Der wirtschaftliche Wert an der Umwandlung einer Angestelltenstelle folgt aus der Verwertungsmöglichkeit des Vertragsarztsitzes. Fehlt es an einem Vortrag, welcher Erlös für die Abgabe eines Vertragsarztsitzes erzielt werden kann, kann nur auf den Auffangwert in Zulassungsangelegenheiten (60.000,00 €) abgestellt werden.
Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten stritten um die Umwandlung einer Angestelltenstelle mit dem Faktor 0,5 in einen hälftigen Vertragsarztsitz und hierbei insb. um die Frage, ob ein solcher Antrag noch innerhalb der um sechs Monate verlängerten sechsmonatigen Frist zur Nachbesetzung der Angestelltenstelle gestellt werden kann.
Die Klägerin betreibt ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Vertragsarztsitz in der A-Straße, A-Stadt, in dem insb. laboratoriumsmedizinische Leistungen erbracht werden. Sie beschäftigte bis zum 31.12.2019 den Facharzt für Mikrobiologie und lnfektionsepidemiologie Dr. med. C. in einem Umfang von elf Wochenstunden, was bedarfsplanungsrechtlich einem hälftigen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag (Faktor 0,5) entspricht. Der beklagte Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen stellte mit Beschluss vom 18.02.2020 die Beendigung des Anstellungsverhältnisses fest. Der Zulassungsausschuss verlängerte ferner die Nachbesetzungsfrist bis zum 31.12.2020.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 17.12.2020 am 18.12.2020 die Umwandlung der Anstellung in eine Zulassung im Umfang des freigewordenen Anrechnungsfaktors 0,5 zum 01.01.2021 und die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V. Der Zulassungsausschuss lehnte mit Beschluss vom 23.02.2021 den Antrag auf Umwandlung der Arztstelle ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Der Beklagte lehnte mit Beschluss vom 23.06.2021, ausgefertigt am 20.07.2021, den Widerspruch als unbegründet ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 17.08.2021 die Klage zum Az.: S 12 KA 321/21 erhoben.
Der Zulassungsausschuss lehnte ferner mit weiterem Beschluss vom 23.02.2021 den Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens ab, weil er bereits in selbiger Sitzung den Antrag auf Umwandlung der Arztstelle abgelehnt habe. Hiergegen erhob die Klägerin am 06.04.2021 die Klage zum Az.: S 12 KA 91/21.
Auf Anraten der Kammer schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich:
1. Der Berufungsausschuss bewilligt die Umwandlung einer Angestelltenstelle mit dem Faktor 0,5 im Bereich Labormedizin in einen hälftigen Vertragsarztsitz.
2. Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen bewilligt die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V für den umgewandelten hälftigen Vertragsarztsitz.
3. Der Zulassungsausschuss trägt im Verfahren mit Az: S 12 KA 91/21 die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
4. Der Berufungsausschuss trägt im Verfahren mit Az: S 12 KA 231/21 die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
5. Die Beteiligten erklären die Rechtstreite mit Az: S 12 KA 91/21 und Az: S 12 KA 231/21 für erledigt.
Durch den Verglich sind beide Verfahren beendet worden.
Die Klägerin trägt vor, es dürfe die Bestimmung des Streitwertes in Zulassungsverfahren, wonach im Regelfall auf den erwartbaren Gewinn in den nächsten drei Jahren abzustellen sei, nicht außer Acht gelassen werden. Nach dem „Honorarbericht 2018“ der KV Rheinland-Pfalz ergebe sich eine Vergütung von ca. 1,5 Mio. € pro Jahr je laborärztlichem Versorgungsauftrag. Auch unter Berücksichtigung einer deutlich höheren Kostenquote sei für einen hälftigen Vertragsarztsitz der Streitwert nicht unter 250.000,00 € festzusetzen.
Der Beklagte trägt vor, es gehe lediglich um eine Änderung des vertragsärztlichen Status von einer Angestelltenposition in eine selbständige Rechtsposition. Die Erwerbsmöglichkeit verändere sich in keiner Weise. Die statusrechtliche Position stelle lediglich einen ideellen Wert dar, weil eine wirtschaftliche Bewertung dieses Wertes nicht möglich sei.
II.
Nach Erledigung des Rechtsstreits war der Streitwert auf 30.000,00 € festzusetzen.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 € anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
In Zulassungsangelegenheiten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Gegenstandswert in der Regel in Höhe der dreifachen Jahreseinnahmen abzüglich der durchschnittlichen Praxiskosten in der jeweiligen Behandlergruppe festzusetzen (vgl. BSG, Beschl. v. 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R - SozR 4-1920 § 52 Nr. 1; BSG, Beschl. v. 26.09.2005 - B 6 KA 69/04 B - juris; BSG, Beschl. v. 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B - juris = MedR 2006, 236 = ZMGR 2005, 324). Wenn in Zulassungsverfahren in Ausnahmefällen die durchschnittlichen Umsätze der jeweiligen Arztgruppe dem wirtschaftlichen Interesse des Betroffenen auch nicht annähernd entsprechen, ist für jedes Quartal des maßgeblichen Dreijahreszeitraums nach § 42 Abs. 3 GKG der Regelwert von 5000,00 € anzusetzen; ein Abzug von Praxiskosten erfolgt dann nicht (vgl. BSG, Beschl. v. 12.09.2006 - B 6 KA 70/05 B - juris).
