S 7 KR 433/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 433/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 313/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 100,00 Euro zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

IV. Die Berufung wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d :

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 Euro geltend machen kann.

Die Klägerin betreibt das Klinikum A-Stadt. In dieser Einrichtung war die bei der Beklagten versicherte Frau D. in der Zeit vom 12.02. bis 25.02.2008 in stationärer Behandlung. Für die erbrachten Leistungen an die Versicherte der Beklagten erstellte die Klägerin eine Rechnung, der die DRG (Diagnosis Related Groups) J62A zugrunde lag. J62A wird bezeichnet mit "bösartige Neubildungen der Mamma, mehr als ein Belegungstag, mit äußerst schweren CC". Mit CC sind Komplikationen und Komorbiditäten bezeichnet. Unter Berücksichtigung der Diagnosen und Prozeduren gelangte die Klägerin zur DRG J 62 A. Bei den von der Klägerin benannten Nebendiagnosen wurde auch die der Senilität nach R 54 (nach der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsstörungen 10. Revision -ICD-10-SGB V-) aufgeführt. Die Beklagte leitete eine Prüfung der Abrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. In seinem Gutachten vom 04.06.2008 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass für die Nebendiagnose R54 keine Beeinflussung des Patientenmanagements im Sinne der Kodierrichtlinie D003d dokumentiert sei. Wegen der Nichtberücksichtigung dieser Nebendiagnose kam der MDK zu dem Ergebnis, dass als neue DRG J62B der Abrechnung zu Grunde zu legen sei. Mit J62B wird bezeichnet: "Bösartige Neubildungen der Mamma, ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere CC". Daraufhin wurde vom Klinikum A-Stadt eine Umkoordinierung vorgenommen. Nunmehr wurde als Diagnose neu aufgenommen C78.7 (sekundäre bösartige Neubildung der Leber, ICD-10-SGB V). Daraus ergab sich -zwischen den Beteiligten unstreitig- erneut die Zuordnung zur DRG J62A. Dies ergab auch eine kurze Stellungnahme des MDK vom 29.07.2008. Am Rechnungsbetrag änderte sich somit nichts. Es wurde dann von der Klägerin am 24.07.2008 erneut eine Rechnung auf der Grundlage der DRG J62A erstellt.

Mit der Rechnung vom 29.08.2008 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten wegen der Prüfung durch den MDK eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 Euro geltend. Die Beklagte weigerte sich, diese Aufwandspauschale zu zahlen.

Am 17.11.2008 ging bei Gericht die Leistungsklage über die Pauschale von 100,00 Euro ein.

Nach Auffassung der Klägerin ist Anspruchsgrundlage für die Pauschale § 275 Abs. 1 c SGB V. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien gegeben. Der Gesetzgeber stelle ausdrücklich nur darauf ab, ob die Prüfung durch den MDK zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe. Unerheblich sei, aus welchem Grund sich die Krankenkasse zu einer Prüfung des Behandlungsfalles veranlasst sah. Der Rechnungsbetrag habe sich auch nach der Überprüfung nicht verringert.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 100,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Aufwandspauschale in einem Fall wie diesem der Intension des Gesetzgebers zuwiderliefe. Ziel sei es gewesen, einen Rückgang der Prüfverfahren zu erreichen. Wäre aber seitens der Krankenhäuser durch falsche Abrechnungen die Prüftätigkeit der Krankenkassen gleichsam provoziert, werde keine "richtige Rechnung" von der Krankenkasse angezweifelt. Die Angaben falscher Diagnosen bzw. Nebendiagnosen sei kausal für den Prüfauftrag an den MDK. Im vorliegenden Fall seien die vom Krankenhaus ursprünglich übermittelten Daten nach § 301 SGB V nicht korrekt gewesen. Die erneute Rechnungsstellung über die DRG J62A sei Folge der Nachkodierung der Nebendiagnose C78.7 gewesen. Wäre keine Nachkodierung erfolgt, ergäbe sich die DRG J62B.

Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Verfahrensakte Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig. Bezüglich des Rechtsweges ist auf § 51 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verweisen.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die Aufwendungspauschale gemäß § 275 Abs. 1 c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die Regelung in § 275 Abs. 1 c Satz 1 SGB V stellt den Grundsatz auf, dass Prüfungen nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zeitnah durchzuführen sind. In Satz 2 der Vorschrift werden hierfür sechs Wochen nach dem Eingang der Abrechnung durch die Krankenkasse vorgesehen. Falls eine solche Überprüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwendungspauschale in Höhe von 100,00 Euro zu entrichten. Diese Regelung über die Aufwendungspauschale in § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V wurde ebenso wie die übrigen Regelungen dieses Absatzes mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) zum 01.04.2007 eingeführt. Liegen die Voraussetzungen vor, ist die Aufwandspauschale von 100,00 Euro von der prüfungseinleitenden Krankenkasse an das Krankenhaus zu erstatten.

Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, wenn sie der Auffassung ist, dass die Klägerin im vorliegenden Fall keine Aufwandspauschale geltend machen kann. Der Gesetzgeber hat bewusst eine Pauschale eingeführt. In der Begründung zum GKV-WSG (BT-Drs. 16/3100) wird ausgeführt, dass eine vereinfachte, unbürokratische Regelung verfolgt werde. Es wird sogar hervorgehoben, dass die Pauschale "keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleisten" kann. Dies wird vom Gesetzgeber darauf zurückgeführt, dass aufgrund des Umfangs und der Komplexität der Kodierregelungen Fehlabrechnungen mit zu hohen oder zu niedrigen Rechnungsbeträgen grundsätzlich nicht auszuschließen sind. Um diese unbürokratische Regelung zu erreichen, wird somit im Gesetz auf die Minderung des Abrechnungsbetrages abgestellt.

Eine Differenzierung nach den Gründen dafür, dass sich der Abrechnungsbetrag nicht mindert, wurde von Seiten des Gesetzgebers somit bewusst nicht vorgesehen. Vorausgesetzt wird im Gesetz nur die Durchführung einer Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, weil sich daraus der Aufwand für das Krankenhaus ergibt. Der konkrete Anlass der Prüfung kann aber für die Erhebung der Aufwandspauschale nicht entscheidend sein, wenn auf das Ergebnis der Minderung des Abrechnungsbetrages abgestellt wird. Die Beklagte hat in diesem Verfahren der Klägerin vorgehalten, dass sie nicht nur die Nebendiagnose R54 (Senilität) nicht richtig kodiert hätte, sondern die spätere Kodierung mit der Nebendiagnose C78.7 ursprünglich nicht angeführt hatte. Wäre von vorneherein auch diese Nebendiagnose genannt worden, wäre der Beklagten zufolge auch keine Prüfung veranlasst worden. Mit der Bezugnahme auf den Anlass der Prüfung will die Beklagte somit den Grund dafür berücksichtigt wissen, warum es zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages gekommen ist. Voraussetzung für die Aufwendungspauschale ist aber nur die Prüfung als solche. Anderenfalls würde das alleinige Abstellen auf das Ergebnis in § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V -keine Änderung im Abrechnungsbetrag- keinen Sinn machen.

In den Fällen des § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V, in denen die Aufwandspauschale entsteht, ist Anlass für die Prüfung die konkret vom Krankenhaus vorgenommene Bestimmung der DRG, die sich wiederum nach den Diagnosen und Prozeduren bestimmt. Da im Gesetz nicht auf die Richtigkeit der genannten Diagnosen und Prozeduren als Voraussetzung für die Aufwandspauschale abgestellt wird, sondern nur auf das Ergebnis der Minderung des Abrechnungsbetrages, ist es unerheblich, ob die Angaben des Krankenhauses zutreffen oder nicht. Im vorliegenden Fall wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung noch vorgetragen, dass keine vollständige Abrechnung vorgelegen habe, weil die Nebendiagnose C78.7 ursprünglich nicht genannt worden sei, sondern "nachkodiert" wurde. Voraussetzung für die Anwendung des § 275 Abs. 1 c SGB V sei eine solche vollständige Abrechnung. Auch mit diesem Kriterium, das weder dem Wortlaut der Regelung, noch der Entstehungsgeschichte oder der Systematik des § 275 SGB V zu entnehmen ist, wird wieder auf den Anlass der Prüfung abgestellt. Der Grund für die Prüfung ist aber unerheblich. Entscheidend ist das Ergebnis der Überprüfung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

 

Rechtskraft
Aus
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