L 12 AS 1846/21 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 36 AS 2148/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1846/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 08.11.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Wege der einstweiligen Anordnung.

Der Antragsteller bewohnt seit November 2015 eine Mietwohnung im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Dem Mietvertrag gemäß fallen hierfür monatlich „500 € Grundmiete pauschal inklusive Nebenkosten“ an. Eine Mietsicherheit war nicht zu leisten.

Nach fristloser Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 21.05.2019 aufgrund des arbeitgeberseitigen Vorwurfes der Unterschlagung eines Betrages von rund 23.000 € beantragte der Antragsteller im Januar 2020 erstmals SGB II-leistungen beim Antragsgegner. Er habe seit der Kündigung von Hilfen seiner Mutter gelebt. Ein Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld I sei gestellt, aber nicht beschieden worden.

Nachdem der Antragsgegner den Antrag aufgrund mangelnder Mitwirkung abgelehnt hatte (Bescheid vom 15.06.2020), stellte der Antragsteller im Oktober 2020 einen neuen Leistungsantrag. Er gab an, seinen Lebensunterhalt bisher durch familiäre Unterstützung bestritten zu haben und keine Kontoauszüge vorlegen zu können, da er über kein Konto mehr verfüge (Erklärung vom 06.11.2020). Er legte Quittungen über die Zahlung der Miete für die Monate Januar bis November 2020 vor. Der eingereichten Mietbescheinigung vom 06.11.2020 nach bestand kein Mietrückstand.

Der Antragsgegner versagte zunächst Leistungen und lehnte den Antrag schließlich ab (Bescheid vom 29.03.2021; Widerspruchsbescheid vom 14.06.2021). Es fehle an der Vorlage erforderlicher Unterlagen. Es sei fraglich, wie der Antragsteller seinen Lebensunterhalt sichergestellt habe. Die hiergegen erhobene Klage des Antragstellers ist beim Sozialgericht Duisburg (SG) unter dem Az. S 36 AS 2199/21 rechtshängig.

Am 10.07.2021 hat der Antragsteller beim SG um Eilrechtsschutz nachgesucht. Er sei mittellos. Sein Vermieter habe ihm bislang im Vertrauen auf eine Nachzahlung des Antragsgegners Darlehen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährt, diese aber nunmehr fristlos gekündigt und den geschuldeten Betrag in Höhe von rund 9.500 € zur sofortigen Zahlung fällig gestellt. Ferner sei die Wohnung fristlos gekündigt worden, da er, der Antragsteller, seit Dezember 2020 mit der Miete im Rückstand sei. Hierdurch drohe ihm neben dem Verlust des Wohnraumes auch der Verlust seiner zum Juni 2021 aufgenommenen Beschäftigung als Hausmeister des Objektes, in dem die von ihm gemietete Eigentumswohnung liege. Er halte sich täglich bei seiner Mutter auf, bei der er ein oder zwei Mahlzeiten einnehme. Über ein Konto bei der Sparkasse verfügte er erst seit September 2021 wieder.

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,

den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach Maßgabe der Bestimmungen des SGB II für die Zeit ab Eilantragstellung zu gewähren.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es fehle an einem Anordnungsanspruch, es werde auf den Widerspruchsbescheid vom 14.06.2021 verwiesen.

Vorgelegt hat der Antragsteller u.a Schreiben seines Vermieters zu fristlosen Kündigungen eines gewährten Darlehens und des Mietvertrages.

Mit Beschluss vom 08.11.2021 hat das SG den Antrag des Antragstellers abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Weder aus der Verwaltungsakte noch den Gerichtsakten lasse sich ein Bild über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers machen. Es fehle der Nachweis über die Schließung des früheren Kontos und des Endkontostandes. Auch sei die bereits im Juli 2021 ausgesprochene Kündigung des Vermieters bisher folgenlos geblieben. In der Gesamtschau dränge sich der Eindruck auf, dass der Antragsteller entweder selbst über nicht unerhebliche Mittel verfüge, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, oder doch zumindest in erheblichem Umfang Unterstützung durch Dritte erhalte.

Gegen den ihm am 10.11.2021 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 08.12.2021 Beschwerde eingelegt.

