für sie selbstständige Tätigkeiten gewesen seien und sie deshalb bei ihren früheren Angaben von einer gesamten Arbeitszeit von 40 Stunden für beide selbstständige Tätigkeiten ausgegangen sei. Im Hinblick auf die klare Formulierung und Ausgestaltung des Erklärungsvordrucks zur selbstständigen Tätigkeit (Bl. 11 VA) mit der Trennung von Angaben zur selbstständigen Tätigkeit und den zusätzlichen Angaben bezüglich weiterer Einnahmen aus einer anderen Beschäftigung, wertet der Senat die im Klagverfahren geäußerte Behauptung der Klägerin als nicht überzeugenden und verfahrensangepassten Vortrag. Hinzu kommt, dass der Klägerin im späteren Schriftsatz vom 15. September 2018 - nachdem die Beklagte zuvor darauf hingewiesen hatte, dass es unerheblich sei, ob sich der zeitliche Umfang durch eine oder mehrere selbstständige Tätigkeiten ergebe - insoweit das Gegenteil behauptet hat, als sie nunmehr angegeben hat, dass ihre Tätigkeit beim Beigeladenen keine selbstständige Tätigkeit gewesen sei. Unter diesen Umständen misst der Senat den ursprünglichen, vom weiteren Verfahrensverlauf noch unbeeinflussten Angaben der Klägerin in der Gewerbeanmeldung vom 24. September 2014, der Gewerbeabmeldung vom 15. Dezember 2016 und der Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit vom 5. März 2016 höheres Gewicht bei als dem widersprechenden Prozessvortrag und legt diese seinen Feststellungen zugrunde.

Soweit sich die Klägerin auf eine mündliche Zusage der Mitarbeiterin der Beklagten S beruft, die ihr im Beisein eines Vertreters einer privaten Krankenversicherung zugesagt habe, im streitigen Zeitraum weiterhin familienversichert zu sein, so führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die behauptete mündliche Zusage während eines Gesprächs mit Frau S, an welches sich diese ausweislich ihrer Auskunft vom 29. November 2016 nicht mehr erinnert, stellt keine wirksame Zusicherung dar. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Eine mündliche Zusage, wie von der Klägerin behauptet, genügt der notwendigen Schriftform gerade nicht.

Abgesehen davon, dass die Klägerin keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat, musste - vor dem dargestellten Hintergrund - im Übrigen weder das SG noch der Senat der Anregung der Klägerin folgen, die früheren Mitarbeiter des Friseursalons als Zeugen zu vernehmen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Eine Kostenerstattung für den Beigeladenen, der einen Antrag nicht gestellt hat, ist nicht angemessen.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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