L 4 R 3892/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 605/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3892/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der Gesetzgeber hat die Aufhebung der Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung bei rückwirkender Feststellung einer Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung und die damit verbundene Erstattung des gewährten Zuschusses in § 108 Abs. 2 SGB VI bewusst abschließend dahingehend geregelt, dass der Rentenversicherungsträger die Entscheidung über die Gewährung des Zuschusses rückwirkend mit Wirkung vom Beginn der Pflichtmitgliedschaft an aufzuheben hat, ohne dass es einer weiteren Prüfung bedarf.
2. Mangels Regelungslücke sind die Verjährungsvorschriften der §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 2 SGB IV auf den Erstattungsanspruch nicht analog anzuwenden.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11. November 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Erstattung von 2.689,37 € für gewährte Beitragszuschüsse zu seiner gesetzlichen Krankenversicherung.

Der 1940 geborene Kläger war bis 31. März 2011 als selbständiger Elektroinstallateur tätig und als solcher in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwilliges Mitglied der Beigeladenen. Mit Bescheid vom 23. Februar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. April 2005 Altersrente für langjährig Versicherte und mit Bescheid vom 2. August 2006 ab 1. April 2005 einen Zuschuss zur Krankenversicherung.

Nach einer im Jahr 2019 erfolgten Überprüfung des Versicherungsverhältnisses nahm die Beigeladene den Kläger rückwirkend ab 1. April 2011 als Pflichtmitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) auf. Hiervon unterrichtete sie die Beklagte am 17. Juli 2019 telefonisch und teilte mit, dass ein Beitragsguthaben von ca. 13.000 € vorhanden sei.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2019 hob die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung vom 2. August 2006 für die Zeit ab 1. April 2011 auf und führte weiter aus, dass infolge der Bescheidaufhebung der für die Zeit vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2019 zu Unrecht gezahlte Zuschuss in Höhe von insgesamt 6.462,52 € nach § 50 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten sei. Nach § 108 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei ein Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Beginn der Pflichtmitgliedschaft aufzuheben, wenn die Krankenkasse die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung rückwirkend festgestellt habe. Da der Kläger für die genannten Zeiten gegenüber seiner Krankenkasse einen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gezahlter freiwilliger Beiträge habe, könne sie - die Beklagte - den dortigen Erstattungsbetrag mit dem oben genannten Betrag verrechnen. Die Krankenkasse des Klägers habe bereits mitgeteilt, dass ein Guthaben aus der freiwilligen Versicherung in Höhe von ca. 13.000 € bestehe. Die Beklagte berechnete gleichzeitig die Rente des Klägers unter Berücksichtigung des von ihm aus der Rente zu tragenden Anteils zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. Juli 2019 neu und gelangte insoweit zu rückständigen Beiträgen in Höhe von 5.598,81 €. Die Beiträge bis 30. November 2014 seien verjährt. Die Überzahlung betrage insgesamt 12.061,33 € und sei zu erstatten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger insoweit Widerspruch, als die Beklagte den im Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. November 2014 gewährten Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 2.689,37 € zurückforderte. Es sei nicht ersichtlich, weshalb rückständige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum von April 2011 bis November 2014 der Verjährung unterlägen, nicht hingegen die Zuschüsse zur Krankenversicherung. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Regelung des § 108 Abs. 2 SGB VI erst durch Gesetz vom 11. November 2016 mit Wirkung zum 17. November 2016 in § 108 SGB VI eingefügt worden sei und daher für zeitlich davor liegende Sachverhalte noch nicht angewendet werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2020 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass die Regelung des § 108 Abs. 2 SGB VI ausdrücklich vorgebe, dass die §§ 45 und 48 SGB X nicht anzuwenden seien und damit eine spezialgesetzliche Regelung für die Aufhebung der Bewilligung des Zuschusses von Beginn an sei. Die Verjährungsvorschrift des § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei nur auf rückständige Beiträge, nicht jedoch auf den überzahlten Beitragszuschuss anzuwenden.