Er hat eine eidesstattliche Versicherung vom 27.12.2021 vorgelegt, in der er unter anderem bekräftigt, seit Eilantragstellung verfüge er lediglich über ein Einkommen i.H.v. 350 € aus seiner Tätigkeit als Hausmeister. Zudem habe ihm sein Vermieter monatlich 100 € als Darlehen zur Verfügung gestellt. Zuvor habe er seit Mitte 2019 von Darlehen seines Vermieters sowie von den von seiner Mutter sporadisch überlassenen Lebensmitteln gelebt. Ferner hat der Antragsteller eine Darlehensvereinbarung vom 01.07.2021 und Kontoauszüge für sein aktuelles Konto sowie einen Nachweis über den Kontostand bei Schließung seines vormaligen Kontos zum Ende September 2019 beigebracht. In einer weiteren Erklärung vom 21.01.2022 hat er angegeben, dass sein Vermieter ihm die Miete seit 01.12.2020 bis heute stunde.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach Maßgabe der Bestimmungen des SGB II seit Eilantragstellung zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Es sei weiterhin unklar, wie der Antragsteller seinen Lebensunterhalt seit seiner fristlosen Kündigung im Mai 2019 bestritten habe.

Der Senat hat eine Stellungnahme des Vermieters und eine Auskunft der gesetzlichen Krankenversicherung des Antragstellers über Beitragsschulden eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

 

II.

1. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) des Antragstellers ist unbegründet.

Das SG hat den Eilantrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt.

Der Eilantrag auf eine Leistungsgewährung für die Zeit ab Eilantragstellung ist statthaft im Wege des Antrages auf Erlass einer Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG) zu verfolgen. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

a) Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 15.12.2021, L 12 AS 1561/21 B ER, Rn. 34, juris m.w.N.).

Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgen dabei Vorgaben für den Prüfungsmaßstab. Die Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz dürfen sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (BVerfG Beschluss vom 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, Rn. 9, juris). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (BVerfG Beschluss vom 06.02.2013, 1 BvR 2366/12, Rn. 3, juris). Wenn es, wie hier, um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht, können die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen sein (BVerfG Beschluss vom 14.09.2016, 1 BvR 1335/13, Rn. 20, juris). Die Fachgerichte müssen die Sach- und Rechtslage umso eingehender prüfen, je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist (BVerfG Beschluss vom 26.06.2018, 1 BvR 733/18, Rn. 3, juris). Dies bedeutet, dass das Fachgericht Ermittlungsmaßnahmen von Amts wegen (vgl. § 103 SGG) durchführen muss, die aus seiner Sicht unter Beachtung dieses Maßstabes zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind, wobei eine Entscheidung aufgrund objektiver Indizien oder der Beweislastverteilung, vor allem bei nicht ausreichender Mitwirkung des Antragstellers bei der Aufklärung des Sachverhalts, nicht ausgeschlossen ist (BVerfG Beschluss vom 01.02.2010,1 BvR 20/10, Rn. 2 juris). Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage in diesem Sinne im Eilverfahren aus, kann auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden sein (BVerfG Beschluss vom 14.09.2016, 1 BvR 1335/13, Rn. 20, juris).

Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung haben sich entsprechend am Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen Rechtsschutzbegehren verfolgt wird (BVerfG Beschluss vom 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, Rn. 10, juris m.w.N.). Zwar ist eine schnelle Entscheidung zur Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums regelmäßig notwendig. Doch genügt allein der Umstand, dass Grundleistungen der sozialen Sicherung betroffen sind, nicht, um generell einen unabwendbaren Nachteil im verfassungsprozessrechtlichen Sinn annehmen zu können. Ein solcher ist nur gegeben, wenn durch eine spätere Entscheidung nicht mehr korrigierbare, irreparable Schäden drohen (BVerfG Beschluss vom 19.09.201, 1 BvR 1719/17, Rn. 8, juris; hierzu: Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage 2017, § 86b Rn. 63.3).

b) Nach diesen Maßstäben ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht.

aa) Der Antragsteller hat eine Hilfebedürftigkeit gemäß §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs.1 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Zwar kann das erkennende Gericht, zumal im Eilverfahren, seine Entscheidung auf den Vortrag eines Beteiligten stützen (vgl. Senatsurteil vom 24.11.2021, L 12 SO 330/20, Rn. 74, juris). Der Beteiligtenvortrag muss jedoch schlüssig und in sich widerspruchsfrei sein. Um die Glaubhaftigkeit eines Anordnungsanspruchs zu begründen, muss er mit dem übrigen Akteninhalt und weiteren Beweisergebnissen in Übereinstimmung stehen bzw. in Einklang zu bringen sein (LSG NRW Beschluss vom 21.04.2021, L 7 AS 1626/20 B ER, Rn. 17, juris m.w.N.). Andernfalls kann von einer hinreichenden Mitwirkung nicht gesprochen werden.