Der wirtschaftliche Wert an der Umwandlung einer Angestelltenstelle folgt aus der Verwertungsmöglichkeit des Vertragsarztsitzes. Mit der Umwandlung und Ausschreibung der Arztstelle scheidet diese aus dem MVZ und damit der BAG aus und beschränkt sich das Interesse des MVZ auf deren Verwertung (vgl. Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 103 SGB V <Stand: 14.02.2022>, Rn. 299). Der Gesetzgeber wollte dem MVZ mit der Einführung des § 95 Abs. 9b SGB V auch die Möglichkeit geben, eine nicht mehr benötigte Anstellung wirtschaftlich zu „verwerten“. Wenn die Umwandlung durchgeführt und dem (ehemals) angestellten Arzt die Zulassung erteilt worden ist, ist die „Verwertung“ jedoch abgeschlossen. Auf den konkreten Inhalt der in der Praxis regelmäßig dahinterstehenden zivilrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Träger eines MVZ und dem (ehemaligen) Angestellten und damit die Frage, ob sich die mit der Umwandlung verbundenen wirtschaftlichen Erwartungen des MVZ erfüllt haben, kommt es nicht an. Wie die mit § 95 Abs. 9b SGB V ermöglichte „Verwertung“ vertraglich umgesetzt wird, ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien (vgl. BSG, Beschl. v. 12.12.2018 - B 6 KA 6/18 B - juris Rdnr. 13). Mit dem Antrag, die Anstellung in eine Zulassung umzuwandeln und dem (ehemals) angestellten Arzt die Zulassung zu erteilen, verzichtet das MVZ auf die Nachbesetzung der Angestelltenstelle. Wenn der Arzt, dem die Zulassung nach § 95 Abs. 9b SGB V im Wege der Umwandlung übertragen worden ist, von dieser Zulassung keinen Gebrauch macht, fällt die Stelle nicht an das MVZ zurück. Vielmehr wird in einem überversorgten Planungsbereich ein – grundsätzlich gewollter – Abbau der Überversorgung bewirkt (vgl. BSG, Beschl. v. 12.12.2018 - B 6 KA 6/18 B - juris Rdnr. 12; Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 95 SGB V <Stand: 14.02.2022>, Rn. 1367).
Die Umwandlung einer Angestelltenstelle kann daher wie hier Voraussetzung für die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens sein. Die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens ist erforderlich, um die Praxis bzw. den Vertragsarztsitz verkaufen zu können. Mit der Verwertungsmöglichkeit des Vertragsarztsitzes schützt der Gesetzgeber die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes (oder seiner Erben) bzw. des abgebenden Leistungserbringers. Deren Interessen hat der Gesetzgeber auf die Höhe des Verkehrswertes der Praxis, d. h. des Vertragsarztsitzes begrenzt (§ 103 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Mit der Beschränkung auf die wirtschaftlichen Interessen will der Gesetzgeber verhindern, dass ein Aufschlag für die Zulassung bezahlt werden muss. Die Zulassung, die der Nachfolger für seine Tätigkeit als Vertragsarzt benötigt, ist als öffentlich-rechtliche Berechtigung nicht übertragbar und muss vom Nachfolger beim Zulassungsausschuss beantragt werden (vgl. Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 103 SGB V <Stand: 14.02.2022>, Rn. 302). Findet sich kein Käufer, kann die Praxis bzw. der Vertragsarztsitz nicht veräußert werden. Der Wert an der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens ist keinesfalls mit dem Wert einer vertragsärztlichen Zulassung identisch oder vergleichbar. Gleiches gilt für den Wert einer Umwandlung einer Angestelltenstelle. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann daher nicht auf den erwartbaren Gewinn in den nächsten drei Jahren abgestellt werden. Im Übrigen könnte dann auch nicht auf durchschnittliche Umsatzzahlen, zudem aus einem anderen Bezirk, abgestellt werden, da es um einen konkreten Vertragsarztsitz der Klägerin geht und deren Abrechnungswerte maßgeblich wären.
Soweit der Antragsteller eines Nachbesetzungsverfahrens einen Kaufvertrag über seine Praxis vorlegt, ist der Kaufpreis als Streitwert festzusetzen (vgl. SG Marburg, Beschl. v. 08.10.2021 - S 12 KA 77/21 - juris Rdnr. 35), da eine Überprüfung des Kaufpreises nur bei fehlender Einigung zwischen Käufer und Praxisübernehmer stattfindet (vgl. Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 103 SGB V <Stand: 14.02.2022>, Rn. 308).
Die Klägerin hat nicht vorgetragen, welchen Erlös sie für die Abgabe des hälftigen Vertragsarztsitzes erzielen kann oder hofft zu erzielen. Sie hat auch die bisherigen Umsatzzahlen bzgl. des streitgegenständlichen Vertragsarztsitzes nicht dargelegt. Von daher kann nur auf den Auffangwert in Zulassungsangelegenheiten abgestellt werden, der im Hinblick auf den hälftigen Vertragsarztsitz zu halbieren war. Dies ergab den festgesetzten Wert.