Am 4. April 2020 erhob der Kläger dagegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage und machte unter Bezugnahme auf die Regelungen der §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 2 SGB IV geltend, die im Streit stehende Überzahlung sei in Höhe von 2.689,37 € verjährt. § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VI besage lediglich, dass der Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses vom Beginn der Pflichtmitgliedschaft an aufzuheben sei, es werde jedoch keine Aussage getroffen, dass die allgemeinen Verjährungsvorschriften nicht anzuwenden seien. Es leuchte nicht ein, weshalb nur Beiträge bzw. Beitragserstattungsansprüche verjähren sollten und dies für Beitragszuschüsse nicht gelte. Es sei nicht vorstellbar, dass Ansprüche auf Rückforderung von Beitragszuschüssen unverjährbar seien. Die Regelungen der §§ 25, 27 SGB IV seien zumindest analog anzuwenden. Problematisch sei im Übrigen, dass die Regelung des § 108 Abs. 2 SGB VI erst mit Wirkung vom 17. November 2016 in § 108 SGB VI angefügt worden sei, weshalb fraglich sei, ob sie überhaupt auf den zeitlich davorliegenden Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. November 2014 angewendet werden könne.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies darauf, dass es nicht ihrer Beurteilung, sondern der Beurteilung und Entscheidung der Beigeladenen obliege, ob der Erstattungsanspruch für die gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung verjährt seien. Für sie – die Beklagte – sei allein maßgeblich, ob Beitragszuschüsse zurückzufordern seien. Die rückwirkende Anwendung des § 108 Abs. 2 SGB VI sei nicht zweifelhaft.

Mit Beschluss vom 11. Mai 2020 lud das SG die IKK classic zu dem Verfahren bei.

Die Beigeladene teilte durch Übersendung ihres an den Bevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreibens vom 8. August 2019 mit, dass durch die rückwirkende Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft zum 1. April 2011 ein Guthaben aus Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen von 18.258,81 € entstanden sei. Dieses würde mit der nach Mitteilung der Beklagten entstandenen Überzahlung für den zu Unrecht gezahlten Beitragszuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 6.462,52 € und den rückständigen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.598,81 € verrechnet und direkt an den Rentenversicherungsträger überwiesen. Das verbleibende Restguthaben von 6.197,48 € werde an den Kläger erstattet.

In der nichtöffentlichen Sitzung des SG vom 17. September 2020 stellte die Beigeladene klar, dass das im Schreiben vom 8. August 2019 genannte Guthaben von 18.258,81 € die vom Kläger gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seit 1. April 2011 umfasst.

Mit Gerichtsbescheid vom 11. November 2020 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf die Regelung des § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, die auf den vorliegenden Sachverhalt gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI anwendbar sei, habe die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung eines Beitragszuschusses zu Recht ab 1. April 2011 aufgehoben, da ab diesem Zeitpunkt rückwirkend eine Pflichtmitgliedschaft begründet worden sei. Ein Ausnahmefall im Sinne des § 108 Abs. 2 Satz 2 SGB VI liege nicht vor. Diese Vorschrift sei so zu verstehen, dass eine Aufhebung nur für solche Zeiten ausgeschlossen sei, für die Beiträge wegen Ablaufs der Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 SGB IV tatsächlich nicht erstattet worden seien. Habe die Krankenkasse unter Missachtung von § 27 Abs. 2 SGB IV freiwillige Beiträge für einen bestimmten Zeitraum aber erstattet, greife § 108 Abs. 2 Satz 2 SGB VI nicht ein. Da die Beigeladene dem Kläger die gesamten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit ab 1. April 2011 erstattet und sich nicht auf Verjährung berufen habe, habe die Beklagte die Zuschussbewilligung für die Zeit ab 1. April 2011 aufheben dürfen. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der Rentner durch die Aufhebung und Rückforderung eines Beitragszuschusses dann nicht zusätzlich finanziell belasten wolle, wenn Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung nicht erstattet worden seien.

Am 9. Dezember 2020 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er hat sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ist weiterhin der Auffassung, dass eine Rückforderung des Beitragszuschusses für die Zeit vom 1. April 2011 bis 30. November 2014 wegen Verjährung ausgeschlossen sei.

 

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2020 insoweit aufzuheben, als die Beklagte die im Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. November 2014 gewährten Beitragszuschüsse in Höhe von 2.689,37 € zurückfordert.

 

Die Beklagte beantragt,

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakte der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143 SGG statthaft und zulässig. Die Berufung bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der maßgebliche Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 € überschritten ist. Der Kläger wendet sich gegen eine Erstattungsforderung der Beklagten in Höhe von 2.689,37 €.

2. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2020 (§ 95 SGG) insoweit, als die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. August 2006 entschied, dass die im Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. November 2014 gewährten Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von 2.689,37 € zu erstatten sind. Nicht Gegenstand des Verfahrens sind die mit diesen Bescheiden getroffenen weiteren Verfügungen, wonach der Kläger die im nachfolgenden Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis 31. Juli 2019 gewährten Zuschüsse zur Krankenversicherung (3.773,15 €) zu erstatten und rückständige Beiträge aus diesem Zeitraum in Höhe von 5.598,81 € zu zahlen hat. Insoweit hat der Kläger den Bescheid für rechtmäßig erachtet und nicht angegriffen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2020 ist insoweit bestandskräftig (§ 77 SGG).

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die als isolierte Anfechtungsklage zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2020 ist im vom Kläger angefochtenen Umfang rechtmäßig, soweit die Beklagte die Erstattung der im Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. November 2014 gewährten Zuschüsse zur Krankenversicherung begehrt. Insoweit verletzt er den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid ihren Bescheid vom 2. August 2006 über die Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung mit Wirkung ab 1. April 2011 aufhob und verfügte, dass der Kläger die ihm im Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. November 2014 gewährten Zuschüsse in einer Höhe von 2.689,37 € zu erstatten hat.

a. Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 25. Juli 2019 erfolgte Aufhebung des Bescheids vom 2. August 2006 über die Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung des Klägers ist § 108 Abs. 2 SGB VI. Diese durch Art. 4 Nr. 5b Sechstes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (6. SGB IV-ÄndG) vom 11. November 2016 (BGBl. I, S. 2500) mit Mitwirkung vom 17. November 2016 als Absatz 2 in die Vorschrift des § 108 SGB VI aufgenommene Regelung ist - entgegen der Auffassung des Klägers - gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden (vgl. Böttiger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand: April 2021, § 108 SGB VI Rn. 53 m.w.N.). Danach sind Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Nur auf Vorschriften zur Versicherungspflicht findet § 300 Abs. 1 SGB VI keine Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 2021 – B 5 R 23/21 R – juris, Rn. 19). Bei der Regelung des § 108 Abs. 2 SGB VI handelt es sich aber nicht um eine Regelung zur Versicherungspflicht, sondern um eine Regelung zur rückwirkenden Aufhebung von Zuschüssen zu den Aufwendungen für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung. Daher erfasst § 108 Abs. 2 SGB VI auch den hier streitigen Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. November 2014.

§ 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bestimmt: Sind die Anspruchsvoraussetzungen für den Zuschuss zu den Aufwendungen für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung entfallen, weil die Krankenkasse rückwirkend eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt hat, ist der Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses vom Beginn der Pflichtmitgliedschaft an aufzuheben.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beigeladene stellte im Jahr 2019 rückwirkend zum 1. April 2011 die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der KVdR fest, wodurch ab diesem Zeitpunkt die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers verdrängt wurde (vgl. § 191 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V). Dadurch entfielen mangels freiwilliger Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses zu den entsprechenden Aufwendungen gemäß § 106 SGB VI. Nach dieser Vorschrift erhalten nur Rentenbezieher, die u.a. freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Die Beklagte war daher verpflichtet („ist … aufzuheben“), den Bescheid über die Bewilligung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung vom 2. August 2006 vom Beginn der Pflichtmitgliedschaft an, d.h. ab 1. April 2011 aufzuheben. Als Folge dieser Aufhebung ist der Beitragszuschuss im Umfang der Aufhebung, mithin ab 1. April 2011 gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Soweit § 108 Abs. 2 S. 2 SGB VI eine Ausnahme von dieser Aufhebungsverpflichtung vorsieht, liegen die entsprechenden Voraussetzungen nicht vor. Nach dieser Regelung ist der Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses nicht für Zeiten aufzuheben, für die freiwillige Beiträge gezahlt wurden, die wegen § 27 Abs. 2 SGB IV nicht erstattet werden. Diese Regelung schließt eine rückwirkende Aufhebung des Bescheids über den Zuschuss zu den Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung für Zeiträume aus, für die der Versicherte Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung von der Krankenkasse wegen des Eintritts der Verjährung nicht zurückerstattet bekommen kann. Durch diese Regelung soll eine finanzielle Belastung der Rentner verhindert werden, wenn sie ihrerseits freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt haben, diese jedoch wegen Ablaufs der Verjährung nach § 27 Abs. 2 SGB IV für Erstattungsansprüche nach § 26 Abs. 2 SGB IV nicht erstattet werden. Diese Vorschrift ist so zu verstehen, dass eine Aufhebung nach § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VI nur für solche Zeiten ausgeschlossen ist, für die Beiträge wegen Ablaufs der Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 SGB IV tatsächlich nicht erstattet wurden (Böttiger, a.a.O., Rn. 43). Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Wegen Ablaufs der Verjährung nach § 27 Abs. 2 SGB IV war die Beigeladene zwar nicht verpflichtet, die im streitbefangenen Zeitraum vom Kläger zu Unrecht entrichteten Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 26 Abs. 2 SGB IV zurückzuerstatten. Für die Beigeladene bestand aber keine gesetzliche Verpflichtung, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Aufgrund der vorliegend erfolgten Erstattung ist kein Raum für die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 108 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Dafür sprechen Sinn und Zweck der Regelung. Wie bereits dargelegt, soll durch die Regelung in Satz 2 eine finanzielle Belastung der Rentner verhindert werden, wenn ihre Beitragserstattungsansprüche verjährt sind. Beruft sich die Krankenkasse aber nicht auf die Einrede der Verjährung, kann für den erstattungspflichtigen Rentner (im Hinblick auf die Erstattung des Zuschusses nach § 106 SGB VI) auch keine finanzielle Überlastung entstehen. Nach Rückerstattung der vom Kläger zu Unrecht entrichteten Krankenversicherungsbeiträge durch die Beigeladene besteht mithin kein Grund von einer Erstattung des gewährten Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung abzusehen, da der Kläger tatsächlich keine Aufwendungen mehr hatte, für die ein Zuschuss gewährt werden könnte.