Das ist vorliegend nicht gegeben. Der Antragsteller kann die vom Antragsgegner und dem SG nachvollziehbar geäußerten Zweifel an der Vollständigkeit der von ihm angegebenen Einnahmequellen nicht entkräften.

Die Frage, wovon der Antragsteller seit Verlust seines Arbeitsplatzes im Mai 2019 seinen Lebensunterhalt bestritten hat, hat er widersprüchlich beantwortet. Bei seiner ersten Antragstellung im Januar 2020 gab er zur Niederschrift des Antragsgegners an, er habe seither von Hilfen seiner Mutter gelebt. Nach dem in Ermangelung einer Mitwirkung abgeschlossenen ersten Antragsverfahren, teilte der Antragsteller im Rahmen des erst im Oktober 2020 angestoßenen zweiten Antragsverfahrens unter dem 06.11.2020 mit, er habe seinen Lebensunterhalt durch familiäre Unterstützung bestritten.

Nach seinen Angaben im Eilverfahren beschränken sich die Unterstützungen der Familie jedoch auf die Verköstigung durch seine Mutter, die ihm außerdem sporadisch Lebensmittel überlasse. Erstmals im Eilverfahren hat der Antragsteller angeführt, sein Vermieter habe ihm ein Darlehen zur Sicherung seines Lebensunterhaltes gewährt. Er habe die darlehensweise Unterstützung zuvor nicht angeben können, weil diese erst ab Juli 2021 „in Kraft getreten“ sei (Stellungnahme des Antragstellers vom 21.01.2022). Diese zeitliche Zuordnung trägt allerdings allenfalls das Darlehen in Höhe von 100 € monatlich ab 01.07.2021 und nicht die zuvor angegebene Darlehensleistung ab „Mitte 2019“ (laut Aufstellung des Vermieters vom 20.06.2021 tatsächlich ab Januar 2020), die im Verwaltungsverfahren keine Erwähnung fand.

Indes sind auch die Angaben zu den vermeintlichen Darlehen widersprüchlich und verstärken insofern Zweifel an der Hilfebedürftigkeit. Mit der Eilantragsschrift hat der Antragsteller vorgetragen, seinem Vermieter für das gewährte Darlehen zur Sicherung des Lebensunterhaltes 9.460 € zu schulden, die zur sofortigen Zahlung fällig gestellt worden seien. Außerdem habe sein Vermieter ihm in Bezug auf die Unterkunft die fristlose Kündigung ausgesprochen, da er, der Antragsteller, seit Dezember 2020 mit der Miete in Rückstand sei und somit 4.000 € schulde. Das zugleich vorgelegte Kündigungsschreiben des Vermieters zum Darlehen vom 20.06.2021 entspricht diesen Angaben bereits nur teilweise. Hiernach soll das Darlehen i.H.v. 9.460 € offene Mietforderungen für die Zeit von Januar bis November 2020 umschließen. In Widerspruch hierzu stehen die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Quittungen über Mietzahlungen für die Zeit von Januar bis November 2020, nach denen der Antragsteller jeweils pünktlich zum Monatsbeginn die Miete entrichtet haben soll. Auch der vorgelegten Mietbescheinigung vom 06.11.2020 zufolge bestand kein Mietrückstand.

Im Rahmen seiner eidesstattlichen Versicherung vom 27.12.2021 hat der Antragsteller zwischen Mietschulden und Rückzahlungsverpflichtungen auf das Darlehen seines Vermieters, von dem er seit Mitte 2019 lebe, differenziert. Beiden Zahlungspflichten habe er aufgrund der fehlenden Leistungen seit Juni 2019 nicht nachkommen können. Aufgrund des nunmehr über zwei Jahre andauernden Zahlungsverzuges sei diesbezüglich von einer sofortigen Fälligstellung lediglich auszugehen. Der Aufstellung im Kündigungsschreiben des Vermieters vom 20.06.2021 zufolge setzten die darlehensweisen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes indes erst im Oktober 2020 ein.