b. Soweit der Kläger geltend macht, der Anspruch der Beklagten sei gemäß den §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 2 SGB IV verjährt, trifft dies nicht zu.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Normen liegen bereits nicht vor. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 27 Abs. 2 SGB IV verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV regelt die Verjährung von Beitragsansprüchen und § 27 Abs. 2 SGB IV die Verjährung des Erstattungsanspruchs gemäß § 26 SGB IV. Erstattungsansprüche in diesem Sinne sind Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Die Beklagte macht mit den angefochtenen Bescheiden weder einen Beitragsanspruch noch einen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge geltend. Sie begehrt vielmehr die Erstattung eines zu Unrecht gewährten Zuschusses zu den Aufwendungen für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung des Klägers.

Soweit der Kläger geltend macht, die genannten Regelungen seien analog anzuwenden, ist hierfür mangels Regelungslücke kein Raum. Eine analoge Anwendung setzt eine unbewusste planwidrige Regelungslücke und eine Gleichartigkeit der zu regelnden Sachverhalte voraus (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juli 2021 – B 6 KA 15/20 R – juris, Rn. 39). Beides fehlt hier. Der Gesetzgeber hat die Aufhebung der Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung bei rückwirkender Feststellung einer Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung und die damit verbundene Erstattung des gewährten Zuschusses in § 108 Abs. 2 SGB VI bewusst abschließend dahingehend geregelt, dass der Rentenversicherungsträger die Entscheidung über die Gewährung des Zuschusses rückwirkend mit Wirkung vom Beginn der Pflichtmitgliedschaft an aufzuheben hat, ohne dass es einer weiteren Prüfung bedarf. Entsprechend bestimmt § 108 Abs. 2 Satz 3 SGB VI, dass die Vorschriften zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 SGB X) und die Vorschriften zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X) nicht anzuwenden sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll allein die rückwirkende Feststellung der Krankenkasse über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft als Grund für die Aufhebung genügen. In den Materialien (BT-Drucks. 18/8487, Seite 51) ist insoweit ausgeführt: „Der vom Rentenversicherungsträger ursprünglich bewilligte Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung steht jedoch in unmittelbarem Zusammenhang mit dem freiwilligen Krankenversicherungsverhältnis und der Entrichtung freiwilliger Beiträge. Mit der Entscheidung der Krankenkasse, das bislang als freiwillige Versicherung durchgeführte Versicherungsverhältnis in ein Pflichtversicherungsverhältnis umzustellen, ist die Grundlage für den Zuschuss entfallen. Mit der Gesetzesänderung wird die in diesen Fällen sachlich gebotene Rückforderung des Zuschusses erreicht.“ Der Gesetzgeber erachtet es unter den Voraussetzungen des § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ohne Einschränkungen für geboten, dass der gewährte Zuschuss zurückerstattet wird. Dies ist nur im Ausnahmefall des Satzes 2 des § 108 Abs. 2 SGB VI nicht der Fall, um eine finanzielle Belastung des Versicherten zu verhindern, wenn er seinerseits die von ihm zu Unrecht gezahlten Beiträge von der Krankenkasse nicht erstattet erhält.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

 

Rechtskraft
Aus
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