Eine weitere Abwandlung seines Vortrages, sowohl in Bezug auf die Bestreitung seines laufenden Lebensunterhaltes als auch in Bezug auf seine Mietrückstände, findet sich in der Stellungnahme des Antragstellers vom 21.01.2022. Hiernach will er seinen Lebensunterhalt in der Zeit vor der Antragstellung im Januar 2020 durch zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Reserven und erst im weiteren Verlauf durch die Gewährung des Darlehens seines Vermieters sichergestellt haben. Als seine Reserven dann Ende 2019 aufgebraucht gewesen seien, habe er sich im Januar 2020 zur Antragstellung entschlossen. Sein Vermieter habe ihm zugleich ein Darlehen zur Sicherung seiner Mietzahlungen i.H.v. 5.500 € gegeben, damit kein Mietausfall (offenbar für die vorhergehende Zeit; vgl. das Kündigungsschreiben vom 20.06.2021: 5.500 € Darlehen für die Miete von 01-11/2020) eintrete. Weshalb jedoch dann bereits im November 2020 ein fehlender Mietrückstand bescheinigt worden und Quittungen für Zahlungen von Januar bis November 2020 ausgestellt worden sind, bleibt unerfindlich.

Während der Antragsteller eidesstattlich versichert hat, sein Vermieter habe ihm mitgeteilt, dass seine Geduld nunmehr endgültig erschöpft sei, und für den Anfang des Jahres 2022 eine Räumungsklage angedroht, soll dieser ferner zugleich bereit sein, dem Antragsteller während des Eilverfahrens weitere 100 € monatlich darlehensweise zur Verfügung zu stellen. Die vorgelegte Kündigung des Mietvertrages vom 06.07.2021 aufgrund seit Dezember 2020 bestehenden Zahlungsverzuges erschließt sich auch deshalb nicht, weil der Vermieter dem Antragsteller in diesem Zeitraum gleichzeitig ein Darlehen in Höhe von insgesamt mehr als 3.000 € für den Lebensunterhalt (exklusive der Miete; vgl. Kündigungsschreiben vom 20.06.2021) gewährt haben soll. Hinzu tritt, dass der Antragstellers mit seiner Erklärung vom 21.01.2022 schließlich mitgeteilt hat, sein Vermieter stunde ihm die ausstehenden Mietzahlungen seit Dezember 2020 bis heute. Zu der nach diesem Sachverhaltsangebot fehlenden Fälligkeit der Miete steht die fristlose Kündigung in offenem Widerspruch. 

Der auf Aufforderung vorgelegte Darlehensvertrag vom 01.07.2021 betrifft allein die Zeit ab anhin, wobei die erste der weiterhin fortlaufenden Darlehenszahlungen erst am 02.08.2021 erfolgt sein soll. Eine konkrete Rückzahlungsvereinbarung wird selbst in diesem Schriftstück nicht dargeboten. Der Antragsteller solle das Darlehen schnellstmöglich zurückzahlen und sichere eine Zahlung spätestens nach Erhalt von Leistungen durch den Antragsgegner zu. Hinsichtlich des mit Schreiben des Vermieters vom 20.06.2021 gekündigten Darlehens fehlt bereits jede Substantiierung und jedes den Vortrag stützende Indiz. Weder liegt ein schriftlicher Darlehensvertrag vor, noch sind Zeitpunkt und Inhalt der vertraglichen Abrede glaubhaft gemacht oder auch nur dargelegt. Es fehlt selbst an Belegen für die Auszahlung (vgl. zu diesen Aspekten: BSG Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R, Rn. 21f., juris; LSG NRW Urteil vom 22.09.2020, L 2 AS 788/14, Rn. 46, juris; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 25.04.2018, L 7 AS 167/16, Rn. 28, juris).

Auch die durch den Senat eingeholte Stellungnahme des Vermieters vom 22.01.2022, der offenkundig weiterhin die vermeintlich drohende Räumungsklage nicht erhoben hat, kann die Widersprüchlichkeiten und die erheblichen Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nicht ausräumen. Dem Antragsgegner ist zuzustimmen, dass die Erklärung mehr Fragen aufwirft, als zu einer schlüssigen Darstellbarkeit der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers beizutragen. Der Vermieter hat mitgeteilt, er stelle dem Antragsteller, zu dem bis zu den Zahlungsausfällen ein freundschaftliches Verhältnis bestanden habe, neben der Stundung der Mietzahlungen und der Darlehen seit Juli 2021 monatlich 100 € zur Verfügung, wobei die Formulierung („neben“) auf eine zuschussweise Hingabe der 100 € deuten mag. Vor dem Hintergrund der vermeintlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses vom 06.07.2021 erscheint die hierzu abgegebene Begründung nicht plausibel. Neben der Erwartung einer kurzfristigen Klärung der Zahlungsfähigkeit soll ein eigenes Interesse darin liegen, dem Antragsteller die erst zum Juni 2021 aufgenommene Tätigkeit als Hausmeister des Hauses zu ermöglichen, in dem die vermietete Eigentumswohnung liegt. Der Antragsteller führe den Minijob tadellos aus.

Die weiter angegebene altruistische Motivation, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, jemanden in finanzieller Not zu unterstützen, um gegebenenfalls eine drohende Obdachlosigkeit zu vermeiden, steht einerseits im Spannungsverhältnis zur fristlosen Kündigung,  andererseits im Gegensatz zu dem vermeintlich aufgelaufenen Gesamtforderungsbetrag, der zwischenzeitlich immerhin rund 14.000 € umfassen würde (bis Juni 2021 9.460 €, seit Juli 2021 weitere 4.200 € <7 × 500 € Miete zzgl. 7 × 100 € Unterstützung zum Lebensunterhalt>).

Die Bekräftigung der Androhung einer Räumungsklage für den Fall einer nicht zeitnah erfolgenden Aufnahme laufender Mietzahlungen, Begleichung der aufgelaufenen Mietrückstände und Tilgung der Darlehen, mutet angesichts der zeitgleichen Bestätigung einer fortdauernden Stundung und den aufgezeigten Ungereimtheiten in Bezug auf die Mietschulden und Darlehensvereinbarungen als Versuch an, den Senat zu einer einstweiligen Anordnung zugunsten des Antragstellers zu veranlassen, sind mit Blick auf den übrigen Vortrag aber wenig überzeugend.

Die vorgelegten Kontoauszüge des Antragstellers können nicht einmal die behauptete Überweisung des Einkommens aus dem zum Juni 2021 aufgenommenen Minijob bestätigen. Es lassen sich praktisch keine aussagekräftigen Bewegungen erkennen.

Im Rahmen der Gesamtschau der Indizien vermögen letztlich auch die auf Anfrage des Senats von der gesetzlichen Krankenversicherung des Antragstellers mitgeteilten Rückstände hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge seit dem Eintritt der Arbeitslosigkeit kein anderes Ergebnis zu begründen. Zum einen hat der Antragsteller die Zahlungsrückstände selbst nicht als Ausdruck seiner Hilfebedürftigkeit angeführt, zum anderen hat der Antragsteller seine Beiträge offenbar schon zu der Zeit nicht beglichen, als er nach eigenen zwischenzeitlichen Angaben noch über Reserven verfügte, die ihn von einer Antragstellung auf SGB II-Leistungen absehen ließen. In diesem Zusammenhang ist auch wenig nachvollziehbar, warum ein Antrag auf Arbeitslosengeld I zwar gestellt, aber nie beschieden worden sein soll und der Antragsteller hier nicht ggf. durch eine Untätigkeitsklage eine Bescheidung forciert hat.

bb) Aus den vorstehenden Gründen mangelt es auch an einer Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit.

Der Senat sieht sich nach alledem nicht veranlasst, dem Antragsteller Leistungen im Wege einer Folgenabwägung zuzusprechen. Der Antragsteller hat es selbst in der Hand, widerspruchsfrei und wahrheitsgemäß vorzutragen (vgl. LSG NRW Beschluss vom 21.04.2021, L 7 AS 1626/20 B ER, Rn. 19, juris m.w.N.).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

3. Der durch Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe konkludent gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist mangels Erfolgsaussicht abzulehnen; § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO. Auf die Ausführungen unter 1. wird verwiesen.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG)

 

Rechtskraft
Aus
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